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  • · Fachbeitrag · Private Veräußerungsgeschäfte

    Kauf eines Miterbenanteils: Kein anteiliger Erwerb eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks

    von Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M., Köln

    | Frohe Kunde vom BFH: § 23 EStG greift nicht, wenn der an einer Erbengemeinschaft Beteiligte einen Erbanteil hinzuerwirbt und in der Folge ein zur Erbmasse gehörendes Grundstück innerhalb des Zehnjahreszeitraums mit Gewinn veräußert. Diese steuerzahlerfreundliche Entscheidung hat der BFH getroffen und damit seine Rechtsprechung geändert (BFH 26.9.23, IX R 13/22, Abruf-Nr. 239068 ). |

    1. Sachverhalt

    Der Kläger ist Erbe mit einem Erbanteil von 52 % nach der Erblasserin. Weitere Erben zu jeweils 24 % und zugleich Nacherben nach dem Kläger wurden die beiden Kinder der Erblasserin. Zum Nachlass gehörte u. a. ein Grundstück. Der Kläger und die Kinder der Erblasserin wurden am 27.8.15 im Grundbuch als Eigentümer in Erbengemeinschaft eingetragen. Mit Vertrag vom 18.4.17 übertrugen die Kinder dem Kläger ihr Nacherbenanwartschaftsrecht an dessen Erbteil mit allen Rechten und Pflichten und traten dieses Recht mit sofortiger dinglicher Wirkung ab. In der Folge übertrugen die Kinder mit Vertrag vom 27.4.17 ihren Erbanteil an einen Dritten. Anschließend erwarb der Kläger unter Ausübung seines gesetzlichen Vorkaufsrechts die beiden Erbanteile von dem Dritten mit Vertrag vom 20.10.17. Zugleich wurde die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt. Der Kläger veräußerte mit Vertrag vom 9.2.18 den aus dem Nachlass stammenden Grundbesitz.

     

     

    Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des Erwerbs der Erbanteile von dem Dritten eine anteilige entgeltliche Anschaffung des Grundbesitzes in Höhe von 48 % durch den Kläger vorliege. Da zwischen dem Erwerb der Erbanteile und dem Verkauf des Grundbesitzes nicht mehr als zehn Jahre gelegen hätten, lägen sonstige Einkünfte aufgrund eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor. Mit geändertem ESt-Bescheid für 2018 berücksichtigte das Finanzamt daher zusätzlich Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft. Die hiergegen erhobene Sprungklage zum Finanzgericht blieb ohne Erfolg (FG München 21.7.21, 1 K 2127/20, EFG 22, 1907).

    2. Lösung

    2.1 Private Veräußerungsgeschäfte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG

    Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (z. B. Erbbaurecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Demnach setzt die Vorschrift grundsätzlich einen Anschaffungs- und einen Veräußerungsvorgang voraus.

     

    2.2 Die Entscheidung des BFH vom 26.9.23, IX R 13/22

    Die Revision des Klägers war begründet und führte zur Aufhebung der Vorentscheidung. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass das FG zu Unrecht einen vom Kläger zu versteuernden Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft angenommen hat.

     

    Die in § 23 EStG verwendeten Begriffe „Anschaffung“ und „Anschaffungskosten“ sind i. S. d. § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 HGB auszulegen (ständige Rechtsprechung, siehe nur BFH 8.11.17, IX R 25/15, BStBl II 18, 518, Rz. 16). Unter Anschaffung beziehungsweise Veräußerung i. S. d. § 23 EStG ist danach die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen. Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben.

     

    Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts. Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut („aliud“) vorliegt, richtet sich nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliche Kriterien sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit des Wirtschaftsguts (BFH 8.11.17, IX R 25/15, BStBl II 18, 518, Rz. 17 und BFH 12.6.13, IX R 31/12, BStBl II 13, 1011, Rz. 13 f., m. w. N.).

     

    Beachten Sie | Im Grundsatz führt der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens (entgegen BMF 14.3.06, BStBl I 06, 253, Rz. 43).

     

    Eine gesamthänderische Beteiligung ist kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt. Das gilt selbst dann, wenn sich im Gesamthandsvermögen nur Grundstücke befinden. Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a. F. ist zivilrechtlich zu verstehen. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt aber keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Sie kann deshalb einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden (BFH 4.10.90, X R 148/88, BStBl II 92, 211, unter 1. und 2.; bestätigt durch BFH 10.7.96, X R 103/95, BStBl II 97, 678, unter II. 2.).

     

    Daran ändere nach Ansicht des BFH auch § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nichts. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH, der sich der urteilende Senat anschließt, wird eine anteilige Zurechnung i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 EStG nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgängen, die ‒ wie hier ‒ von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern verwirklicht werden, ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich.

     

    Beachten Sie | § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist daher nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist (vgl. auch Drüen in: Tipke/Kruse, § 39 AO Rz. 94). Diese allgemeingültige Aussage, die den Anwendungsbereich des § 39 AO betrifft und der sich die Finanzverwaltung für vor dem 1.1.94 verwirklichte Sachverhalte angeschlossen hatte (vgl. BMF 20.10.97, BStBl I 97, 899), ist nach wie vor zu beachten. Soweit der IX. Senat mit Urteil vom 20.4.04, IX R 5/02 (BStBl II 04, 987) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht länger fest.

     

    MERKE | Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5.7.90 zur Erbauseinandersetzung. Soweit dort ausgeführt ist, dass dem Erbanteilskäufer Anschaffungskosten für die hinzuerworbenen Anteile am Gemeinschaftsvermögen entstehen (BFH 5.7.90, GrS 2/89, BStBl II 90, 837, unter C.II.2.a), lasse diese Aussage nicht hinreichend klar erkennen, ob die Anschaffungskosten den Anteilen oder den Gegenständen im Gemeinschaftsvermögen zuzuordnen sind.

     

    Auch aus § 23 Abs. 1 S. 4 EStG ergebe sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Die Vorschrift erfasst nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut nur Beteiligungen an Personengesellschaften. Dies schließt eine Anwendung der Regelung auf Erbengemeinschaften aus, da diese nicht zu den Personengesellschaften zählen (so auch z. B. Carlé in: Korn, § 23 EStG Rz. 66.5; Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 240).

     

    Beachten Sie | Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts i. S. v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG im Ergebnis nicht vor. Es besteht keine Nämlichkeit zwischen dem angeschafften und dem veräußerten Wirtschaftsgut. Aufgrund notarieller Urkunde vom 20.10.17 erwarb der Kläger die Erbanteile der beiden Kinder der Erblasserin, mithin die quotenmäßig bestimmte Teilhaberschaft an der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft. Mit notarieller Urkunde vom 9.2.18 veräußerte er hingegen das aus dem Nachlass stammende Grundstück.

     

    FAZIT | Mit dem Besprechungsurteil konstatiert der BFH in Bezug auf § 23 EStG, dass der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft nicht mit der anteiligen Anschaffung der im Gesamthandsvermögen vorhandenen Wirtschaftsgüter gleichzusetzen ist. Es mangele an der Nämlichkeit zwischen dem angeschafften und dem veräußerten Wirtschaftsgut und eine Bruchteilsbetrachtung i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO sei vorliegend nicht vorzunehmen.

     

    Der BFH akzeptiert demnach die Gestaltungsidee, wonach anstelle der vorhandenen Einzelwirtschaftsgüter der Erbanteil erworben wird. In der steuerlichen Beratungspraxis wäre es also sinnvoll, von der Einsetzung eines Alleinerben abzusehen und stattdessen einen weiteren Erben zu benennen, um eine nicht steuerbare Grundstücksveräußerung über einen Erwerb des Miterbenanteils zu ermöglichen (vgl. Trossen, NWB Online-Nachricht vom 11.1.24, NWB EAAAJ-56574).

     

    Der BFH hat somit abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung und entgegen der Verwaltungsauffassung in Rz. 43 des BMF-Schreibens v. 14.3.06 (BStBl I 06, 253) entschieden. Daher bleibt die Reaktion der Finanzverwaltung auf dieses Urteil abzuwarten. Dies gilt umso mehr, weil das BMF in Rz. 43 bisher die Anwendungsfälle des § 17 EStG und § 21 UmwStG gleichermaßen behandelt hat. Es bleibt offen, ob der BFH im Kontext der Erbengemeinschaft auch in diesen Fällen eine Anschaffung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft durch den Miterben und damit einhergehend einen steuerbaren Vorgang nach § 17 EStG bzw. § 21 UmwStG verneinen würde.

     

    Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2024 | Seite 178 | ID 49957553

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