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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Keine Vorsteuer aus Gebäudeabrisskosten bei unklarer Grundstücksverwendung

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Vorsteuern aus Eingangsleistungen können bekanntlich nur dann abgezogen werden, wenn ein Zusammenhang mit (beabsichtigten) steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen besteht. An einer solch sicheren Verwendungsabsicht mangelt es bei Gebäudeabrisskosten aber, wenn die Immobilie zwar zuvor umsatzsteuerpflichtig vermietet wurde, der Unternehmer aber nicht hinreichend darlegen kann, dass er das Grundstück auch nach dem Abriss zu umsatzsteuerpflichtigen Zwecken nutzen will (FG Schleswig-Holstein 10.7.18, 4 K 10124/16). |

    1. Das Verfahren

    Die Immobiliengesellschaft V war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich ein Autohaus mit Verkaufsräumen, Reparaturwerkstatt und Lackiererei sowie eine Tankstelle befanden. Diese vor mehr als 50 Jahren errichteten Bauwerke waren über Jahrzehnte umsatzsteuerpflichtig an einen Kfz-Vertragshändler vermietet worden. Ab dem 1.4.10 vermietete die V das Objekt für drei Jahre steuerpflichtig an einen anderen Kfz-Händler. Wegen der Baufälligkeit der Werkstattgebäude war dieser Mieter jedoch letztlich nicht bereit, den Vertrag bis zum Ende durchzuführen. Die V beauftragte daraufhin ein Abbruchunternehmen mit dem Abriss des maroden Gesamtkomplexes.

     

    Aus den ab 4/2013 veranlassten Abriss- und Entsorgungskosten machte die V den Vorsteuerabzug geltend. Die Begründung: Der Komplex sei seit Jahrzehnten durchgängig umsatzsteuerpflichtig vermietet worden und sie beabsichtige, nach Abriss ein neues, steuerpflichtig zu vermietendes Gebäude zu errichten oder das Grundstück steuerpflichtig zu verkaufen. Das FA verweigerte den Vorsteuerabzug jedoch, da V die behaupteten Nutzungsabsichten in keiner Weise glaubhaft gemacht oder belegt habe. Auch im Klageverfahren hatte die V keinen Erfolg.

    2. Die Argumentation des Gerichts

    Die V hatte zunächst wie folgt argumentiert: Jedem Unternehmer, der nach langjährigen steuerpflichtigen Umsätzen seine Tätigkeit beende und im Zuge dieser Beendigung auch die „Vermögensgrundlagen“ seiner Betätigung wegen technischen oder wirtschaftlichen Verbrauchs beseitige, müsse aus diesen „abschließenden Kosten“ auch der Vorsteuerabzug zugestanden werden. Hier müsse der „Bezug zur vorangehenden (beendeten) Tätigkeit“ Vorrang haben. Der Vorsteuerabzug dürfe nicht im Hinblick auf die mögliche Folgenutzung verweigert werden. Dies gelte umso mehr, wenn der Abriss der „Basis für die Umsatzerwirtschaftung“ wegen Baufälligkeit unvermeidbar gewesen sei. Der Abriss- und Entsorgungsaufwand sei nur deshalb so hoch gewesen, weil der Boden aufgrund des langjährigen Lackiererei- und Tankstellenbetriebs erheblich belastet gewesen und damit die Dekontaminationskosten hoch gewesen seien; aber genau dies belege die im Vordergrund stehende Ursächlichkeit der Kosten zur früheren langjährigen (steuerpflichtigen) Nutzung.

     

    Dies alles überzeugte das FG jedoch letztlich nicht: Denn der Vorsteuerabzug sei nur aus solchen Eingangsleistungen möglich, bei denen ein direkter/unmittelbarer Zusammenhang mit vorsteuerunschädlichen Ausgangsumsätzen bestehe ‒ wofür der Unternehmer die Beweislast trage. Die getätigten Eingangsaufwendungen müssten also „Kostenbestandteil der Ausgangsumsätze“ werden ‒ und damit „in der Regel“ zeitlich bereits vor den Ausgangsumsätzen entstanden sein, in die sie einfließen sollen (Verweis auf BFH XI R 23/10).

     

    Zwar könne auch bei Fehlen eines solch direkten Zusammenhangs ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen, soweit die jeweiligen Kosten zu den unternehmerischen Allgemeinkosten zu rechnen seien und die Umsatzstruktur den Vorsteuerabzug ganz oder anteilig eröffne. Insofern sei die V jedoch den Nachweis schuldig geblieben, dass sie beabsichtige, künftig steuerpflichtige Umsätze zu erwirtschaften. Vielmehr hätten sich Hinweise für eine zwischenzeitliche steuerfreie Vermietung der unbebauten Fläche als Containerabstellplatz bzw. auf die Absicht zum Verkauf des Grundstücks im Zuge einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ergeben.

     

    MERKE | Für den Vorsteuerabzug ist laut FG nach dem Grundsatz des Sofortabzugs jedoch entscheidend auf die Verwendungsabsicht „im Zeitpunkt des Leistungsbezugs“ abzustellen. Insoweit sei die V ihrer Nachweispflicht nicht nachgekommen. Wegen der damit unklaren Nutzungsintention habe der Vorsteuerabzug aus den Abriss- und Sanierungskosten zurecht nicht gewährt werden können.

     

    3. Anmerkungen

    3.1 FG auf Linie mit früherer BFH-Entscheidung

    Das FG ist bei seiner Urteilsbegründung bis ins Detail der früheren Argumentation des BFH aus dem Jahr 2012 gefolgt (BFH 14.3.12, XI R 23/10): Damals hatte der XI. Senat ebenfalls den Vorsteuerabzug aus Gebäudeabriss- und Grundstückssanierungskosten nach vorangehender USt-pflichtiger ‒ aber den Boden erheblich kontaminierender ‒ Produktion versagt. Die damalige Begründung: Die Sanierung sei erst nach Einstellung der Produktion und zudem in enger Verknüpfung mit Verkaufsverhandlungen erfolgt, die ausdrücklich eine umsatzsteuerfreie Veräußerung des Grundstücks zum Ziel gehabt hätten. Vor allem unter Kostengesichtspunkten sah der BFH damals einen deutlich geringeren Bezug der Bodensanierung zur vorangehenden (umweltschädlichen) Produktion. Im Vordergrund stand vielmehr die Zusage im Veräußerungsvertrag, dem Erwerber ein ordnungsgemäß dekontaminiertes Grundstück umsatzsteuerfrei zu übereignen.

     

    Allerdings war diese Argumentation des BFH ‒ die dem FG nun als Blaupause diente ‒ bereits damals auf massive Kritik in der Literatur gestoßen:

     

    Denn einen Ursächlichkeitszusammenhang der Sanierungskosten mit den steuerpflichtigen Produktionsumsätzen mit dem Hauptargument zu verneinen, die Kosten seien erst nach Einstellung der Produktion erfolgt, wirkt schon befremdlich. Die Argumentation, die Kosten könnten daher nicht mehr rückwirkend kalkulatorischer Kostenbestandteil der Produktionsumsätze sein, lässt nämlich völlig außer Acht, dass für diese Umweltfolgekosten bereits zu Produktionszeiten kalkulationswirksame Rückstellungen hätten gebildet werden müssen. Außerdem müsste bei dieser Argumentationsweise aus jeglichen nachgelagerten Betriebsschließungskosten der Vorsteuerabzug wegen des zeitlichen Nachlaufs versagt werden.

     

    MERKE | Natürlich ‒ und das hat vorliegend auch das FG m. E. unzutreffend bewertet ‒ kann ein Unternehmer, der nach langjähriger steuerpflichtiger Betätigung die bisherigen Grundlagen der Umsatzerwirtschaftung beseitigt, aus diesen „nachgelagerten Kosten der Betriebsbeendigung“ den Vorsteuerabzug erhalten (so schon EuGH 3.3.05, C-32/03 zum Vorsteuerabzug aus „nachträglichen Betriebsausgaben“ auch längere Zeit nach Betriebsschließung).

     

    3.2 Vom FG ignoriertes BFH-Urteil aus dem Jahr 2017

    Zudem hat das FG das bereits ein halbes Jahr zuvor ergangene BFH-Urteil vom 13.12.17 (XI R 3/16) gänzlich unbeachtet gelassen:

     

    Im dortigen Streitfall hatte eine gleichfalls in der Immobilienverwaltung tätige Gesellschaft G ihren Mieter M ‒ an den sie das Objekt langfristig umsatzsteuerpflichtig überließ ‒ um vorzeitige Auflösung des Mietvertrags gebeten. M gestand der G mit Vereinbarung vom 4.3.11 gegen Zusage einer „Abstandszahlung zzgl. USt“ eine um acht Jahre verkürzte Laufzeit zu. Als Zusatzoption wurde beiden Vertragsparteien ein noch früheres Kündigungsrecht eingeräumt. In der Vorbemerkung dieses Vertrags hatte die G ihren Wunsch auf Laufzeitverkürzung mit der Absicht begründet, das Objekt weiter zu veräußern. Bereits am 14.4.11 zog M die Option und kündigte zum 31.5.11. Daraufhin erhielt er von G die vertraglich zugesagte Abstandszahlung zzgl. USt. Am 11.11.11 schließlich veräußerte G sein Grundstück umsatzsteuerfrei.

     

    Während das FA der G den Vorsteuerabzug aus der „Abstandszahlung“ unter Hinweis auf den steuerfreien Grundstücksverkauf versagte, ließen FG und BFH den Vorsteuerabzug zu. Zwar ging auch der BFH davon aus, dass zwischen der „Verzichtsdienstleistung“ als Eingangsleistung und den Vermietungsausgangsumsätzen kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang i. S. eines „Eingangs-Ausgangs-Leistungsbezugs“ bestand (Rz. 38 ‒ 39). Auch stand außer Frage, dass die Auflösungsvereinbarung bereits unter vertraglicher Betonung des beabsichtigten Grundstücksverkaufs erfolgte. Entscheidend waren für den BFH jedoch zwei andere Aspekte:

     

    • Zum einen sei die Verzichtsdienstleistung zeitlich noch während der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung bezogen worden (d. h. „Allgemeinkosten der Vermietung“).
    • Zum anderen gebiete bereits der Neutralitätsgrundsatz, dass die streitigen Betriebsbeendigungskosten ebenso wie Betriebseröffnungskosten dem „Lebenszyklus“ eines Betriebs als notwendige Kosten zuzuordnen sind und damit auch der Vorsteuerabzug daraus auf Basis der unternehmerischen Umsatzstruktur (vorliegend: umsatzsteuerpflichtige Vermietung) zu beurteilen ist. Dieser Zusammenhang habe Vorrang vor dem künftig ggf. steuerfreien Verwertungserlös (BFH Rz. 40 ‒ 45).

     

    Beachten Sie | Hinzu kam, dass sich die G zwar unstreitig bereits bei Abschluss der Auflösungsvereinbarung mit Verkaufsabsichten trug. Allerdings gab es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Hinweise für die Absicht eines steuerfreien Verkaufs (Rz. 46).

     

    Den Einwand des FA in Form des Hinweises auf die gegenteilige BFH-Entscheidung XI R 23/10 (s. o./Grundstückssanierung) hielt der BFH für unbeachtlich. Denn im dortigen Fall erfolgte die Sanierungsentscheidung erst drei Jahre nach Betriebseinstellung und war unmittelbar auf den Grundstücksverkauf bezogen. Die Verzichtsdienstleistung der M erfolgte hingegen nicht nur „während“ der Vermietungsphase, sondern bezog sich auch auf die originäre Vermietungstätigkeit (Rz. 49 ‒ 51).

    4. Hinweise für die Beratungspraxis

    Aus dieser „neuen BFH-Sicht“ ergeben sich mehrere für die künftige Besteuerungspraxis bedeutsame Aspekte:

     

    4.1 Veranlassungszusammenhang

    Die Verzichtsleistung der M war zwar nicht bezogen worden, um damit die steuerpflichtigen Vermietungsumsätze zu erwirtschaften. Aber der erforderliche Veranlassungszusammenhang ergab sich aus dem „Lebenszyklus des Vermietungsunternehmensun“, zu dem als denklogisch notwendiger Abschnitt auch eine Beendigungsphase gehört. Deren Kosten zählen somit gleichfalls zu den „unternehmerischen Allgemeinkosten der Vermietung“.

     

    In diesem Sinne hätte auch im FG-Verfahren 4 K 10124/16 der wegen wirtschaftlichen oder technischen Verbrauchs bzw. Baufälligkeit notwendige Abriss der Baulichkeiten nach jahrzehntelanger steuerpflichtiger Verpachtung als Abschnitt der Betriebsbeendigung dem „Lebenszyklus des Vermietungsunternehmens“ zugerechnet werden müssen.

     

    Entsprechend hätte ‒ im Verfahren XI R 23/10 dies auch bei der langjährigen ‒ allerdings das Betriebsgelände stark kontaminierenden ‒ Produktion für den späteren Abrissbedarf des Produktionsgebäudes bzw. die Sanierung gelten müssen. Im Streitfall überstiegen die Dekontaminationskosten allerdings die finanziellen Ressourcen des Unternehmens, sodass dem Unternehmen die Sanierung insolvenzbedingt nicht mehr möglich war. Der Insolvenzverwalter nahm die Sanierung daher erst in Angriff, als er drei Jahre später einen Investor fand, der das ordnungsgemäß sanierte Grundstück zu einem die Gesamtkosten deckenden Preis ‒ allerdings umsatzsteuerfrei ‒ erwerben wollte, was den dortigen Zusammenhang zum Verkaufsumsatz plausibler macht.

     

    4.2 Veranlassungszeitpunkt

    Im BFH-Verfahren XI R 3/16 hatte die M ihre Verzichtsleistung gegenüber der G laut BFH bereits mit Vertragsschluss (und nicht erst mit tatsächlichem Auszug/vgl. Rz. 36) und damit noch in der „aktiven Vermietungsphase“ erbracht. Dieses „zeitliche Moment“ sah der BFH in Abgrenzung zu seiner Entscheidung XI R 23/10 (dort war die Grundstückssanierung erst drei Jahre nach Betriebseinstellung beauftragt worden) auch ausdrücklich als relevant an (Rz. 49).

     

    M. E. bedeutet diese Aussage jedoch nicht, dass eine zeitlich erst „nach dem letzten Umsatzmonat“ beauftragte grundstücksbezogene Leistung denklogisch nur noch den möglichen Folge- oder Verwertungsumsätzen (Verkauf oder anderweitige Vermietung) zugeordnet werden kann. Denn nach dem „Unternehmenszyklus-Argument“ des BFH dürfte unstreitig sein, dass der Abriss eines langjährig genutzten Produktionsgebäudes auch dann noch einen ausreichenden Kausalzusammenhang zur vormaligen Produktion besitzt, wenn die letzten Verkaufserlöse bereits einige Monate zurückliegen.

     

    Beachten Sie | In diesem Sinne dürfte auch die starre Fixierung des FG (im Verfahren 4 K 10124/16) auf das vermeintliche Erfordernis des kalkulatorischen Einfließens der fraglichen Eingangs- in begünstigte Ausgangsleistungen ‒ und damit deren „zeitliches Nacheinander“ ‒ nicht mehr den Grundsätzen der aktuellen BFH-Entscheidung XI R 3/16 entsprechen.

     

    GESTALTUNGSTIPP | Um der zeitlichen Streitfrage aus dem Weg zu gehen, sollte die betreffende Leistung daher (gestalterisch) möglichst noch in der aktiven Bewirtschaftungsphase in Auftrag gegeben werden. Allerdings dürfte der Veranlassungszusammenhang entscheidungsrelevanter sein. Daher dürfte der Vorsteuerabzug aus einer notariellen Beratungsleistung für einen steuerfrei geplanten Grundstücksverkauf auch dann ausscheiden, wenn der Auftrag noch in der steuerpflichtigen Vermietungsphase erfolgt ist.

     

    4.3 Veräußerungszusammenhang

    Steht eine Leistung erkennbar mit künftigen Gebäudevermietungs- oder -veräußerungsumsätzen im Zusammenhang, so ist fraglich, ob der Grundsatz der Steuerfreiheit (§ 4 Nr. 9a/12a UStG) bis zum Gegenteilsbeweis zur Vorsteuerschädlichkeit führt oder ob das FA dem Unternehmer eine nur behauptete Optionsabsicht zugutehalten muss. Das FG hat sich insoweit fiskalisch positioniert (4 K 10124/16). Danach geht der vorsteuerschädliche Steuerbefreiungsgrundsatz solange zulasten des Unternehmers, bis dieser seine Optionsabsicht i. S. v. § 9 UStG belegt oder überzeugend glaubhaft gemacht hat (Rz. 25; so auch die FinVerw in Abschn. 15.12. Abs. 5 UStAE u. 15a.2. Abs. 8 UStAE). Der BFH hat in Rz. 46 seiner Entscheidung XI R 3/16 hingegen steuerzahlerfreundlich entschieden: „Das FG habe im Streitfall nicht feststellen können, dass die G bereits zum Leistungsbezugszeitpunkt die später realisierte steuerfreie Veräußerungs- oder Vermietungsabsicht für das Objekt gehabt habe.“

     

    Beachten Sie | In A. 15.12. Abs. 1 S. 18 UStAE wurde der Tenor der BFH-Entscheidung vom 13.12.17 (XI R 3/16) inzwischen übernommen.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2019 | Seite 182 | ID 45753089