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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Die Ausgliederung eines Teilbetriebs zur Neugründung: Das ist zu beachten!

    von Julian Vortkamp, Dipl.-Finw. (FH), Gronau

    | Die steuerneutrale Ausgliederung eines Teilbetriebs im Wege des § 20 UmwStG führt in der Gestaltungspraxis oft zu Problemen. So herrscht schon Unsicherheit, welcher Teilbetriebsbegriff maßgebend ist, da der nationale und der europäische Teilbetriebsbegriff voneinander abweichen. Auch etwaige Ausgliederungshindernisse können das Vorhaben scheitern lassen und zu steuerlichen Nachteilen führen. Insbesondere wenn hohe stille Reserven vorhanden sind, sollte man sich im Vorfeld durch eine verbindliche Auskunft absichern. |

    1. Sachverhalt

    M ist alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der M-GmbH, die über zwei Geschäftsfelder A und B verfügt. Aufgrund des stetigen Wachstums möchte M die beiden Geschäftsfelder auf neu zu gründende Kapitalgesellschaften T1-GmbH und T2-GmbH ausgliedern und eine Holding-Struktur erzielen. Der Vorgang soll allerdings nicht zur Aufdeckung stiller Reserven führen. Die Handels- und Steuerbilanz der M-GmbH zum 31.12.01 lautet wie folgt:

     

     

    2. Lösung

    Der steuerliche Berater prüft nun die Voraussetzungen einer steuerneutralen Ausgliederung der Geschäftsbereiche.

     

    2.1 Umwandlungsrecht

    Die M-GmbH kann grundsätzlich durch Spaltung umgewandelt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Die umwandlungsrechtliche Spaltung umfasst die Begriffe Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung.

     

    MERKE | Bei der Ausgliederung wird ein Teil des Vermögens der Kapitalgesellschaft zur Neugründung gegen Gewährung von Geschäftsanteilen auf z. B. eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG). Dies unterscheidet die Ausgliederung von der Abspaltung. Bei der Abspaltung werden die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers Gesellschafter der neu gegründeten Kapitalgesellschaft. Dem Wunsch der Holding-Struktur kann folglich auf direktem Wege durch die Ausgliederung entsprochen werden.

     

    Von der Geschäftsführung der M-GmbH ist ein Spaltungsplan aufzustellen (§ 136 UmwG), der durch notariell beurkundete Gesellschafterbeschlüsse der Anteilseigner festgestellt wird (§ 125 i. V. m. § 13 UmwG). Der Spaltungsplan enthält u. a. Informationen darüber, welches Vermögen der Kapitalgesellschaft ausgegliedert werden soll.

     

    Die Ausgliederung ist sodann beim Amtsgericht zur Eintragung anzumelden (§ 137 Abs. 2 UmwG). Der Anmeldung ist eine Schlussbilanz beizufügen, die auf einen höchstens 8 Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag ausgestellt worden ist (§ 125 i. V. m. § 17 Abs. 2 UmwG). Ebenso ist der übernehmende Rechtsträger zur Eintragung anzumelden (§ 137 Abs. 1 UmwG). Mit Eintragung der Spaltung in das Handelsregister geht gemäß § 131 UmwG der im Spaltungsplan festgestellte Teil des Vermögens inkl. Verbindlichkeiten auf die neue Kapitalgesellschaft über.

     

    2.2 Steuerrecht

    Das oben geschilderte Vorhaben zur Ausgliederung zur Neugründung ist im Wege des § 20 UmwStG durchzuführen. Einbringender ist folglich die M-GmbH. Eine Rückbeziehung der Einbringung kann steuerlich bis zu 8 Monate erfolgen (§ 20 Abs. 6 UmwStG).

     

    Unter Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG sind die Einbringungen mit Ansatz des Buchwertes und damit steuerneutral möglich. Dies setzt jedoch voraus, dass die beiden Geschäftsbereiche steuerliche Teilbetriebe i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG darstellen. Andernfalls kommt es zur Aufdeckung stiller Reserven hinsichtlich der übertragenen Wirtschaftsgüter und des anteiligen Firmenwerts.

     

    Weder das Umwandlungsrecht noch das Ertragsteuerrecht enthält eine gesetzliche Teilbetriebsdefinition. Daher ist es erforderlich, Rechtsprechung und Literatur zur Deutung des steuerlichen Teilbetriebsbegriffs heranzuziehen. Der Begriff des Teilbetriebs unterliegt einer nationalen und einer europäischen Auslegung, die sich in ihren Einzelheiten unterscheiden.

     

    2.2.1 Europäischer Teilbetriebsbegriff

    Der von der Finanzverwaltung in jüngster Zeit angewandte europäische Teilbetriebsbegriff umfasst die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbstständigen Betrieb, d. h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit darstellen. Zum Teilbetrieb gehören alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen und die diesem Teilbetrieb nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter. Aus Sicht des übertragenen Rechtsträgers muss unter Anwendung der funktionalen Betrachtungsweise ein steuerlicher Teilbetrieb übergehen. Die Perspektive des übernehmenden Rechtsträgers ist bei dieser Beurteilung irrelevant.

     

    MERKE | Eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage besteht, wenn sie zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sowie für den Betriebsablauf unerlässlich ist. Entgegen der funktional-quantitativen Betrachtungsweise, die in § 16 Abs. 1 EStG von Bedeutung ist, sind nicht zusätzlich Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven für die Betrachtung des Teilbetriebs einzubeziehen.

     

    Weitere Voraussetzung des europäischen Teilbetriebsbegriffs ist der Übergang von Wirtschaftsgütern, die nach den oben genannten Kriterien zwar nicht funktional wesentlich, jedoch wirtschaftlich zuordenbar sind. Ein Wirtschaftsgut ist wirtschaftlich zuordenbar, wenn es nach wirtschaftlichen Zusammenhängen einem Geschäftsbereich zugeordnet werden kann.

     

    Beachten Sie | Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt der Teilbetrieb im Aufbau keinen Teilbetrieb gemäß § 20 UmwStG dar (vgl. BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314, Rz. 20.06 i. V. m. Rz. 15.03).

     

    2.2.2 Nationaler Teilbetriebsbegriff

    Der nationale Teilbetriebsbegriff ist ein mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Folgende Elemente sind folglich zu identifizieren:

     

    • Organisch geschlossener Teil: Eine Auslegung dieses Merkmals ist schwer möglich, da es nur am Rande von der Rechtsprechung thematisiert wird und daher nur bedingt praxisrelevant ist. Jedoch deutet es auf eine gewisse in sich harmonische sachliche bzw. wirtschaftliche Beziehung der übertragenen Wirtschaftsgüter hin.

     

    • Lebensfähig: Von einer Lebensfähigkeit des Teilbetriebs ist auszugehen, wenn strukturell betrachtet eine betriebliche Tätigkeit ausgeübt werden kann. Indikator für die Erfüllung dieses Merkmals ist z. B. ein eigener Kundenstamm.

     

    • Selbstständig: Die Selbstständigkeit nach der Auslegung des nationalen Teilbetriebsbegriffs erfordert eine gewisse Unterscheidbarkeit des Teilbetriebs von der übrigen Tätigkeit des Unternehmens. Auch hier bestehen Indikatoren, die nicht kumulativ erfüllt sein müssen, z. B. eine örtliche Trennung, Einsatz verschiedenen Personals, eine eigene Kalkulation/Preisgestaltung, ein eigener Kundenstamm, trennbare Buchführung/Kostenrechnung.

     

    • Hinsichtlich der Selbstständigkeit differieren der europäische und der nationale Teilbetriebsbegriff. Entgegen dem nationalen Teilbetriebsbegriff ist eine Unterscheidbarkeit von der übrigen Tätigkeit des Unternehmens nicht erforderlich. Ausreichend ist die organisatorische Verselbstständigung und Funktionsfähigkeit.

     

    GESTALTUNGSTIPP | Trotz in bestimmten Einzelheiten divergierender Aspekte hinsichtlich der Auslegung der o. g. Teilbetriebsbegriffe ist die Anwendung des europäischen Teilbetriebsbegriffs gemäß Art. 2 lit. j Richtlinie 2009/13/EG (Fusionsrichtlinie) m. E. aus gestalterischen Aspekten vorzuziehen, da dieser von der Finanzverwaltung angewendet wird und damit eine gewisse Rechtssicherheit besteht (vgl. BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314, Rz. 15.02 ff.).

     

    Beachten Sie | Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen die Voraussetzungen eines Teilbetriebs zum steuerlichen Übertragungsstichtag gegeben sein (vgl. BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314, Rz. 20.06 i. V. m. Rz. 15.03). Diese Auffassung überzeugt m. E. jedoch wenig. Im Falle der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen in einem eventuell entstandenen Rückwirkungszeitraum kann dann nämlich von einer steuerneutralen Umsetzung der Ausgliederung ausgegangen werden, obwohl zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausgliederung objektiv kein steuerlicher Teilbetrieb mehr vorliegt.

     

    2.2.3 Anteil Z-GmbH als Ausgliederungshindernis?

    Fraglich ist, ob der Anteil an der Z-GmbH eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage oder ein wirtschaftlich zuordenbares Wirtschaftsgut darstellt, das die steuerneutrale Ausgliederung der beiden Geschäftsbereiche verhindert.

     

    MERKE | GmbH-Anteile können grundsätzlich eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, wenn sie eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung für die Betriebsfortführung besitzen, z. B. als alleinige Vertriebsgesellschaft (vgl. BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314, Rz. 15.02). Ebenso sind Anteile an einer Kapitalgesellschaft funktional wesentlich, wenn sie den Betrieb fördern oder eine unselbstständige Betriebsabteilung darstellen.

     

     

    Eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft ist demnach funktional wesentlich, wenn sie den Absatz von Produkten gewährleistet oder derart enge geschäftliche Beziehungen zwischen beiden Gesellschaften bestehen, dass die Beteiligung objektiv von nicht untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung für den Betrieb ist.

     

    GESTALTUNGSTIPP | Die Ausgliederung nach § 20 UmwStG verlangt ‒ anders als § 15 UmwStG ‒ nicht, dass das zurückbleibende Vermögen ebenfalls einen Teilbetrieb darstellt. Zudem ist der Verbleib von nicht zuordenbaren funktional unwesentlichen Wirtschaftsgütern unschädlich. Dies ergibt sich u. a. auch aus der Auffassung der Finanzverwaltung, die bei der Einbringung eines Teilbetriebs im Erlass nur die Rz. 15.07 bis 15.10 entsprechend anwendet (vgl. BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314, Rz. 20.06).

     

    3. Ergebnis

    Die steuerneutrale Ausgliederung beider Geschäftsbereiche zur Neugründung zweier Kapitalgesellschaften ist grundsätzlich möglich.

     

    Der nationale und der europäische Teilbetriebsbegriff unterscheiden sich, wobei letzterer für die Gestaltungsberatung von höherer Relevanz sein dürfte. Um jedoch Rechtssicherheit bei der Gestaltung zu haben, sollte mit dem für die Besteuerung des Mandanten zuständigen Finanzamt im Rahmen einer verbindlichen Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO abgeklärt werden, ob ein steuerlicher Teilbetrieb anerkannt wird. Dies ist insbesondere dann ratsam, wenn im Betriebsvermögen hohe stille Reserven vorhanden sind.

     

    Das im Betriebsvermögen befindliche Grundstück ist, sofern abgrenzbar von beiden Teilbetrieben genutzt, nach sachlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen aufzuteilen. Zudem sollte man etwaige grunderwerbsteuerliche Folgen abprüfen, da in unserem praktischen Fall eine Holding-Struktur geschaffen wird und eine solche Verschmelzung zu einem Rechtsträgerwechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG führen kann:

     

     

    Umsatzsteuerlich erfolgt die Ausgliederung entgegen der ertragsteuerlichen Rückwirkung nicht auf den 1.1.02. Die Auswirkungen auf die Umsatzsteuer treten erst mit der rechtlich wirksamen Eintragung der Ausgliederung zur Neugründung ein. Durch die Übertragung der Wirtschaftsgüter wird eine nicht der Besteuerung unterliegende Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgelöst.

     

    Beachten Sie | Schließlich sollte man im Blick haben, dass durch die Errichtung der Holding-Struktur die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft vorliegen könnten. Diese sind gegeben, wenn eine juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Ein gleich starkes Vorliegen aller Voraussetzungen ist hierbei nicht erforderlich. Entgegen den Voraussetzungen für eine körperschaftsteuerliche Organschaft ist ein Gewinnabführungsvertrag für die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht erforderlich.

     

    Zum Autor | Herr Vortkamp ist in der steuerlichen Beratung bei der Hartmann & Partner StBG mbB tätig.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 424 | ID 45468349