· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
Beratungsverträge zwischen GmbH und RA/StB: Mögliche Ansprüche, Hinweis- und Warnpflichten
von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Köln
| GmbHs schließen regelmäßig Beratungsverträge ab. Fast jede GmbH nimmt insoweit regelmäßig Leistungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern in Anspruch. Vertragspartner ist in solchen Fällen die Gesellschaft. Sie hat zum einen Anspruch auf ordnungsgemäße Erbringung der Leistung, zum anderen kann sie Schadenersatz verlangen, wenn Vertragspflichten vom Berater verletzt werden. Ggf. kann jedoch nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern auch ihr Geschäftsführer Ansprüche geltend machen. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ist in der Rechtsprechung immer wieder erörtert worden. In einer Entscheidung vom 29.6.23 (IX ZR 56/22, Abruf-Nr. 236673 ) hat der BGH beleuchtet, wann einem Geschäftsführer Ansprüche gegen einen Anwalt zustehen, der nicht auf eine mögliche Insolvenzreife der GmbH hingewiesen hat. |
1. Grundvoraussetzungen des Anspruchs
Will der Geschäftsführer gegenüber einem Berater der GmbH Ansprüche geltend machen, ist Grundvoraussetzung, dass ein sogenannter Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliegt. Dazu müssen insgesamt vier Voraussetzungen vorliegen:
- 1. Leistungsnähe des Geschäftsführers
- 2. Einbeziehungsinteresse der GmbH
- 3. Erkennbarkeit von 1. und 2. für den Berater und
- 4. Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers
Die erstgenannte Voraussetzung der Leistungsnähe liegt nach dem BGH dann vor, wenn der Geschäftsführer mit den Leistungen des Beraters aus dem Beratungsverhältnis bestimmungsgemäß in Berührung kommt. Der Geschäftsführer muss den Gefahren des Vertrages also ebenso ausgesetzt sein wie die GmbH selbst. Oder anders formuliert: Die Leistung des Beraters muss Rechtsgüter des Geschäftsführers nach der objektiven Interessenlage im Einzelfall und mit Rücksicht auf den Vertragszweck typischerweise beeinträchtigen können (BGH 9.7.20, IX ZR 289/19, NJW 20, 3169, 3169 f.).
Das Erfordernis des Einbeziehungsinteresses kann unter zwei Voraussetzungen vorliegen. Dies ist zum einen der Fall, wenn zwischen der GmbH als Gläubigerin und dem Dritten ‒ hier dem Geschäftsführer ‒ eine rechtliche Beziehung mit persönlicher Fürsorge- und Obhutspflicht oder eine soziale Abhängigkeit besteht (sogenannte Wohl- und Wehefälle). Ein Einbeziehungsinteresse kann allerdings auch ohne eine derart enge Bindung bestehen, wenn besondere Schutzpflichten des Gläubigers gegenüber dem Dritten aufgrund einer Sonderverbindung gegeben sind (BGH, Beschluss v. 19.9.17, XI ZB 17/15, NJW 3777, 3780). Im Verhältnis einer GmbH zu ihrem Geschäftsführer wird man davon regelmäßig ausgehen können.
Die Erkennbarkeit der Leistungsnähe und des Einbeziehungsinteresses dient der Begrenzung der Haftung des Leistungserbringers. Die Erweiterung seiner vertraglichen Schadenersatzhaftung soll nur insoweit erfolgen, als er in der Lage ist, die möglichen Anspruchsberechtigten einzugrenzen.
Schließlich bedarf es eines Schutzbedürfnisses des Dritten, also des Geschäftsführers. Ein solches ist gegeben, wenn er anderenfalls nicht ausreichend geschützt wäre, was im Umkehrschluss bedeutet: Ein Schutzbedürfnis scheidet aus, wenn der Geschäftsführer einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch gegenüber einem anderen hat (BGH 7.12.17, IX ZR 45/16, NJW 18, 608).
2. Wann liegt die Leistungsnähe bei Beratungsleistungen vor?
Im Zusammenhang mit Beratungsverträgen einer GmbH hängt das Vorliegen einer Leistungsnähe entscheidend davon ab, was Inhalt des Beratungsvertrages ist (BGH 29.6.23, IX ZR 56/22, Tz. 19). Dies deshalb, weil das Wesen der Leistungsnähe darin liegt, dass der Dritte ‒ also der Geschäftsführer ‒ ein besonderes Interesse an der Hauptleistungspflicht hat. Denn die Leistung des Beraters ist nach dem objektiven Empfängerhorizont zumindest auch dazu bestimmt, dass der Geschäftsführer konkrete Handlungsgebote, die ihn persönlich treffen, einhalten kann und er so in der Lage ist, eine persönliche Haftung zu vermeiden (BGH 21.7.16, IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251, 259).
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Rechtsanwalt R wird von der A-GmbH beauftragt, eine ihr gegenüber vom Lieferanten L geltend gemachte Kaufpreisforderung abzuwehren. Die A-GmbH teilt dazu mit, dass die gelieferten Waren mangelbehaftet und unbrauchbar waren, man sei daher nicht verpflichtet, einen Kaufpreis zu zahlen. Im Rahmen einer Nachfrage, die R stellt, wird ihm mitgeteilt, dass es eigentlich gar keine ernsthaften Mängel gegeben habe. Die Begleichung des Kaufpreises solle aber verzögert werden, da man derzeit nicht über die notwendigen Mittel verfüge, die Forderung des L zu bedienen. R nimmt dies lediglich zur Kenntnis. Er weist aber nicht darauf hin, dass zu überprüfen ist, ob die Voraussetzungen einer Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren wird eröffnet und der Insolvenzverwalter macht gegenüber dem Geschäftsführer der A-GmbH Ansprüche aus § 15b Abs. 4 InsO geltend. Der Geschäftsführer meint, er habe einen Schadenersatzanspruch gegenüber R. |
Dies ist unzutreffend. Zwar dürfte R gegenüber der GmbH Hinweis- und Warnpflichten gehabt haben, nachdem sich herausstellte, dass es der GmbH nur darum geht, die eigentlich berechtigte Forderung des Lieferanten nicht bzw. nur verzögert zu bedienen. Es fehlt hier jedoch an der Leistungsnähe. Gegenstand des Mandates war die Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs. Der Schutz der Hinweis- und Warnpflicht erstreckt sich nur auf die GmbH, nicht jedoch auf den Geschäftsführer, weil die ihn treffende Antragspflicht und die sich aus deren Verletzung ergebenden Haftungsrisiken keinen hinreichenden Bezug zur von R geschuldeten Hauptleistung haben (BGH 29.6.23, a. a. O., Tz. 21).
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Rechtsanwalt R ist von der A-GmbH mit der Gestaltung von allgemeinen Geschäftsbedingungen beauftragt worden. R führt mit dem Leiter der Einkaufsabteilung Gespräche, um zu ermitteln, welche Regelungsnotwendigkeiten bei der Gestaltung der AGB zu berücksichtigen sind. Der Mitarbeiter äußert dabei am Rande, dass er in Zweifel ziehe, ob es sinnvoll sei, sich jetzt mit AGBs auseinanderzusetzen, bald werde ohnehin kein Lieferant mehr bereit sein, die GmbH zu beliefern, da diese kaum noch in der Lage sei, deren Rechnungen auszugleichen. |
Auch in dieser Mandatskonstellation ist der Geschäftsführer nicht in den Schutzbereich des Vertrages zwischen dem Rechtsanwalt und der GmbH einbezogen. Auch hier fehlt es an der Leistungsnähe, da auch dieses Mandat eine andere Hauptleistungspflicht als die Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft hatte.
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Rechtsanwalt R wird von der A-GmbH beauftragt, Darlehensverträge mit deren Gesellschaftern zu formulieren. Ihm wird mitgeteilt, dass die Darlehensverträge dazu dienen, eine Liquiditätsunterdeckung der Gesellschaft auszugleichen. In den Verträgen seien auch Rangrücktritte vorzusehen, die von der Hausbank verlangt würden, da ansonsten die außerordentliche Kündigung der mit ihr bestehenden Darlehensverträge erfolgen werde. |
Bei einem solchen Mandatsinhalt sind die angespannte wirtschaftliche Situation der Gesellschaft und die sich daraus u. U. ergebenden Handlungspflichten des Geschäftsführers eng mit dem Leistungsgegenstand des Rechtsanwalts verknüpft. Hier wird man daher eine Leistungsnähe annehmen und für den Fall, dass R bestehende Hinweis- und Warnpflichten verletzt, davon ausgehen können, dass der Geschäftsführer eigene Ansprüche gegen R hat.
3. Wann hat der Berater Hinweis- und Warnpflichten?
Ansprüche gegen den Berater setzen voraus, dass einerseits Hinweis- und Warnpflichten bestehen und er diese andererseits verletzt. Ist das Mandat nicht explizit auf die Feststellung des Vorliegens eines Insolvenzgrundes gerichtet, stellt sich daher die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verpflichtung zur Erteilung eines Hinweises bzw. einer Warnung entsteht.
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R nimmt zusammen mit dem Steuerberater S der A-GmbH und deren Geschäftsführer G einen Termin bei der Hausbank der Gesellschaft wahr. In diesem Rahmen wird der letzte Jahresabschluss der A-GmbH erörtert und S stellt dar, dass sich ein hoher, nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt. Im weiteren Gesprächsverlauf stellt G dar, dass einer der wesentlichen Kunden der Gesellschaft in Insolvenz geraten ist und daher Forderungen in sechsstelliger Höhe nicht einbringlich sind. Weiter wird erläutert, dass wesentliche Lieferanten auf Vorkasse bestehen, akuter Liquiditätsbedarf gegeben ist und die Gefahr besteht, dass bei einer Nichtbelieferung ein großer Auftrag nicht fristgerecht fertiggestellt werden kann, woraus sich Schadenersatzansprüche des Kunden ergeben können. |
Bei einer solchen Sachlage drängt sich die Insolvenzgefährdung der Gesellschaft auf. Im Hinblick auf den durch S erläuterten Jahresabschluss ist die Vermögenssituation der GmbH bedenklich. Vor dem Hintergrund des eingetretenen Forderungsausfalls, des Verhaltens der Lieferanten, des sich daraus ergebenden Liquiditätsbedarfs und drohender Schadenersatzansprüche spricht auch viel dafür, dass die Liquiditätslage der Gesellschaft sehr angespannt ist. Bei so deutlichen Krisenanzeichen drängt es sich auf, dass der Rechtsanwalt den Geschäftsführer auf seine mögliche Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages hinweist. Aus Dokumentationsgründen sollte der Hinweis schriftlich erfolgen.
Der BGH hat seinerzeit eine eher beraterfreundliche Position eingenommen. Voraussetzung ist, dass dem Berater der mögliche Insolvenzgrund bekannt wird, dieser für ihn offenkundig ist oder der Insolvenzgrund sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängt. Die bloße Erkennbarkeit soll hingegen nicht ausreichen (BGH 26.1.17, IX ZR 285/14, BGHZ 213, 375, 391).
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Im Rahmen des Bankgesprächs stellt S lediglich dar, dass im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Verlust erwirtschaftet wurde, die A-GmbH jedoch weiterhin über ein positives Eigenkapital verfügt. Relevante Forderungsausfälle werden von G nicht erwähnt, dieser spricht jedoch an, dass die wesentlichen Lieferanten das branchenübliche Zahlungsziel von 30 Tagen nicht mehr gewähren, sondern die A-GmbH nur noch gegen Vorkasse beliefern. |
Das Umstellen auf Vorkasse ist als Krisensignal zu bewerten. Jedoch wird man davon ausgehen können, dass aus diesem singulären Krisenanzeichen allenfalls eine Erkennbarkeit einer Insolvenzreife zu schließen ist, die eine Hinweis- und Warnpflicht noch nicht auslöst.
Selbst wenn das Vorliegen des Insolvenzgrundes bekannt ist, dieser offenkundig ist oder sich aufdrängt, führt dies alleine auch noch nicht zu der Verpflichtung, Hinweise zu erteilen oder Warnungen auszusprechen. Hinzukommen muss, dass der Berater Grund zu der Annahme hat, dass sich der Geschäftsführer über das Vorliegen des Insolvenzgrundes nicht im Klaren ist und er kein Bewusstsein für die sich daraus ergebenden Handlungspflichten hat (BGH 26.1.17, a. a. O.).
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Nach Darstellung der krisenhaften Situation der A-GmbH erklärt Geschäftsführer G, dass ihm die Situation bewusst ist und er in fortgeschrittenen Gesprächen mit den Anteilseignern steht, um von diesen frische Mittel in Form von Kapitalerhöhungen und Darlehen zu erhalten. Gegenstand der Gespräche seien weiterhin mögliche Patronate, aufgrund derer die Lieferanten bereit seien, Lieferzusagen zu erteilen. |
Hat der Geschäftsführer so deutlich zu erkennen gegeben, dass ihm die Situation bewusst ist, bedarf es eines zusätzlichen Hinweises oder einer Warnung durch den Berater nicht mehr.
4. Was muss der Berater tun?
Liegen die vorstehend geschilderten Voraussetzungen vor, ist der Berater verpflichtet, einen Hinweis oder eine Warnung zu erteilen. Darin erschöpft sich der Pflichtenkreis des Beraters jedoch auch.
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Nach dem Bankengespräch fertigt R einen Aktenvermerk über den Gesprächsverlauf und schreibt den Geschäftsführer G der A-GmbH an. Er weist ihn darauf hin, dass G ‒ sollten die in dem Aktenvermerk wiedergegebenen wirtschaftlichen Rahmendaten zutreffen ‒ prüfen müsse, ob die Voraussetzungen eines Insolvenzgrundes bei der A-GmbH vorliegen. Bejahendenfalls sei unverzüglich ein Eröffnungsantrag zu stellen, es sei denn, geeignete und Erfolg versprechende Sanierungsmaßnahmen würden ergriffen. Schließlich klärt er den G über bestehende zivilrechtliche Haftungsrisiken auf und weist darauf hin, dass er sich ggf. auch strafbar mache (inklusive eines Hinweises auf die sich aus § 15b Abs. 4 InsO ergebende Haftungssituation). Tatsächlich kommt es im weiteren Verlauf zur Insolvenz der A-GmbH und G wird vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen. G meint, er könne bei R Rückgriff nehmen, da es dieser unterlassen habe, das Vorliegen der Voraussetzungen eines Insolvenzgrundes selbst zu prüfen. |
Diese Auffassung ist unzutreffend. R ist seinen Verpflichtungen nachgekommen. Eine eigenständige Prüfungs- oder Ermittlungspflicht im Hinblick auf das Vorliegen eines Insolvenzgrundes trifft ihn nicht (BGH 29.6.23, a. a. O., Tz. 23).
5. Zusammenfassung
- 1. Der Geschäftsführer kann Schadenersatzansprüche gegen einen Berater der GmbH haben, wenn er in den Schutzbereich des entsprechenden Mandates einbezogen ist.
- 2. Dabei kommt es entscheidend auf die Leistungsnähe an. Diese liegt vor, wenn der Geschäftsführer mit den Leistungen des Beraters bestimmungsgemäß in Berührung kommt; entscheidend ist der Inhalt des Beratungsvertrages.
- 3. Hinweis- und Warnpflichten des Beraters auf eine möglicherweise vorliegende Insolvenzreife der Gesellschaft setzen voraus, dass sich eine solche mindestens aufdrängt, bloße Erkennbarkeit reicht nicht aus.
- 4. Die Pflicht des Beraters beschränkt sich auf den Hinweis und die Warnung. Eine eigene Prüfungspflicht hinsichtlich der Insolvenzreife besteht nicht.
Weiterführende Hinweise
- Michael Brügge, Neue Rechtsentwicklung bei der Insolvenzverschleppungshaftung von Steuerberatern und Abschlussprüfern, DStR 23, 1672
- Roland Haberstroh, Rechtsanwaltshaftung gegenüber Geschäftsleiter bei Hinweispflichtverletzung aufgrund der Schutzwirkung des Beratungsvertrags mit der Gesellschaft, DB 23, 2041