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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Kein Vorsteuerabzug der Holding aus an die Tochtergesellschaft weitergereichten Leistungen

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Holdinggesellschaften, die als Führungs- und Funktionsholding unternehmerisch ihren Beteiligungsgesellschaften gegenüber agieren, steht aus Eingangsleistungen grundsätzlich der Vorsteuerabzug zu, soweit diese einen unmittelbaren Bezug zu umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsleistungen aufweisen bzw. zu den Allgemeinkosten der unternehmerischen Holdingaktivitäten zählen. Die Rechtsprechung in diesem Bereich hat immer wieder für große Unsicherheit in der Praxis gesorgt. Mit seiner Entscheidung vom 15.2.23 (XI R 24/22, Abruf-Nr. 236252 ) hat der BFH nun für Konzernobergesellschaften neue Vorsteuerabzugsgrundsätze aufgestellt. |

    1. Sachverhalt des Streitfalls

    Klägerin war die im Bauprojektbereich tätige H-GmbH (H), die als Führungsholding Kommanditbeteiligungen an zwei GmbH & Co. KGs (94 % an der X-KG und 90 % an der Y-KG) hielt. Die restlichen Anteile waren im Besitz von Fremdgesellschaftern. Geschäftszweck der beiden KGs war die Errichtung von Wohnbauobjekten zur alsbaldigen umsatzsteuerfreien Veräußerung. Die beiden KGs waren somit aus ihren Eingangsleistungen grds. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Die H erbrachte als Führungs- und Funktionsholding fortlaufend Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen ihren Töchtern gegenüber, die sie diesen vereinbarungsgemäß mit Monatspauschalen von je 25.000 EUR zzgl. USt in Rechnung stellte.

     

    Für zwei neue Wohnimmobilienprojekte bestand bei den Töchtern jeweils erheblicher Kapitalbedarf von 10 Mio. EUR bei der X bzw. 35 Mio. EUR bei Y. Die H stimmte sich daher mit den externen Gesellschaftern über eine entsprechend erhöhte Kapitalausstattung ab. Statt einer Aufstockung des Kommanditkapitals wurde gesellschaftsvertraglich vereinbart, dass die externen Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote Barmittel (600.000 bei der X bzw. 3,5 Mio. EUR bei der Y) in die „freie Rücklage“ der KGs einlegen sollten. Die H erfüllte ihre Einlageverpflichtungen vereinbarungsgemäß, indem sie die von X bzw. Y für die Realisierung der Immobilienprojekte benötigten Bauplanungsleistungen im ersten Schritt selbst „einkaufte“ und die erlangten Leistungen im zweiten Schritt als Sach- bzw. Dienstleistungseinlage „in die freie Rücklage der X bzw. Y einlegte“.

     

    Bei den fraglichen Leistungen handelte es sich u. a. um Architekten- und Statiker- sowie Erschließungs- und Vertriebsdienstleistungen, die die H von Fremdunternehmen bezog und daraus unter Verweis auf ihre umsatzsteuerpflichtige Holdingtätigkeit den Vorsteuerabzug geltend machte. Das FA versagte der H im Zuge einer Außenprüfung den Vorsteuerabzug aus diesen Eingangsleistungen. Die Begründung: Diese Leistungen hätten nicht der H für ihre Holdingaktivitäten gedient, sondern seien vielmehr ihren Töchtern X bzw. Y für deren steuerfreie und damit vorsteuerschädlichen Umsätze zugutegekommen.

     

    Im späteren Klageverfahren bejahte das FG dagegen den Vorsteuerabzug der H aus den Bauprojektkosten mit der Begründung, die Zuwendung dieser Sachleistungen an ihre Tochter-KGs sei Teil der unternehmerischen und nicht vorsteuerbeschränkten Holdingaktivität der H und die ungewöhnliche Gestaltung sei auch nicht als missbräuchlich einzustufen. Der BFH hatte an dieser Sichtweise jedoch Zweifel und legte in der Revision das Verfahren dem EuGH mit der Frage vor, ob …

    • 1. der Vorsteuerabzug der H nicht bereits dem Grunde nach am fehlenden Einfließen der fraglichen Eingangsleistungen in eigene besteuerte Umsätze der Holding oder

     

    • 2. zumindest unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Vorschaltung einer Holding der Vorsteuerabzug zu versagen sei, da die beiden Tochtergesellschaften selbst aus den zugewandten Bauprojektleistungen angesichts ihrer steuerfreien Umsätze nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wären.

    2. Das EuGH-Urteil vom 8.9.22 ‒ C-98/21

    Der EuGH bestätigte zwar, dass die Holding mit ihrer entgeltlichen Eingriffsverwaltung ihren Tochter-KGs gegenüber unternehmerisch und umsatzsteuerpflichtig tätig und damit dem Grunde nach auch vorsteuerabzugsberechtigt sei. Der Vorsteuerabzug setze jedoch daneben ‒ i. S. eines kostenbezogenen Zusammenhangs von Ein- und Ausgangsleistungen ‒ voraus, dass die streitigen Eingangsbezüge entweder in die gegenüber den Töchtern erbrachten umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätze (Buchführungs-/Geschäftsführungsleistungen) eingeflossen seien oder zumindest zu den unternehmerischen Allgemeinkosten der Holding zu rechnen seien. Beides sei jedoch erkennbar zu verneinen.

     

    Die von der H beauftragten projektbezogenen Eingangsleistungen hätten weder der Erbringung der entgeltlichen Geschäfts- u. Buchführungsleistungen gedient noch seien sie „Allgemeinkosten der Holdingaktivitäten“ i. S. eines unternehmerischen Erwerbens, Haltens und Verwaltens von Beteiligungen gewesen. Demnach hätten die streitigen Baueingangsleistungen gerade nicht dem unternehmerischen Bereich der Holding gedient, sondern seien vielmehr für die Immobilienaktivitäten „anderer Unternehmen“ (hier: der Tochter-KGs) bestimmt gewesen. Der EuGH verneinte den fraglichen Vorsteuerabzug mithin bereits „systemisch“, sodass für seine Begründung den vorsteuerschädlichen Aktivitäten der Töchter überhaupt keine Entscheidungsrelevanz mehr zukam. Die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage (Vorsteuerversagung wegen steuerfreier Aktivitäten der Töchter oder unter dem Gesichtspunkt einer missbräuchlichen Gestaltung) war damit entbehrlich.

    3. Die Aussagen der BFH-Nachfolgeentscheidung

    Während der BFH bei seinem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH den Argumentationsfokus noch auf die Verhinderung künftiger gestaltungsmissbräuchlicher Vorschaltmodelle gelegt hatte, spielt dieser Gesichtspunkt in seiner Folgeentscheidung ‒ angesichts der klaren EuGH-Festlegungen ‒ keine Rolle mehr. Die klare Botschaft des BFH:

     

    Eine Holding kann vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer sein, wenn sie sich bei ihren Aktivitäten nicht (als reine Finanzholding) auf das Halten und Verwalten von Beteiligungen beschränkt, sondern als Führungs- und Funktionsholding durch entgeltliche Eingriffsverwaltungsleistungen in ihre Beteiligungsgesellschaften „hineinregiert“ (Abschn. 2.3 Abs. 3 u. 4 UStAE). Dies war zwar vorliegend bei der H zu bejahen, weshalb ihr im ersten Schritt auch dem Grunde nach der Vorsteuerabzug aus „holdingbezogenen Aktivitäten“ zustehe. Letzterer beschränkt sich nach Ansicht des BFH jedoch auf zwei Bereiche:

     

    3.1 Eingangskosten für entgeltliche Ausgangsleistungen

    Zum einen muss es sich um Eingangsbezüge handeln, die erkennbar kostenkalkulatorisch in die an ihre Tochtergesellschaften erbrachten Ausgangsleistungen einfließen ‒ wie dies bei Geschäfts- und Buchführungsleistungen bei tätigkeitsbezogenen Sachkosten wie z. B. dem Erwerb von entsprechender IT-Hard- oder Software für die Buchführungsleistungen der Fall ist.

     

    3.2 Allgemeinkosten der Beteiligungsverwaltung

    Zum anderen sind Eingangsleistungen, die sich auf „unternehmerische Allgemeinkosten“ einer beteiligungsverwaltenden Holding beziehen, insoweit begünstigt. Es müsste sich also um Kosten bezüglich Gründung, Ausstattung und laufende Unterhaltung einer Holdinggesellschaft und ihres Personals handeln. Die von H beauftragten Planungsleistungen fielen dagegen für den BFH erkennbar unter keine der beiden genannten Fallgruppen. Vielmehr kamen diese Eingangsleistungen erkennbar ausschließlich den Bauaktivitäten der Töchter X u. Y zugute: Sie dienten folglich gerade nicht dem Leistungsbezieher H, sondern „den Umsätzen eines anderen Unternehmens“. Dass ein von einer Tochtergesellschaft gewinnträchtig realisiertes Bauprojekt dabei „reflexhaft“ auch für deren Holding-Mutter Vorteile mit sich bringen könne (Wertsteigerung der Tochterbeteiligung/höhere Gewinnbeteiligung), war für den BFH unbeachtlich.

     

    3.3 Eingangsleistungen kamen unmittelbar Drittunternehmen zugute

    Da die Eingangsleistungen mithin nicht dem Unternehmen der H, sondern „den Umsätzen eines anderen Unternehmens“ dienten, versagte der BFH bereits aus „vorgelagerten systemischen Gründen“ den Vorsteuerabzug, sodass den umsatzsteuerfreien Aktivitäten der KG-Töchter für die BFH-Entscheidung keinerlei Relevanz mehr zukam. Dies hätte man bereits den deutlichen Worten des EuGH entnehmen können, der in seiner Entscheidung lediglich zum „systemischen Vorsteuergesichtspunkt der Vorlagefrage 1“ Stellung nahm und die Beantwortung der Frage 2 gänzlich ablehnte.

     

    Dem BFH war dieser „deutliche Fingerzeig des EuGH“ hinsichtlich der Irrelevanz der „Vorsteuerschädlichkeit“ der Tochterumsätze offensichtlich noch nicht deutlich genug, da er sich in Literatur und im Verfahren mit dem unterschwelligen Vorwurf des fraglichen Verstoßes gegen den „MwSt-rechtlichen Neutralitätsgrundsatz“ für den Abwandlungsfall einer umsatzsteuerpflichtig agierenden Tochtergesellschaft konfrontiert sah. Daher stellte der BFH in einem „obiter dictum“ (Rn. 34 letzter Satz) zum Abschluss ausdrücklich klar, dass es für die Vorsteuerversagung auf Holdingebene ‒ soweit die Eingangsleistungen nicht dem Leistungsbezieher selbst, sondern „per unentgeltlicher Zuwendung“ einem Dritten (hier: X und Y) zugutekomme ‒ nicht darauf ankomme, ob die Umsätze dieser Drittunternehmen steuerfrei seien oder nicht!

    4. Anmerkungen und Praxishinweise

    4.1 Besonderheiten im Urteilssachverhalt

    4.1.1 Unentgeltliche Einbringung

    Das Finanzamt ging von einer „vorsteueroptimierten Gestaltung“ der Beteiligten aus, was bereits in der ungewöhnlichen Art der Zuführung zusätzlicher Kapitalmittel in die Tochtergesellschaften zum Ausdruck kam: Denn hätte die Holding-Mutter den bauprojektbezogenen Kapitalbedarf ihrer Töchter durch eine Erhöhung ihres Kommanditkapitals per Sach-/Dienstleistungseinlage vollzogen, so wäre der gewünschte Vorsteuervorteil bereits im Ansatz gescheitert. Denn die Einbringung von Sachwerten oder Dienstleistungen gegen Kapitalerhöhung gilt umsatzsteuerlich für den Einbringenden wegen der im Gegenzug erlangten zusätzlichen Kapitalbeteiligung als tauschähnlicher, entgeltlicher Vorgang (vgl. BFH 18.12.08, V R 73/07, Rn. 35). In diesem Fall hätte der „einbringenden H“ zwar unstreitig der Vorsteuerabzug aus ihren Baueingangsdienstleistungen zugestanden. Dieses Vorsteuervolumen wäre angesichts der dann umsatzsteuerpflichtigen entgeltlichen Übertragung (gegen Kapitalerhöhung) aber nicht nur wieder neutralisiert worden, sondern den Töchtern hätte aus den von H bezogenen Dienstleistungen wegen ihres gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG „vorsteuergesperrten Immobiliengeschäfts“ der korrespondiere Vorsteuerabzug bereits systematisch nicht zugestanden.

     

    4.1.2 Personengesellschaft als Organgesellschaft?

    In Konzernstrukturen bemühen sich die Beteiligten typischerweise um die Schaffung einer „USt-Organschaft“ zwischen allen interagierenden Konzerngesellschaften, um negative Vorsteuerabzugseffekte zu vermeiden. Vorliegend hatten die Beteiligten dagegen an einer USt-Organschaft erkennbar kein Interesse, denn diese hätte den angestrebten Gestaltungsvorteil beim Vorsteuerabzug „per Vorschalt-Holding“ konterkariert. Im Streitjahr 2013 gingen Rechtsprechung wie Verwaltung (Abschn. 2.8. Abs. 2 UStAE) unter Verweis auf den Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG („juristische Person“) noch davon aus, dass nur Kapitalgesellschaften, nicht jedoch Personengesellschaften (wie die Tochter-KGs) als Organgesellschaft in Betracht kämen, weshalb sich die Frage der USt-Organschaft zwischen der H und den Tochter-KGs damals noch nicht stellte. Die Eignung von Personengesellschaften als Organgesellschaften hat sich inzwischen jedoch „in mehreren Etappen“ fundamental geändert:

     

    Nachdem der EuGH im Urteil vom 16.7.15 (C-108/14 u. C-109/14) den „deutschen Ausschluss“ von Personengesellschaften als Organgesellschaft als EG-rechtswidrig verwarf, verfügte die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 26.5.17 (BStBl I 17, 790) erstmals, auch Personengesellschaften könnten Organgesellschaft sein. Dies allerdings nur, soweit an ihnen (zwecks finanzieller Eingliederung) neben dem Organträger nur Personen beteiligt seien, die ihrerseits wieder finanziell in den Organträger eingegliedert waren (anwendbar grds. erst ab 2019, wahlweise aber ggf. auch früher). Auch nach diesen „gelockerten BMF-Vorgaben“ hätten vorliegend die X- bzw. Y-KG angesichts ihrer beiden „externen 6 %- bzw. 10 %-Gesellschafter“ ‒ noch immer keine USt-Organgesellschaft der H darstellen können.

     

    Allerdings verwarf der EuGH mit Urteil vom 15.4.21 (C-868/19) auch diese deutsche Einschränkung. Der BFH hat das mit Urteil vom 16.3.23 (V R 14/21) übernommen und konstatiert, „zumindest bei kapitalistisch strukturierten Personenhandelsgesellschaften“ könne eine zumindest mehrheitlich durch den Organträger beherrschte Personengesellschaft nun auch ohne finanzielle Eingliederung der externen Gesellschafter in das Unternehmen des Organträgers als Organgesellschaft des Organträgers angesehen werden. Mit einer modifizierten Weisung des BMF ist in nächster Zeit zu rechnen. Zugleich darf man m. E. davon ausgehen, dass dies nicht „das letzte Wort“ des liberalen EuGH zur „Personengesellschaft in der USt-Organschaft“ bleibt. Nach den jüngst verringerten Anforderungen wären die beiden Töchter (X- und Y-KG) folglich als Organgesellschaften der Holding-Mutter H in Betracht gekommen und das praktizierte „Vorschaltmodell“ wäre bereits aus diesem Grunde gescheitert.

     

    4.2 Entscheidende Vorfrage: vorsteuerschädliche „Drittbegünstigung“?

    Schon mit Entscheidung vom 27.1.11 (V R 38/09) hatte der BFH geurteilt, einer Holding-Mutter stehe der Vorsteuerabzug aus von ihr bezogenen Beratungsleistungen „bereits systematisch“ dann nicht zu, wenn die bezogenen Leistungen nicht der Holding selbst gedient hätten, sondern vielmehr einem anderen Unternehmen zugutegekommen seien (dort: der nicht zum USt-Organkreis zugehörigen ausländischen Urenkelgesellschaft). Etwas anderes hätte aus BFH-Sicht allenfalls gelten können, wenn die Holding die fraglichen Eingangsdienstleistungen „durch die Beteiligungskette“ auf allen Stufen entgeltlich weiterbelastet hätte (Rn. 50/51). Diese Vorsteuerschädlichkeit einer „Drittbegünstigung“ durch den Leistungsbezug zieht sich seither wie ein roter Faden durch die BFH-Rechtsprechung ‒ so z. B. bezüglich des Vorsteuerabzugs beim Bezug von „Erschließungskosten“. In diesen Fällen ist der Vorsteuerabzug dem die Erschließungs-Eingangsleistung beziehenden Unternehmer nur dann zu gewähren, wenn „der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich“ ist (vgl. BFH 16.12.20, XI R 26/20 Rn. 38 unter Verweis auf EuGH 1.10.20, C-405/19 Rn. 28; vgl. hierzu jüngst auch BMF 24.1.24 ‒ dort unter Abschn. 15.2b) Abs. 2a UStAE).

     

    Genau dieser Gesichtspunkt veranlasste den BFH in der vorliegenden Entscheidung XI R 24/22 (dort Rn. 34 letzter Satz) auch zum Judikat, „Ausgaben für Eingangsleistungen, die nicht mit den besteuerten Umsätzen des Leistungsbeziehers, sondern mit Umsätzen eines Dritten zusammenhängen, können für den Leistungsbezieher kein Recht auf Vorsteuerabzug begründen“; und dabei kam es für den BFH auf die „vorsteuerschädliche Steuerfreiheit der Umsätze des Dritten“ (der Wohnbau-Töchter X u. Y) ausdrücklich nicht an (BFH: „ … und zwar unabhängig davon, ob die Umsätze des Dritten steuerfrei sind oder nicht“). Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung mit BMF-Schreiben vom 22.12.23 in Abschn. 15.2b Abs. 2 S. 5 sowie 15.22. Abs. 1 S. 6 UStAE übernommen.

     

    Diese Sicht zur Vorsteuerversagung „aus unentgeltlich an andere Unternehmen weitergereichten Eingangsleistungen“ liegt systematisch auf der Linie der jüngsten EuGH-Entscheidung vom 25.4.24 (C-207/23): Dort hat der EuGH bezüglich der von einem Biogasanlagenbetreiber unentgeltlich einem anderen Unternehmer (für dessen unternehmerische Zwecke!) überlassenen „Abwärme“ konstatiert, eine solche kostenfreie „Wärmelieferung“ stelle für den abgebenden Unternehmer eine auf Vollkostenbasis zu bemessende USt-pflichtige unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG) dar.

     

    4.3 Praktische Folgen der vorsteuerschädlichen Drittbegünstigung

    Bislang war es in Konzernstrukturen gängige Praxis, bei Erwerb oder Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen die anfallenden Transaktionskosten (insbesondere Beratungskosten) auch dann ohne Weiterbelastung bei der Konzernmutter anzusiedeln, wenn die beim Kauf als Erwerbsvehikel vorgesehene Gesellschaft eine Tochter- oder Enkelgesellschaft war. Damit verband sich die Hoffnung auf ertragsteuerliche Vorteile (keine „Zu-Aktivierung“ als Erwerbsnebenkosten bei der Erwerbergesellschaft mangels Kostentragung/keine Aufwandssperre von „Veräußerungskosten“ i. S. d. § 8b Abs. 2 S. 2 KStG bei der veräußernden Gesellschaft) und auch umsatzsteuerlich ging man vom uneingeschränkten Vorsteuerabzug bei der Obergesellschaft aus, soweit diese als „Führungs- und Funktionsholding“ ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erwirtschaftete und zu allen Tochtergesellschaften in steuerpflichtigen Leistungsaustausch trat (Beratung, Geschäftsführung oder gem. § 9 UStG „optierte“ Darlehensbeziehungen).

     

    Nach der jüngst bekräftigten BFH-These zur „vorsteuerschädlichen Drittbegünstigung“ dürften solche Fälle ‒ die einen unmittelbaren Bezug zu einem Anteilserwerbs- oder -veräußerungsvorgang einer Untergesellschaft aufweisen, spätestens bei einer Außenprüfung kritisch werden. Bei beabsichtigten Beteiligungsveräußerungen wird diese Vorsteuerkürzung zwar bereits durch „den Grundsatz“ des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG (Anteilsverkauf als steuerfreier Umsatz i. S. v. § 4 Nr. 8f UStG) ausgelöst. Aber selbst bei einschlägiger „Rückausnahme“ i. S. v. § 15 Abs. 3 Nr. 2b UStG (USt-freien Anteilsverkauf an einen im Drittland ansässigen Beteiligungserwerber) würde hier die o. a. Rechtsprechung einen Riegel vorschieben.

     

    • Beispiel

    Die deutsche DE-Holding (H) agiert „als Führungs- und Funktionsholding“ unternehmerisch, indem sie ggü. ihren Tochtergesellschaften jährlich steuerpflichtige Beratungsleistungen erbringt. Um ihre Auslandsaktivitäten zu verstärken, soll die konzernzugehörige ‒ in den Niederlanden ansässige ‒ NL-BV alle Anteile am niederländischen Konkurrenzunternehmen K-BV erwerben. Alle flankierenden Kosten werden von der H bezogen und nicht verursachungsgerecht an die NL-BV weiterberechnet. Entsprechend der o. a. Rspr. steht der H der Vorsteuerabzug aus erwerbsflankierenden Kosten nicht zu, da (bzw. soweit) die Eingangsleistungen der H den durch die NL-BV vollzogenen Anteilserwerb betreffen.

     

    Beachten Sie | Etwas anderes kann m. E. allenfalls für jene Kostenanteile gelten, die noch im frühen „Sondierungsstadium“ (also zeitlich vor dem finalen Erwerbsentschluss bzw. bei noch unklarem Erwerbsvehikel) bei der H selbst angefallen sind. Bei solchen Kosten sollten früh aussagekräftige Dokumentationsunterlagen erstellt werden. Auch die umsatzsteuerliche Überlegung einer späteren Kostenweiterbelastung an das „Erwerbsvehikel“ taugt m. E. nicht zur „rückwirkenden Reparatur“, denn nach der BFH-Rechtsprechung (XI R 8/10, Rn. 50, V R 44/17, Rn. 14 u. V R 45/20, Rn. 11 bis 14, XI R 26/10 Rn. 22 ff.) lässt eine erst nachträgliche Entgeltlichkeitsabrede weder rückwirkend noch dem Grunde nach eine Vorsteuerabzugsberechtigung aus dem ursprünglich zur unentgeltlichen Weiterreichung gedachten Leistungsbezug aufleben.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 256 | ID 49983932

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