10.12.2004 · IWW-Abrufnummer 043099
Bundesfinanzhof: Urteil vom 14.07.2004 – I R 14/04
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:
I. Gegenstand der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer 1983 gegründeten GmbH, ist der Betrieb eines Ingenieurunternehmens. Ihre Gesellschafter waren in den Streitjahren 1996 bis 1998 u.a. A, vom 26. Juni 1996 an außerdem B. A hielt bis zum 26. Juni 1996 60 v.H. der Anteile. Seitdem waren A mit 32,5 v.H. und B mit 30 v.H. beteiligt. A sowie --vom 1. Juni 1996 an-- auch B waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Der mit A geschlossene Anstellungsvertrag sollte mit Vollendung des 70. Lebensjahres, der mit B geschlossene Anstellungsvertrag sollte mit Vollendung des 65. Lebensjahres enden.
Die Klägerin sagte dem am ... Februar 1933 geborenen und seit dem 1. Oktober 1988 als Gesellschafter-Geschäftsführer tätigen A am 26. April 1993 eine Altersrente mit Vollendung des 70. Lebensjahres in Höhe von 3 000 DM monatlich und eine Witwenrente in Höhe von 60 v.H. der Altersrente zu. Dem am ... Dezember 1938 geborenen B wurde am 31. Mai 1996 eine sofort unverfallbare Versorgungszusage in gleicher Höhe und Ausgestaltung auf das 68. Lebensjahr erteilt.
Infolge der Übernahme einer zusätzlichen Tätigkeit in einem anderen Ingenieurbüro wurde das an A gezahlte monatliche Festgehalt von ursprünglich 12 000 DM ab Juli 1996 wegen verringerten Tätigkeitsumfanges auf 5 140 DM gesenkt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Zuführungen zu den für die Zusagen gebildeten Rückstellungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Sowohl bei A als auch bei B fehle aus Sicht der Zusagezeitpunkte der angemessene Erdienenszeitraum. A sei im Zusagezeitpunkt bereits 60 Jahre alt gewesen, was der steuerlichen Anerkennung der Zusage schon für sich genommen entgegenstehe. B sei seinerzeit zwar erst 57 Jahre alt gewesen; bis zum Eintritt in den Ruhestand mit dem vollendeten 68. Lebensjahr habe aber auch ihm kein angemessener Erdienenszeitraum mehr zur Verfügung gestanden.
Das Finanzgericht (FG) Münster gab der Klage teilweise statt. Dass A sowohl die Lebensaltersgrenze von 60 Jahren als auch den von der Rechtsprechung für beherrschende Gesellschafter regelmäßig zugrunde gelegten zehnjährigen Erdienenszeitraum um zwei Monate überschritten habe, sei allerdings unbeachtlich. Zum einen habe das FA in der Einspruchsentscheidung insoweit nicht mehr auf den Erdienenszeitraum abgestellt, worin eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) auf der Basis des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 1. August 1996 (BStBl I 1996, 1138) zu sehen sei. Zum anderen dürfe auf das zweimonatige Überschreiten des 60. Lebensjahres im Streitfall nicht abgestellt werden, weil aufgrund der beruflichen Bedeutung von A und seiner Bestellung zum Prüfingenieur bis zum 70. Lebensjahr eine gesellschaftliche Mitveranlassung der Zusage zur Überzeugung des Gerichts ausscheide. Eine starre Anwendung der für die Erdienensdauer maßgeblichen und an § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) angelehnten Zeitgrenzen verbiete sich deswegen. Es führe jedoch zu einer vGA, dass lediglich das Festgehalt von A, nicht aber zugleich die diesem gegebene Pensionszusage herabgesetzt worden sei. Bezogen auf B fehle der erforderliche Erdienenszeitraum, so dass dem FA recht zu geben sei.
Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben, soweit es nicht den Gewerbesteuermessbetrag 1996 betrifft, und die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen für 1996 in Höhe von 20 934 DM und 23 596 DM, für 1997 in Höhe von 20 582 DM und 25 260 DM und für 1998 in Höhe von 26 349 DM und 27 330 DM als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses hat zwar zu Recht entschieden, dass die Versorgungszusage zugunsten des B eine vGA darstellt. Ihm ist jedoch nicht darin zu folgen, dass die Klägerin gezwungen gewesen wäre, die dem A versprochene Versorgungszusage ab Juli 1996 infolge der ihr gegenüber erbrachten verringerten Arbeitsleitung betraglich anzupassen. Die bislang getroffenen Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um abschließend entscheiden zu können.
1. Die Pensionszusage einer Kapitalgesellschaft zugunsten ihres Geschäftsführers kann wegen § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nur insoweit zur Minderung des steuerlichen Gewinns führen, als die Voraussetzungen des § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingehalten sind. Anhaltspunkte dafür, dass es im Streitfall hieran fehlt, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vortrag des FA. Insbesondere errechnet sich nach den getroffenen Feststellungen auch nach der ab Juli 1996 erfolgten Herabsetzung der an A zu leistenden Festvergütung keine auf eine Überversorgung gerichtete Rentenanwartschaft; ein Verstoß gegen den nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG anzusetzenden Teilwert der Pensionsverpflichtung als Rückstellungshöchstbetrag (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. März 2004 I R 70/03, BFH/NV 2004, 1343, m.w.N.) scheidet damit aus.
2. Die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung kann jedoch aus steuerlicher Sicht eine vGA sein, die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der verpflichteten Gesellschaft nicht mindern darf. Sie ist dann, soweit sie sich in der Steuerbilanz ausgewirkt und demgemäss den Unterschiedsbetrag gemindert hat, dem Gewinn der Gesellschaft außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen (Senatsurteile vom 20. Dezember 2000 I R 15/00, BFHE 194, 191; vom 7. November 2001 I R 79/00, BFHE 197, 164, jeweils m.w.N.).
3. Voraussetzung für das Vorliegen einer vGA ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass die Pensionsverpflichtung nicht (ausschließlich) durch das Dienstverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten, sondern (zumindest u.a.) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Das ist anzunehmen, wenn die Gesellschaft einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Umständen keine entsprechende Zusage erteilt hätte (Senatsurteile vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316; vom 23. Juli 2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, jeweils m.w.N.). Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines sachgerecht handelnden Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet.
4. Ob eine Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist, muss vorrangig das FG anhand aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2000 I B 110/99, BFH/NV 2001, 67; Senatsurteile vom 4. September 2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347; in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, jeweils m.w.N.). Dabei muss es u.a. prüfen, ob die begünstigte Person während der ihr voraussichtlich verbleibenden Dienstzeit den Versorgungsanspruch noch erdienen kann (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 67, m.w.N.). Das ist im allgemeinen nicht anzunehmen, wenn die Zusage einem Gesellschafter-Geschäftsführer erteilt wurde und dieser im Zusagezeitpunkt das 60. Lebensjahr vollendet hatte (Senatsurteil in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, m.w.N.) oder wenn zwischen dem Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand nur noch eine kurze Zeitspanne liegt, in der der Versorgungsanspruch vom Begünstigten nicht mehr erdient werden kann (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225, 226; vom 30. Januar 2002 I R 56/01, BFH/NV 2002, 1055, m.w.N.). In solchen Fällen ist prinzipiell davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Interesse der Gesellschaft von der Erteilung einer Pensionszusage abgesehen hätte. Es liegt dann regelmäßig eine vGA vor.
Den erforderlichen Erdienenszeitraum hat der Senat in ständiger Rechtsprechung aus den gesetzlichen Vorschriften zur Unverfallbarkeit von Pensionsansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis abgeleitet (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung --BetrAVG-- a.F.; z.B. Senatsurteil vom 27. Oktober 1994 I R 34/94, BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419, 421). Ein Versorgungsanspruch ist danach von einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich nur dann erdienbar, wenn zwischen der Erteilung der Pensionszusage und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand ein Zeitraum von mindestens zehn Jahren liegt (z. B. Senatsurteil in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, m.w.N.), von einem nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer überdies dann, wenn dieser Zeitraum zwar mindestens drei Jahre beträgt, der Gesellschafter-Geschäftsführer dem Betrieb aber mindestens zwölf Jahre angehört (Senatsurteil in BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504, m.w.N.). Allerdings können diese Fristen mangels eindeutiger gesetzlicher Vorgaben nicht im Sinne allgemein gültiger zwingender Voraussetzungen verstanden werden dürfen, die unabdingbar wären (vgl. Senatsurteile vom 24. April 2002 I R 43/01, BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416; in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926). Ist aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalles anderweitig sichergestellt, dass mit der Zusage die künftige Arbeitsleistung des Geschäftsführers abgegolten werden soll, ist dies deshalb auch dann anzunehmen, wenn die besagten Zeiträume nicht erreicht werden (z.B. Senatsurteil in BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416; s. auch BMF-Schreiben vom 13. Mai 2003, BStBl I 2003, 300).
5. a) Im Streitfall hatte A, der die Klägerin in jenem Zeitpunkt, in dem ihm die Versorgung versprochen wurde, beherrschte, sein 60. Lebensjahr bereits vollendet. Ihm standen bis zu dem vertraglich vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 70. Lebensjahres auch keine vollen zehn Jahre mehr zur Verfügung, um die Zusage erdienen zu können. Beide Zeitgrenzen wurden indes lediglich um zwei Monate unterschritten. Das FG sah sich deswegen und wegen der besonderen Umstände des zu beurteilenden Sachverhaltes, insbesondere die Bedeutung von A für das Unternehmen der Klägerin und seine Bestellung als Prüfingenieur, davon überzeugt, dass die Zusage nicht aus gesellschaftlicher (Mit-)Veranlassung erteilt wurde. Das FA hat dagegen keine Einwendungen erhoben. Der Senat hat keinen Grund, diese tatrichterliche Einschätzung in Frage zu stellen. Die besagten Regelvermutungen haben zwar eine starke Indizwirkung für das Vorliegen einer vGA. Ihre schematische Berücksichtigung verbietet sich jedoch; die Umstände des jeweils zu beurteilenden Einzelfalles sind zu beachten. Einer verwaltungsseitigen Billigkeitsentscheidung, wie vom FG vorliegend zusätzlich bejaht, bedarf es dazu nicht.
b) Bezogen auf die Person des --die Klägerin gesellschaftlich nicht beherrschenden-- B, dem die Pensionszusage unmittelbar bei seiner Einstellung als Geschäftsführer erteilt worden ist, hat das FG den Sachverhalt allerdings anderweitig eingeschätzt. Dessen verbleibende aktive Dienstzeit von lediglich sieben Jahren und sieben Monaten spreche aus Sicht des Zusagezeitpunktes für eine Veranlassung der Pensionszusage im Gesellschaftsverhältnis. Auch diese Einschätzung bleibt unbeanstandet. Die Prüfung, ob die Erteilung der Pensionszusage gesellschaftlich mitbeeinflusst wurde, war anzustellen, obwohl B erst kurz nach der Zusage Anteile an der Klägerin erwarb; der Anteilserwerb stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest. Auch der Umstand, dass die erwähnten Zeitgrößen für den Eintritt der Unverfallbarkeit von Betriebsrenten, an denen der Senat in steuerlicher Hinsicht die angemessene Erdienensdauer misst, nach zwischenzeitlicher Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung einheitlich auf einen Zeitraum von f ünf Jahren abgesenkt worden sind (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG i.d.F. des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz --AVmG--) vom 26. Juni 2001 (BGBl I 2001, 1310), führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen war diese Gesetzesfassung in den Streitjahren noch nicht anzuwenden. Zum anderen dient die Anlehnung an die arbeitsrechtlichen Fristbestimmungen ausschließlich dem Ziel, diesen eine Leitlinie für die rein steuerrechtliche Beurteilung der Erdienbarkeit zu entnehmen. Diese Beurteilung erfolgt aber im Grundsatz unabhängig von der konkreten Anwendbarkeit des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Senatsurteil in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926).
6. Das FG ist hinsichtlich des A dennoch zu einer vGA gelangt, weil die Klägerin im Zuge der Absenkung des diesem gewährten Festgehalts ab Juli 1996 infolge der von ihm seitdem verringerten Arbeitsleistung davon abgesehen hat, auch die Versorgungszusage der Höhe nach anzupassen. Gründe dafür, weshalb eine derartige Anpassung auch der Versorgung hätte vorgenommen werden sollen, werden vom FG nicht angeführt. Solche Gründe sind auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Unterstellt, die einem Gesellschafter-Geschäftsführer gewährte Gesamtausstattung ist unbeschadet der von ihm erbrachten reduzierten Arbeitsleistung nach wie vor angemessen, kommt eine Herabsetzung auch der Versorgungszusage allenfalls dann in Betracht, wenn das Versorgungsniveau nach den Grundsätzen der sog. Überversorgung überhöht gewesen wäre (vgl. aber auch z.B. Gosch in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 6 a Rn. 42). Ist dies --wie vorliegend (s. oben unter II. 1.)-- nicht der Fall, obliegt es grundsätzlich der Vertragsfreiheit der Beteiligten, ob allein das Festgehalt oder aber auch die Versorgungszusage abgesenkt werden soll. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der 63 jährige Geschäftsführer einer GmbH, dem im allgemeinen keine anderweitige Altersversorgung als die betriebliche zusteht, regelmäßig ein besonderes Interesse daran haben wird, seine Versorgungsanwartschaft unbeschadet der Absenkung des laufenden Gehalts möglichst unangetastet zu lassen. Solange die Angemessenheit der Gesamtbezüge und des Versorgungsniveaus gewahrt bleibt, besteht deswegen auch aus Sicht der versorgungsverpflichteten GmbH keine Veranlassung, auf eine (gleichmäßige) Herabsetzung aller Bestandteile der versprochenen Bezüge zu drängen. Zur Annahme einer vGA wird man folglich regelmäßig nur dann gelangen, wenn die Gesamtbezüge zu hoch sind.
7. Die Vorinstanz hat in diesem letzten Punkt eine andere Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen die notwendigen Feststellungen dazu, ob die Gesamtausstattung von A trotz der Gehaltsabsenkung ihrer Höhe nach noch angemessen war. Diese Feststellungen werden im 2. Rechtsgang nachzuholen sein.