· Fachbeitrag · Betriebsaufspaltung
Aufgabe des Durchgriffsverbots bei Besitz-PersG: Finanzverwaltung schließt sich BFH an
von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover
| Bei einer Beteiligung an einer Besitz-Personengesellschaft, die ausschließlich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, wurde bislang wegen des sog. Durchgriffsverbots weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion der Besitzgesellschaft zugerechnet. Der BFH hat das Durchgriffsverbot bei Besitz-Personengesellschaften in der Betriebsaufspaltung jedoch jüngst aufgegeben und auch das BMF hat sich zuletzt dieser Auffassung angeschlossen (vgl. BMF 21.11.22, BStBl I 22, 1515). Welche praktischen Auswirkungen sich hieraus ergeben und ob sich eine Signalwirkung für parallele Praxisfälle von Besitz-KapGes ableiten lässt, wird nachfolgend betrachtet. |
1. Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung
1.1 Allgemeines
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn das sog. Besitzunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personen- oder Kapitalgesellschaft (sog. Betriebsunternehmen) zur Nutzung überlässt und eine Person oder Personengruppe sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen. Liegen die Voraussetzungen der personellen und sachlichen Verflechtung vor, ist die Vermietung oder Verpachtung keine Vermögensverwaltung mehr, sondern das Besitzunternehmen ist als Gewerbebetrieb einzustufen (vgl. BFH 12.11.85, VIII R 240/81, BStBl II 86, 296).
1.2 Personengruppentheorie bei „personeller Verflechtung“
Eine personelle Verflechtung liegt regelmäßig vor, wenn die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dies setzt nicht voraus, dass an beiden Unternehmen die gleichen Beteiligungen derselben Personen bestehen. Es genügt vielmehr, dass die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchzusetzen (sog. Beherrschungsidentität; vgl. BMF 7.10.02, BStBl I 02, 1028). Ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille ist auch bei wechselseitiger Mehrheitsbeteiligung von zwei Personen am Besitzunternehmen und am Betriebsunternehmen anzunehmen (vgl. BFH 24.2.00, IV R 62/98, BStBl II 00, 417; H 15.7 Abs. 6 EStH, m. w. N.).
Die Betriebsgesellschafter können ihren Willen in der Besitzgesellschaft durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag, mit Mitteln des Gesellschaftsrechts oder aber ausnahmsweise durch eine faktische Beherrschung durchsetzen. Für die Durchsetzung des geschäftlichen Betätigungswillens ist auf das hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlage bestehende Miet- oder Pachtverhältnis abzustellen (vgl. BFH 27.8.92, IV R 13/91, BStBl II 93, 134).
1.3 Grundsatz der Einstimmigkeit
Werden im Gesellschaftsvertrag keine Regelungen über die Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen bei Gesellschafterbeschlüssen getroffen, gilt der Grundsatz der Einstimmigkeit. Ist daher an der Besitzgesellschaft neben der mehrheitlich bei der Betriebsgesellschaft beteiligten Person oder Personengruppe mindestens ein weiterer Gesellschafter beteiligt (sog. Nur-Besitzgesellschafter) und müssen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wegen vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen einstimmig gefasst werden, ist eine Beherrschungsidentität auf vertraglicher und gesellschaftsrechtlicher Grundlage und damit eine personelle Verflechtung nicht gegeben. Die mehrheitlich beteiligte Person oder Personengruppe ist dann nicht in der Lage, ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Besitzgesellschaft durchzusetzen. Dies gilt jedoch nur, wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter, die sogenannten Geschäfte des täglichen Lebens, einschließt (vgl. BFH 21.8.96, X R 25/93, BStBl II 97, 44).
In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann auch eine faktische Beherrschung ausreichen, um eine personelle Verflechtung zu bejahen. Eine solche liegt vor, wenn auf die Gesellschafter, deren Stimmen zur Erreichung der erforderlichen Stimmenmehrheit fehlen, aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen Druck ausgeübt werden kann, dass sie sich dem Willen der beherrschenden Person oder Personengruppe unterordnen. Dazu kann es z. B. kommen, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft unverzichtbare Betriebsgrundlagen zur Verfügung stellt, die er ihr ohne Weiteres wieder entziehen kann. Das Vorliegen solcher besonderen Umstände kann stets nur im Einzelfall festgestellt werden. Ein jahrelanges konfliktfreies Zusammenwirken allein lässt den Schluss auf eine faktische Beherrschung jedoch nicht zu (vgl. BMF 7.10.02, BStBl I 02, 1028).
2. Schwierigkeiten bei mittelbaren Beteiligungen
2.1 Allgemeines
Bei der Frage, ob eine mittelbare Beteiligung zur personellen Verflechtung führen kann, hat der BFH unter Rückgriff auf das sog. Durchgriffsverbot bisher differenziert entschieden. Eine personelle Verflechtung hat der BFH insbesondere dann angenommen, wenn die Personen, die die Geschicke des Besitzunternehmens bestimmen, in der Lage sind, über eine zwischengeschaltete rechtsfähige Körperschaft ihren Willen hinsichtlich aller wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen auch in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen (vgl. BFH 28.11.01, X R 50/97, BStBl II 02, 363). Dies impliziert, dass der oder die Besitzunternehmer ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen über die zwischengeschaltete rechtsfähige Körperschaft in die Betriebskapitalgesellschaft transferieren und somit auch dort der einheitliche geschäftliche Betätigungswille entfaltet werden kann.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH (15.4.99, IV R 11/98, BStBl II 99, 532; 8.9.11, IV R 44/07, BStBl II 12, 136) soll jedoch umgekehrt, wenn also diejenigen Personen, die die Betriebskapitalgesellschaft beherrschen, an der Besitzpersonengesellschaft nur mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligt sind, mangels Mitunternehmerstellung in der Besitzpersonengesellschaft keine personelle Verflechtung vorliegen.
Beachten Sie | Nach Ansicht des BFH (15.4.99, IV R 11/98, BStBl II 99, 532) entfaltet eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft eine Abschirmwirkung. Hieraus wurde verschiedentlich gefolgert, dass bei nur mittelbarer Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft infolge des sog. „Durchgriffsverbots“ keine personelle Verflechtung vorliegt, unabhängig davon, ob die mittelbare Beteiligung an dem Besitzunternehmen oder an der Betriebsgesellschaft besteht. Dieses Verständnis galt jedoch entgegen der zeitweise missverständlichen Formulierung des BFH nicht für die mittelbare Beteiligung an einer Betriebs-GmbH.
MERKE | Die Rechtsprechung war daher in diesem Punkt inkonsequent und gab Anlass zur Kritik. Für die personelle Verflechtung kann eine lediglich mittelbare Beteiligung ausreichend sein, sofern diese eine Beherrschungsidentität vermittelt. Vor diesem Hintergrund lassen sich keine sachlichen Gründe finden, die die unterschiedliche Behandlung einer mittelbaren Beteiligung an einem Betriebsunternehmen einerseits und einer solchen an einem Besitzunternehmen andererseits rechtfertigen könnte (vgl. Frotscher/Geurts, EStG, Anh. 2 zu § 15 EStG, Rn. 128 ff., m. w. N.). |
2.2 Aufgabe des Durchgriffsverbots bei Besitz-PersGes
2.2.1 Geänderte BFH-Rechtsprechung
Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH kann eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an der Besitzgesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, mangels Mitunternehmerstellung dieser Gesellschafter in der Besitzgesellschaft nicht zu einer personellen Verflechtung führen. Denn der Besitzgesellschaft könne wegen des sog. Durchgriffsverbots weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden (vgl. BFH 8.9.11, IV R 44/07, BStBl II 12, 136; 30.10.19, IV R 59/16, BStBl II 20, 147). Zur Begründung hatte sich der BFH ursprünglich noch unter Berufung auf das BVerfG auf die rechtliche Selbstständigkeit der Kapitalgesellschaft als juristische Person bezogen. Andererseits kann jedoch schon nach bisheriger Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden (vgl. BFH 29.11.17, X R 8/16, BStBl II 18, 426; 16.9.21, IV R 7/18, BStBl II 22, 767).
Der BFH (16.9.21, IV R 7/18, BStBl II 22, 767) hat daher nunmehr gegensätzlich entschieden, dass auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen ist. Bei einer Beteiligung an einer Besitz-Personengesellschaft, die ausschließlich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, wurde bislang wegen des sog. Durchgriffsverbots weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion der Besitzgesellschaft zugerechnet. Daran hält der BFH aber nicht mehr fest.
2.2.2 Vertrauensschutzregelung bei Besitz-PersGes bis Ende 2023
Aus Vertrauensschutzgründen ist eine solche mittelbare Beteiligung bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung allerdings erst ab dem VZ 2024 zu berücksichtigen (vgl. BMF 21.11.22, BStBl I 22, 1515).
2.3 Weiterhin Durchgriffsverbot bei Besitz-KapGes in Schwesterfällen
Die Rechtsprechung des BFH zur fehlenden personellen Verflechtung zwischen Schwester-Kapitalgesellschaften ist weiterhin anzuwenden (vgl. BMF 21.11.22, BStBl I 22, 1515). Eine auf Vermietung von Grundbesitz beschränkte Besitz-GmbH kann daher die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG auch dann in Anspruch nehmen, wenn ihre Gesellschafter zugleich die beherrschenden Gesellschafter der Betriebs-GmbH sind. Nach diesen Grundsätzen kommt es für die Annahme einer Betriebsaufspaltung mit gewerblicher Tätigkeit der Besitzgesellschaft nicht darauf an, ob sich die Anteile an der Betriebs-GmbH im Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft ‒ in der Rechtsform einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) ‒ befinden. Werden die Anteile von den Gesellschaftern in ihrem Vermögen gehalten, so sind sie nach ständiger Rechtsprechung als notwendiges Sonder-BV der Gesellschafter im Rahmen der Mitunternehmerschaft zu behandeln (vgl. BFH 14.11.69, III 218/65, BStBl II 70, 302; 15.10.75, I R 16/73, BStBl II 76, 188).
Beachten Sie | Für eine solche Zuordnung der Anteile ist jedoch kein Raum, wenn es sich bei dem Besitzunternehmen nicht um eine Mitunternehmerschaft, sondern um eine Kapitalgesellschaft handelt. Nur bei Vorliegen einer Mitunternehmerschaft besteht eine gesetzliche Grundlage für eine von der zivilrechtlichen Rechtslage absehende besondere steuerrechtliche Zuordnung (vgl. BFH 18.7.79, I R 199/75, BStBl II 79, 750).
Die Grundsätze des BFH (8.11.71, GrS 2/71, BStBl II 72, 63), nach denen es für die Annahme einer gewerblichen Betätigung des Besitzunternehmens genügt, wenn die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben und in der Lage sind, ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen, betreffen allerdings nur solche Fälle der sog. unechten Betriebsaufspaltung, bei denen die Besitzgesellschaft eine Personengesellschaft ist. Für Kapitalgesellschaften als Besitzunternehmen gelten sie grundsätzlich nicht. Denn der Besitz-GmbH können weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebs-GmbH noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden, da es sich um verschiedene Rechtsträger handelt. Eine solche Zurechnung würde einen unzulässigen steuerrechtlichen Durchgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Personen bedeuten (vgl. BVerfG 24.1.62, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, S. 331).
3. Signalwirkung für erweiterte GewSt-Kürzung
Anstelle der einfachen GewSt-Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder daneben eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags gewährt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Diese erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG kann grundsätzlich von allen Unternehmensformen (Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften) in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen müssen während des gesamten Erhebungszeitraums oder während des gesamten abgekürzten Erhebungszeitraums vorliegen. Für die Anwendung der erweiterten Kürzung kommt es hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob Grundbesitz zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehört, nicht auf den Stand an einem bestimmten Stichtag an (vgl. R 9.2 Abs. 1 GewStR).
Beachten Sie | Im Falle einer Betriebsaufspaltung kann die Besitzgesellschaft die nur für die bloße Vermögensverwaltung von Grundbesitz geltende erweiterte Kürzung jedoch dem Grunde nach nicht in Anspruch nehmen (vgl. H 9.2 Abs. 2 „Betriebsaufspaltung“ GewStH). Daher wurde in Real-Estate-Fällen bisher oftmals eine mittelbare Zwischenschaltung einer KapGes in Besitz-PersGes-Fällen gestaltet. Dieses dürfte nunmehr praktisch nachteilig wirken und durch die Aufgabe des Durchgriffsverbots in Fällen einer Besitz-PersGes praktische Schwierigkeiten verursachen.
FAZIT | Durch die aktuelle BFH-Judikatur zur Aufgabe des Durchgriffsverbots bei Besitz-Personengesellschaften kam es bisher zu praktischen Unklarheiten bei kapitalistischen Besitzgesellschaften. Die Finanzverwaltung hat jedoch nun für Rechtssicherheit gesorgt und die Fortgeltung des Durchgriffsverbots bei Besitz-Kapitalgesellschaften (gerade in Schwesterfällen) bestätigt. Demnach kann eine auf Vermietung von Grundbesitz beschränkte Besitz-GmbH die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 f. GewStG auch dann in Anspruch nehmen, wenn ihre Gesellschafter zugleich die beherrschenden Gesellschafter der Betriebs-GmbH sind. Hierdurch ergeben sich somit ertragsteuerliche Vorteile, gerade bei konzerninternen und kapitalistisch geprägten Vermietungsmodellen. Eine zukünftige Rechtsfortentwicklung bleibt in praktischen Einzelfällen letztlich zu beobachten. |