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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Steuern sparen mit § 6b EStG ist auch ohne Investitionsvorhaben möglich

    von Dipl.-Finw., M.A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finw. Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

    | Der Verkauf eines zum Betriebsvermögen gehörigen Grundstücks führt regelmäßig zur Aufdeckung stiller Reserven und damit zu einer enormen Steuerbelastung. Doch durch eine geschickte Gestaltung unter Anwendung des § 6b EStG kann nicht nur die effektive Steuerbelastung reduziert, sondern zugleich von einer Steuerstundung über mehrere Jahre profitiert werden. Der Stundungseffekt tritt selbst dann ein, wenn der Veräußerungserlös letztlich nicht im betrieblichen Bereich reinvestiert werden soll. |

    1. Der Praxisfall

    Günther (G) ist verheiratet und betreibt eine Gaststätte. Durch den Verkauf eines seit 15 Jahren zum Betriebsvermögen gehörenden und als Parkplatz genutzten Grundstücks erzielt G einen Erlös von 175.000 EUR. Diesem steht ein Buchwert von 100.000 EUR gegenüber. Ohne Berücksichtigung dieses Vorgangs erwirtschaftet G im Jahr der Veräußerung einen nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinn von 50.000 EUR. Auch für die Folgejahre erwartet G einen Gewinn in ähnlicher Höhe. Größere Investitionen möchte G künftig nicht tätigen.

     

    Beachten Sie | Zur Vereinfachung wird die Steuer ausgehend vom Gewinn ermittelt, Sonderausgaben usw. bleiben unberücksichtigt ‒ ebenso die Anrechnung der GewSt nach § 35 EStG und der Soli. Es gilt für jedes Jahr der Steuersatz für 2020.

     

    • Die Steuer ermittelt sich vereinfacht wie folgt

    Gewinn aus Gewerbebetrieb

    50.000 EUR

    zzgl. Veräußerungserlös Grundstück

    175.000 EUR

    abzgl. Buchwert Grundstück

    ‒ 100.000 EUR

    zu versteuern

    125.000 EUR

    darauf entfallende Einkommensteuer

    34.572 EUR

     

    Ohne den Veräußerungsvorgang wären auf die 50.000 EUR Gewinn 7.428 EUR Einkommensteuer angefallen (Zusammenveranlagung unterstellt). Auf die Grundstücksveräußerung entfällt mithin die Differenz von 27.144 EUR.

     

    G fragt seinen Steuerberater, ob es nicht Mittel und Wege gebe, von dieser hohen Steuerlast etwas „einzusparen“. Und bei diesen Überlegungen kommt dann ‒ wie zu erwarten ‒ eine § 6b-Rücklage als mögliches Steuergestaltungsmodell ins Spiel. Da G aber vorerst keine größeren Investitionen plant, stellt sich die Frage, ob sich das Modell noch rechnet, wenn eine Reinvestition tatsächlich unterbleibt und letztlich bei Auflösung der Rücklage beträchtliche Gewinnzuschläge drohen. Hier muss also genau gerechnet werden.

    2. Steuerberater erklärt G die „Grundregeln“

    Nach § 6b Abs. 1 EStG kann der bei der Veräußerung eines zum BV gehörenden Grundstücks entstandene Gewinn im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten besonderer in § 6b Abs. 1 S. 2 EStG benannter Wirtschaftsgüter (insbesondere Grund und Boden, Gebäude) abgezogen werden, wenn diese im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt wurden.

     

    Wird hiernach eine Übertragung vorgenommen, hat dies eine Aufschiebung der Besteuerung zur Folge (Steuerstundungseffekt). Denn in Höhe des Gewinns mindern sich erfolgswirksam die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts. Somit erfolgt eine Versteuerung des bereits realisierten Veräußerungsgewinns erst im Jahr der Veräußerung des Wirtschaftsguts, auf welches der Gewinn übertragen wurde. Im Idealfall erst viele Jahre später bzw. im Jahr der steuerlich begünstigten Betriebsaufgabe bzw. Betriebsveräußerung unter Nutzung der Steuervorteile nach § 16 Abs. 4 EStG und § 34 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG (Steuergestaltung).

     

    • Abzugsfähiger Gewinn

    Der übertragbare abzugsfähige Gewinn ist nach § 6b Abs. 2 EStG zu ermitteln:

    Veräußerungspreis

    175.000 EUR

    abzgl. Veräußerungskosten

    0 EUR

    abzgl. Buchwert

    100.000 EUR

    maximaler Abzugsbetrag nach § 6b EStG

    75.000 EUR

     

    2.1 Auswirkungen bei geplanter zukünftiger Investition

    Wenn nicht sofort im selben Jahr reinvestiert wird, kann der ermittelte Gewinn alternativ nach § 6b Abs. 3 S. 1 und 2 EStG in eine steuerfreie Rücklage eingestellt werden. Auch die Bildung dieser Rücklage mindert den Gewinn und führt zu einer Hinausschiebung der Besteuerung. Diese Rücklage kann in den Folgejahren von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der besonderen in § 6b Abs. 1 S. 2 EStG genannten Wirtschaftsgüter gewinnmindernd abgezogen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass diese in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt wurden. Am Ende des 4-Jahreszeitraums ist die Rücklage zwingend aufzulösen.

     

    Bei Übertragung der Rücklage auf entsprechende Wirtschaftsgüter ist diese in Höhe des abgezogenen Betrags gewinnerhöhend aufzulösen (§ 6b Abs. 3 S. 4 EStG). Da sich zugleich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts erfolgswirksam in identischer Höhe mindern, erfolgt die Übertragung steuerneutral. Auch dieses Vorgehen führt damit zu einer Aufschiebung der Besteuerung bis zur Veräußerung des neuen Wirtschaftsguts.

     

    PRAXISTIPP | Der vierjährige Zeitraum verlängert sich nach § 6b Abs. 3 S. 3 EStG auf sechs Jahre, wenn die Übertragung auf neu hergestellte Gebäude erfolgen soll und mit ihrer Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen wurde.

     

    2.2 Auswirkungen ohne Investition

    Wurde eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 S. 1 und 2 EStG gebildet und ist tatsächlich keine Investition erfolgt bzw. die Übertragung der Rücklage vorgenommen worden (wie im Beispielsfall gewollt), kommt § 6b Abs. 3 S. 5 EStG zur Anwendung. Denn in diesem Fall ist die Rücklage spätestens am Schluss des vierten auf ihrer Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen. Soweit die Rücklage auf die Herstellungskosten von neuen Gebäuden übertragen werden sollte und mit der Herstellung bis zu diesem Zeitpunkt begonnen wurde, verlängert sich der Zeitraum auf sechs Jahre.

     

    Beachten Sie | Innerhalb der Rücklagenfrist von vier bzw. sechs Jahren kann die Rücklage jederzeit ganz oder teilweise schon früher aufgelöst werden. Denn die Bildung und Auflösung der Rücklage sind nicht von einer Reinvestitionsabsicht abhängig. Dies gilt selbst dann, wenn durch geschickte Bildung und Auflösung der Rücklage lediglich die Progression der Einkommensbesteuerung gemindert werden soll.

     

    2.3 Gewinnzuschlag mangels Reinvestition

    Bei ganz oder teilweiser Auflösung der Rücklage ohne Reinvestition tritt § 6b Abs. 7 EStG auf den Plan. Dies löst einen „Strafzuschlag“ von 6 % der aufzulösenden Rücklage jährlich aus, der den Gewinn im Auflösungsjahr erhöht. Das Wirtschaftsjahr der Rücklagenbildung wird hierbei nicht mitgerechnet. Mit dieser Regelung sollen Zinsvorteile durch die erst später erfolgende Besteuerung des Veräußerungsgewinns ausgeglichen werden.

     

    PRAXISTIPP | Die Rücklage hat auch dann während eines ganzen Wirtschaftsjahres bestanden, wenn sie buchungstechnisch bereits während des laufenden Wirtschaftsjahres aufgelöst worden ist (BFH 26.10.89, BStBl II 90, 290). Damit ist beispielsweise bei Bildung einer Rücklage zum 31.12.19 und freiwilliger buchungstechnischer Auflösung am 2.1.20 (welche dann in die Bilanz zum 31.12.20 einfließt) ein Gewinnzuschlag von 6 % anzusetzen. Denn bei Betrachtung der Bilanzen hat die Rücklage für ein volles Wirtschaftsjahr bestanden (31.12.19 ‒ 31.12.20).

     

    2.4 Fristen und Covid-19

    Durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz vom 29.6.20 wurde die Investitionsfrist um ein Jahr verlängert, falls die Rücklage regulär in nach dem 29.2.20 und vor dem 1.1.21 endenden Wirtschaftsjahren aufzulösen wäre (§ 52 Abs. 14 EStG). Dann gilt eine Frist von fünf bzw. sieben Jahren. Zusätzlich wurde das BMF ermächtigt, die Fristen um ein weiteres Jahr zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der Pandemie geboten erscheint.

    3. Weitere Voraussetzungen des § 6b EStG

    Die weiteren Voraussetzungen des § 6b EStG werden im Abs. 4 geregelt:

    • 1. Der Gewinn muss nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG ermittelt werden.
    • 2. Die veräußerten Wirtschaftsgüter haben im Zeitpunkt ihrer Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört.
    • 3. Die neu angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter gehören zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte.
    • 4. Der bei der Veräußerung entstandene Gewinn bleibt bei der Ermittlung des im Inland steuerpflichtigen Gewinns nicht außer Ansatz.
    • 5. Der Abzug nach Abs. 1 und die Bildung und Auflösung der Rücklage nach Abs. 3 können in der Buchführung verfolgt werden.

     

    PRAXISTIPP | Nach diesen Tatbestandsmerkmalen ergibt sich nur eine Anwendung für bilanzierende Steuerpflichtige. Über § 6c Abs. 1 EStG gilt die Regelung allerdings auch für Unternehmer, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Soweit eine Rücklage zu bilden ist, ist ihre Bildung als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln. Bildung und Auflösung sind nach § 6c Abs. 2 EStG in ein besonderes laufend zu führendes Verzeichnis aufzunehmen.

     

    4. Steueroptimierte Lösung des Beispielsfalls

    Im Beispielsfall erfüllt G die grundsätzlichen Anforderungen des § 6b Abs. 4 EStG. Insbesondere gehörte das Grundstück mindestens sechs Jahre lang ununterbrochen zu seinem inländischen Anlagevermögen. Zwar ermittelt G seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung, dies ist jedoch über § 6c Abs. 1 EStG unschädlich. Auch handelt es sich bei dem Grundstück um ein in § 6b Abs. 1 EStG aufgeführtes Wirtschaftsgut.

     

    Da G keine Reinvestition im betrieblichen Bereich beabsichtigt, kommt nur die Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 S. 1 und 2 EStG unter späterer gewinnerhöhender Auflösung in Betracht (§ 6b Abs. 3 S. 5 EStG). Aufgrund fehlender Investition ist der Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG zusätzlich gewinnerhöhend zu berücksichtigen. Bei (potenziellen) künftigen Gewinnen von jährlich 50.000 EUR sollte durch § 6b EStG ein möglichst linearer Steuersatz angestrebt werden. Damit kann der größtmögliche Progressionsvorteil erzielt werden. Im Jahr 2020 sollen von den 75.000 EUR Gewinn 59.000 EUR in die Rücklage eingestellt werden. Im Jahr 2021 erfolgt eine Auflösung von 15.500 EUR, im Jahr 2022 von 15.000 EUR, im Jahr 2023 von 14.500 EUR und im Jahr 2024 der Restbetrag von 14.000 EUR. Dieses Vorgehen führt zu folgendem steuerlichen Ergebnis:

     

    • Bildung und Auflösung der Rücklage
    Jahr
    Gewinn normal
    V-Gewinn
    Zuschlag 6 % p. a.
    z. v. E.
    Steuer (ESt)

    2020

    50.000 EUR

    16.000 EUR

    0 EUR

    66.000 EUR

    12.244 EUR

    2021

    50.000 EUR

    15.500 EUR

    930 EUR

    66.430 EUR

    12.382 EUR

    2022

    50.000 EUR

    15.000 EUR

    1.800 EUR

    66.800 EUR

    12.500 EUR

    2023

    50.000 EUR

    14.500 EUR

    2.610 EUR

    67.110 EUR

    12.598 EUR

    2024

    50.000 EUR

    14.000 EUR

    3.360 EUR

    67.360 EUR

    12.678 EUR

    75.000 EUR

    62.402 EUR

     

    Da sich der Gewinnzuschlag immer auf die anteilig aufgelöste Rücklage für den jeweils bestehenden Zeitraum bezieht, steigt dieser von Jahr zu Jahr an. Der Zuschlag für 2022 ermittelt sich beispielsweise wie folgt: Auflösung von 15.000 EUR × 6 % × 2 volle Wirtschaftsjahre (2021 und 2022) = 1.800 EUR.

     

    Von der Gesamtsteuerbelastung von 62.402 EUR ist die regulär auf den Gewinn von 50.000 EUR entfallende Steuer für die Vergleichsberechnung abzuziehen (jährlich 7.428 EUR, für fünf Jahre folglich 37.140 EUR). Es verbleibt danach eine Besteuerung des Grundstücksverkaufs mit 25.262 EUR.

     

    Bei sofortiger Versteuerung im Jahr 2020 wären 27.144 EUR angefallen (Ausgangsbeispiel). Durch diese äußerst geschickte Anwendung des § 6b EStG spart G also einerseits 1.882 EUR an Steuern und hat andererseits die Möglichkeit, die Steuernachzahlung zinslos auf fünf Jahre zu verteilen (Steuerbelastungsvorteil). Denn der Zinszuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG ist im Beispielsfall bereits mit eingerechnet.

     

    • Steuerbelastungsvergleich
    Jahr
    Sofortversteuerung des Veräußerungsgewinns (Ausgangsbeispiel)
    Gestreckte Versteuerung des Veräußerungsgewinns (steueroptimiertes Beispiel)
    z. v. E.
    ESt
    z. v. E.
    ESt

    2020

    125.000 EUR

    34.572 EUR

    66.000 EUR

    12.244 EUR

    2021

    50.000 EUR

    7.428 EUR

    66.430 EUR

    12.382 EUR

    2022

    50.000 EUR

    7.428 EUR

    66.800 EUR

    12.500 EUR

    2023

    50.000 EUR

    7.428 EUR

    67.110 EUR

    12.598 EUR

    2024

    50.000 EUR

    7.428 EUR

    67.360 EUR

    12.678 EUR

    Summe:

    325.000 EUR

    64.284 EUR

    333.700 EUR

    62.402 EUR

     

    Beachten Sie | Bei Bildung der Rücklage ist der Unternehmer nicht an den zu diesem Zeitpunkt ausgearbeiteten „Plan“ zur Steueroptimierung und Abmilderung der Progression gebunden. Er kann jedes Jahr frei entscheiden, ob und in welcher Höhe die Rücklage aufgelöst werden soll. Sollte sich z. B. ein gewinntechnisch besonders gutes Jahr ergeben, könnte es sinnvoll sein, in diesem Jahr auf eine Auflösung zu verzichten (hoher Gewinn = hoher Steuersatz). Andererseits könnte in einem besonders schlechten Jahr ein deutlich höherer Betrag aufgelöst werden (niedriger Gewinn = niedriger Steuersatz). Selbst wenn in zukünftigen Jahren tatsächlich eine Investition in von § 6b Abs. 1 S. 2 EStG benannte Wirtschaftsgüter erfolgt, kann die Rücklage noch immer steuerneutral auf diese Wirtschaftsgüter übertragen werden.

     

    GESTALTUNGSTIPP | Je nach individueller Einkommenssituation muss gesondert geprüft werden, ob und in welchem Umfang sich die Bildung einer entsprechenden Rücklage unter steuerlichen Gesichtspunkten rentiert. Befindet sich ein Steuerpflichtiger beispielsweise ohnehin im Spitzensteuersatz, kann kein Progressionsvorteil erzielt werden. Es verbleibt lediglich die Steuerstundung, allerdings verbunden mit der Versteuerung des Zinszuschlags von 6 % jährlich. Wird hingegen ein Unternehmen mit stark schwankenden Gewinnen betrieben, kann die genannte Steuergestaltung zu deutlich größeren Progressionsvorteilen führen.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2020 | Seite 289 | ID 46639558