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  • · Fachbeitrag · Anwendungsfragen

    Erweiterte Grundstückskürzung: Gleichlautende Erlasse der Finanzbehörden bringen mehr Klarheit

    von Dipl.-Finw. (FH) StB Julian Vortkamp, LL. M., Gronau und Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M., Köln

    | Durch das Fondsstandortgesetz (FoStoG) vom 3.6.21 (BGBl I, 1498) hat der Gesetzgeber § 9 Nr. 1 S. 3 und 4 GewStG neu gefasst. Mit den gleichlautenden Erlassen vom 17.6.22 haben die obersten Finanzbehörden der Länder nun zu wichtigen Anwendungsfragen hinsichtlich der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags im Rahmen dieser Vorschriften Stellung genommen. Die wichtigsten Auswirkungen für die Praxis werden nachfolgend unter Heranziehung von Beispielen erläutert. |

    1. Erweiterte Grundstückskürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

    Der Gewerbesteuer unterliegt gem. § 2 Abs. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, der im Inland betrieben wird. Gem. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird zur Ermittlung des GewSt-Messbetrags die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt. Anstelle dieser Kürzung wird nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten (sog. Ausschließlichkeitsgebot), der daraus erwirtschaftete Gewerbeertrag von der Gewerbesteuer ausgenommen (sog. erweiterte Kürzung). Unschädlich ist daneben das Verwalten und Nutzen von eigenem Kapitalvermögen, das jedoch nicht von der Kürzung des Gewerbeertrags erfasst wird. Gleiches gilt für die Betreuung von Wohnungsbauten sowie die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen.

     

    In zeitlicher Hinsicht wird außerdem vorausgesetzt, dass die ausschließliche Grundbesitzverwaltung im obigen Sinne während des gesamten Erhebungszeitraums erfolgt (zuletzt bestätigt durch BFH 26.2.14, I R 6/13, BFH/NV 14, 1400). Demnach umfasst das Ausschließlichkeitserfordernis nach dem Verständnis des BFH eine Ausschließlichkeit in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht (BFH 19.10.10, I R 1/10, BFH/NV 2011, 841-842).

     

    Werden hingegen Tätigkeiten ausgeübt, die weder der Grundstücksverwaltung noch den anderen erlaubten Tätigkeiten zuzuordnen sind, ist die erweiterte Grundstückskürzung zu versagen.

     

    MERKE | Ziel der Vorschrift ist die Gleichstellung vermögensverwaltender Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, mit vermögensverwaltenden Einzelpersonen und Personengesellschaften (Roser in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 Rn. 92, m. W. n.). Ferner soll eine Doppelbelastung des Grundbesitzes der Grundstücksunternehmen mit Grundsteuer und Gewerbesteuer vermieden werden.

     

    2. Gesetzesänderung durch das FoStoG vom 3.6.21

    Der Katalog der kürzungsunschädlichen Tätigkeiten wurde durch das FoStoG vom 3.6.21 ab dem Erhebungszeitraum 2021 erweitert. Der Gesetzgeber wollte damit u. a. Anreize setzen für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen i. S. d. § 3 Nr. 21 EEG (vgl. BT-Drucks. 19/28868, 131):

     

    • Demnach ist die erweiterte Kürzung nunmehr auch dann zu gewähren, wenn in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes Einnahmen aus der Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien i. S. d. § 3 Nr. 21 EEG oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 10 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b) GewStG). Die Einnahmen dürfen nicht aus der Lieferung an Letztverbraucher stammen, es sei denn, diese sind Mieter des Anlagenbetreibers.

     

    • Darüber hinaus sind die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung in solchen Fällen erfüllt, in denen Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen als den in den Buchstaben a und b bezeichneten Tätigkeiten erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG).

     

    Voraussetzung in diesen Fällen ist allerdings, dass der Gewinn aus der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes gesondert ermittelt wird.

    3. Gleichlautende Erlasse der Finanzbehörden der Länder

    Die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 17.6.22 konkretisieren die Gesetzesänderung vom 3.6.21 anhand von weiteren Praxisbeispielen. Die Erlasse unterscheiden zwischen kürzungsschädlichen und kürzungsunschädlichen Einnahmen. Es sind drei Gruppen von Tätigkeiten zu unterscheiden,

    • die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes (Gruppe 1),
    • kürzungsunschädliche Tätigkeiten nach § 9 Nr. 1 S. 2 bis 4 GewStG (Gruppe 2)
    • und kürzungsschädliche Tätigkeiten (Gruppe 3).

     

    Im Folgenden werden die wesentlichen Aussagen der Ländererlasse zu den neu eingeführten Regelungen zur „begünstigten“ Gruppe 2 näher erläutert:

     

    3.1 Einnahmen aus der Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen i. S. d. § 3 Nr. 21 EEG

    Zunächst wird der Begriff der erneuerbaren Energien wie folgt definiert: „Erneuerbare Energien i. S. d. § 3 Nr. 21 EEG sind Wasserkraft, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie und Energie aus Biomassen.“ (Rz. 11 der Erlasse). Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus den Energieerzeugungsanlagen an Letztverbraucher sind grundsätzlich als kürzungsschädlich anzusehen (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b Doppelbuchst. aa GewStG). Unschädlich ist jedoch die Lieferung von Strom an Letztverbraucher, die Mieter des Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmens sind (sog. Mieterstromanlagen). Die Lieferung von Strom an Direktvermarkter (z. B. der örtliche Stromversorger) ist ebenfalls unschädlich. Der Selbstverbrauch von erzeugtem Strom durch das Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen steht der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags grundsätzlich nicht entgegen. Wird selbst produzierter Strom jedoch zunächst in das Netz eines Netzbetreibers eingespeist und sodann wieder bezogen, so liegt kein Selbstverbrauch vor.

     

    Es ist nicht erforderlich, dass die Anlagen zur Stromerzeugung im Eigentum des Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmens stehen. Es ist z. B. auch ausreichend, wenn die Anlagen geleast sind.

     

    PRAXISTIPP | Ein Blockheizkraftwerk stellt wegen des ausdrücklichen Bezugs auf § 3 Nr. 21 EEG hingegen grundsätzlich keine Anlage i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b Doppelbuchst. aa GewStG dar. Hinsichtlich der Behandlung von Blockheizkraftwerken sind jedoch auch Ausnahmen je nach Anlagenart denkbar. Liefern Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen mittels eines Blockheizkraftwerks z. B. Wärme an ihre Mieter, so handelt es sich bei der Wärmelieferung um einen Bestandteil der Gebrauchsüberlassung, der originär der erweiterten Kürzung unterliegt.

     

    3.2 Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder

    Unschädlich für die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags sind Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge einschließlich Elektrofahrräder, die keine Kraftfahrzeuge i. S. d. § 1 Abs. 3 StVG sind, wenn die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % nicht überschritten wird (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b Doppelbuchstabe bb GewStG). Die Lieferung von Strom aus dem Betrieb solcher Ladestationen ist auch dann unschädlich für die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags, wenn sie nicht (ausschließlich) an Mieter erfolgt. Ergänzend hierzu werden verschiedene Fallgestaltungen in den Erlassen erläutert (siehe Rz. 18 ff. der Erlasse).

     

    3.3 Vertragsbeziehungen zwischen Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen und ihren Mietern/Pächtern (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG)

    Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung bleibt auch dann erhalten, wenn die Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern/Pächtern bezüglich anderer als der in § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. a und b GewStG bezeichneten Tätigkeiten erzielt werden. Diese Einnahmen dürfen in dem für den Erhebungszeitraum maßgeblichen Wirtschaftsjahr dann allerdings nicht mehr als 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes ausmachen. Hier geht es insbesondere um Einnahmen aus

    • der Überlassung von Betriebsvorrichtungen ohne funktionalen Zusammenhang mit dem vermieteten Grundstück
    • Veranstaltungen wie z. B. Weihnachtsmärkte
    • dem Betrieb eines Schwimmbades als Sonderleistung an die Mieter/Pächter

     

    In Abgrenzung hierzu werden Einnahmen aus Vertragsbeziehungen zu Personen, die nicht Mieter/Pächter sind, nicht von dieser Vorschrift erfasst (z. B. Betrieb eines Schwimmbades, das auch von außenstehenden Personen genutzt werden kann). Personen, die dauerhaft in den Haushalt des Hauptmieters aufgenommen sind (bspw. Kinder und Lebenspartner), sind für Zwecke dieser Vorschrift ebenfalls als Mieter anzusehen.

     

    Die Berechnung der prozentualen Unschädlichkeitsgrenzen von 10 % bzw. 5 % wird in den o. g. Erlassen ebenfalls konkretisiert. Zunächst sind die Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes zu bestimmen. Hierzu gehören insbesondere die vereinbarten Miet- und Pachteinnahmen inklusive sämtlicher umlagefähiger Betriebskosten. Die Umsatzsteuer bleibt hingegen außer Ansatz. In Fällen einer temporären Mietfreistellung durch den Vermieter ist grundsätzlich von einer vereinbarten Miete von 0 EUR auszugehen.

     

    Die Einnahmen aus der Veräußerung von eigenem Grundbesitz stellen keine Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes im Rahmen der Berechnung der Unschädlichkeitsgrenze dar. Der Begriff der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG beinhaltet unabhängig davon grundsätzlich auch die Veräußerung von bisher vermietetem bzw. verpachtetem Grundbesitz.

     

    Einnahmen aus der Veräußerung oder der Demontage der in § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b und c GewStG genannten Anlagen stellen keine Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes dar. Sie gelten als „letzter Akt“ (Rz. 10 der Erlasse) der Stromlieferung bzw. der unmittelbaren Vertragsbeziehungen.

     

    Beachten Sie | Die Prüfung der Unschädlichkeitsgrenzen des § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b und c GewStG hat getrennt voneinander zu erfolgen. Ein Übertrag nicht genutzter Prozentpunkte auf die jeweils andere Grenze ist nicht zulässig.

     

    FAZIT | Der Anwendungsbereich der erweiterten Gewerbesteuerkürzung ist durch das FoStoG erfreulicherweise erweitert worden. Dies ermöglicht dem Berater einen größeren Gestaltungsspielraum bei der Anwendung dieser gesetzlichen Regelung. Dennoch birgt die erweiterte Grundstückskürzung weiterhin Risiken, die zur vollen Versagung der Kürzung des Gewerbeertrags führen können. Im Zweifel empfiehlt es sich somit weiterhin, die insoweit „kritischen Aktivitäten“ des Mandanten in einer separaten rechtlichen Einheit zu bündeln.

     

    Durch die Erlasse v. 17.6.22 hat die Finanzverwaltung in einigen Punkten für mehr Klarheit gesorgt. Es ist insbesondere begrüßenswert, dass auch die Verwaltung und Nutzung angemieteten Grundbesitzes unter den Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG als kürzungsunschädlich angesehen wird. Darüber hinaus ist es positiv für den Mandanten, dass Einnahmen aus zusätzlichen Stromlieferungen an die Mieter aus zugekauftem Strom zu den kürzungsunschädlichen Einnahmen zählen. Die Finanzverwaltung vertritt in den o. g. Erlassen im Wesentlichen eine für den Mandanten vorteilhafte Auslegung der Neuregelungen. Dies ist auch daran zu erkennen, dass Einnahmen aus der Veräußerung oder Demontage der in § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b und c GewStG genannten Anlagen als letzter Akt der Stromlieferung bzw. der unmittelbaren Vertragsbeziehungen zwischen Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen gelten und somit grundsätzlich nicht zur Versagung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung führen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die 10 %- bzw. 5 %-Grenze jeweils nicht überschritten wird.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2022 | Seite 353 | ID 48548981