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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Neue Vorsteueraufteilungsgrundsätze bei Unternehmensimmobilien

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Der Bau einer Unternehmensimmobilie bindet regelmäßig erhebliche Finanzmittel, sodass dem Vorsteuerabzug aus der Investition bei der Finanzierung eine zentrale Bedeutung zukommt. Erst vor wenigen Monaten hatte der V. Senat des BFH neue Grundsätze zum Vorsteuerabzug aus Unternehmensimmobilien formuliert, die er nun bereits wieder weitreichend revidiert bzw. modifiziert hat ( BFH 7.5.14, V R 1/10 ). Der XI. Senat hat einen Monat später nun den EuGH angerufen und plädiert für eine Rückkehr zum vorrangigen Kosten- und Vorsteuerzuordnungsgebot ( BFH 5.6.14, XI R 31/09 ). |

    1. Der typische Praxisfall

    Anhand eines typischen Falls aus der Praxis wird schnell klar, wie unübersichtlich sich die Rechtslage für den betroffenen Steuerpflichtigen darstellt:

     

    • Beispiel 1

    Die im Bereich der Immobilienvermietung und -verwaltung tätige V-GmbH lässt seit Frühjahr 2014 von Generalbauunternehmer G zum Festpreis von 1 Mio. EUR zuzüglich 190.000 EUR USt in einer Fußgängerzone ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Nach der Kalkulation und Rechnungslegung des G sind die Baukosten für das Erdgeschoss (EG) und das Obergeschoss (OG) in etwa gleich hoch (keine erheblichen Ausstattungsunterschiede).

     

    Für die im EG entstehende Gewerbefläche (200 m2) hat die V bereits Einzelhändler E als Interessenten gefunden, der die Räumlichkeiten für 20 EUR/m2 längerfristig anmieten will. Im OG entstehen zwei Wohnungen (zusammen 200 m2), bei denen die GmbH nach dem kommunalen Mietspiegel von einer erzielbaren Miete von 10 EUR/m2 ausgeht. Während die GmbH die Wohnungen umsatzsteuerfrei vermieten wird, hat sie hinsichtlich der EG-Flächen mit E vereinbart, dass sie zur Umsatzsteuerpflicht optieren und ihm zur vereinbarten Nettomiete von 20 EUR/m2 Umsatzsteuer in Rechnung stellen wird.

     

    2. Lösung des Ausgangsfalls

    Die Frage nach der Höhe des Vorsteuerabzugs bei gemischt-genutzten Immobilien ist aufgrund eines wahren „Schleuderkurses“ in Verwaltung und Rechtsprechung in jüngster Zeit für den betroffenen Unternehmer extrem schwierig zu beantworten:

     

    Die Finanzverwaltung war bei „Mischimmobilien“ (s.o.) vormals der Ansicht, dass der Vorsteuerabzug durch direkte Zuordnung der Baukosten zu den einzelnen Nutzungseinheiten zu ermitteln sei und eine Vorsteueraufteilung nur für „nichtzuordenbare“ Kosten (bezüglich „tatsächlich gemischt-genutzter Flächen“, z.B. Treppenhaus) in Betracht komme.

     

    Nachdem der BFH diesem „Zuordnungsvorrang“ mehrfach eine Absage erteilt hatte, schwenkte das BMF in 2008 auf die BFH-Linie eines Aufteilungsgebots/Zuordnungsverbots ein. Eine vorsteuerbezogene Kostenzuordnung ist seither nur noch bei Erhaltungsaufwendungen, nachträglichen Herstellungskosten bzw. anschaffungsnahem Aufwand möglich (BMF 30.9.08, IV B 8 - S 7306/08/10001, BStBl I 08, 896) . 

     

    Beachten Sie | Bereits an dieser Stelle setzt die jüngste EuGH-Vorlage des XI. Senats an (XI R 31/09, Rz. 55-59), der unter Verweis auf die EuGH-Vorgabe eines „möglichst präzisen Vorsteuerergebnisses“ für eine Rückkehr zur früheren Besteuerungspraxis plädiert; im Sinne eines vorrangigen Kosten- und Vorsteuerzuordnungsgebotes und einer (nachrangigen) Vorsteueraufteilung nur für „tatsächlich gemischt genutzte Gebäudeteile (Treppenhaus, Dach, Außenanlagen etc.).

     

    Geht man - unter Ausblendung der nun vom EuGH zu klärenden Frage der vorrangigen Zuordnungen - vom derzeit gültigen „Aufteilungsgebot“ aus, so schließt sich die Folgefrage an, nach welchem Aufteilungsschlüssel (Fläche/Umsatz o.Ä.) eine solche Vorsteueraufteilung vorgenommen werden kann bzw. muss:

     

    • Die Finanzverwaltung vertrat hierzu vormals die Ansicht, eine Aufteilung nach Nutzflächenverhältnissen habe strikten Vorrang vor anderen Aufteilungsschlüsseln - insbesondere habe der Unternehmer kein Wahlrecht zugunsten eines „Umsatzschlüssels“.
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    • Nachdem der BFH auch dieser Haltung mehrfach widersprach, hatte das BMF eine Gesetzesverschärfung zum 1.1.04 initiiert, derzufolge eine Aufteilung nach den Umsatzrelationen nur (subsidiär) in Betracht komme, soweit „…keine andere wirtschaftliche Zurechnung (insbesondere also der Flächenschlüssel) möglich sei“ (§ 15 Abs. 4 S. 3 UStG).
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    • Da diese Gesetzesverschärfung nicht dem Wortlaut des EG-Rechts entsprach, hatte der BFH sie dem EuGH zur Prüfung vorgelegt. Der EuGH entschied, die deutsche Rechtsverschärfung sei dann EG-rechtskonform, wenn der vorrangige Flächenschlüssel im Vergleich zum nachrangigen Umsatzschlüssel zu einer „präziseren“ Vorsteueraufteilung führe - dies zu beurteilen bleibe jedoch Sache des BFH (EuGH 8.11.12, C-511/10).
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    • Der BFH hatte im Nachgang zum EuGH-Verfahren jüngst geurteilt, der Flächenschlüssel bleibe bei gebäudebezogenen Kosten zwingend vorrangig, da er zu deutlich präziseren Ergebnissen führe, als der im EG-Recht vorgesehene (gesamtunternehmensbezogene) Umsatzschlüssel (BFH 22.8.13, V R 19/09). Der Umsatzschlüssel kam demnach nur noch ausnahmsweise) bei solchen gebäudebezogenen Kosten in Betracht, die kein Korrekturobjekt i.S. von § 15a UStG darstellten (z.B. bei Gebäudereinigungsleistungen) - der im EG-Recht vorgesehene Umsatzschlüssel und das unternehmerische Wahlrecht liefen damit bei Gebäudeerrichtungskosten faktisch ins Leere.

     

    FAZIT | Nach den Vorgaben der BFH-Entscheidung V R 19/09 muss die V-GmbH ihren herstellungskostenbezogenen Vorsteuerbetrag über 190.000 EUR zwingend nach der Flächenrelation „200/400“ aufteilen und kann nur 95.000 EUR als abziehbare Vorsteuer geltend machen. Abzuwarten bleibt insofern aber, ob der EuGH diese Vorsteuergesamtaufteilung durch ein vorrangiges Kosten- und Vorsteuerzuordnungsgebot ersetzen wird.

     

    3. Behandlung von Erwerbsfällen

    Die Finanzverwaltung lässt bei Immobilienerwerben (unverändert) eine Aufteilung nach Umsatz- bzw. Ertragsgesichtspunkten zu:

     

    • Beispiel 2

    Die V-GmbH erwirbt von der X eine vermietete Bestandsimmobilie, deren EG (200 m2) für 20 EUR/m2 zzgl. USt an ein Einzelhandelsunternehmen und deren OG-Wohnungen (200 m2) an Privatpersonen für 10 EUR/m2 umsatzsteuerfrei vermietet werden. Bei der Kaufpreisermittlung gehen die Beteiligten nach Ertragswertgesichtspunkten vor (langfristige Rentabilitätsrelation auf Basis der Nettokaltmieten). Die X will bei der Veräußerung der Immobilie zur Umsatzsteuerpflicht optieren.

     

    Abweichend von den Errichtungsfällen lässt das BMF bei Erwerbsfällen auch eine Vorsteueraufteilung nach Ertragswertgesichtspunkten zu (also letztlich nach einem Umsatzrelationsschlüssel; vgl. A. 15.17 Abs. 7 S. 8 UStAE). Fraglich ist allerdings, ob diese Sichtweise angesichts der jüngeren Rechtsprechungsentwicklung noch Bestand haben kann.

     

    Hinweis | Im Beispiel 2 ist die Lösung jedoch ohnehin eine andere, denn nach der gefestigten BFH-Rechtsprechung stellt die Übertragung einer vermieteten Immobilie auf einen - die Fortsetzung dieser Vermietung beabsichtigenden - Erwerber eine nicht steuerbare „Geschäftsveräußerung“ i.S. von § 1 Abs. 1a UStG dar (vgl. BFH 1.4.04, V B 112/03), sodass überhaupt keine Umsatzsteuer entsteht bzw. sich die Frage der (Teil-)Option überhaupt nicht stellt.

    4. Erneute Kehrtwende des BFH

    Obwohl die BFH-Entscheidung vom 22.8.13 erst wenige Monate alt ist, hat der V. Senat des BFH mit seiner jüngsten Entscheidung erneut für eine massive Veränderung in Sac„Vorsteueraufteilung“ gesorgt (BFH 7.5.14, V R 1/10):

     

    • Beispiel 3

    Die V-GmbH lässt in der Fußgängerzone eine gemischt genutzte Mietimmobilie errichten. Die OG-Flächen (200 m2) sollen als Wohnraum für 10 EUR/m2 USt-frei vermietet werden. Die EG-Flächen (200 m2) wird ein Juwelier für 25 EUR/m2 zzgl. USt langfristig anmieten. Angesichts der aufwändigen Sicherungsmaßnahmen (gepanzerte und massiv im Mauerwerk verankerte Fenster und Türen, aufwendige Innenraumgestaltung) liegen die Herstellungskosten für die EG-Flächen erheblich über denen der OG-Flächen.

     

     

    Der V. Senat hat seinen Ausführungen in seiner Entscheidung vom 22.8.13 bereits wieder ausdrücklich widersprochen bzw. sie in mehreren Punkten modifiziert. Während er in der Entscheidung V R 19/09 eine Abweichung vom Flächenschlüssel nur ausnahmsweise für „nicht unter § 15a UStG fallende gebäudebezogene Kosten“ zuließ und in diesen Ausnahmefällen dann den im EG-Recht vorgesehenen „gesamtunternehmensbezogenen Umsatzschlüssel“ für zwingend hielt, hat er in der Rechtssache V R 1/10 nun anders entschieden.

     

    Eine Abkehr vom Flächenschlüssel sei bereits - unabhängig von der nun wieder fallen gelassenen Anknüpfung an § 15a UStG - dann zwingend, wenn der Flächenschlüssel angesichts erheblicher Ausstattungsunterschiede bei den verschiedenen Nutzungsflächen nicht mehr zu sachgerechten („präziseren“) Ergebnissen führe. In diesen Fällen sei künftig zwingend ein Umsatzschlüssel anzuwenden.

     

    MERKE | Da aber der im BFH-Verfahren V R 19/09 für die Ausnahmefälle (s.o.) noch als zwingend erachtete „gesamtunternehmerische Umsatzschlüssel“ nach aktueller Einschätzung des BFH bei Vermietungsgebäuden zu keinem sachgerechten Ergebnis führt, hält der BFH in diesen Fällen nun die Anwendung eines „objektbezogenen“ (gebäudebezogenen) Umsatzschlüssels für sachgerecht.

     

    Da im Beispiel 3 höchst unterschiedliche ausstattungsbezogene Herstellungskosten im o.a. Sinne angefallen sind, kann die V den Vorsteuerabzug somit nach der „objektbezogenen Umsatzrelation“ (25/35 = 71,43 %) vornehmen, was für sie äußerst vorteilhaft ist. In entsprechenden Fällen sollten Sie sich daher auf die neue Entscheidung berufen. Eventuelle - infolge des nun anhängigen EuGH-Verfahrens denkbare - Systemverschärfungen (z.B. Rückkehr zum vorrangigen „Zuordnungsgebot“) dürften unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nur für künftige Besteuerungszeiträume relevant sein.

     

    Beachten Sie | Im Blick haben sollte man allerdings, dass (vermietungstypische) Umsatzschwankungen in den Folgejahren zu häufigen Vorsteuerkorrekturen i.S. von § 15a UStG führen können. Dies gilt umso mehr, als die Finanzverwaltung beim Umsatzschlüssel einer Mietimmobilie davon ausgeht, dass neben der Nettokaltmiete auch die Nebenkosten in die Ermittlung des Umsatzschlüssels einzubeziehen sind (BMF 24.11.04, BStBl I 04, 1125, Rz. 4).

     

    PRAXISHINWEIS | Sollte der Unternehmer in der Bauphase die Vorsteuer aber bereits - auf Basis der bisherigen Verwaltungsanweisungen - nach den Nutzflächen aufgeteilt haben, ist fraglich, ob er unter Verweis auf die jüngste BFH-Entscheidung V R 1/10 nun zum (rückwirkenden) Wechsel vom Flächen- zum Umsatzschlüssel berechtigt ist. Denn nach der gefestigten BFH-Rechtsprechung ist die vom Unternehmer getroffene Entscheidung zugunsten eines bestimmten Aufteilungsmodus i.S. von § 15 Abs. 4 UStG eine kaum reversible unternehmerische Tatsachenentscheidung und erwächst in „Bindungswirkung“.

    Hinweis | Hat der Unternehmer in einer Steuererklärung für das Kalenderjahr des Leistungsbezugs einen sachgerechten Maßstab für die Aufteilung von Vorsteuern gewählt und wird diese Steuerfestsetzung formell bestandskräftig, ist er sowohl für das Erstjahr als auch für die Folgejahre an diese Wahl gebunden (so ausdrücklich BFH 22.11.07, V R 35/06 und BFH 18.3.10, V R 44/08). Fraglich ist allerdings, ob diese „Bindungswirkung“ auch dann gelten kann, wenn der Unternehmer sich bei seiner Erstentscheidung - angesichts der gegenteiligen Gesetzeslage in § 15 Abs. 4 S. 3 UStG und der entsprechenden Verwaltungsanweisung - überhaupt nicht in einer „Wahlrechtssituation zugunsten eines Umsatzschlüssels“ wähnte bzw. wähnen konnte.

     

    Offen bleibt zudem, wann eine Abweichung in der Ausstattung der unterschiedlichen Nutzungsflächen als „erheblich“ im BFH-Sinne einzustufen ist. Hier sollte zeitnah eine Klarstellung durch die Rechtsprechung bzw. durch Verwaltungsverlautbarungen erfolgen, denn dass Mietimmobilien mit einer gemischten Wohn-/Gewerbenutzung unterschiedliche Ausstattungsstandards aufweisen, dürfte in der Praxis der Regelfall sein.

     

    Zu klären wäre auch noch, ob der zwingende Wechsel vom Flächen- zum Umsatzschlüssel in solchen Fällen auch dann gelten soll bzw. kann, wenn dies zu einer noch stärkeren Verzerrung des Vorsteuerergebnisses führt?

     

    • Beispiel 4

    Die V-GmbH lässt in der Fußgängerzone eine gemischt genutzte Mietimmobilie errichten. Die EG-Flächen (200 m2) bestehen aus Einzelhandelsflächen in einfacher Ausführung; im OG (200 m2) befinden sich zwei sehr hochwertig ausgestattete Luxuswohnungen. Aufgrund der in zentraler Fußgängerzone sehr stark nachgefragten Gewerbeflächen erzielt V im EG trotz der einfachen Ausstattung eine Miete von 20 EUR/m2 und im OG eine Miete von 13 EUR/m2.

     

    Bereits der Flächenschlüssel gewährt V mit einer Quote von 50 % einen überproportional hohen Vorsteuerabzug. Nach Rz. 32 der BFH-Entscheidung V R 1/10 ist jedoch bei „erheblich abweichenden Ausstattungsverhältnissen“ ein Wechsel vom Flächen- zum Umsatzschlüssel angezeigt, was hier zu einer weiteren Erhöhung der Vorsteuerquote auf (20/33=) 60,6 % führen würde. Da der BFH beim Wechsel vom Flächen- zum Umsatzschlüssel aber auf die dann „präzisere wirtschaftliche Zurechnung“ abstellt, es hier aber im Gegenteil zu einer noch stärkeren Verzerrung des Vorsteuerergebnisses kommt, dürfte m.E. vorliegend der Umsatzschlüssel nicht angewandt werden.

     

    PRAXISHINWEIS | M.E. ist daher zu erwarten, dass die Finanzverwaltung in ihrer Stellungnahme zur BFH-Entscheidung für den Wechsel vom Flächen- zum Umsatzschlüssel nicht nur auf die erheblichen Ausstattungsunterschiede abstellen wird, sondern diesen Wechsel zudem nur zulässt, wenn er nachprüfbar auch zur „präziseren wirtschaftlichen Vorsteuerzurechnung“ führt.

     

    Bei der Anwendung des Umsatzschlüssels favorisiert der V. Senat - in Abkehr von seinen Aussagen im Fall V R 19/09 - nun den „objektbezogenen Umsatzschlüssel“, aber auch hiervon formuliert er Ausnahmen:

     

    • Beispiel 5

    Die B-GmbH erwirtschaftet als Bauunternehmung einerseits umsatzsteuerpflichtige Bauleistungsumsätze (Bauten auf Grundstücken der Bauherren) sowie andererseits umsatzsteuerfreie Bauträgerumsätze (Ankauf von Baugrundstücken, Bebauung und Verkauf von Wohnimmobilien). Für seine immer stärker expandierende Planungs- und Verwaltungsabteilung errichtet er ein (eigenbetrieblich) genutztes Verwaltungsgebäude.

     

    Der Vorsteuerabzug aus den Baukosten ist angesichts der teils vorsteuerschädlichen Nutzung zwingend aufzuteilen. Abweichend vom neuen Grundsatz des „objektbezogenen“ Umsatzschlüssels geht der BFH in Rz. 33 seiner Entscheidung V R 1/10 bei eigenbetrieblich genutzten Verwaltungsgebäuden ausdrücklich von einer Vorrangigkeit des „gesamtumsatzbezogenen Umsatzschlüssels“ aus.Demnach ist - sofern die unterschiedlichen Gebäudeetagen nicht trennbar dem Bauleistungs- bzw. Bauträgergeschäft dienen - der Vorsteuerabzug aus den Baukosten nach der unternehmerischen Gesamtumsatzstruktur im Fertigstellungsjahr zu bemessen; in den Folgejahren haben - bei den mutmaßlich schwankenden Umsatzstrukturen der beiden Geschäftsbereiche - entsprechende Vorsteuerkorrekturen i.S. von § 15a UStG zu erfolgen.

     

    Fraglich ist dabei allerdings, was bei teils eigenbetrieblich genutzten Mietimmobilien gelten soll:

     

    • Beispiel 6

    Apotheker A lässt durch Bauunternehmer B eine Gewerbeimmobilie errichten, deren EG (200 m2) er für seine Apotheke eigenbetrieblich nutzen und deren OG (200 m2) er an zwei Ärzte umsatzsteuerfrei vermieten will.

     

    Nach der BFH-Rechtsprechung kommt bei der notwendigen Vorsteueraufteilung im ersten Schritt vorrangig der „Flächenschlüssel“ (200/400 = 50 %) zur Anwendung. Kann A jedoch „erheblich abweichende Ausstattungsverhältnisse“ i.S. einer höherwertigen Ausstattung im EG (siehe Beispiel 4) darlegen, wäre zwingend der Umsatzschlüssel anzusetzen. Dies wirft jedoch die Frage auf, zu welchen Umsätzen dabei die im OG erzielten Mietumsätze in Relation zu setzen sind. In Betracht kämen hier einerseits

     

    • a) die mit der Apotheke im EG erwirtschafteten Verkaufsumsätze
    • b) die für die Apothekenflächen fiktiv erzielbare Vergleichsmiete

     

    In dieser Streitfrage zwischen „gesamtunternehmerischem Umsatzschlüssel“ einerseits und „objektbezogenem Umsatzschlüssel“ andererseits (s.o. Bsp. 5) spricht m.E. viel für die Variante b). Zum einen käme es bei der Variante a) zu einer sinnwidrigen Vorsteuerverzerrung durch die Umsatzverhältnisse. Zum anderen hat der BFH in einer ähnlichen Frage (Vorsteueraufteilung bei der Dachflächenerneuerung im Zusammenhang mit einer Fotovoltaikanlage: BFH 19.7.11, XI R 29/09 u. BFH 14.3.12, XI R 26/11) für den Ansatz der fiktiv erzielbaren Vergleichsmiete plädiert. Letzteres scheint bei Eigennutzung auch die Finanzverwaltung zu favorisieren (vgl. BMF 24.11.04, a.a.O., Rz. 5 - dort allerdings nur für „eigene Wohnnutzung“).

     

    Vorsicht | Problematisch bei der Anwendung des Umsatzschlüssels ist allerdings, dass die in der Bauphase prognostizierten Mietrelationen häufig von den später tatsächlich erzielten Mietpreisverhältnissen abweichen werden:

     

    • Beispiel 7

    Die V-GmbH errichtet in den Jahren 2013 und 2014 eine gemischt genutzte Vermietungsimmobilie, deren hochwertig ausgestattete EG-Flächen (200 m2) für 20 EUR/m2 zzgl. USt an einen Anwalt vermietet werden sollen; hinsichtlich der beiden im OG (200 m2) belegenen (einfach ausgestatteten) Wohnungen hat die V bereits Vorverträge mit zwei Mietern (10 EUR/m2) geschlossen. Als bei Fertigstellung Ende 2014 der erwartete Mietvertrag mit dem Anwalt nicht zustande kommt, einigt sich die V nach längerer Suche schließlich mit einen Blumeneinzelhändler auf einen Mietvertrag zu Konditionen von 16 EUR/m2 zzgl. USt.

     

    Angesichts der erheblichen Ausstattungsunterschiede dürfte nach der jüngsten BFH-Rechtsprechung der „objektbezogene Umsatzschlüssel“ maßgebend sein. Fraglich ist allerdings, ob auch bereits für die Vorsteuer in den Errichtungsjahren 2013 und 2014 letztlich (rückblickend) auf die später tatsächlich erzielte Umsatzrelation (16/26) abzustellen ist oder ob die V den Vorsteuerabzug in 2013/14 mit einer „Prognosequote“ von 20/30 in Anspruch nehmen kann und dies erst in den Folgejahren sukzessive über § 15a UStG auf die Quote von 16/26 korrigiert wird.

     

    Hinweis | M.E. ergibt sich für den Umsatzschlüssel aus Art. 175 Abs. 2 u. 3 MwStSystRL, dass in der Bauphase ein prognostizierter „vorläufiger“ Umsatzschlüssel zu Anwendung kommt, der auf Basis der späteren tatsächlichen Vermietungsumsätze rückwirkend zu korrigieren ist (vgl. BFH 24.4.13, XI R 25/10).

     

    Fazit und Ausblick | 

    Die vorstehenden Beispiele machen deutlich, dass bei den volumenträchtigen und häufigen Fallgestaltungen der „gemischt-genutzten“ Immobilien durch die jüngste BFH-Rechtsprechung und das nun anhängige EuGH-Vorabentscheidungsersuchen dringender und intensiver Beratungsbedarf entstanden ist.

     

    M.E. ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung sich zu den vorgenannten Detailfragen der Vorsteueraufteilung bis zur Klärung des durch die jüngste EuGH-Vorlage nun wieder in die Diskussion gebrachten „vorrangigen Zuordnungsgebots“ nicht eindeutig festlegen wird. Demnach bleibt der Besteuerungspraxis wohl nichts anderes übrig, als Steuerfestsetzungen mit nachteiliger fiskalischer Sichtweise bis zum Ausgang des EuGH-Verfahrens offen zu halten (unter V R 2/10 ist zudem noch ein weiteres Revisionsverfahren anhängig).

     

    Sollte in besonderen Fällen eine vorrangige Kosten- und Vorsteuerzuordnung - gegenüber der vom V. Senat proklamierten Vorsteueraufteilung - für den Unternehmer günstiger sein, muss man auch solche Umsatzsteuerfestsetzungen unter Verweis auf das anhängige EuGH-Verfahren offenhalten. Erst nach der EuGH-Entscheidung (und der BFH-Nachfolgeentscheidung) dürfte daher für die Besteuerungspraxis in diesem Bereich wieder Planungs- und Rechtssicherheit eintreten; auf eine zeitnahe EuGH-Entscheidung bleibt daher zu hoffen.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 330 | ID 42777257