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  • 30.09.2009 | Umsatzsteuer

    Umsatzsteuerliche Organschaft: Vorteile, Nachteile und Risiken

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Die umsatzsteuerliche Organschaft führt zur „zusammengefassten Umsatzbesteuerung“ der zum Organkreis gehörenden Unternehmen. Der Organträger hat auch für die Umsätze der Organgesellschaften die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge abzuführen, was insbesondere bei Zahlungsschwierigkeiten einer Organgesellschaft zu unerwarteten Liqui­ditätsbelastungen führen kann. Nachfolgend werden die wichtigsten Problemfelder in diesem Bereich dargestellt.  

    1. Vorteile der umsatzsteuerlichen Organschaft

    Bei finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gilt eine Kapitalgesellschaft als „Organtochter“ als derart in das Unternehmen der „Organmutter“ eingebunden, dass die Umsatzsteuer und die Vorsteueransprüche der Organgesellschaft (OG) beim Organträger (OT) zu erfassen sind. Leistungen zwischen den im Organkreis verbundenen Unternehmen bleiben dabei - zumindest soweit sie auf das Inland entfallen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG) - als Innenumsätze unbesteuert. Dies gilt abweichend von § 14c UStG selbst dann, wenn die Organbeteiligten untereinander mittels Rechnung mit Umsatzsteuerausweis abrechnen (A. 183 Abs. 4 S. 2 und 3 UStR). Aus dieser „zusammengefassten Betrachtung“ aller Unternehmen des Organkreises ergeben sich gewichtige umsatzsteuerliche Vorteile:  

     

    Beispiel 1

    A betreibt ein Architekturbüro und ist zudem alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH, die als Bauträgerin gem. § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfreie Umsätze erwirtschaftet. Von den durch sein Büro erbrachten Architekturleistungen entfällt ein Umsatzanteil von 300.000 EUR auf gegenüber der A-GmbH erbrachte Planungsleistungen.  

     

    Neben der finanziellen bzw. organisatorischen Eingliederung (Alleingesellschafterstellung bzw. Alleingeschäftsführerfunktion des A bei der A-GmbH) sah der BFH im vorliegenden Fall aufgrund der „mehr als nur unerheblichen wirtschaftlichen Leistungsaustauschbeziehungen“ zwischen dem A und der A-GmbH auch die Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung als erfüllt an (BFH 3.4.03, V R 63/01).  

     

    Die Bejahung der Organschaft und die Einordnung der gegenüber der A-GmbH erbrachten Architekturleistungen als Innenumsatz verhindert hier, dass eine „kostenwirksame“ Umsatzsteuer entsteht - denn aufgrund ihrer vorsteuerschädlichen Ausgangsumsätze könnte die A-GmbH gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG keine Vorsteuern abziehen.  

     

    Beispiel 2

    B beschäftigt sich als Einzelunternehmer mit dem gewerblichen An- und Verkauf von Grundstücken und ist daneben alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der B-GmbH (Bauunternehmen). B schließt mit Immobilieninteressenten regelmäßig Kaufverträge über unbebaute Parzellen ab und verpflichtet als Geschäftsführer der B-GmbH diese im gleichen Notarvertrag, das jeweilige Wohngebäude schlüsselfertig zu errichten.  

     

    Die Finanzverwaltung ging bislang aufgrund der zivilrechtlich getrennten Leistungsbeziehungen von getrennt zu beurteilenden Leistungen aus: umsatzsteuerfreier Grundstücksverkauf des B sowie umsatzsteuerpflichtige Bauleistungen der B-GmbH. Sie hielt eine „einheitliche Leistung“ selbst bei umsatzsteuerlicher Organschaft für ausgeschlossen.  

     

    Der BFH sah dies jüngst jedoch anders. Zum einen nahm er eine umsatzsteuerliche Organschaft an und bejahte die wirtschaftliche Eingliederung aufgrund des „abgestimmten Zusammenwirkens“ zwischen dem B und der B-GmbH, obwohl es zwischen den beiden nicht zu einem Leistungsaustausch kam. Zum anderen sah er darin auch eine zusammenzufassende „einheitliche Leistung“. Denn das Umsatzsteuerrecht unterstelle in solchen Fällen abweichend vom Zivilrecht einen „einheitlich leistenden Unternehmer“ (BFH 29.10.08, XI R 74/07). Demnach bleiben auch die Bauleistungen der B-GmbH gemäß § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfrei (Kehrseite: keine Vorsteuerentlastung aus den Baukosten, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).  

     

    2. Nachteilige Aspekte und Zahlungsrisiken des Organträgers

    Den genannten Vorteilen der umsatzsteuerlichen Organschaft stehen jedoch zahlreiche Nachteile gegenüber. So schuldet der OT die Umsatzsteuer auch dann aus den Umsätzen der OG, wenn die OG selbst zum (zwischenbetrieblichen) Ausgleich dieser Beträge aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten nicht mehr in der Lage ist. Denn der Fiskus greift in solchen Fällen - anders als bei § 69 AO - verschuldensunabhängig auf das Vermögen des OT durch, da dieser originärer Steuerschuldner und nicht nur Haftungsschuldner ist. Zudem hat der Fiskus durch die Haftungsnorm des § 73 AO die Möglichkeit, für organschaftsbedingte Umsatzsteuerschulden - soweit er die entsprechenden Mittel beim OT nicht mehr beitreiben kann - letztlich auch auf das Vermögen der OG zuzugreifen.  

     

    Vor dem Hintergrund dieser Nachteile war in der Literatur (so z.B. ­Stadie in UR 08, 540) die Auffassung vertreten worden, die Rechtsfolgen der Organschaft stellten gemeinschaftsrechtlich letztlich ein Wahlrecht der beteiligten Unternehmer dar (vgl. auch FG Rheinland-Pfalz 11.3.08, 6 V 2395/07). Dies hat der BFH jedoch jüngst ausdrücklich verneint (BFH 29.10.08, XI R 74/07). Wenn die Rechtsfolgen der Organschaft vermieden werden sollen, könne dies nur durch gestalterisches Unterbinden der Eingliederungskriterien gelingen (z.B. der organisatorischen Eingliederung: vgl. BFH 14.2.08, V R 12/06; BFH 3.4.08, V R 76/05).  

     

    Besonders strittig ist die umsatzsteuerliche Steuerschuldnerschaft des OT, soweit es um „außerorganschaftliche Sachverhalte“ der OG geht:  

     

    Beispiel 3

    Einzelunternehmer U war umsatzsteuerlicher Organträger der OG-GmbH. Aus vorsteuerbehafteten Leistungsbezügen der OG Anfang 07 flossen ihm daher im Voranmeldungszeitraum 3/07 500.000 EUR an Vorsteuern zu. Zum 31.12.07 verkaufte U alle Anteile der OG-GmbH an K. Anfang 2009 gelangte das FA anlässlich einer Prüfung bei der OG zu der Feststellung, dass der in 3/07 gewährte Vorsteuerabzug gemäß § 17 UStG im Voranmeldungszeitraum 4/09 komplett rückgängig zu machen sei. Da die Vorsteuererstattung in 3/07 dem U als damaligem OT zugeflossen war, fordert das FA auch die korrespondierende Vorsteuerrückerstattung von U zurück.  

     

    Der BFH hat das Ansinnen des FA jedoch klar zurückgewiesen. Die Vorsteuerrückforderung könne der Fiskus - da sie sich auf einen nach Beendigung der Organschaft anzusiedelnden Vorgang beziehe - nur bei der OG-GmbH als aktuellem Steuerschuldner im Besteuerungszeitraum 4/09 geltend machen (BFH 7.12.06, V R 2/05). Diese Sichtweise überrascht zwar auf den ersten Blick, denn zu „abgetretenen Vorsteuererstattungsansprüchen“ hat der BFH inzwischen bereits mehrfach entschieden, spätere Vorsteuerkorrekturereignisse i.S. von § 17 UStG würden weiterhin gegen den ursprünglichen Abtretungsempfänger wirken, sodass von diesem später der ursprünglich erlangte Vorsteuerbetrag zurückgefordert werden könne (BFH 19.8.08, VII R 36/07; ebenso hinsichtlich durch die Jahresfestsetzung korrigierter Vorsteuervergütungsansprüche: BFH 17.03.09, VII R 38/08).  

     

    Für die vorliegende Organschaftsproblematik kommt der BFH jedoch trotz der Fallparallelen zu einem anderen Ergebnis. Denn nach der gesetzlichen Regelungstechnik wirkten spätere Umsatzsteuer-/Vorsteuerkorrekturen i.S. von § 17 UStG systematisch nicht in das Ursprungsjahr zurück, sondern seien im „Korrekturereigniszeitraum“ anzusiedeln. Soweit dort jedoch die Organschaftsbeziehung zum OT bereits beendet sei, könne vom diesem für solche „nachorganschaftlichen Besteuerungsereignisse“ keine Forderung mehr erhoben werden; die OG sei nämlich wieder selbst Steuerschuldner.  

     

    Damit hat ein OT nach Beendigung der Organschaft die Sicherheit, nicht mit USt-Nachzahlungen bezüglich „nachorganschaftlicher Besteuerungsereignisse“ konfrontiert zu werden. Umgekehrt ist mit der o.a. BFH-Entscheidung jedoch auch klargestellt, dass der OT keinen Rückerstattungsanspruch erlangt, wenn sich hinsichtlich der für die OG abgeführten Umsatzsteuerbeträge erst in „nachorganschaftlicher Zeit“ eine Korrektur i.S. von § 17 UStG ergibt. Entsprechendes dürfte auch für die steuermindernden Folgen einer erst „nachorganschaftlich“ vorgenommenen Korrektur eines „überhöhten Steuerausweises“ der OG i.S. von § 14c Abs. 1 UStG gelten. Denn nach § 14c Abs. 1 S. 2 UStG gilt dabei § 17 Abs. 1 UStG entsprechend.  

     

    Umgekehrt ergibt sich aus den Urteilsgrundsätzen aber auch, dass der OT für während der Dauer der Organschaft stattfindende Vorsteuerkorrekturen i.S. von § 17 UStG als Steuerschuldner einzustehen hat, auch wenn in „vororganschaftlicher Zeit“ die OG selbst - oder ein damaliger anderer OT - den entsprechenden Vorsteuerabzug vereinnahmt hatte.  

     

    Eine ähnliche Problematik besteht hinsichtlich der Frage, ob bei Leistungen, die die OG noch in organschaftlicher Zeit bezogen, die zugehörige Rechnung aber erst nach Beendigung der Organschaft vorlag, noch dem damaligen OT der Vorsteueranspruch zusteht. Das FG Schleswig-Holstein hat dies bejaht. Ein Vorsteuerabzug könne nur dem ursprünglichen Leistungsbezieher - bzw. dessen damaligem OT - zustehen; an dieser Verknüpfung ändere auch der verspätete Rechnungszugang nichts (FG Schleswig-Holstein 2.10.07, 4 K 9/06). In gleicher Weise sind die während der Organschaft von der OG erwirtschafteten Umsätze auch dann noch dem OT zuzurechnen, wenn die Umsatzsteuer wegen zulässiger und praktizierter „Ist-Besteuerung“ erst im Nachhinein entsteht (FG Düsseldorf 23.4.93, 5 K 531/90 U). Bei Umsätzen, für die die OG noch während der Organschaftsphase Anzahlungen vereinnahmt hat, aber deren abschließende Ausführung erst nach Beendigung der Organschaft erfolgt ist, hat eine getrennte Besteuerung zu erfolgen (Restbesteuerung bei der OG: BFH 21.1.01, V R 68/00).  

    3. Organschaft und Insolvenz

    Entscheidende Bedeutung kommt nach den vorstehenden Überlegungen der Frage zu, ob das umsatzsteuerliche Nachzahlungsereignis der nach­organschaftlichen Zeit zuzuordnen oder noch in der aktiven Organschaftsphase anzusiedeln ist - dies gilt insbesondere in Insolvenzfällen:  

     

    Beispiel 4

    Zwischen Einzelunternehmer A als OT und der A-GmbH als OG besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft. In 1/09 meldet die A-GmbH Insolvenz an und zum 30.1.09 wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Das FA ermittelt daraufhin, dass auf den 30.1. bei der GmbH aus von Dritten bezogenen Lieferungen und Leistungen noch Verbindlichkeiten über 1.190.000 EUR bestehen und macht dementsprechend Vorsteuerberichtigungsansprüche i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.H. von 190.000 EUR gegenüber A als OT geltend. A argumentiert demgegenüber, durch die Insolvenzeröffnung sei das Organschaftsverhältnis beendet worden, sodass er hinsichtlich der Vorsteuerkorrekturen nicht mehr Steuerschuldner sei.  

     

    Fraglich ist die zeitliche Reihenfolge von Organschaftsbeendigung und Vorsteuerkorrekturansprüchen i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Hierzu hat der BFH in einem Beschluss (BFH 5.12.08, V B 101/07) klargestellt, dass es sich bei den Korrekturansprüchen - in Abgrenzung zur BFH-Entscheidung vom 7.12.06 (V R 2/05) - in aller Regel nicht um ein „nachorganschaftliches Ereignis“ handele. Vielmehr träten durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der A-GmbH die Organschaftsbeendigung (Wegfall der organisatorischen Eingliederung: OT verliert seinen Einfluss über OG an den Insolvenzverwalter) und die vorsteuerbezogene Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG regelmäßig gleichzeitig ein. Demnach müsse der OT die Vorsteuerkorrekturfolgen gegen sich gelten lassen.  

     

    Die Steuerschuldnerschaft des OT umfasst demnach grundsätzlich auch noch die durch die Insolvenzeröffnung beim OG hervorgerufenen Vorsteuer­korrekturen i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Organschaft im Korrekturzeitpunkt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG bereits als beendet anzusehen ist. Bei dieser Beurteilung muss in Insolvenzfällen zwischen verschiedenen Fallkon­stellationen unterschieden werden:  

     

    3.1 Insolvenzeröffnung

    Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der OG verliert der OT regelmäßig durch Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis den Einfluss über die OG an den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO), was den Wegfall der „organisatorischen Eingliederung“ und damit das Ende der umsatzsteuerlichen Organschaft nach sich zieht (BFH 13.3.97, V R 6/96). Ausnahmsweise kann die Organschaft allerdings trotz Insolvenz­eröffnung erhalten bleiben, wenn zusätzlich auch über das Vermögen des OT das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und beide Verfahren durch denselben Insolvenzverwalter - allerdings unter Aufrechterhaltung der Eingliederungsmerkmale (insbesondere der wirtschaftlichen Eingliederung) - geführt werden.  

     

    Eine weitere Ausnahme von der Organschaftsbeendigung mit Insolvenz­eröffnung bei der OG ist denkbar, soweit das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss die „Eigenverwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters“ anordnet, denn in diesen Fällen bleibt die Verfügungs- und Verwertungsbefugnis regelmäßig beim OT (Ausnahme: Kassenbefugnis beim Sachwalter i.S. von § 275 Abs. 2 InsO, verfügtes Schuldaufnahmeverbot i.S. von § 275 Abs. 1 InsO, Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters i.S. von § 277 Abs. 1 InsO).  

     

    Wird demgegenüber allein über das Vermögen des OT das Insolvenzverfahren eröffnet, so besteht das Organschaftsverhältnis grundsätzlich weiter. Dies setzt allerdings voraus, dass der Insolvenzverwalter - neben der finanziellen Eingliederung - auch die organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung beibehält, d.h. auf die laufende Geschäftsführung der OG unverändert Einfluss nimmt und die Leistungsaustauschbeziehungen bzw. das „abgestimmte Zusammenwirken“ zwischen OG und OT aufrecht hält.  

     

    Wird nach Insolvenzantragstellung bei der OG das Verfahren „mangels Masse“ nicht eröffnet, so kommt es - mangels Wegfall der organisatorischen Eingliederung (kein Insolvenzverwalter) - grundsätzlich nicht zur Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft, wenn die wirtschaftliche Eingliederung unverändert erhalten bleibt (BFH 28.9.07, V B 213/06).  

     

    3.2 Vorangehende „vorläufige Insolvenzverwaltung“

    Eine bereits vor der Insolvenzeröffnung anzusiedelnde Beendigung der Organschaft ist im Falle der vorläufigen Insolvenzverwaltung (§ 22 InsO) denkbar. Entscheidende Bedeutung kommt dabei jedoch der Rechtsstellung bzw. den Befugnissen des vorläufigen Insolvenzverwalters zu:  

     

    • Wird vom Insolvenzgericht ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der OG ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so verliert der OT bereits zu diesem Zeitpunkt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis an den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 1 InsO), sodass es sofort zur Organschaftsbeendigung infolge wegfallender organisatorischer Eingliederung kommt. Ist zu diesem Zeitpunkt die „Uneinbringlichkeit“ i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG noch nicht gewiss (Hinweis: A. 223 Abs. 5 S. 5 UStR benennt die Insolvenzeröffnung als „spätestmöglichen“ Uneinbringlichkeitszeitpunkt), so werden entsprechende Vorsteuerkorrekturen nicht mehr vom OT, sondern von der OG selbst geschuldet.

     

    • Bei der Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 22 Abs. 2 InsO) ist demgegenüber regelmäßig davon auszugehen, dass die Organschaft bis zur Insolvenzeröffnung unangetastet bleibt (BFH 1.4.04, V R 24/03). Dies gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn das Insolvenzgericht Verfügungen des Schuldners von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig macht (§ 21 Abs. 2 Alt. 2 InsO). Denn Organträger und Insolvenzverwalter haben insoweit eine vergleichbar starke Stellung und in solchen „Patt-Situationen“ bleibt die organisatorische Eingliederung laut BFH zumindest dann erhalten, wenn die finanzielle und die wirtschaftliche Eingliederung besonders stark ausgeprägt sind (BFH 11.11.08, XI B 65/08).

     

    3.3 Eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassungen

    Gründet sich die Unternehmereigenschaft des OT ausschließlich auf der entgeltlichen Überlassung von Wirtschaftsgütern an die OG, war zudem diskutiert worden, ob aufgrund der ab „Krisenbeginn“ wegen Beurteilung als „eigenkapitalersetzender Gebrauchsüberlassung“ von der OG nicht mehr einforderbaren Miete bereits die Unternehmereigenschaft des OT weggefallen sei. Dies hätte das Ende der Organschaft bedeutet und der OT wäre für die erst später (bei Insolvenzeröffnung) entstehende Vorsteuerrückzahlungspflicht i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG demnach nicht mehr Steuerschuldner gewesen. Auch dies hat der BFH jedoch jüngst zurückgewiesen und argumentiert, die Umwandlung der Gebrauchsüberlassung in „funktionales Eigenkapital“ ändere nichts am Charakter einer entgeltlichen Überlassung. Dem Vermieter sei nur temporär (für die Dauer der Krise) das Einfordern des vereinbarten Mietzinses verwehrt (BFH 10.3.09, XI B 66/08).  

     

    3.4 Zwangsverwaltung

    Wird hinsichtlich eines vom OT an die OG vermieteten Grundstücks die Zwangsverwaltung angeordnet, so ist eine Beendigung der Organschaft schon vor der späteren Insolvenz der OG denkbar: Zwar geht der BFH trotz angeordneter Zwangsverwaltung von einer fortbestehenden organisatorischen Eingliederung aus, sieht jedoch zumindest dann die wirtschaftliche Eingliederung als beendet an, wenn zugleich mit der Zwangsverwaltung auch die Zwangsversteigerung angeordnet wurde (BFH 29.1.09, V R 67/07).  

     

    3.5 Sonstige insolvenzbezogene Aspekte

    Veranlasst der Alleingesellschafter-Geschäftsführer und Organträger noch kurz vor Insolvenzeröffnung eine Zahlung der OG hinsichtlich der durch ihre eigenen Umsätze verursachten Umsatzsteuer an das FA des OT, so ist fraglich, ob dies eine durch den Insolvenzverwalter der OG anfechtbare Rechtshandlung i.S. der §§ 131 ff. InsO darstellt. Das FG Berlin-Brandenburg (4.12.07, 5 K 1605/04) hat dies verneint; insofern ist aber Revision anhängig (VII R 43/08).  

    4. Erst nach Insolvenzeröffnung erkannte Organschaft

    Mitunter wird von den Beteiligten bzw. dem FA erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft deren Einbindung als OG in das Unternehmen eines OT erkannt. Eine solche „nachträglich erkannte Organschaft“ stärkt grundsätzlich die Gläubigerstellung des Fiskus, denn dieser kann sich nun wegen der bei der OG rückständigen Umsatzsteuer (regelmäßig inkl. Vorsteuerkorrekturen i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) an den OT als originären Steuerschuldner halten.  

     

    Dieser für den OT häufig massiv belastende Aspekt führt auf der anderen Seite dazu, dass die bislang bei der OG erfolgten USt-Festsetzungen vom FA aufzuheben sind. Die insoweit gezahlten Beträge sind mithin an die OG - bzw. an den Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse - auszuzahlen. Diese USt-Erstattung zugunsten der Insolvenzmasse versucht das FA nach Möglichkeit durch „Verrechnung“ mit der beim OT in gleicher Höhe entstehenden USt-Nachforderungen zu „verwerten“. Eine unmittelbare Aufrechnung ist dabei jedoch - da unterschiedliche Steuerpflichtige betroffen sind - nicht möglich, auch wenn der OT selbst an einer solchen Auf- oder Anrechnung ein großes Interesse haben wird.  

     

    Der BFH hat zu diesen Fallkonstellationen jedoch klargestellt, dass kein unmittelbarer Anspruch des OT auf Erstattung der vom OG zugunsten des eigenen Umsatzsteuerkontos gezahlten Umsatzsteuerbeträge besteht (BFH 23.8.01, VII R 94/99). Rechnet das FA beim OT diese Erstattungsbeträge gleichwohl an, so kann dies zum „Doppelerstattungsrisiko“ des Fiskus führen (vgl. BFH 16.12.08, VII R 7/08).  

     

    Richtigerweise wird die Finanzverwaltung in den Fällen der „nachträglich erkannten Organschaft“ demgegenüber die beim OG bislang irrtümlich festgesetzte Umsatzsteuer zeitnah gegenüber dem OT festsetzen (soweit dort die USt-Festsetzungen nach der AO noch änderbar sind!). Nach erwiesener oder anzunehmender Erfolglosigkeit der Beitreibung (§ 219 AO) wird das FA dann die OG nach § 73 AO in Haftung nehmen, um so mit den entstandenen USt-Erstattungsansprüchen der OG aufrechnen zu können. Wie der BFH (10.5.07, VII R 18/05) zudem zugunsten des Fiskus festgestellt hat, darf das FA im Insolvenzverfahren der OG deren USt-Erstattungsansprüche wegen nachträglich erkannter Organschaft mit deren korrespondierenden Haftungsschulden i.S. von § 73 AO aufrechnen, ohne dass es des vorherigen Erlasses eines Haftungsbescheides, der Feststellung der Haftungsforderung oder ihrer Anmeldung zur Tabelle bedarf.  

    Quelle: Ausgabe 10 / 2009 | Seite 355 | ID 130434