Praxishinweis
Die 15-Prozent-Falle beim anschaffungsnahen Aufwand
Größere Instandhaltungsaufwendungen, die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gebäudes anfallen, werden als (anschaffungsnahe) Herstellungskosten behandelt. Die Finanzverwaltung hat die Begriffe “größere Instandhaltungsaufwendungen” und “zeitlicher Zusammenhang mit dem Erwerb” in R 157 Abs. 4 EStR näher erläutert. Danach nimmt sie anschaffungsnahen Herstellungsaufwand an, wenn die Netto-Instandsetzungskosten (Rechnungsbetrag ohne Umsatzsteuer), die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes anfallen, 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auf einige interessante Sonderfälle bzw. Zweifelsfragen aufmerksam machen.
1. Der Grund und Boden bei Ermittlung der 15-Prozent-Grenze
Bei Ermittlung der 15-Prozent-Grenze wird auf die Anschaffungskosten des Gebäudes und nicht auf die Anschaffungskosten des Grundstücks zurückgegriffen. Daher erlangt der Grund- und Boden-Anteil besondere Bedeutung. Die Aufteilung des Kaufpreises auf Gebäude und Grund und Boden (und entsprechend die Aufteilung der Anschaffungsnebenkosten) erfolgt nach dem Verhältnis der Verkehrswerte (H 43 “Anschaffungskosten” EStH 1996). Die Höhe des Grund- und Boden-Anteils kann im Einzelfall für die Frage, ob (anschaffungsnaher) Herstellungsaufwand vorliegt, von entscheidender Bedeutung sein.
A erwirbt in 1996 ein vermietetes Zweifamilienhaus (Baujahr 1965) für insgesamt 400.000 DM. Noch in 1996 investiert er insgesamt 50.000 DM + USt 7.500 DM = 57.500 DM in die Instandsetzung des Hauses. Bei Abgabe seiner Einkommensteuererklärung 1996 schätzt A den Grund- und Boden-Anteil mit 60.000 DM. Eine genaue Überprüfung durch das Finanzamt ergibt einen Grund- und Boden-Anteil von 80.000 DM.
Aufgrund der eingereichten Steuererklärung liegt in 1996 kein anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vor, da die Netto-Instandhaltungsaufwendungen (50.000 DM) 15 Prozent der erklärten Gebäudeanschaffungskosten (400.000 DM ./. 60.000 DM = 340.000 DM x 15 % = 51.000 DM) nicht übersteigen. Bei einem Grund- und Boden-Anteil von 80.000 DM würde die Grenze jedoch bei 48.000 DM liegen (320.000 DM x 15 %), so daß die Korrektur des Grund- und Boden-Anteils gravierende Folgen hätte: Neben einer (zunächst) verminderten AfA-Bemessungsgrundlage würden die an sich sofort abziehbaren Instandhaltungskosten in anschaffungsnahen Herstellungsaufwand umqualifiziert. Insbesondere in derartigen Fällen sollte die finanzamtliche Ermittlung des Grund- und Boden-Anteils kritisch hinterfragt und die Berechnungsgrundlagen sorgfältig überprüft werden.
Die Problematik der Höhe des Grund- und Boden-Anteils kann sich im Einzelfall durchaus auch erst in einem späteren Jahr stellen.
Sachverhalt wie vorstehend, allerdings führt A die Instandsetzung erst in 1997 durch. Das Finanzamt folgt bei der Einkommensteuerveranlagung 1996 zunächst der Steuererklärung des A und beläßt den Grund- und Boden-Anteil bei 60.000 DM. Bei Bearbeitung der Erklärung 1997 wird die Frage des anschaffungsnahen Aufwands geprüft und dabei auch der Grund- und Boden-Anteil neu ermittelt. Das Finanzamt geht nun von einem (zutreffenden) Grund- und Boden-Anteil von 80.000 DM aus.
Auch hier liegt (in 1997) anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vor, da die Nettoaufwendungen (50.000 DM) die 15-Prozent-Grenze (48.000 DM) übersteigen. Denn der Umstand, daß das Finanzamt bei der Veranlagung 1996 zunächst den Grund- und Boden-Anteil des Steuerpflichtigen übernommen hat, entwickelt keine Bindungswirkung für die Folgejahre. Vielmehr ist das Finanzamt berechtigt, bei Überprüfung der Einkommensteuererklärung 1997 die Höhe des Grund- und Boden-Anteils erneut zu überprüfen und ggf. zu einem von der Erklärung abweichenden Ergebnis zu gelangen (Grundsatz der Abschnittsbesteuerung). Unangenehme Konsequenz: Der höhere Grund- und Boden-Anteil führt zu anschaffungsnahem Herstellungsaufwand.
2. Vermeidung negativer Folgen durch “zurückgehaltene” Belege?
Überschreiten die Instandhaltungskosten die 15-Prozent-Grenze, liegt die Überlegung nahe, einige Belege zurückzuhalten bzw. einige Kosten nicht geltend zu machen, um unterhalb der Grenze zu bleiben. Wer so – in Kenntnis der einkommensteuerlichen Folgen – handelt, begeht eine Steuerhinterziehung. Die “Erklärungspraxis” des Steuerpflichtigen würde zum Vollabzug des erklärten Instandsetzungsaufwands und damit zu einer sofortigen höheren Steuerentlastung führen. Es läge zumindest eine Hinterziehung auf Zeit vor.
3. Werbungskosten-Pauschalierung als Ausweg?
In der Literatur wird verschiedentlich die Auffassung vertreten, die 15-Prozent-Falle könne mit Hilfe der Werbungskosten-Pauschalierung nach § 9a Nr. 2 EStG (42 pro Quadratmeter/Jahr) umgangen werden.
Ein Steuerpflichtiger erwirbt in 1997 ein Mehrfamilienhaus; die noch in 1997 durchgeführten Instandsetzungen erreichen bedrohlich die 15- Prozent-Grenze. In 1998 entstehen erneut hohe Instandhaltungskosten. Daher macht der Steuerpflichtige in 1998 nur die Werbungskostenpauschale von 42 DM/Quadratmeter geltend. Das Finanzamt erlangt in diesem Fall von den tatsächlich in 1998 aufgewendeten Beträgen keine Kenntnis; die in 1997 abgezogenen Beträge werden nicht nachträglich in anschaffungsnahen Herstellungsaufwand umqualifiziert.
Aber: Die Pauschale ist kein Allheilmittel. Das Finanzamt ist zur Ermittlung des Sachverhalts berechtigt (§ 88 AO), das heißt, es darf prüfen, ob größerer Instandsetzungsaufwand in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb vorliegt. Der Steuerpflichtige muß zur Mithilfe bei der Sachverhaltsaufklärung beitragen; er ist insbesondere zur wahrheitsgemäßen Erklärung der insgesamt angefallenen Instandsetzungsaufwendungen verpflichtet (§ 90 Abs. 1 AO). Im Beispielsfall bedeutet dies: Der Steuerpflichtige muß seine Kosten zwecks Prüfung des anschaffungsnahen Aufwands offenlegen, obwohl ein Abzug der tatsächlichen Kosten in 1998 aufgrund der gewählten Pauschalierung nicht in Betracht kommt. Fraglich ist, ob der Steuerpflichtige die Angaben – von sich aus – schon bei Abgabe der Steuererklärung machen muß, oder ob er abwarten kann, ob das Finanzamt von ihm eine Erklärung über die in 1998 angefallenen Instandsetzungskosten anfordert. Unseres Erachtens bedarf es hierzu einer gesonderten Aufforderung des Finanzamts, das die Frage des anschaffungsnahen Aufwands prüft – es sei denn, der Steuerpflichtige wird schon vorab (zum Beispiel mit einem Erläuterungstext im letzten Steuerbescheid) zur Angabe der Instandhaltungskosten in den Folgejahren aufgefordert.
4. Mitwirkungspflichten beim selbstgenutzten Wohneigentum
Die oben erläuterte Mitwirkungspflicht besteht auch im Bereich der Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums (§ 10i EStG).
B erwirbt in 1997 ein älteres Einfamilienhaus zu Anschaffungskosten von insgesamt 300.000 DM. Der Anteil des Grund und Bodens beträgt 50.000 DM. Noch vor Nutzungsbeginn am 1.12.97 läßt B für 30.000 DM + USt 4.500 DM = 34.500 DM neue Fenster einbauen. Im Jahre 1998 wendet B weitere 10.000 DM + USt 1.600 DM für Instandsetzungen auf. B nutzt das Objekt zu eigenen Wohnzwecken. In seiner Einkommensteuererklärung 1997 macht er den Vorkostenabzug nach § 10i Abs. 1 Nr. 2a EStG mit 22.500 DM geltend.
B erhält für 1997 den Vorkostenabzug seiner vor Beginn der Selbstnutzung angefallenen Erhaltungsaufwendungen, jedoch max. 22.500 DM (§10i Abs. 1 Nr. 2a EStG). Die Netto-Instandsetzungskosten (30.000 DM) übersteigen nicht 15 Prozent der Gebäudeanschaffungskosten (250.000 DM x 15 % = 37.500 DM). Da sich die Prüfung des anschaffungsnahen Aufwands jedoch auf den Dreijahreszeitraum erstreckt, ist B verpflichtet, dem Finanzamt auch den in den Folgejahren angefallenen Instandhaltungsaufwand zu erklären, obwohl die Möglichkeit des Vorkostenabzugs dann nicht mehr besteht. Folge: Aufgrund des in 1998 aufgewendeten Betrages von 10.000 DM netto betragen die Instandsetzungskosten insgesamt 40.000 DM, die 15-Prozent-Grenze wird überschritten. Die zunächst als Vorkosten geltend gemachten Instandsetzungskosten werden zu anschaffungsnahem Herstellungsaufwand. Zwar werden die Anschaffungskosten des Gebäudes nun erhöht, dies bleibt aber zumeist wirkungslos, da nach dem Eigenheimzulagengesetz nur Anschaffungskosten von bis zu 100.000 DM gefördert werden.
Das Finanzamt wird den Einkommensteuerbescheid 1997 nach § 165 Abs. 2 AO ändern, wenn dieser hinsichtlich des anschaffungsnahen Aufwands vorläufig ergangen ist. Dagegen ist bei endgültigen Steuerbescheiden die Änderungsbefugnis umstritten; insbesondere ist fraglich, ob ein rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorliegt.
Fraglich ist auch, ob der Steuerpflichtige die in 1998 angefallenen Instandhaltungsaufwendungen bei Abgabe der Steuererklärung von sich aus angeben muß oder ob er abwarten kann, ob das Finanzamt ihn hierzu auffordert. Unseres Erachtens bedarf es im Regelfall einer gesonderten Aufforderung (siehe Ausführungen unter 2.).
Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 05/1998, Seite 12