· Fachbeitrag · Erweiterte Gewerbesteuerkürzung
Durchgriffsverbot bei umgekehrter Betriebsaufspaltung: BFH macht den Weg frei!
von StB Jan Böttcher, LL. M., Nürnberg
| Die Inanspruchnahme der erweiterten GewSt-Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG ist nach wie vor ein hochaktuelles Thema in der Gestaltungsberatung. Durch die jüngere BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren Beherrschung einer grundbesitzenden Personengesellschaft ( 16.9.21, IV R 7/18, BStBl II 22, 767) kam es jedoch zu Unsicherheiten bei entsprechenden Gestaltungsmodellen. War etwa auch das klassische Konzept einer Überlassung zwischen Schwester-Kapitalgesellschaften gefährdet? Eine aktuelle Entscheidung des BFH (22.2.24, III R 13/23 ) zu den Fällen einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung schafft hier höchst erfreuliche Klarheit für die Beratungspraxis. |
1. Zum Hintergrund
Grundsätzlich wird die Summe des Gewinns gem. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG pauschal um 1,2 % des Einheitswerts (ab 2025: 0,11 % des Grundsteuerwerts) des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt. Anstelle dieser einfachen Kürzung kann auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen die erweiterte Gewerbesteuerkürzung treten, womit sich für Grundstücksunternehmen u. U. sogar eine vollständige Befreiung des auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfallenden Gewerbeertrags erreichen lässt. Ziel der Gestaltungsberatung ist hierbei regelmäßig eine Allokation von Grundbesitz in eine Kapitalgesellschaft, da sich über diese Struktur nachhaltige steuerliche Entlastungseffekte konstruieren lassen (sog. „vermögensverwaltende GmbH“ mit einer effektiven Steuerbelastung i. H. v. 15,825 %).
Der Grundtatbestand der erweiterten Gewerbesteuerkürzung erfordert nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (= begünstigte Haupttätigkeit), daneben stellt § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 einen abgeschlossenen Katalog nicht begünstigter (= gewerbesteuerpflichtiger), jedoch darüber hinaus nicht schädlicher Nebentätigkeiten auf ‒ z. B. die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens. Hinsichtlich der begünstigten Haupttätigkeit, die grundsätzlich in der Vermietung und Verpachtung des (eigenen) Grundbesitzes besteht, jedoch auch den finalen Akt der Veräußerung des Grundbesitzes umfasst, ist eine Abgrenzung zu gewerblichen Tätigkeiten erforderlich. Relevant sind insbesondere Tätigkeiten, die zwar in erster Linie vermögensverwaltend sind, aber bei Überschreiten gewisser Schwellengrenzen oder Hinzutreten besonderer Umstände gewerblich werden.
Ein klassischer Versagungstatbestand ist hierbei die Qualifikation des grundbesitzenden Unternehmens als sog. Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Der Zweck der Besitzgesellschaft ist in diesen Fällen von vornherein nicht auf Vermögensverwaltung, sondern auf Teilnahme am Wirtschaftsverkehr und Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet (BFH 16.9.21, IV R 7/18, BStBl II 22, 767).
Bislang galt daher das Mantra: Eine Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung kann die erweiterte Gewerbesteuerkürzung des § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG nicht in Anspruch nehmen. An dieser generellen Aussage ist nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH nicht mehr festzuhalten. Dahin gehend bedarf es zunächst eines Blicks auf die verschiedenen Ausprägungen einer Betriebsaufspaltung. Je nach Rechtsform der Besitz- bzw. Betriebsgesellschaft als Kapitalgesellschaft (KapG) oder als Personengesellschaft (PersG) werden dahin gehend folgende Varianten einer Betriebsaufspaltung unterschieden:
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Besitzgesellschaft | Betriebsgesellschaft | |
Klassische Betriebsaufspaltung | PersG | KapG |
Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung | PersG | PersG |
Umgekehrte Betriebsaufspaltung | KapG | KapG |
Kapitalistische Betriebsaufspaltung | KapG | KapG |
(vgl. Roser in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 150)
Wegen des Gestaltungsziels, die erweiterte Gewerbesteuerkürzung über eine KapG (regelmäßig in der Rechtsform einer GmbH) zu erlangen, haben somit die Fälle der umgekehrten und kapitalistischen Betriebsaufspaltung eine besondere Relevanz. Hier stößt nun die jüngere Rechtsprechung des BFH die Tore für eine gezielte Gestaltung entsprechender Strukturen weit auf.
2. Aktuelle Entscheidung des BFH zur sog. „umgekehrten Betriebsaufspaltung“
In seiner Entscheidung vom 22.2.24 (III R 13/23) hat der BFH wesentliche Grundaussagen zur Frage der Inanspruchnahme der erweiterten Gewerbesteuerkürzung im Rahmen einer umgekehrten Betriebsaufspaltung und der Reichweite des sog. Durchgriffsverbots bei der Frage einer für die Annahme einer Betriebsaufspaltung notwendigen Beherrschungssituation (sog. personelle Verflechtung) getroffen. Die Entscheidung ist zur Veröffentlichung im BStBl II vorgesehen und hat damit eine herausragende Bedeutung für die Gestaltungsberatung.
2.1 Sachverhalt
Besitzgesellschaft war eine Immo-GmbH. An dieser war F unmittelbar zu ca. 48 % beteiligt. Daneben war die B-GmbH zu 52 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt, deren Anteile vollständig von der (operativ tätigen) F-GmbH & Co. KG (F-KG) gehalten wurden, deren zu 100 % beteiligte Kommanditistin die A-GmbH war. Alleiniger Gesellschafter der A-GmbH war wiederum F. Die I-GmbH überließ einen Teil ihres ‒ ansonsten an Dritte verpachteten ‒ Grundbesitzes der F-KG. Das FA versagte nach einer steuerlichen Betriebsprüfung die Inanspruchnahme der erweiterten GewSt-Kürzung durch die I-GmbH, da eine schädliche (umgekehrte) Betriebsaufspaltung zwischen der I-GmbH und der F-KG vorläge.
2.2 Entscheidungsgründe
Die sachliche Verflechtung zwischen der I-GmbH und der F-KG war unstreitig. Fraglich war allein das Vorliegen einer personellen Verflechtung. Diese erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen. Ist eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen, kommt es jedoch darauf an, ob diese selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann (vgl. BFH 28.1.15, I R 20/14 zur sog. kapitalistischen Betriebsaufspaltung). Ein Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Gesellschafter sei nach Ansicht des III. Senats des BFH aufgrund des sog. Durchgriffsverbots nicht zulässig (Rz. 22 der Urteilsgründe): „Aus einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden“.
Eine Betriebsaufspaltung mit einer Besitzkapitalgesellschaft kann damit nach Auffassung des BFH nur entstehen, wenn diese selbst zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Die Anteile des F und dessen Beherrschungsfunktion könnten aufgrund des Durchgriffsverbots nicht der I-GmbH zugerechnet werden. Von daher sei die I-GmbH rein vermögensverwaltend tätig und somit die erweiterte GewSt-Kürzung zu gewähren.
3. Relevanz für die Praxis
3.1 Aktuelle Rechtsprechung zur mittelbaren Beherrschung
Der aktuellen Entscheidung des III. Senats kommt vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung des IV. Senats des BFH vom 16.9.21 (IV R 7/18, BStBl II 22, 767) ganz wesentliche praktische Bedeutung zu: Der IV. Senat hat bekanntlich unter Änderung seiner früheren Auffassung für die Fälle einer mittelbaren Beteiligung an einer Besitz-PersG entschieden, dass eine zur Besitzgesellschaft zwischengeschaltete KapG eine personelle Verflechtung nicht (mehr) abschirmt. Das BMF (21.11.22, BStBl I 22, 1515) ist den Urteilsgründen gefolgt, hat jedoch eine Übergangsregelung bis zum VZ 24 gewährt; mit gleichlautenden Ländererlassen vom selben Tag (BStBl I 22, 1528) wurde dies auch für die erweiterte GewSt-Kürzung übernommen.
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A ist alleiniger Gesellschafter sowohl der A- als auch der B-GmbH. Die A-GmbH ist zu 100 % beteiligte Kommanditisten der Immo-GmbH & Co. KG (I-KG), die Anteile an der Komplementär-GmbH hält wieder der A. Die I-KG überlässt der B-GmbH ein Gebäude zur betrieblichen Nutzung. |
Nach alter Rechtsprechung hatte die A-GmbH eine Abschirmwirkung entfaltet, sodass nicht von einer Beherrschungsidentität zwischen der I-KG und der B-GmbH auszugehen war. Nunmehr sind für Zwecke der personellen Verflechtung auch die über zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften vermittelten Beteiligungen bzw. Beherrschungsfunktionen zu beachten. Vorliegend ist daher von einer Beherrschungsidentität auszugehen, da A über die A-GmbH sowohl die I-KG als auch über seine unmittelbare Beteiligung die B-GmbH beherrscht.
Beachten Sie | Dieses Ergebnis hat in der Gestaltungspraxis große Unsicherheit ausgelöst. Die Sorge war, dass damit über kurz oder lang auch eine Überlassung zwischen Schwesterkapitalgesellschaften nicht (mehr) zur Inanspruchnahme der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG berechtigen würde.
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Die I-KG wird auf die A-GmbH im Wege der §§ 2 ff. UmwG verschmolzen. Zukünftig führt diese daher die Verpachtung des Grundbesitzes an die B-GmbH fort. |
Auf den ersten Blick wird man hier sicherlich ein Störgefühl haben. Wenn die Überlassung durch eine 100%ige Tochter-PersG schädlich ist, müsste dann nicht Entsprechendes bei einer direkten Überlassung über die Mutter-KapG gelten? Der IV. Senat stellte dahin gehend lediglich fest, dass er darüber nicht zu entscheiden brauchte und vorher auch die Zustimmung des I. Senats des BFH zu seiner Entscheidung eingeholt habe. Letzterer sieht bekanntlich bei der Überlassung zwischen Schwester-KapG ein Durchgriffsverbot durch die Besitz-GmbH und damit auch eine Abschirmung für Zwecke einer Beherrschungssituation im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (vgl. BFH 22.10.86, I R 180/82, BStBl II 87, 117). Auch das BMF vom 21.11.22 (a. a. O.) stellte dahin gehend klar, dass es die Rechtsprechung zur fehlenden personellen Verflechtung zwischen Schwester-Kapitalgesellschaften weiterhin anwenden wolle.
In der Literatur wurden derartige Gestaltungen dennoch als nicht „zukunftssicher“ eingestuft ‒ insbesondere war nicht klar, ob hier ggf. doch eine Divergenz der Senate des BFH vorliegen würde (dies bspw. befürchtend: Broemel/Klein, DStR 22, 857).
3.2 III. Senat bestätigt Durchgriffsverbot
Mit seiner obigen Entscheidung hat sich nunmehr auch der III. Senat positioniert: Ein Durchgriff durch eine selbst grundbesitzende bzw. diesen überlassende KapG findet niemals statt ‒ eine für Zwecke der Inanspruchnahme der erweiterten Gewerbesteuerkürzung i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewSt schädliche Betriebsaufspaltungskonstellation kommt daher nur in den Konstellationen einer Beherrschung der Betriebsgesellschaft (unabhängig von deren Rechtsform) durch die „Besitzgesellschaft“ selbst in Betracht. Mit anderen Worten, schädlich sind Mutter-Tochter-Konstellationen, bei denen die den Grundbesitz überlassende Mutter-KapG zu mehr als 50 % unmittelbar an der Tochtergesellschaft beteiligt ist.
Damit steht fest: Das Durchgriffsverbot zu einer grundbesitzenden GmbH hält ‒ der Gestaltungspraxis bietet dies (weiterhin) die gezielte Möglichkeit der Inanspruchnahme der erweiterten GewSt-Kürzung über eine sog. „vermögensverwaltende GmbH“. Diese gilt uneingeschränkt bei Überlassungen an eine Schwester-KapG und grundsätzlich auch bei Überlassungen an Schwester-PersG. Im letzteren Fall ist jedoch die Missbrauchsklausel des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG zu beachten.
3.3 Missbrauchsklausel des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG
Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist gemäß § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Der Gesetzgeber sieht in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Begünstigung des Grundstücksunternehmens nicht mehr als gegeben an, weil bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag einfließen und damit der Gewerbesteuer unterliegen würden (BFH 7.8.08, IV R 36/07, BStBl II 10, 988). Grundbesitz „dient“ hierbei dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters auch dann, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter des Grundstücksunternehmens beteiligt ist (BFH 16.9.21, IV R 7/18, BStBl II 22, 767).
Schaut man auf die Gestaltung des Ausgangsfalls der BFH-Entscheidung vom 22.2.24 (III R 13/23), wird klar, warum es zur Erlangung der erweiterten GewSt-Kürzung der I-GmbH sowohl der Zwischenschaltung der B-GmbH als auch der A-GmbH bedurfte: Ohne die B-GmbH wäre die F-KG als grundbesitznutzende Gesellschaft direkt an der I-GmbH beteiligt gewesen. F wäre daneben, ohne die Zwischenschaltung der A-GmbH, wiederum unmittelbar beteiligter Mitunternehmer der F-KG gewesen, sodass auch diesem als zu 48 % direkt beteiligtem Gesellschafter der I-GmbH die Grundstücksnutzung der F-KG zugerechnet worden wäre. Eine direkte Abschirmung der Beteiligung des F an der I-GmbH über die Zwischenschaltung einer GmbH wurde wahrscheinlich aus Gründen eines sonst realisierten schädlichen Anteilseignerwechsels i. S. d. § 1 Abs. 2b GrEStG nicht vorgenommen. Somit bedurfte es über den mittelbaren Beteiligungsstrang des F zur I-GmbH gleich zweier „GmbH-Blocker“, um die erweiterte GewSt-Kürzung des § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG zu erlangen.
FAZIT | Mit der Entscheidung des III. Senats vom 22.2.24 wird der Bogen der aktuellen Fragen zum Durchgriffsverbot bei immobilienbesitzenden KapG konsequent geschlossen. Einer grundbesitzenden GmbH ist die erweiterte GewSt-Kürzung grundsätzlich zu gewähren, wenn diese den Grundbesitz nicht an von ihr selbst beherrschte Gesellschaften überlässt. Mangels eigener Beherrschung bzw. eines unverrückbaren Durchgriffsverbots durch die Besitzgesellschaft selbst greifen die Grundsätze einer umgekehrten Betriebsaufspaltung von vornherein nicht ein. Letztere kommt somit nur in Mutter-Tochter-Konstellationen in Betracht, jedoch niemals bei Überlassung zur Seite an Schwester-PersG.
Gleichsam ist damit für die Gestaltungspraxis die Überlassung an eine (nicht direkt beherrschte) Schwester-KapG abgesichert. Auch hier kommt es aufgrund des Durchgriffsverbots nicht zu einer für eine erweiterte GewSt-Kürzung schädlichen Qualifikation der grundbesitzenden KapG als Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Etwas irritierend mag in diesem Zusammenhang sein, dass nun wiederum eine solche Abschirmwirkung nach der Grundsatzentscheidung des IV. Senats des BFH vom 16.9.21 (IV R 7/18, BStBl II 22, 767) nicht zu einer grundbesitzenden Enkel-PersG greifen soll, hiermit wird die Gestaltungspraxis nach dem Urteil des III. Senats aber leben können. Hochinteressant ist die Entscheidung des III. Senats auch hinsichtlich der tückischen Missbrauchsklausel des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG. Auch hier zeigt die Gestaltung schon fast lehrbuchartig, wie eine Abschirmung gelingt ‒ aber auch, wie sorgfältig in derartigen Strukturen gearbeitet bzw. proaktiv strukturiert werden muss. |