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  • 02.04.2008 | Umwandlungssteuerrecht

    Fallstudie zum Anteilstausch nach § 21 UmwStG

    von StB Dipl.-Finw. Lars Mayer, Jarosch & Partner, Düsseldorf

    Durch das am 12.12.06 im Bundesgesetzblatt veröffentlichte SEStEG (BGBl 06, 2782) wurde das UmwStG völlig neu gefasst. Die Auswirkungen auf Ab- und Aufwärtsverschmelzungen von Kapitalgesellschaften wurden bereits in früheren Ausgaben dargestellt (GStB 07, 365 ff. und GStB 08, 4 ff.). Nachfolgend wird nunmehr anhand eines Musterfalls die Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft behandelt und aufgezeigt, welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.  

    1. Sachverhalt

    G ist alleiniger Anteilseigner der G-GmbH und hält seine Anteile im Privatvermögen. Der gemeine Wert der Anteile im März 07 beträgt 1,4 Mio. EUR. G hatte die G-GmbH in 02 bar gegründet und das Stammkapital von 100 TEUR voll eingezahlt. Weitere Anschaffungskosten hat G nicht getragen. Die G-GmbH hat keinen Grundbesitz. Zum 31.12.06 wurde ein vortragsfähiger Gewerbeverlust aufgrund eines in 06 erlittenen Verlusts festgestellt. Ein körperschaftsteuerlicher Verlustvortrag besteht jedoch nicht, da der Verlust des VZ 06 nach 05 zurückgetragen wurde. 

     

    Anfang 07 haben Vertreter der A-AG mit G über den Erwerb der Anteile an der G-GmbH verhandelt. Unternehmensgegenstand der A-AG ist es, mittelständische Unternehmen aufzukaufen und diese als Tochtergesellschaften zu leiten. Das Grundkapital der A-AG beträgt 1,5 Mio. EUR, bestehend aus 1,5 Mio. Aktien mit einem Nennwert von jeweils 1 EUR. Die Aktien an der A-AG befinden sich im Streubesitz und werden im März 07 zu 105 EUR je Aktie gehandelt. 

     

    Da G liquide Mittel für den Erwerb einer Immobilie als Alterswohnsitz benötigte und keine unnötigen Ertragsteuern zahlen wollte, wurde vereinbart, dass G sämtliche Anteile an der G-GmbH auf die A-AG überträgt und als Gegenleistung 350 TEUR in bar sowie 10.000 „neue Aktien“ der A-AG erhält, die im Rahmen einer durch Übertragung der Anteile an der G-GmbH zu erbringenden Sachkapitalerhöhung entstehen. Die Verträge wurden am 17.3.07 beurkundet und sehen eine Umsetzung der o.g. Maßnahmen mit sofortiger Wirkung vor. Sämtliche Handelsregistereintragungen erfolgten noch im März 07. Spätere Veränderungen des Grundkapitals der AG erfolgten nicht. 

     

    Im Februar und im Mai 08 veräußert G jeweils 500 seiner Aktien an der A-AG zum mittlerweile gestiegenen Kurswert von 210 EUR je Aktie. Der Kaufpreis wird jeweils sofort auf sein Bankkonto überwiesen. Im Juni 08 veräußert die A-AG alle Anteile der G-GmbH an einen Dritten für insgesamt 2,8 Mio. EUR. 

    2. Lösung

    2.1 Übertragung der Anteile an der G-GmbH auf die A-AG

    Die Anteile an der G-GmbH hatten vor der Übertragung einen gemeinen Wert von 1,4 Mio. EUR. G erhält für diese Anteile als Gegenleistung einen Barbetrag von 350 TEUR sowie Aktien mit einem Verkehrswert von insgesamt 1,05 Mio. EUR (10.000 Aktien x 105 EUR), sodass G einen angemessenen Erlös von 1,4 Mio. EUR für die G-GmbH erzielt. 

     

    2.1.1 Qualifizierter Anteilstausch i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG

    Die Übertragung der Anteile an der G-GmbH (Beteiligung im steuerlichen Privatvermögen von über 1 v.H. an einer Kapitalgesellschaft) im Rahmen eines Tauschs stellt grundsätzlich als entgeltliche Übertragung eine Realisation i.S. des § 17 EStG dar (BFH 7.7.92, BStBl II 93, 331, § 6 Abs. 6 S. 1 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch beim Tausch von Anteilen gegen neue Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft. Gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStGbesteht aber in den Fällen des sog. „qualifizierten Anteilstauschs“ trotz entgeltlicher Übertragung die Möglichkeit, die Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden. Ein „qualifizierter Anteilstausch“ liegt vor, wenn eine mehrheitsvermittelnde Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft eingebracht wird. Vorliegend ist dies gegeben, da G eine das vollständige Stammkapital umfassende Beteiligung an der G-GmbH überträgt. Diese Beteiligung stellt keinen fiktiven Teilbetrieb dar, da die Beteiligung zum steuerlichen Privatvermögen gehört. 

     

    Die Aufdeckung stiller Reserven kann nach dem Gesetzeswortlaut dadurch vermieden werden, dass die aufnehmende A-AG die Beteiligung an der G-GmbH mit dem bisherigen Buchwert ansetzt. Nach einhelliger Auffassung ist dieser Gesetzeswortlaut bei der hier gegebenen Einbringung einer Beteiligung des steuerlichen Privatvermögens dahingehend auszulegen, dass auch ein Ansatz mit den Anschaffungskosten des Einbringenden im Privatvermögen zulässig ist (vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, UmwStR, § 21 Rz. 28 UmwStG). 

     

    2.1.2 Gewährung anderer Gegenleistungen

    Vorliegend ist allerdings die Besonderheit zu beachten, dass die A-AG für den Erwerb der G-GmbH neben den neuen Aktien auch einen Barbetrag von 350 TEUR aufwendet. Nach § 21 Abs. 1 S. 3 UmwStG hat die A-AG die Anteile an der G-GmbH mindestens mit 350 TEUR (Wert der sonstigen Gegenleistung) anzusetzen, da die sonstige Gegenleistung den Buchwert bzw. bei der hier gegebenen Beteiligung des Privatvermögens die Anschaffungskosten der eingebrachten Anteile übersteigt. Die A-AG muss die Anteile an der G-GmbH in ihrer Steuerbilanz daher mindestens mit 350 TEUR ansetzen.  

     

    Darüber hinaus besteht wegen der Erhöhung des Grundkapitals um 10 TEUR handelsrechtlich eine Verpflichtung, den Bilanzansatz der Anteile um weitere 10 TEUR aufzustocken. Da nach einhelliger Auffassung im Rahmen einer Umwandlungsmaßnahme nach dem neuen SEStEG der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelbilanz für die Steuerbilanz nicht gilt (Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 21 Rz. 76 UmwStG),muss diese weitere Aufstockung jedoch steuerlich nicht erfolgen. 

     

    In der Steuerbilanz ist gleichwohl das tatsächliche Grundkapital auszuweisen. Diesem dürfte jedoch in Höhe des Erhöhungsbetrags auf der Aktivseite ein „steuerlicher Luftposten“ gegenübergestellt werden, durch den die weitere Aufstockung in der Handelsbilanz steuerlich neutralisiert wird. Ein solcher Luftposten war vor dem SEStEG nur zulässig, wenn die dort grundsätzlich angenommene Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz in den Sonderfällen einer zwingenden handelsrechtlichen Aufstockung ausnahmsweise nicht zur Anwendung kam. Zum Charakter des Luftpostens im alten Recht, der im neuen Recht unverändert bleiben dürfte, vgl. Rz. 20.27 und 20.28 des Umwandlungsteuererlasses (BMF vom 25.3.98, BStBl I, 268 bzw. vom 21.8.01, BStBl I, 543). Da im neuen UmwStG der Grundsatz der Maßgeblichkeit aber generell nicht gilt, dürfte die Bildung eines steuerlichen Luftpostens zur Neutralisierung handelsrechtlicher Mehrbeträge im Stamm- oder Grundkapital in allen Fällen eines abweichenden Ansatzes des eingebrachten Vermögens in Handels-und Steuerbilanz angezeigt sein (Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 20 Rz. 147 UmwStG). 

     

    Danach hat die übernehmende A-AG die Übertragung der Anteile an der G-GmbH in der Steuerbilanz wie folgt zu buchen (Werte in TEUR): 

     

    Beteiligung 

    350 

    an 

    Bank 

    350 

    steuerlicher Luftposten 

    10 

     

    Grundkapital  

    10 

     

    2.1.3 Behandlung bei G

    Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die aufnehmende A-AG die erhaltenen Anteile an der G-GmbH ansetzt, für G als Veräußerungserlös für die G-GmbH und als Anschaffungskosten für die erhaltenen Aktien der A-AG. Wegen der Maßgeblichkeit der Bilanzierung beim aufnehmenden Rechtsträger für die Besteuerung des Einbringenden empfiehlt es sich in der Praxis, bereits in den vertraglichen Vereinbarungen sicherzustellen, dass die aufnehmende Kapitalgesellschaft verpflichtet ist, den Wertansatz für das eingebrachte Vermögen nach Weisungen des Einbringenden zu wählen. Danach ergibt sich für G folgender Gewinn i.S.d. § 17 EStG, der nach § 3 Nr. 40 c) EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt: 

     

    Veräußerungserlös (§ 21 Abs. 2 UmwStG

    350 TEUR 

    abzgl. Anschaffungskosten der Anteile 

    ./. 100 TEUR 

    = Veräußerungsgewinn 

    250 TEUR 

     

    Ein Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG ist wegen der Höhe des Veräußerungsgewinns nicht abzuziehen. 

     

    Die Anschaffungskosten des G für seine Aktien an der A-AG betragen 0 EUR (Wertansatz der A-AG für die Anteile an der G-GmbH von 350 TEUR abzgl. des Wertes der sonstigen Gegenleistung von 350 TEUR, vgl. § 21 Abs. 2 S. 6 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 3 S. 3 UmwStG). 

     

    2.1.4 Weitere Rechtsfolgen

     

    2.1.4.1 Keine Rückwirkung im Rahmen des § 21 UmwStG

    Für zahlreiche Umwandlungsvorgänge wird in den §§ 2, 20 Abs. 5, 6 sowie in 24 Abs. 4 UmwStG die Möglichkeit einer steuerlichen Rückwirkung bzw. Rückbeziehung der Umwandlungsmaßnahme vorgesehen. Dadurch soll ermöglicht werden, die Umwandlungsmaßnahme erst nach Erstellung der erforderlichen Bilanz zu beurkunden (§ 17 Abs. 2 UmwG, § 9 S. 2 UmwStG, § 25 S. 2 UmwStG). Eine solche Möglichkeit besteht bei § 21 UmwStG nicht. Im Rahmen einer unter § 21 UmwStG fallenden Übertragung ist weder handelsrechtlich noch steuerlich die Aufstellung einer Schlussbilanz für den Veräußerer oder für die übertragene Gesellschaft erforderlich, so dass eine Rückwirkung auch nicht erforderlich ist. 

     

    Hinweis: Das nach altem Recht noch gegebene Gestaltungsinstrument einer rückwirkenden Aufdeckung stiller Reserven durch eine rückwirkende Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 7, 8, 1 S. 2 UmwStG a.F.) ist somit entfallen. 

     

    2.1.4.2 Vortragbarer Gewerbeverlust i.S.d. § 10a GewStG

    Das UmwStG enthält keine Sonderregelung zur Behandlung steuerlicher Verlustvorträge beim Anteilstausch, so dass die allgemeinen Regelungen zur Anwendung kommen. Für 2007 bedeutet dies, dass ausschließlich § 8 Abs. 4 KStG gilt. Für den hier gegebenen Fall eines vortragbaren Gewerbeverlusts gilt dies gemäß § 10a S. 8 GewStG entsprechend. 

     

    Die Übertragung aller Anteile an der G-GmbH ist eine Übertragung von mehr als 50 v.H. der Anteile an der Gesellschaft. Die G-GmbH kann die Verlustvorträge folglich nach der Einbringung nur dann weiterhin steuerlich nutzen, wenn keine schädlichen Zuführungen neuen Vermögens in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Einbringung erfolgen (vgl. hierzu BFH 14.3.06, BStBl II 07, 602 sowie BMF 2.8.07, BStBl I, 624). 

     

    Ab dem VZ 08 ist für Anteilsübertragungen nach dem 31.12.07 gemäß § 34 Abs. 7b KStG die neue Regelung des § 8c KStG zu prüfen. Ferner kann für einen Übergangszeitraum § 8 Abs. 4 KStG a.F. noch neben § 8c KStG anwendbar sein (§ 34 Abs. 6 S. 4 KStG). § 8c KStG ist gemäß § 10a S. 8 GewStG ebenfalls für gewerbesteuerliche Zwecke zu beachten. 

     

    2.1.4.3 Gesonderte Feststellungen nach § 27, 28 KStG

    Die Auswirkung des steuerlich vom Handelbilanzansatz abweichenden Ansatzes der eingebrachten Beteiligung auf die Feststellungen nach §§ 27, 28 KStG ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. M.E. dürfte aber in Höhe des steuerlichen Luftpostens das steuerliche Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG zu vermindern oder – soweit das steuerliche Einlagekonto entsprechende Beträge nicht ausweist – ein Sonderausweis gemäß § 28 KStG zu bilden sein, da im Ergebnis das handelsrechtliche Grundkapital durch Verminderung des sonstigen Eigenkapitals (Luftposten) erhöht wird. Dieser Vorgang entspricht wirtschaftlich der Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital (vgl. hierzu Mayer in StB 05, 412 m.w.N.).  

     

    2.1.4.4 Nachweis 31.5.

    Der Einbringende hat in den sieben Jahren nach Einbringung jeweils bis zum 31.5. den Nachweis i.S.d. § 22 Abs. 3 UmwStG zu erbringen (siehe auch BMF 4.9.07, BStBl I, 698). 

     

    2.2 Veräußerung der Aktien durch G im Februar 2008

     

    2.2.1 Kein Anwendungsfall des § 22 UmwStG

    Die Veräußerung der Aktien durch G im Februar 08 führt nicht zu einer rückwirkenden Änderung der Behandlung der Einbringung der Anteile in die A-AG in 07. Rückwirkende Änderungen bei Veräußerung der erhaltenen Anteile durch den Einbringenden sind nach § 22 Abs. 1 UmwStG nur in Fällen des § 20 UmwStG (Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft) vorgesehen, nicht aber bei der Einbringung von Kapitalgesellschaftanteilen in eine andere Kapitalgesellschaft. Für Fälle des § 21 UmwStG sieht § 22 Abs. 2 UmwStG lediglich eine Rückwirkung auf den Einbringungsvorgang vor, wenn die aufnehmende Kapitalgesellschaft zuvor unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile veräußert. Ein solcher Fall ist aber im Februar 08 nicht gegeben. 

     

    Eine Regelung zur Vermeidung etwaiger Missbräuche ist hier systematisch nicht erforderlich, da G bereits vor der Einbringung über Kapitalgesellschaftsanteile verfügte, die er im Halbeinkünfteverfahren hätte veräußern können. Hieran ändert sich durch die Einbringung und die nach der Einbringung erfolgte Veräußerung der erhaltenen Aktien nichts. Eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift ist aus fiskalischer Sicht nur bei Veräußerung durch den Gesellschafter nach einer Einbringung i.S.d. § 20 UmwStG oder bei einer Veräußerung durch die aufnehmende Gesellschaft nach einer Einbringung i.S.d. § 21 UmwStG erforderlich. 

     

    Der Gesellschafter, der einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft einbringt, hätte vor der Einbringung einen Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Vermögens voll versteuern müssen. Nach der Einbringung könnte er für diesen Gewinn das Halbeinkünfteverfahren geltend machen. Diese Verminderung der Steuerbelastung wollte der Gesetzgeber durch § 22 Abs. 1 UmwStG ausschließen. Der Gesellschafter, der eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung in eine andere Kapitalgesellschaft einbringt, konnte vor der Einbringung nur das Halbeinkünfteverfahren ausnutzen. Nach der Einbringung könnte die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingebrachte Beteiligung nach § 8b Abs. 2und 3 KStG im Ergebnis zu 95 v.H. steuerfrei veräußern. Missbräuchliche Gestaltungen zur Erlangung dieser Reduzierung der Steuerbelastung sollen durch § 22 Abs. 2 UmwStG über einen Zeitraum von sieben Jahren stufenweise ausgeschlossen werden. 

     

    Bei der Einbringung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft durch eine natürliche Person und der nachfolgenden Veräußerung der im Rahmen der Einbringung erhaltenen Anteile wird die Steuerlast aber gerade nicht gemindert. Vor und nach der Einbringung kann der Gesellschafter das Halbeinkünfteverfahren in Anspruch nehmen. Eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift ist folglich nicht erforderlich. Insoweit entspricht der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1, 2 UmwStG n.F. dem der § 3 Nr. 40 S. 3, 4 EStG und § 8b Abs. 4 KStG jeweils a.F., die wegen der erst in 2007 erfolgten Umwandlung nicht mehr anzuwenden sind. 

     

    2.2.2 Erfassung des Veräußerungsgewinns im Rahmen des § 23 EStG

    Da die Regelungen zur Abgeltungsteuer und zur Erfassung der „Spekulationsgewinne“ im Rahmen des § 20 EStG in 08 noch nicht gelten, hat § 23 EStG Vorrang vor § 17 EStG, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG gegeben sind. Die im Rahmen des § 23 EStG relevante Frist zwischen Erwerb und Veräußerung wird vom Datum des Abschlusses des Kaufvertrags bis zum Datum des Abschlusses des Verkaufsvertrags berechnet (H 23 „Veräußerungsfrist“ EStH). Der gemäß § 3 Nr. 40 j) EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Veräußerungsgewinn wird wie folgt ermittelt: 

     

    Veräußerungserlös (500 Aktien x 210 EUR) 

    105.000 EUR 

    abzgl. anteilige AK (0, vgl. hierzu unter 2.1.3) 

    0 EUR 

    = Veräußerungsgewinn 

    105.000 EUR 

     

    2.3 Veräußerung der Aktien durch G im Mai 08

    Im Mai 08 sind die Voraussetzungen des § 23 EStG offensichtlich nicht erfüllt, da zwischen dem Erwerb der Anteile im März 07 und der Veräußerung mehr als ein Jahr liegt (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG). 

     

    G ist im Zeitpunkt der zweiten Veräußerung im Mai 08 mit 9.500 Aktien zu je nominal 1 EUR am durch die Sachkapitalerhöhung im März 07 auf 1.510.000 EUR erhöhten Grundkapital der A-AG beteiligt. Die Beteiligung liegt mithin deutlich unter 1 v.H. und ist damit keine originäre Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der bis Februar 08 (also innerhalb von fünf Jahren zuvor, § 17 Abs. 1 S. 1 EStG) bestehenden höheren Beteiligung von 10.000 EUR am Grundkapital. 

     

    Dennoch ist ein Anwendungsfall des § 17 EStG gegeben, da die Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 Nr. 1, Nr. 2 Alt. 1 EStG erfüllt sind. G hatte eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG in die A-AG zu Anschaffungskosten eingebracht und dafür die nun veräußerten Aktien erhalten. Durch § 17 Abs. 6 EStG möchte der Gesetzgeber einmal steuerverstricktes Vermögen in der Steuerverstrickung halten, auch wenn durch die Umwandlungsmaßnahme die Beteiligungsquote unter 1 v.H. sinkt. Im Bereich des § 17 EStG wird der Veräußerungsgewinn, der nach § 3 Nr. 40 c) EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt, wie folgt ermittelt: 

     

    Veräußerungserlös (500 Aktien x EUR 210) 

    105.000 EUR 

    abzgl. anteilige AK 

    0 EUR 

    Veräußerungsgewinn 

    105.000 EUR 

     

    Da nur ein geringfügiger Anteil an der Kapitalgesellschaft (unter 1 v.H.) veräußert wird, kann ein Freibetrag i.S.d. § 17 Abs. 3 EStG wegen der Höhe des Gewinns nicht gewährt werden.  

     

    2.4 Veräußerung der GmbH-Anteile durch die A-AG im Juni 2008

    Der Verkauf der GmbH-Anteile durch die A-AG im Juni 2008 fällt unter § 22 Abs. 2 UmwStG, da im Rahmen eines Anteilstauschs i.S.d. § 21 Abs. 1 UmwStG von G als natürlicher Person (keine Begünstigung nach § 8b Abs. 2 KStG) unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile an der G-GmbH innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach der Einbringung veräußert werden. 

     

    Zur Vermeidung der damit verbundenen steuerlichen Nachteile hätte G sich in der Übertragungsurkunde zusichern lassen sollen, dass die AG die Anteile innerhalb der Frist des § 22 Abs. 2 UmwStG nicht veräußern wird oder ihm in diesem Fall ein Schadenersatzanspruch zusteht. Bei der Bemessung eines solchen Anspruchs sollte auch berücksichtigt werden, dass der Schadenersatz selbst als weiteres Entgelt wiederum Steuern auslöst. 

     

    2.4.1 Behandlung bei G

    Die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 2 UmwStG hat zur Folge, dass für den G in 2007 rückwirkend ein Einbringungsgewinn II zu versteuern ist. Eine schon erfolgte Veranlagung für 07 kann gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 UmwStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Bei der Berechnung der Festsetzungsverjährung für 07 ist die Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 S. 2 AO zu beachten, bei der Zinsfestsetzung der besondere Zinslauf des § 233a Abs. 2a AO

     

    Der Einbringungsgewinn II wird gemäß § 22 Abs. 2 S. 3 UmwStG wie folgt ermittelt: 

     

    gemeiner Wert bei Einbringung 

    1.400.000 EUR 

    Wertansatz der eingebrachten Anteile 

    ./. 350.000 EUR 

    Zwischendifferenz 

    1.050.000 EUR 

    davon 1/7 (§ 22 Abs. 2 S. 3 UmwStG

    ./. 150.000 EUR 

    Zwischendifferenz 

    900.000 EUR 

    10 v.H. veräußerte Anteile (§ 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG

    ./. 90.000 EUR 

    Einbringungsgewinn II 

    810.000 EUR 

     

    Die rückwirkende Erfassung des Einbringungsgewinns II auf Ebene des einbringenden Gesellschafters soll Missbräuchen durch die Verlagerung stiller Reserven von nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigten natürlichen Personen auf von § 8b Abs. 2 KStG begünstigte Kapitalgesellschaften und die zeitnah folgende Aufdeckung von stillen Reserven vermeiden. 

     

    Je mehr Zeit zwischen der Einbringung und der Aufdeckung stiller Reserven vergeht, desto schwächer wird der Grund für die Annahme eines Missbrauchs (Gesetzesbegründung zum SEStEG, BT-DrS 16/2710, zweiter Absatz unter „Allgemeines“ zu § 22 UmwStG, Art. 6 des SEStEG). Der Gesetzgeber trägt diesem Umstand pauschalierend dadurch Rechnung, dass er den Einbringungsgewinn II für jedes volle Zeitjahr zwischen Einbringung und Aufdeckung der stillen Reserven verringert, bis nach Ablauf von sieben Jahren nach der Einbringung ein Missbrauch überhaupt nicht mehr angenommen wird und ein Einbringungsgewinn II nicht mehr rückwirkend im Jahr der Einbringung zu versteuern ist (§ 22 Abs. 2 S. 3 UmwStG). Hier erfolgte die Einbringung im März 07 und die schädliche Veräußerung im Juni 08, so dass ein volles Zeitjahr zwischen den beiden relevanten Vorgängen liegt. Folglich ist der Einbringungsgewinn II um ein Siebtel zu mindern. 

     

    Der Einbringungsgewinn II wird gemäß § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG nicht erfasst, soweit die im Rahmen der Einbringung erhaltenen Anteile vor dem i.S.d. § 22 Abs. 2 UmwStG schädlichen Ereignis veräußert wurden. Das „soweit“ bezieht sich systematisch auf den prozentualen Anteil und nicht auf den absoluten Betrag des bei dem Verkauf realisierten Gewinns (wohl ebenso: Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 22 Rz. 159 UmwStG sowie Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, UmwStR, § 22 Rz. 75 UmwStG). Dies bedeutet hier, dass 1.000/10.000 oder 10 v.H. des Einbringungsgewinns II nicht zu erfassen sind. Dies wären 90 TEUR. 

     

    Der verbleibende Betrag von 810 TEUR ist rückwirkend in 2007 als Gewinn des G aus der Einbringung zu erfassen. Ebenso wie bei der Einbringung selbst ist auch bei der rückwirkenden Erfassung des Einbringungsgewinns II das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden (Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 22 Rz. 149 UmwStG). Ferner kann G die 810 TEUR als weitere Anschaffungskosten auf die Aktien im Falle einer zukünftigen Realisation i.S.d. § 17 EStG steuermindernd geltend machen (§ 22 Abs. 2 S. 4 UmwStG). 

     

    2.4.2 Behandlung auf Ebene der AG

    Die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG auf Ebene des G hat eine Anwendung des § 23 Abs. 2 S. 3 UmwStG auf Ebene der AG zur Folge. Danach erhöhen sich die Anschaffungskosten der AG für die GmbH-Anteile (nur in der Steuerbilanz, nicht aber in der Handelsbilanz) um den Betrag des Einbringungsgewinns II, soweit der G die darauf entfallende Steuer entrichtet hat und die Bescheinigung i.S.d. §§ 23 Abs. 2 S. 3 Hs. 2, 23 Abs. 2 S. 1, 22 Abs. 5 UmwStG vorgelegt wird. Die Einbuchung der zusätzlichen Anschaffungskosten erfolgt nach § 23 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 i.V.m. S. 1 Hs. 2 UmwStG ohne Auswirkung auf den Gewinn (Buchung unmittelbar gegen Eigenkapital, wegen rein steuerlicher und nicht handelsrechtlicher Buchung Bezeichnung des Kapitalkontos als „steuerlicher Ausgleichsposten“). Die ergebnisneutrale Buchung ist systematisch zutreffend, da es sich um eine Erhöhung des Einlagebetrags aus der Einbringung handelt. Der Einbringungsgewinn II hat dann im Jahr der Veräußerung (nicht rückwirkend im Jahr der Einbringung; vgl. Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 23 Rz. 76 UmwStG) folgende Buchung in der Steuerbilanz der AG zur Folge (Werte in TEUR): 

     

    Beteiligung 

    810 

    an 

    stl. Ausgleichsposten 

    810 

     

    Da der hier gebildete steuerliche Ausgleichsposten und der steuerliche Luftposten beide steuerliche Korrekturpositionen zum Eigenkapital laut Handelsbilanz darstellen, kann eine Saldierung dieser beiden Positionen erfolgen (Mayer, StB 05, 412 unter I. 5.; Ley, FR 07, 109 unter 2.4.2): 

     

    stl. Ausgleichsposten 

    10 

    an 

    stl. Luftposten 

    10 

     

    Die Veräußerung ist auf Ebene der AG zunächst bilanziell wie folgt zu erfassen (Werte in TEUR): 

     

    Bank 

    2.800 

    an 

    Beteiligung 

    1.160 

     

     

     

    Veräußerungsgewinn 

    1.640 

     

    In der Handelsbilanz ergibt sich ein höherer Veräußerungsgewinn, da ein geringerer Beteiligungsansatz von nur 360 auszubuchen ist. Der steuerliche Minder-Veräußerungsgewinn von 800 gleicht den verbleibenden steuerlichen Ausgleichsposten aus, so dass in folgenden Steuerbilanzen kein steuerlicher Ausgleichsposten mehr auszuweisen ist. 

     

    Der Veräußerungsgewinn ist nach § 8b Abs. 2 KStG außerbilanziell zu neutralisieren. Desweiteren sind dem Einkommen außerbilanziell fiktive nicht abziehbare Betriebsausgaben von 5 v.H. von 1,64 Mio. EUR (also 82 TEUR) nach § 8b Abs. 3 KStG wieder hinzuzurechnen. Im wirtschaftlichen Ergebnis ist der Veräußerungsgewinn damit wegen des Zusammenspiels der Abs. 2 und 3 des § 8b KStG zu 5 v.H. steuerpflichtig. Die Veräußerung erhöht das körperschaftsteuerliche Einkommen der AG um 82 TEUR. 

     

    2.4.3 Auswirkung auf die Aktienverkäufe im Februar und im Mai 08

    Da bereits der zu erfassende Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG anteilig um die in 08 erfolgten und steuerlich berücksichtigten Veräußerungen gemindert wurde, ist eine Auswirkung der Veräußerung der GmbH-Anteile durch die AG auf die früheren Aktienverkäufe des G systematisch nicht erforderlich und gesetzlich auch nicht vorgesehen. 

     

    2.4.4 Auswirkung auf die Feststellungen nach §§ 27, 28 KStG der AG

    Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, ob oder wie sich die Veräußerung der GmbH-Anteile auf die Feststellungen nach §§ 27, 28 KStG bei der AG auswirken, besteht nicht. 

     

    Aus der Gesetzessystematik lässt sich aber herleiten, dass die Erfassung des Einbringungsgewinns II sowohl auf Ebene des Einbringenden als auch auf Ebene der aufnehmenden Gesellschaft in Gewinn- und Einkommensermittlung als Erhöhung des bei der Einbringung ursprünglich angesetzten Betrags behandelt wird. Wird dies systematisch auch auf die Entwicklung der Feststellungen nach §§ 27, 28 KStG angewendet, ist die Feststellung nach § 28 KStG um den Betrag des Einbringungsgewinns II zu vermindern bzw. die Feststellung nach § 27 KStG um diesen Betrag zu erhöhen (ebenso: Ley, FR 07, 109 unter 2.4.2). Da die Erhöhung der Anschaffungskosten der Anteile an der GmbH auf Ebene der AG im Jahr der Veräußerung und nicht rückwirkend im Jahr der Einbringung zu buchen ist, ist die Änderung der Feststellungen nach §§ 27, 28 KStG auf den folgenden Feststellungszeitpunkt, den 31.12.08, vorzunehmen. 

     

    Sofern die Auffassung vertreten wird, dass sich dieses Ergebnis nicht bereits im Wege einer systematischen Auslegung der Regelungen der §§ 21bis 23 UmwStG i.V.m. §§ 27, 28 KStG ergibt, wäre die entsprechend geänderte gesonderte Feststellung zumindest wegen sachlicher Unbilligkeit im Billigkeitswege vorzunehmen (§ 163 AO, dieser gilt gemäß § 181 Abs. 1 AO auch für das Feststellungsverfahren). 

    3. Ergebnis

    Ein qualifizierter Anteilstausch i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG, in dessen Rahmen mehrheitsvermittelnde Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft eingebracht werden, kann grundsätzlich steuerneutral ohne Aufdeckung stiller Reserven erfolgen. 

     

    Auch umsatzsteuerliche Nachteile ergeben sich nicht. Aus dem Sachverhalt ist zwar nicht ersichtlich, ob der G überhaupt Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre bereits kein umsatzsteuerbarer Umsatz gegeben. Sollte G hingegen als Unternehmer anzusehen sein, würde zumindest die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8f) UStG greifen, so dass im Ergebnis entweder mangels Steuerbarkeit oder mangels Steuerpflicht keine Umsatzsteuer entstünde. Es ist aber zu beachten, dass Verlustvorträge gefährdet sind und im Einzelfall auch Grunderwerbsteuer ausgelöst werden kann. Würde die G-GmbH nämlich über Grundbesitz verfügen, würde die Übertragung aller Anteile auf die A-AG zu einer Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG führen und mithin einen grunderwerbsteuerbaren Sachverhalt auslösen. 

     

    Spätere Veräußerungen der erhaltenen Anteile durch den einbringenden Gesellschafter sind nicht rückwirkend schädlich für den Einbringungsvorgang, unterliegen aber ihrerseits der Besteuerung (im Privatvermögen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG oder § 17 EStG, wobei auch § 17 Abs. 6 EStG zu beachten ist). 

     

    Veräußerungen der eingebrachten Anteile durch die aufnehmende Kapitalgesellschaft lösen die Rechtsfolgen der §§ 22 Abs. 2, 23 UmwStG aus. Der Einbringende versteuert nachträglich einen Einbringungsgewinn II und kann diesen als zusätzliche Anschaffungskosten auf seine erhaltenen Anteile an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft berücksichtigen. Die aufnehmende Kapitalgesellschaft kann diesen Betrag als zusätzliche Anschaffungskosten ihrer im Rahmen der Einbringung erhaltenen Anteile erfassen und bei der Veräußerung gewinnmindernd berücksichtigen. Ferner dürfte die Kapitalgesellschaft in Höhe des Einbringungsgewinns den Sonderausweis des § 28 KStG vermindern oder das steuerliche Einlagekonto des § 27 KStG erhöhen. 

    Quelle: Ausgabe 04 / 2008 | Seite 120 | ID 118549