· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
Die Löschung einer vermögenslosen GmbH - Voraussetzungen und Folgen
von Dr. Helmar Fichtelmann, Ansbach
| Eine vermögenslose GmbH kann von Amts wegen oder auf Antrag der Finanzbehörde im Handelsregister gelöscht werden. Die GmbH wird durch die Löschung jedoch nicht ihrer rechtlichen Existenz beraubt. Sie wird nur (vorübergehend) als erloschen behandelt, lebt aber wieder auf, wenn verteilbares Vermögen auftaucht. Welche praktischen Konsequenzen eine solche Löschung hat und in welchen Fällen es zu einer sog. Nachtragsliquidation kommt, wird nachfolgend analysiert. |
1. Wann darf das Registergericht die Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit vornehmen?
Eine GmbH kann im Handelsregister gelöscht werden, wenn sie kein Vermögen mehr besitzt (§ 394 Abs. 1 S. 1 FamFG). Das Verfahren der Löschung regelt § 394 Abs. 2 FamFG. Danach hat das Registergericht den gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft, soweit solche vorhanden sind und ihr inländischer Aufenthalt bekannt ist, die Absicht der Löschung anzuzeigen und ihnen zugleich eine angemessene Widerspruchsfrist einzuräumen (§ 394 Abs. 2 S. 1 FamFG). Hat die Gesellschaft versäumt, die Änderung der Geschäftsanschrift zum Handelsregister anzumelden (§ 31 Abs. 1 HGB), ist das Registergericht nicht verpflichtet, weitere Ermittlungen anzustellen. Wird die GmbH bei einer solchen Sachlage gelöscht, liegt kein Verfahrensfehler vor, der eine Wiederherstellung der GmbH zur Folge hätte.
Hinweis | Vermögen im vorgenannten Sinne ist jeder Vermögensgegenstand, der zur Befriedigung von Gläubigern verwendet werden kann (verteilbares Vermögen). Relevant ist nur Aktivvermögen, das verwertbar - also übertragbar - ist. Es kann sich um bedingte oder auch um bestrittene Ansprüche handeln, z.B. bei anhängigen Gerichtsverfahren.
MERKE | Vermögensgegenstände der GmbH, an denen ein Gläubiger der Gesellschaft ein dingliches Sicherungsrecht (Pfandrecht, Sicherungseigentum) besitzt, scheiden als verteilbares Vermögen aus. Ergibt sich nach Befriedigung des Gläubigers ein der GmbH gehörender Überschuss, wird dieser in dem Zeitpunkt, in dem der Überschuss erkennbar wird, zum verteilbaren Vermögen. |
Die Löschung wegen Vermögenslosigkeit wird von Amts wegen revidiert, wenn sie unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erfolgt ist (§ 395 Abs. 1 FamFG). Zu den an dieser Stelle nicht weiter interessierenden Pflichten zur Prüfung der Vermögenslosigkeit wird auf OLG München (22.11.12, 31 Wx 421/12, GmbHR 13, 39) verwiesen.
Wichtig | Liegt kein Grund für eine Löschung vor, bleibt es bei der Möglichkeit, bei Auftauchen von Vermögensgegenständen eine Nachtragsliquidation durchzuführen (vgl. BayObLG 4.6.97, 3 Z BR 44/97, NJW-RR 06, 903).
2. Wirkung der Löschung von Amts wegen
Bei der Frage, wie sich die Löschung auf den Bestand der Gesellschaft auswirkt, sind zwei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen:
- 1. Die Löschung gibt den augenblicklichen Zustand der Gesellschaft wieder: Solange kein Vermögen in Erscheinung tritt oder eine sonstige Abwicklungsmaßnahme erforderlich wird, gilt die Gesellschaft als erloschen. Wird jedoch verteilbares Vermögen bekannt, wird die Gesellschaft „wiederbelebt“. An das Löschungsverfahren schließt sich ein Liquidationsverfahren an.
- 2. Mit der (Verfahrens-)Fehler-freien Löschung wird die Existenz der Gesellschaft vernichtet. Sie geht mit allen Folgen für Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft „unter“.
2.1 Beurteilung der Rechtsprechung
Der BGH hat sich in der Frage, welche Folgerungen für den Bestand der Gesellschaft nach Löschung wegen Vermögenslosigkeit zu ziehen sind, nur allmählich positioniert. In einem Urteil in 1994 erkannte der BGH die gelöschte Gesellschaft immerhin als parteifähig zur Durchsetzung von vermögensrechtlichen Ansprüchen an (BGH 18.1.94, XI ZR 95/93, GmbHR 94, 200). Denn einer gelöschten GmbH sei die Möglichkeit nicht genommen, beanspruchte Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht bestehen. Insoweit bleibe die Gesellschaft parteifähig. Parteifähigkeit setzt allerdings Rechtsfähigkeit voraus (vgl. BGH 18.1.94, XI ZR 95/93, GmbHR 94, 260; OLG Koblenz, 21.6.90, 5 U 1065/89, GmbHR 91, 315).
Die Beurteilung durch die Oberlandesgerichte weist keine einheitliche Linie auf. Das OLG Saarbrücken (14.5.97, 1 U 796/96-131, NJW-RR 98, 1605) sieht die rechtliche Existenz der GmbH mit der Löschung als vernichtet an mit der Folge, dass Forderungen gegen sie sich von selbst erledigen. Im Gegensatz hierzu geht z.B. das OLG Celle (3.1.08, 9 W 124/07, GmbHR 08, 271) davon aus, dass die Kapitalgesellschaft nach der Löschung fortbestehe.
Vorherrschendes Ergebnis: Die GmbH besteht insgesamt weiter. Allerdings beschränkt sich die Vertretungsmacht auf die im Einzelnen erforderlichen Maßnahmen (vgl. OLG München 7.5.08, 31 Wx 28/08, DB 08, 1311).
2.2 Beurteilung im Schrifttum
Im Schrifttum wird allgemein die Ansicht vertreten, dass bei Bekanntwerden verteilbaren Vermögens eine Nachtragsliquidation vorzunehmen sei. Dies setzt den Fortbestand der Gesellschaft voraus (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 74 Rn. 36; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 74 Rn. 17; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, § 74 Rn. 10).
2.3 Exkurs
Was geschieht, wenn nach Beendigung der Liquidation der GmbH noch verteilbares Vermögen der Gesellschaft in Erscheinung tritt?
Nach Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft ist das verbleibende Vermögen unter Beachtung der Sperrfrist auf die Gesellschafter zu verteilen (§ 72 S. 1 GmbHG). Nach Beendigung der Liquidation und der Schlussrechnung haben die Liquidatoren den Schluss der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 74 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Die Löschung hat dieselbe Wirkung wie die Löschung wegen Vermögenslosigkeit (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 74 Rn. 19).
Beachten Sie | Die gelöschte GmbH kann wieder zum Leben erweckt werden, wenn verteilbares Vermögen auftaucht. Das neu in Erscheinung getretene Vermögen kann, da die Löschung nur nach der Befriedigung aller Gläubiger erfolgen kann, nur den Gesellschaftern zugutekommen; ein neues Sperrjahr ist m.E. nicht zu beachten. Da kein öffentliches Interesse an einer (zutreffenden) Verteilung an die einzelnen Gesellschafter besteht, kann die Verteilung m.E. auch ohne förmliche Nachtragsliquidation vorgenommen werden, soweit dies rechtlich möglich ist. Das wird allerdings nur in Ausnahmefällen so vonstattengehen, z.B. wenn ein Schuldner, der wieder zu Geld gekommen ist, das geschuldete Geld freiwillig den Gesellschaftern aushändigt.
PRAXISHINWEIS | Eine (förmliche) Nachtragsliquidation ist vonnöten, wenn die wiedererstandene GmbH einer vertretungsberechtigten Person (Liquidator) bedarf, z.B. um eine Forderung gerichtlich geltend zu machen. |
3. Rechtfertigt eine Bürgschaft eine Nachtragsliquidation?
Eine Nachtragsliquidation findet nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass noch Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt (§ 66 Abs. 5 GmbHG). Diese Regelung ist lückenhaft. Eine Nachtragsliquidation kommt auch dann in Betracht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass „weitere Abwicklungsmaßnahmen“ erforderlich werden (§ 273 Abs. 4 S. 1 AktG; entsprechend anwendbar auf die GmbH, vgl. Koch in HK-GmbHR, § 74 Rn. 5).
Doch ist eine Bürgschaft ein solcher verteilungsfähiger Vermögensgegenstand der GmbH? Die Bürgschaft ist ein Rechtsverhältnis zwischen dem Bürgen und dem Inhaber einer Forderung, für die die Bürgschaft eingegangen ist, sodass die GmbH zunächst nicht betroffen ist. Das Vermögen der GmbH wird aber indirekt dadurch tangiert, dass ein Gläubiger ausscheidet, soweit dieser vom Bürgen befriedigt wird. Zwar geht die Forderung in Höhe der Befriedigung auf den Bürgen über (§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB). Insoweit wird der Gesamtvermögensstand der GmbH nicht verändert. Es kann sich jedoch, wenn der Bürge zugleich Gesellschafter der GmbH ist, um eine nachrangige Forderung i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO handeln.
PRAXISHINWEIS | Das Wiederaufleben der GmbH mit Fortsetzung des Liquidationsverfahrens scheitert aber daran, dass kein verteilbares Vermögen vorliegt. Denn der Begriff „verteilbares Vermögen“ verlangt, dass im Rahmen der Abwicklung alle Gläubiger davon profitieren. Zweck der Bürgschaft hingegen ist nur die Sicherung der Forderung eines bestimmten Gläubigers der GmbH. |
4. Die Entscheidung des BFH vom 9.6.10
4.1 Rechtliche Beurteilung des Streitfalls
In der Entscheidung des BFH aus 2010 ging es um die Wirkung einer Zahlung, die ein Bürge für ein Bankdarlehen an den Gläubiger der Forderung nach Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit geleistet hatte (BFH 9.6.10, IX R 52/09, GmbHR 10, 1272). Der Bürge war Gesellschafter der GmbH. Seine Beteiligung befand sich im Privatvermögen. Der BFH hatte den Abzug der Zahlung als Werbungskosten oder im Rahmen des § 17 EStG abgelehnt, weil die GmbH durch die Löschung untergegangen sei. Der Untergang der Gesellschaft habe den Wegfall der Forderungen gegen die GmbH zur Folge. Wegen der Akzessorietät sei auch die Bürgschaft (für eine nicht mehr existierende Forderung) entfallen, sodass eine Leistung auf eine nicht (mehr) bestehende Verpflichtung vorliege, die weder zu Werbungskosten noch zu einer Berücksichtigung im Rahmen des § 17 EStG führe.
4.2 Kritische Beurteilung der Entscheidung des BFH
Das Urteil ist unter einem doppelten Gesichtspunkt zu beurteilen:
- 1. Ist die GmbH durch die Löschung nicht untergegangen, weil in der Bürgschaft noch verteilbares Vermögen der Gesellschaft zu sehen ist und
- 2. ist die Bürgschaft in ihrer Wirkung auch dann nicht entfallen, wenn man von einer Existenzvernichtung der GmbH infolge der Löschung ausgeht?
Zu 1: Die Löschung wegen Vermögenslosigkeit hat nach gesellschaftsrechtlicher Beurteilung nicht die Vernichtung der rechtlichen Existenz der GmbH zur Folge. Sowohl die Rechtsprechung als auch das Schrifttum gehen mehrheitlich von einem Fortbestehen der Gesellschaft aus (siehe 2.1 und 2.2).
Da eine Bürgschaft kein verteilbares Vermögen darstellt (vgl. 3.), wird durch sie keine Nachtragsliquidation für eine insoweit fortbestehende GmbH ausgelöst. Die GmbH „schläft“ weiter. Rechtlich tot ist sie nicht, solange nicht ausgeschlossen ist, dass noch verteilbares Vermögen in Erscheinung treten kann. Ein künftiger Vermögensanfall ist nur definitiv ausgeschlossen, wenn eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist (vgl. OVG Berlin 12.11.92, 8 S 215/92, GmbHR 93, 510), weil weiteres Vermögen dann dem Rechtsträger zuzurechnen ist, auf den die Übertragung stattgefunden hat. In allen anderen Fällen bleibt die gelöschte GmbH als möglicher Rechtsträger erhalten.
Zu 2: Grundsätzlich erlischt eine Bürgschaft mit dem Erlöschen der Hauptschuld (Grundsatz der Akzessorietät). Das gilt jedoch nicht lückenlos. Sie entfällt z.B. nicht, wenn der Untergang allein auf die Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners zurückzuführen ist. Denn dem steht der Zweck der Bürgschaft, die Sicherung des Gläubigers gegen Vermögensverfall des Hauptschuldners, entgegen. In diesem Fall bleibt die Bürgschaft selbstständig bestehen (vgl. BGH 23.11.81, VIII ZR 299/80, BGHZ 82, 323). Um einen solchen Fall handelte es sich offensichtlich bei der genannten BFH-Entscheidung. Ist das aber so, kann die Leistung des Bürgen auf die fortbestehende Verpflichtung wie im Urteilsfall bei privater Haltung der Beteiligung zu Werbungskosten oder Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG führen.
Beachten Sie | Dem BFH, der beide Möglichkeiten verneint hat, kann insoweit nicht gefolgt werden. Der Gesichtspunkt einer über die Löschung hinaus fortbestehenden (und nun verselbstständigten) Bürgschaft ist vom BFH ignoriert worden. An die zivilrechtliche Beurteilung ist das Steuerrecht aber m.E. gebunden.
Über den entschiedenen Fall hinaus stellt sich die Frage, wie - unter Zugrundelegung der Ansicht des BFH, dass die Existenz der GmbH durch die Löschung vernichtet worden ist - zu entscheiden wäre, wenn die Beteiligung in einem Betriebsvermögen enthalten wäre. Die Übertragung der Entscheidung auf einen solchen Fall verbietet m.E. die unterschiedliche Ausgangslage: Denn bei einem Unternehmen spielen z.B. auch das Ansehen und sein Ruf eine Rolle. Wird unter diesem Gesichtspunkt eine Zahlung auf eine rechtlich nicht mehr bestehende Verpflichtung geleistet, ist es nicht ausgeschlossen, auch eine solche Zahlung als im Rahmen eines Betriebs angefallen zu betrachten.
Hinweis | Unbeschadet von dieser Beurteilung gilt auch für ein Betriebsvermögen die Bürgschaft nach Wegfall des Schuldners als fortbestehend.
5. Zusammenfassung
- 1. Eine vermögenslose GmbH wird durch die Löschung im Handelsregister nicht ihrer rechtlichen Existenz beraubt. Sie wird wiederbelebt mit der Folge einer Nachtragsliquidation, wenn verteilbares Vermögen in Erscheinung tritt.
- Eine GmbH kann - von den Fällen abgesehen, in denen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das Vermögen auf einen anderen Rechtsträger übergeht (z.B. bei einer Verschmelzung auf einen anderen Rechtsträger, bei der evtl. noch auftauchendes Vermögen beim neuen Rechtsträger anfällt) - so gesehen nicht untergehen. Sie kann nur „vergessen“ werden.
- 2. Eine Bürgschaft für eine Forderung gegen die GmbH kann zwar unter bestimmten Voraussetzungen als Vermögensgegenstand der GmbH angesehen werden. Jedoch stellt sie kein verteilbares Vermögen dar. Begünstigt ist allein der Gläubiger einer bestimmten Forderung. Entfällt diese Forderung, wird auch der Bürge von einer Leistung befreit.
- 3. Ein mit einem dinglichen Recht oder Sicherungseigentum belasteter Vermögensgegenstand wird dann zu einem eine Nachtragsliquidation rechtfertigenden verteilbaren Vermögensgegenstand, wenn nach Befriedigung des Gläubigers ein Überschuss verbleibt, der an die Gläubiger verteilt bzw. an die Gesellschafter ausgeschüttet werden kann.