Umsatzsteuer
Umsatzsteuerliche Behandlung von Zahlungen der Öffentlichen Hand
von RD Hans U. Hundt-Eßwein, Rösrath
Aus mannigfaltigen Gründen leistet die Öffentliche Hand Zahlungen an Unternehmer, zum Beispiel um Anfangsinvestitionen zu begünstigen oder die Auslagerung eigener Aufgaben zu fördern. Da die umsatzsteuerliche Behandlung dieser Zahlungen sehr diffizil ist, gibt der nachfolgende Beitrag einen Überblick über die bestehende Rechtslage.
1. Grundsätzliches
Das deutsche Umsatzsteuerrecht unterscheidet drei Arten von Zahlungen der öffentlichen Hand. Sie sind entweder
- Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG für eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung des Unternehmers,
- zusätzliches Entgelt nach § 10 Abs. 1 S. 3 UStG für eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung des Unternehmers (= so genannte unechte Zuschüsse), oder
- echte“, nicht der Umsatzbesteuerung unterliegende Zuschüsse.
Je nach Zuordnung kann die Zahlung die Umsatzsteuer des Unternehmers wesentlich erhöhen. Die Beurteilung ist unter Berücksichtigung EG-rechtlicher Vorgaben und der EuGH-Rechtsprechung vorzunehmen, da das Umsatzsteuerrecht auf EG-Ebene im Wesentlichen harmonisiert ist (vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie; EuGH 29.2.96, Rs. C-215/94, Mohr, HFR 96, 294 und EuGH 18.12.97, Rs. C-384/95, Landboden Agrardienst, HFR 98, 315).
Dabei ist es gleichgültig, ob die Zahlungen als „Zuschuss, Zuwendung, Entschädigung, Prämie, Ausgleichsbeitrag, Kostenübernahme“ o.ä. bezeichnet werden (vgl. Abschn. 150 Abs. 1 UStR).
Im Folgenden sind die wesentlichen steuerlichen Grundlagen für die Einordnung von Zahlungen der Öffentlichen Hand zusammengefasst und einige Beispiele aufgeführt.
2. Zahlungen als steuerpflichtiges Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung eines Unternehmers
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt ausführt, unterliegen der Umsatzbesteuerung. Es wird insoweit von einem Leistungsaustausch gesprochen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ). Ein Leistungsaustausch setzt voraus, dass der leistende Unternehmer die Leistung erbringt, um eine Gegenleistung, also das Entgelt zu erhalten („finale Zweckrichtung“; BFH 30.1.97, BStBl II, 335). Hierfür reicht es aus, wenn er die Leistung wegen einer erwarteten Gegenleistung erbringt, so dass seine Leistung und die erwartete (bzw. erwartbare) Gegenleistung der Öffentlichen Hand in einem Zusammenhang stehen.
Zur Aufklärung dieses Zusammenhangs ist auf die Vereinbarungen der Beteiligten, zum Beispiel auf den Inhalt der Bewilligungsbedingungen oder der Vergaberichtlinien abzustellen. Ein steuerbarer Leistungsaustausch liegt beispielsweise vor, wenn die Gemeinde an einen Unternehmer einen Zuschuss zum Bau einer privaten Tiefgarage mit der Auflage zahlt, einen Teil der Plätze der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen (BFH 13.11.97, BStBl II 98, 169). Hier ist ein Zusammenhang zwischen der Leistung des Unternehmers und dem – erwarteten – Zuschuss der Gemeinde gegeben.
Die frühere Rechtsprechung (BFH 21.4.93, BStBl II, 696) und die Finanzverwaltung (z.B. BMF 4.5.92, UR 92, 184) haben bei der Frage des Zusammenhangs keinen Wert auf die Unterscheidung gelegt, ob die Leis-tung des Unternehmers gegenüber einem konkreten Leistungsempfänger (beispielsweise der Gemeinde) oder gegenüber der Allgemeinheit erfolgte (vgl. Husmann, UR 00, 137). Dem hat der EuGH jedoch widersprochen.
Beispiel
Ein Landwirt erhält vom Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft eine Prämie nach EG-Marktordnungsrecht, weil er sich zur Aufgabe der Milcherzeugung entschließt
Im Beispielsfall erbringt der Landwirt unstreitig eine Leistung, denn diese kann auch im Unterlassen liegen, hier also der weiteren Milcherzeugung (vgl. § 3 Abs. 9 S. 2 UStG). Die Leistung steht auch im Zusammenhang mit der Zahlung der öffentlichen Stelle.
Dennoch hat der EuGH in der Prämienzahlung für die Aufgabe der Milcherzeugung kein Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sondern einen nicht steuerbaren, „echten“ Zuschuss gesehen (EuGH 18.12.97, a.a.O.; vgl. jetzt auch Abschn. 150 Abs. 2 UStR). Er begründet dies damit, dass es nicht ausreichend sei, zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis im weitesten Sinne zu konstruieren. Vielmehr müsse die Leistung an einen konkretisierbaren Leistungsempfänger erbracht werden (EuGH 29.2.96, a.a.O.). Die zuständige öffentliche Stelle selbst (im vorliegenden Beispielsfall das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft) habe allein durch die Zahlung der Prämie für die Aufgabe der Milcherzeugung, die im allgemeinen Interesse gewährt werde, keinen konkret messbaren Vorteil erlangt.
Daher sei für die Frage nach dem Vorliegen eines Leistungsentgelts i.S. des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG stets zusätzlich zu prüfen, ob – neben dem bereits erwähnten Zusammenhang zwischen konkreter Leistung und erwarteter Gegenleistung – der Empfänger der Leistung auch einen tatsächlichen Vorteil in Form einer Lieferung oder sonstigen Leis-tung erlangt habe, der einen „Kostenfaktor in der Tätigkeit eines anderen Beteiligten am Wirtschaftsleben bilden könnte“ (EuGH 18.12.97, a.a.O.; vgl. jetzt auch Abschn. 150 Abs. 2 UStR).
Dieser Rechtsprechung folgend, hat der BFH in dem Zuschuss einer Gemeinde an einen Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs, der diese Aufgabe an Stelle des städtischen Verkehrsamts durchführt, kein Entgelt für eine Leistung gesehen (BFH 22.7.99, BFH/NV 00, 240).
In den folgenden Beispielsfällen wird dagegen ein Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bzw. ein Leistungsentgelt i.S. des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG angenommen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Urteile zum Teil vor der EuGH- und der geänderten BFH-Rechtsprechung ergangen sind und eine andere Beurteilung aus heutiger Sicht im Einzelfall nicht auszuschließen ist:
- Zuschuss einer Gemeinde an eine GmbH zum Bau einer Kläranlage, weil die GmbH die öffentliche Aufgabe der Abwasserbeseitigung gegen Kostenerstattung übernommen hat (FG Schleswig-Holstein 28.9.99, EFG 00, 656 n.rkr.);
- Zuschuss einer Gemeinde an einen Verein zur Durchführung von Werbeveranstaltungen in der Vorweihnachtszeit (Abschn. 150 Abs. 2 Beispiel 1);
- Zahlung des Honorars für die Erstellung von Auftragsgutachten eines Vereins (BFH 5.6.86, BFH/NV 87, 199), anders wäre es hingegen, wenn der Verein nur allgemein in die Lage versetzt werden soll, tätig zu werden;
- Zahlungen für eine Forschungsarbeit an einen Unternehmer, der sich das Veröffentlichungs- und Verwertungsrecht am Abschlussbericht vorbehalten hat (BFH 23.2.89, BStBl II, 638);
- Zahlung eines Pauschalbetrages an einen Verein, der auf vereinseigenem Grund und Boden einen Flugplatz betreibt und dabei die Luftaufsicht wahrnimmt (BFH 25.3.93, UR 93, 357).
3. Zahlungen der Öffentlichen Hand als zusätzliches Entgelt von Dritter Seite
Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 S. 3 UStG). Entgelt von Dritter Seite sind bei Zahlungen durch die Öffentliche Hand folgende Fälle:
- Die Öffentliche Hand zahlt aus vertraglichen oder gesetzlichen Gründen an Stelle des Leistungsempfängers;
- die öffentliche Hand zahlt neben dem Leistungsempfänger („Preisauffüllung“).
Demnach kann es grundsätzlich nur dann zur Annahme eines Entgelts von Dritter Seite kommen, wenn die Öffentliche Hand den Zuschuss nicht bereits im Rahmen eines Leistungsaustausches zahlt (BFH 20.2.92, BStBl II, 705). In diesem Fall kommen für die Beurteilung der Zahlung die Ausführungen zu 2. in Betracht.
Zudem darf es sich nicht um einen echten Zuschuss handeln. Bei der Abgrenzung des (zusätzlichen) Entgelts von Dritter Seite nach § 10 Abs. 1 S. 3 UStG vom nicht steuerbaren echten Zuschuss kommt es maßgeblich darauf an, ob die Öffentliche Hand die Zahlung „für die Leistung“ des Unternehmers oder aber ganz allgemein zur Förderung des Unternehmers bzw. aus übergeordneten strukturpolitischen oder volkswirtschaftlichen Gründen leistet (BFH 30.1.97, BStBl II, 335).
Die Abgrenzung wird somit nach der Person des Bedachten (Leistungsempfänger beim Entgelt von Dritter Seite; leistender Unternehmer = Zahlungsempfänger beim echten Zuschuss) und nach dem Förderziel vorgenommen (vgl. BFH 8.3.90, BStBl II, 708):
- Die Öffentliche Hand zahlt „für die Leistung“, wenn sie mit der Zahlung einen Rechtsanspruch des Leistungsempfängers oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ihm gegenüber erfüllt. Zumindest muss die Zahlung im Interesse des Leistungsempfängers erfolgen. (Abschn. 150 Abs. 3 UStR). Mit der Zahlung soll bezweckt werden, das vereinbarte Entgelt anzuheben und dadurch das Zustandekommen eines Leistungsaustausches zu sichern oder zu fördern. Ein steuerbares Entgelt von dritter Seite liegt beispielsweise vor, wenn die Gemeinde einem Beförderungsunternehmen Fahrgeldausfälle für die kostenlose Beförderung von Schwerbehinderten erstattet (Abschn. 150 Abs. 6 Beispiel 1 UStR);
- Soll durch die Zahlung der leistende Unternehmer und nicht der Leistungsempfänger gefördert werden, liegt dagegen kein zusätzliches Entgelt von dritter Seite, sondern ein echter Zuschuss vor (Abschn. 150 Abs. 4 UStR). Beispiel: Zuschüsse an einen Verkehrsunternehmer, um ihn nicht vom Markt auszuschließen (BFH 22.7.99, BFH/NV 00, 240).
Hinweis: Die technische Abwicklung des Zahlungsverkehrs, zum Beispiel die unmittelbare Zahlung der öffentlichen Hand an den leistenden Unternehmer und nicht an den geförderten Leistungsempfänger, spielt keine Rolle.
In folgenden Beispielsfällen wird ein (zusätzliches) Entgelt von Dritter Seite angenommen:
- Zuzahlungen einer öffentlichen Stelle (BfA) an eine Behindertenwerkstatt für die Ausbildung und Betreuung von Behinderten (Abschn. 150 Abs. 3 Beispiel 1 UStR);
- Zahlungen der Sozialhilfeträger an die Träger von Behindertenwerkstätten im Hinblick auf die Maßnahmen der Eingliederungshilfe (BFH 15.6.88, BFH/NV 89, 263);
- Zuzahlungen einer öffentlichen Stelle (Land) an einen Bauunternehmer zum Bau eines Studentenwerks (Abschn. 150 Abs. 3 Beispiel 2 UStR);
- Zuwendungen des Landes an eine Gemeinde zum Bau und zur Unterhaltung einer Müllverbrennungsanlage, wenn die Gemeinde ihrerseits mit der Durchführung der Aufgabe eine GmbH betraut, und Zuwendungen an die GmbH weitergeleitet werden (Abschn. 150 Abs. 6 Beispiel 2 UStR);
- Zuwendungen des Amtes für Land- und Wasserwirtschaft an eine GmbH, die mehrheitlich einer Gemeinde gehört, zum Bau und zur Unterhaltung einer Kläranlage (FG Schleswig-Holstein 28.9.99, EFG 00, 656 n.rkr.),
- nicht rückzahlbare Zuschüsse der Wohnungsbauförderungsanstalt an Bauherren für die Vermietung von Altenwohnungen.
4. Zuwendungen der Öffentlichen Hand als „echte“, nicht steuerbare Zuschüsse
In allen anderen Fällen, in denen die zuwendende Öffentliche Hand weder auf Grund eines Leistungsaustausches als Empfänger einer Leistung noch als „Dritter“ nach § 10 Abs. 1 S. 3 UStG für die Leistung des Unternehmers zahlt (gegebenenfalls teilweise), ist die Zuwendung als nicht steuerbarer (echter) Zuschuss anzusehen. Gleiches gilt, wenn der Zahlungsempfänger – losgelöst von einem konkreten Umsatz – durch die Zahlung in die Lage versetzt werden soll, überhaupt tätig zu werden (vgl. Abschn. 150 Abs. 7 UStR).
So wird in folgenden Beispielsfällen ein echter Zuschuss angenommen:
- Beihilfen in der Landwirtschaft, durch die bestimmte Struktur-und Verhaltensänderungen der Landwirte gefördert werden sollen (Beispiele: Milcherzeugung: EuGH 29.2.96, a.a.O.; Extensivierung der Kartoffelproduktion: EuGH 18.12.97, a.a.O.; Brachlegung von
Ackerflächen: BFH 30.1.97, BStBl II, 335); - Zahlungen von Gebietskörperschaften an eine private Fremdenverkehrsgesellschaft „zur Erhaltung und Sicherstellung des laufenden Geschäftsbetriebs“ (BFH 26.10.00, BFH/NV 01, 494);
- Zahlung einer Gebäuderestwert-Entschädigung durch eine Gemeinde an einen Unternehmer, der Grundstücke im Sanierungsgebiet erworben und sich zur Neubebauung verpflichtet hat (BFH 26.10.00, V R 10/00, Abruf-Nr. 010033, gegen Abschn. 1 Abs. 11 S. 1 UStR);
- Filmpreis für eine künstlerische Leistung (BFH 20.2.92, BFH/NV 92,701), anders Zuschüsse, die an eine bestimmte Filmproduktion gebunden sind (BFH 24.8.67, BStBl III, 717);
- Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (BMF 26.8.99, BStBl I, 828),
- allgemeine Zuwendungen aus öffentlichen Kassen zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs; anders wenn die Zahlung im öffentlich-rechtlichen Interesse zu Gunsten des Passagiers (Empfänger der Beförderungsleistung) erfolgt (BFH 25.11.86, BStBl II 87, 228).
Hinweis 1: Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass Zahlungen aus öffentlichen Kassen, die ausschließlich auf der Grundlage des Haushaltsrechts vergeben werden, im Grundsatz echte Zuschüsse sind (Abschn. 150 Abs. 8 UStR).
Hinweis 2: Letztlich kommt es für die Beurteilung einer Zahlung darauf an, welchen Zweck die Öffentliche Hand mit der Zahlung verfolgt. Diese innere Tatsache ist gegebenenfalls den äußeren Gegebenheiten zu entnehmen (BFH 9.12.87, BStBl II 88, 471).
Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 08/2001, Seite 301