· Fachbeitrag · Umwandlungssteuerrecht
Spätfolgen des „VW-Porsche-Deals“: Gesetzgeber plant Einschränkungen bei der Buchwerteinbringung
von Rechtsanwalt Sigmund Perwein, Reichert & Reichert, Singen/Hohentwiel
| § 20 Abs. 2 UmwStG lässt es derzeit noch zu, dass die steuerneutrale Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft auch dann möglich ist, wenn die Gegenleistung nicht nur in Gesellschaftsanteilen, sondern auch in anderen Wirtschaftsgütern besteht. Diese Möglichkeit will der Gesetzgeber künftig einschränken. Auslöser hierfür ist der „VW-Porsche-Deal“ aus dem Jahre 2012, der in Politik und Medien hohe Wellen geschlagen hatte. Dieser Beitrag befasst sich mit den Folgen der geplanten Gesetzesänderung und zeigt Handlungsalternativen auf. |
1. Derzeitige Rechtslage
Derzeit kann der Einbringende bei einer Umwandlung i.S. von § 20 UmwStG von der aufnehmenden Kapitalgesellschaft bis zur Höhe des Buchwerts des eingebrachten Betriebs (oder Mitunternehmeranteils) auch andere Wirtschaftsgüter erhalten, ohne dass dies die Buchwertfortführung ausschließen würde. Hätte ein einzubringender Betrieb z.B. einen Buchwert (= Reinvermögen bzw. Eigenkapital) von 1 Mio. EUR, so könnte dem Einbringenden bei der Gründung einer GmbH als Gegenleistung ein Geschäftsanteil von 25.000 EUR gewährt werden und im Übrigen ein Darlehensanspruch von 1 Mio. EUR.
Hinweis | Vorsichtige Berater sind in solchen Fällen in der Vergangenheit allerdings mit der Summe beider Beträge innerhalb des Buchwerts der eingebrachten betrieblichen Einheit geblieben, haben also im vorliegenden Beispiel neben der Gewährung eines Geschäftsanteils von 25.000 EUR maximal ein Darlehen von 975.000 EUR vorgesehen.
Im Rahmen einer Kapitalerhöhung könnte sogar nur ein Geschäftsanteil im Nennbetrag von 1 EUR gewährt werden und im Übrigen ein Darlehensanspruch von 1 Mio. EUR, ohne dass hierdurch die Buchwerteinbringung, welche auf Antrag zu gewähren ist, gefährdet wäre.
PRAXISHINWEIS | So kann im Falle der Umwandlung eines Einzelunternehmens in eine GmbH der ehemalige Einzelunternehmer im Grunde den steuerneutralen Verkauf seines Einzelunternehmens an seine neu gegründete GmbH bewerkstelligen. Oder ein Dritter, der an einer bestehenden GmbH bis dato nicht beteiligt war, könnte sich im Rahmen der Kapitalerhöhung ggf. auch einen größeren Teil des Werts des eingebrachten Betriebs bzw. Mitunternehmeranteils steuerfrei vergüten lassen (vgl. ausdrücklich Patt in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, Rz. 219 zu § 20). |
Diese Regelung steht bereits seit dem UmwStG 1977 in § 20 UmwStG und hat lange Zeit buchstäblich niemanden gestört. Die Vorschrift wurde in der Vergangenheit m.E. im Mittelstand, insbesondere bei KMU, auch nicht übertrieben häufig angewandt, weil solche Gestaltungen naturgemäß zum Abfluss von Liquidität führen, die der übernehmenden GmbH dann für ihr operatives Geschäft fehlt.
PRAXISHINWEIS | In der Vergangenheit war es sicherlich eher die Regel, dass der über den Nennbetrag der gewährten Geschäftsanteile hinausgehende Buchwert der einzubringenden Einheit in die Kapitalrücklage gebucht wurde - was keine zusätzliche Gegenleistung (= Gewährung anderer Wirtschaftsgüter) darstellt, sodass die Liquidität im Unternehmen verblieb (vgl. Haase/Hruschka/Hellmann, UmwStG, 2012, Rz. 137 zu § 20; Tz. 20.11 UmwStE 2011). |
Ein sicherlich extremer Fall aus dem Jahre 2012, nämlich der „VW-Porsche-Deal“, hat nun aber dazu geführt, dass die Bundesregierung auf Druck der Länder im Entwurf eines „Jahressteuergesetzes 2016“ (BT-Drs. 18/4902, Stand 13.5.15) eine Einschränkung der mittlerweile als zu weitgehend empfundenen Regelung auf den Weg gebracht hat.
2. Zum Hintergrund der Neuregelung
Im Juli 2012 hatte der Vorstand der Volkswagen AG beschlossen, von der Ermächtigung aus sog. Genehmigten Kapital Gebrauch zu machen und das Grundkapital der Volkswagen AG zu erhöhen, um die „Übernahme“ der Porsche AG zu bewerkstelligen. Die Erhöhung erfolgte durch Ausgabe nur einer neuen auf den Inhaber lautenden Stammaktie im Wert von 2,56 EUR. Aufgrund des Einbringungsvertrags brachte dann die Porsche Automobil Holding SE ihren Geschäftsbetrieb in die Volkswagen AG ein. Der Wert des übertragenen Geschäftsbetriebs betrug 4.494.713.736,41 EUR. Als Gegenleistung erhielt die Porsche SE von der Volkswagen AG hierfür die ausgegebene Aktie mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von 2,56 EUR sowie eine Zahlung von 4.494.713.733,85 EUR.
MERKE | Auf diese Weise erwarb die Volkswagen AG die 50,1 %-Beteiligung der Porsche Automobil Holding SE an der Porsche AG, welche Teil des eingebrachten Betriebs war. Dieser Einbringungsvorgang erfolgte nach § 20 UmwStG. Dem Vernehmen nach nutzte die Porsche den steuerfreien „Geldsegen“, um Verbindlichkeiten zu begleichen, die aus dem vorher missglückten Versuch stammten, die Volkswagen AG zu übernehmen. |
In den Medien herrschte daraufhin helle Aufregung. Dort war wahlweise von einem „Schlupfloch“ (Süddeutsche Zeitung vom 6.7.12), einem „Steuer-Schlupfloch“ (Frankfurter Rundschau vom 6.7.12) oder gar einem „Steuer-Trick“ (Die Welt vom 6.7.12) die Rede. Auch in der Politik war die Aufregung groß; der damalige Wirtschaftsexperte der FDP und ehemalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle wurde beispielsweise in der Frankfurter Rundschau vom 6.7.12 mit dem Satz zitiert: „Von soviel Nachsicht der Finanzämter können viele Handwerker heute nur träumen.r“
Hinweis | Tatsächlich hatten VW und Porsche lediglich die Regelung des § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG genutzt, die rechtsform- und größenunabhängig ausgestaltet ist. Sie gilt naturgemäß auch für den von Rainer Brüderle zitierten Handwerker. Dessen Aussage offenbarte weniger ein Defizit an Steuergestaltungspotenzial für Handwerker, als ein Defizit an Wissen bei Wirtschaftsexperten in der Politik.
Jedenfalls wurden im Nachgang zu diesem Deal aus verschiedenen Bundesländern Stimmen laut, die eine Einschränkung von § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG forderten. Nachdem diese Änderung nicht bereits Ende 2014 im „Zollkodexanpassungsgesetz“ erfolgen konnte, hat die Bundesregierung sie jetzt in dem Entwurf eines „Jahressteuergesetzes 2016“ auf den Weg gebracht (Originaltitel: Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften).
Wichtig | Der Bundesrat hat zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung am 8.5.15 Stellung genommen und darin der geplanten Neuregelung von § 20 Abs. 2 UmwStG zugestimmt (auch die Regelung zum Anteilstausch nach § 21 UmwStG soll entsprechend geändert werden). Es ist davon auszugehen, dass das am 13.5.15 dem Bundestag zugeleitete Gesetz in beiden Parlamenten die notwendige Mehrheit erhalten wird. Die Neuregelung soll rückwirkend ab 1.1.15 gelten, was große Brisanz für derzeit laufende oder bereits vollzogene Einbringungen bedeutet.
3. Inhalt der Neuregelung
Nach der Neuregelung sollen künftig „sonstige Gegenleistungen“ (so die - soweit ersichtlich - ohne inhaltliche Änderung an die Stelle des Begriffs „andere Wirtschaftsgüter“ tretende neue Gesetzesformulierung) auf 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebs oder 300.000 EUR, höchstens jedoch die Höhe des Buchwerts der eingebrachten betrieblichen Einheit begrenzt sein. Als sonstige Gegenleistungen dürften - wie bisher - z.B. Darlehen, stille Beteiligungen, Barabfindungen oder eigene Anteile der Übernehmerin gelten, nicht aber die Bildung einer Kapitalrücklage.
PRAXISHINWEIS | Für unser Eingangsbeispiel (Buchwert des eingebrachten Betriebs 1 Mio. EUR) bedeutet dies, dass künftig steuerneutral nur noch ein Darlehen von maximal 300.000 EUR gewährt werden kann (25 % von 1 Mio. EUR sind zwar nur 250.000 EUR, das Gesetz lässt unabhängig von der Quote aber in jedem Fall einen Wert von bis zu 300.000 EUR zu, solange dieser innerhalb des Buchwerts des eingebrachten Vermögens bleibt). |
Diese Neuregelung mag für die meisten Sachverhalte im Mittelstand, insbesondere bei KMU, nicht wirklich einschränkend sein, da hier schon aus Liquiditätsgründen Gestaltungen mit einem Darlehensanteil von weit über 25 % des eingebrachten Buchwerts eher die Ausnahme gewesen sein dürften. Nichtsdestotrotz stellt die Neuregelung eine neue Restriktion dar, die den Beratern in der Praxis bei geplanten Umwandlungen das Leben erschwert. Deshalb sei abschließend der Frage nachgegangen, welche Exitstrategien hier möglich sind, um diesen „Stolperstein“ zu umgehen.
4. Mögliche Exitstrategien
Umwandlungen i.S. von § 20 UmwStG werden in den meisten Fällen unterjährig, insbesondere in den ersten 8 Monaten eines Jahres vorgenommen - und zwar rückwirkend zum 31.12. des Vorjahres. Somit bestünde z.B. die Möglichkeit, im Rückwirkungszeitraum noch Entnahmen aus dem Personenunternehmen zu tätigen, bevor dieses in eine GmbH umgewandelt wird. Diese Entnahmen sind tatsächlich Entnahmen im Rechtssinne und stellen keine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Sie lösen also keine schädlichen Steuer- bzw. Rechtsfolgen aus, soweit sie unter Beachtung der Grenze des § 20 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG (vgl. Patt a.a.O, Rz. 325 zu § 20) und dem gesellschaftsrechtlichen Kapitalaufbringungsgebot getätigt werden.
Beachten Sie | Die Entnahmen dürfen dabei nicht so hoch sein, dass zum steuerlichen Übertragungszeitpunkt der Buchwert negativ ist bzw. zum Zeitpunkt der Anmeldung der GmbH-Gründung oder der Kapitalerhöhung zum Handelsregister der Nennbetrag der ausgegebenen Geschäftsanteile unterschritten wird.
GESTALTUNGSHINWEIS | Wem Entnahmen im Rückwirkungszeitraum nicht „geheuer“ sind, der kann denselben Effekt erzielen, indem die Umwandlung nicht rückwirkend zum 31.12. erfolgt, sondern zeitnah auf einen unterjährigen Stichtag (z.B. bei Notartermin am 20.5. zum 31.5). So können bis zum Notartermin noch ganz „normale“ Entnahmen aus dem Betriebsvermögen des übertragenden Rechtsträgers (Einzelunternehmer, OHG, KG, GmbH & Co. KG) getätigt werden. Diese Variante erfordert allerdings die Erstellung einer Zwischenbilanz (als Schlussbilanz) auf den 31.5. |
Hinweis | Mit dieser Exitstrategie können bis kurz vor dem Notartermin noch hohe Entnahmen getätigt werden, ohne negative Steuerfolgen befürchten zu müssen. Wählt man hingegen jetzt noch eine Gestaltung wie beim „VW-Porsche-Deal“ und „bezahlt“ für größere Teile des Buchwerts (= Reinvermögen bzw. Eigenkapital) des eingebrachten Betriebs mit einem Darlehen, kann dies schnell teuer werden. Denn dieses Modell dürfte an der rückwirkenden Neufassung des § 20 Abs. 2 UmwStG scheitern.
Zum Autor
- Rechtsanwalt Sigmund Perwein ist Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zertifizierter Berater für Internationales Steuerrecht (DAA).