· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Widerruf der Gestattung der Ist-Besteuerung wegen Missbrauch?
von Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.
| Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt ist, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden ist, beruht dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen. Vielmehr ist dafür die unzutreffende Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland ursächlich ‒ so der BFH in seinem Urteil vom 12.7.23 (XI R 5/21, Abruf-Nr. 238626 ). |
1. Zum Hintergrund
Der Vorsteueranspruch eines Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG entsteht bekanntlich bereits mit der Ausführung der Leistung und nicht erst mit der Entrichtung des Entgelts. Unerheblich ist, ob der Leistende Soll- oder Ist-Versteuerer ist. Dies ermöglicht eine Vorfinanzierung zulasten des Fiskus, wenn der Leistende ein Ist-Versteuerer ist. Das heißt, der Leistungsempfänger zieht die Vorsteuer ab, obwohl er die Leistung ‒ zum Beispiel aufgrund einer Stundung ‒ noch nicht bezahlt hat, während der Leistungsempfänger die entsprechende Steuer noch nicht schuldet.
MERKE | Dieses Ergebnis ist vom nationalen Gesetzgeber im Prinzip gewollt, da er die Regelung über § 20 UStG „ohne Not“ geschaffen hat. EU-rechtlich hätte er auch eine zeitliche Korrespondenz von Umsatzsteuer-Entstehung und Vorsteuerabzug regeln können. Ein Finanzamt witterte in der offenbar bewussten Ausnutzung des Zeitgefälles einen Gestaltungsmissbrauch und wollte dem Leistenden die Gestattung der Ist-Besteuerung versagen bzw. die Genehmigung widerrufen. Allerdings scheiterte es mit seinem Ansinnen beim BFH. |
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