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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Festlegung und Änderung des Geschäftsjahrs der GmbH ist keine Nebensache

    von Dr. Helmar Fichtelmann, Ansbach

    | Das Geschäftsjahr ist keine unbedeutende Nebensache des rechtlichen Aufbaus der GmbH, denn an das Geschäftsjahr knüpft für jeden Kaufmann die Gewinnermittlungspflicht an. Das Geschäftsjahr ist grundsätzlich frei bestimmbar. Eine ausdrückliche Pflicht zur Festlegung des Geschäftsjahres besteht nicht. Doch was ist, wenn kein Geschäftsjahr bestimmt wurde, was gilt bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und in welchen Fällen ist eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres möglich? Diese Fragen zeigen, dass es nicht müßig ist, sich einmal näher mit dieser Thematik zu beschäftigen. |

    1. Das Geschäftsjahr nach Handels- und GmbH-Recht

    Die Festlegung des Geschäftsjahres gehört bei der GmbH nicht zum notwendigen Satzungsinhalt. Es ist in § 3 GmbHG nicht genannt. Das gesetzliche Musterprotokoll für die Gründung einer GmbH im vereinfachten Verfahren (vgl. Anlage zu § 2 Abs. 1a GmbHG) enthält ebenfalls keinen Regelungszwang.

     

    MERKE | Das HGB - insoweit auch für die GmbH verbindlich - kennt ebenfalls keine Verpflichtung zur Festlegung des Geschäftsjahres. § 242 Abs. 1 HGB bestimmt lediglich, dass der Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes (bei der GmbH kann das bereits bei einer Geschäftsaufnahme durch die Vor-GmbH der Fall sein, vgl. BFH 3.9.09, VI R 38/07, BStBl II 10, 60 für das Wirtschaftsjahr) und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Bilanz zu erstellen hat.

    Soweit eine Festlegung des Geschäftsjahres nicht erfolgt ist, ist also für den Beginn des Geschäftsjahres der Beginn des Handelsgewerbes maßgebend. Dass bei Nichtregelung des Geschäftsjahres das Kalenderjahr als Geschäftsjahr gilt (so Wachter, GmbHR 14, 596), lässt sich mit § 242 Abs. 1 HGB nicht in Einklang bringen. Als Beginn des Handelsgewerbes ist die Aufnahme der geschäftlichen Tätigkeit zu verstehen. Das kann und wird i.d.R. zu einem abweichenden Geschäftsjahr führen. Denn das Geschäftsjahr darf einen Zeitraum von 12 Monaten nicht übersteigen (§ 240 Abs. 2 S. 2 HGB). Das gilt m.E. auch für die GmbH.

     

    Beachten Sie | Die Aufnahme der geschäftlichen Tätigkeit kann bereits die Pflicht zur Aktivierung der Einlageverpflichtung der Gesellschafter sein. Der Anspruch entsteht bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 2 Rn. 27). Die Eintragung der GmbH in das Handelsregister ist nicht erforderlich, sodass bereits die Vor-GmbH in das Geschäftsjahr einbezogen wird.

     

    Mit der Eröffnungsbilanz ist nur der Beginn eines Geschäftsjahres festgelegt. Eine Festlegung des Geschäftsjahrs insgesamt ist damit nicht verbunden.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Bestimmung des Geschäftsjahrs erfolgt erst mit der Schlussbilanz, soweit die Gesellschafter nicht schon vorher eine entsprechende Regelung getroffen haben. Die Schlussbilanz kann, auch wenn der Beginn des Geschäftsjahres in den Lauf eines Kalenderjahres fällt, zum Jahresende erstellt werden. Dann bedeutet das nicht nur, dass ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden ist, sondern auch, dass nun das Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist.

    Die Bilanz ist von den Geschäftsführern im Entwurf den Gesellschaftern zuzuleiten (§ 42a Abs. 1 S. 1 GmbHG). Aufgestellt ist die Bilanz erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter. Damit wird gleichzeitig das Geschäftsjahr bestimmt.

     

    • Beispiel

    Nach der Eröffnungsbilanz zum 1.6., deren Feststellungszeitpunkt durch die tatsächliche Geschäftsaufnahme bestimmt wird, legen die Geschäftsführer zum 31.12. einen Entwurf für die Schlussbilanz vor. Beschließen die Gesellschafter die Feststellung des Jahresabschlusses, ist damit nicht nur ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet, sondern gleichzeitig das Kalenderjahr als Geschäftsjahr eingerichtet.

    • Alternative

    Die Geschäftsführer legen zum 31.12. keinen Entwurf eines Jahresabschlusses vor, weil sie der Meinung sind, es sei ein abweichendes Geschäftsjahr gewollt. Die Gesellschafter können die Geschäftsführer anweisen, zum 31.12. einen Bilanzentwurf vorzulegen. Doch welche Bedeutung hat die Anweisung der Gesellschafter? Ist damit schon die Festlegung des Kalenderjahres als Geschäftsjahr beschlossen? Das ist m.E. nicht der Fall, da die Gesellschafter ihre Anweisung jederzeit ändern können. Die Änderung der Anweisung - bis zur Feststellung der vorgelegten Bilanz - ist deshalb keine Änderung des Geschäftsjahres.

    2. Das Geschäftsjahr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

    2.1 Insolvenzeröffnung als Beginn eines neuen Geschäftsjahres

    Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt ein neues Geschäftsjahr (§ 155 Abs. 1 InsO). Der Zeitpunkt der Eröffnung ist im Eröffnungsbeschluss anzugeben. Ist die Stunde der Eröffnung nicht angegeben, so gilt als Zeitpunkt der Eröffnung die Mittagsstunde (12 Uhr) des Tages, an dem der Beschluss erlassen worden ist (§ 27 Abs. 3 InsO). Das mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnene Geschäftsjahr ist kein Rumpfgeschäftsjahr, sondern es bleibt als vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr fortan bestehen (OLG Frankfurt/M 1.10.13, 20 W 340/12, GmbHR 14, 592).

     

    • Beispiel

    Das Insolvenzverfahren wird am 10.10.14 (17 Uhr) eröffnet. Es bleibt bis zu einer Änderung ein Geschäftsjahr vom 10.10. bis 9.10.

    MERKE | Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten, und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Die handelsrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung bleiben unberührt. Diese Pflichten hat der Insolvenzverwalter für die Insolvenzmasse zu erfüllen (§ 155 Abs. 1 S. 2 InsO).

    In der vom Insolvenzverwalter aufzustellenden Eröffnungsbilanz sind zwingend die Fortführungswerte anzusetzen (vgl. Depré in Kraft, InsO, § 155 Rn. 7); denn der Insolvenzverwalter hat bis zum Berichtstermin das Unternehmen fortzuführen. Eine vorherige Stilllegung oder Veräußerung bedarf der Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 158 Abs. 1 InsO).

     

    2.2 Wirkung des Beginns eines neuen Geschäftsjahres

    Da neben handelsrechtlichen Pflichten auch die steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners unberührt bleiben (§ 155 Abs. 1 S. 1 InsO), könnte es mit dem Beginn des neuen Geschäftsjahres zu einem Auseinandergehen von Geschäftsjahr und steuerlichem Wirtschaftsjahr kommen. Ein solches (unnötiges) Auseinanderfallen sollte tunlichst vermieden werden.

     

    Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass § 155 Abs. 2 S. 1 InsO unmittelbar auch Wirkung für das Steuerrecht habe: Es beginnt gleichzeitig ein neues Wirtschaftsjahr (Lademann/Bordewin, EStG, § 4a Rn. 92; Frotscher in Frotscher, EStG, § 4a Rn. 34; Wachter, GmbHR 14, 596). Nach anderer Ansicht gilt die Regelung in § 155 Abs. 2 S. 1 InsO zwar nicht unmittelbar für das Steuerrecht, jedoch könne das FA die Zustimmung zur Umstellung nicht verweigern, wenn ein solcher Antrag gestellt würde (vgl. Fink in H/H/R, § 4a Anm. 20, Stichwort „Insolvenz“).

     

    PRAXISHINWEIS | Aus praktischen Gründen ist es - zur Vermeidung von doppelten Bilanzen - sinnvoll, von der unmittelbaren Geltung des § 155 Abs. 2 S. 1 InsO auch für das Steuerrecht auszugehen, weil nur auf diesem Weg ein Auseinandergehen vermieden werden kann.

    2.3 Änderung des mit der Insolvenzeröffnung beginnenden Geschäftsjahres

    Es sind zwei Fragen zu klären, nämlich

    • 1. ob die Umstellung des mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnenen Geschäftsjahres überhaupt zulässig ist und
    • 2. wer für die Umstellung zuständig ist (Gesellschafter oder Insolvenzverwalter).

     

    MERKE | Der Beginn eines neuen Geschäftsjahres mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat den Zweck, die Vermögensmassen zu trennen und dies durch Aufstellen einer Bilanz zu dokumentieren. Denn der Insolvenzverwalter hat - die handelsrechtlichen Buchführungspflichten erleiden durch die Eröffnung keine Beeinträchtigung (§ 155 Abs. 1 S. 1 InsO) - zu Beginn des Geschäftsjahres eine Bilanz zu erstellen.

    Der Fortgang des Insolvenzverfahrens wird durch einen anderen Bilanzierungszeitpunkt infolge der Änderung des Geschäftsjahres nicht beeinträchtigt, sodass man von der Zulässigkeit einer Umstellung ausgehen kann. Zuständig für die Umstellung ist der Insolvenzverwalter. Denn die Umstellung verursacht Kosten für die Insolvenzmasse (Bilanzerstellung für den Abschluss, evtl. Prüfungskosten), die das alleinige Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters tangiert.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Insolvenzverwalter wird es sich allerdings genau überlegen müssen, ob eine Umstellung des Geschäftsjahres mit seinen Pflichten zu vereinbaren ist. Denn in der Umstellung des Geschäftsjahres wird man nur in Ausnahmefällen eine den Fortgang des Insolvenzverfahrens fördernde Maßnahme erkennen können, sodass darin grundsätzlich die schuldhafte Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters (§ 60 Abs. 1 S. 2 InsO) zu sehen ist. Damit wäre der Insolvenzverwalter allen Beteiligten gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet.

    2.4 Aufhebung des Insolvenzverfahrens bzw. Unternehmensveräußerung

    Das Geschäftsjahr erleidet durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) keine Unterbrechung. Die Gesellschafter können nun das durch die Insolvenzeröffnung begründete oder vom Insolvenzverwalter geänderte Geschäftsjahr ändern. Selbst wenn das Unternehmen vom Insolvenzverwalter letztlich veräußert wird, wird das Geschäftsjahr nicht beendet. Denn die GmbH bleibt nach wie vor Kaufmann und ist als solche zur Buchführung und zur Erstellung von Jahresabschlüssen verpflichtet.

    3. Rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres

    Bedeutung und Wirkung der rückwirkenden Änderung eines Geschäftsjahres sollen an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:

     

    • Beispiel

    Die X-GmbH hat laut § 7 ihrer Satzung ein Geschäftsjahr vom 1.1 bis 31.12. Für 2012 wird ein Gewinn von 1 Mio. EUR ausgewiesen. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2013 gehen die Geschäfte schlecht. Betriebswirtschaftlich wird für die erste Jahreshälfte noch ein Gewinn von 500.000 EUR ermittelt, auf Jahressicht wird allerdings ein Verlust erzielt.

     

    In der Gesellschafterversammlung vom 5.12.13 beschließen die Gesellschafter eine Änderung des Geschäftsjahres. Es soll vom 1.7. (2013) bis 30.6. laufen. In der Bilanz zum 30.6.13 (Rumpfgeschäftsjahr) ist ein Gewinn von 500.000 EUR ausgewiesen, der an die Gesellschafter ausgeschüttet wird.

    Beachten Sie | Ohne Einschaltung eines Rumpfgeschäftsjahres wäre für 2013 ein Verlust ausgewiesen worden, eine Gewinnausschüttung wäre dann nicht möglich gewesen. Ist die rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres im Beispielsfall zulässig, ist der für das Rumpfgeschäftsjahr ausgewiesene Gewinn auch ausschüttungsfähig.

     

    Für die Frage, ob eine solche rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres rechtswirksam ist, ist m.E. entscheidend, ob dies in der Satzung bestimmt ist oder nur außerhalb der Satzung festgelegt wurde:

     

    3.1 Variante 1: Das Geschäftsjahr ist Bestandteil der Satzung und daher auch im Handelsregister eingetragen

    Die Änderung einer Satzungsbestimmung (die Änderung des Geschäftsjahres fällt darunter; vgl. Priester/Veil in Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 139) erfordert einen Beschluss der Gesellschafter, der mit einer Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen zu fassen ist und der notariellen Beurkundung bedarf (§ 53 Abs. 2 GmbHG).

     

    Wichtig | Die Satzungsänderung ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Sie wird erst wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister (Wirkung ex nunc).

     

    3.2 Variante 2: Das Geschäftsjahr ist nicht Satzungsbestandteil

    Man ist geneigt zu sagen, dass die Änderung einer Nichtsatzungsbestimmung nicht den Erfordernissen der §§ 53 und 54 GmbHG unterliegt und daher, da keine Eintragung im Handelsregister vorliegt, die Änderung zur Wirksamkeit nicht der Eintragung bedarf. Doch weit gefehlt. Es wird die Meinung vertreten, dass die Bestimmung des Geschäftsjahres zur Organisation der Gesellschaft gehöre, da der Jahresabschluss und der Gewinnanspruch der Gesellschafter von ihm abhingen. Eine ausdrückliche Satzungsbestimmung sei entbehrlich, wenn das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspräche. Jede Änderung sei deshalb Satzungsänderung (vgl. Zöller in Baumbach/Hueck, § 53 Rn. 23 ff.) und im Handelsregister anzumelden.

     

    Vorweg ist dazu Folgendes zu sagen: Haben die Gesellschafter (bewusst oder nur aus Nachlässigkeit) von einer Regelung im Gesellschaftsvertrag abgesehen, kann nicht durch den Hinweis auf die Organisationsnotwendigkeit die Zugehörigkeit zur Satzung „durch die Hintertür“ erfunden werden. Einer Eintragung in das Handelsregister bedarf es deshalb nicht. Da das Geschäftsjahr für den öffentlichen Rechtsverkehr bisher nicht aus dem Handelsregister ersichtlich war, ist es nicht nachvollziehbar, warum die Öffentlichkeit an einer Änderung interessiert sein sollte.

     

    3.3 Beurteilung der Zulässigkeit der rückwirkenden Änderung des Geschäftsjahres in Rechtsprechung und Schrifttum

    Es entspricht grundsätzlich der h.M., dass die Eintragung der Änderung des Geschäftsjahres keine rückwirkende Kraft entfaltet. Beispielhaft sei zunächst auf eine Entscheidung des LG Mühlhausen (28.11.96, HKO 3170/96) verwiesen. Es handelt sich um die Änderung eines im Handelsregister eingetragenen Geschäftsjahres. Da eine Änderung als Satzungsänderung der notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG) und zu ihrer Wirksamkeit (ex nunc) der Eintragung in das Handelsregister bedarf, komme schon aus diesem Grunde eine Rückwirkung (nach außen) nicht in Betracht.

     

    Zwar sei eine Rückwirkung im Innenverhältnis grundsätzlich nicht auszuschließen. Wegen der Publizitätswirkung des § 54 GmbHG sei eine Rückwirkung gegenüber Dritten jedoch regelmäßig ausgeschlossen, da Gläubigerinteressen berührt sein könnten (s. Beispiel unter 1.).

     

    Ähnlich argumentiert das LG Essen (3.7.02, 42 T 4/02, GmbHR 02, 1032), wobei hier die Frage, ob die Rückwirkung sich nach dem Zeitpunkt der Anmeldung oder der Eintragung richtet, entscheidend war. Das Gericht stellt allein auf den Zeitpunkt der Eintragung ab, da sonst zwischen Eingang des Antrags und der tatsächlichen Eintragung ein rechtliches Vakuum entstehe. Das soll jedenfalls dann gelten, wenn das Rumpfgeschäftsjahr im Zeitpunkt der Beschlussfassung und Anmeldung bereits abgelaufen ist (OLG Frankfurt/M 9.3.99, a.a.O.).

     

    MERKE | Vom strikten Verbot der rückwirkenden Änderung macht das LG Frankfurt/M (9.3.78, 3/11 T 63/77, GmbHR 78, 112) insofern eine Ausnahme, als es eine Rückwirkung auch dann noch anerkennt, wenn das gebildete Rumpfgeschäftsjahr im Zeitpunkt der Anmeldung bereits abgelaufen ist, Interessen Dritter aber nicht beeinträchtigt werden.

    Das Schrifttum folgt weitgehend der Rechtsprechung. Das heißt, es lehnt eine Rückwirkung grundsätzlich ab. Gestützt wird diese Aussage auf die Publizitätswirkung des § 54 GmbHG (vgl. Priester/Veil in Scholz, § 54 Rn. 189; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 54 Rn. 65). Die Folge einer nicht wirksamen Änderung des Geschäftsjahres besteht darin, dass der auf dieser Grundlage festgestellte Jahresabschluss rechtswidrig ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Werden auf dieser Grundlage Ausschüttungen vorgenommen, liegen verdeckte Gewinnausschüttungen vor (Ausschüttung ohne Rechtsgrundlage). Es können auch strafrechtliche Folgen eintreten - z.B. Insolvenzdelikte oder Untreue.

    3.4 Eigene Meinung

    Die Änderung eines im Handelsregister eingetragenen Geschäftsjahres ist nach den Regeln einer Satzungsänderung zu beurteilen. Entscheidend ist hierbei, dass sie erst mit Eintragung wirksam wird. Auch eine Rückwirkung im Innenverhältnis ist auszuschließen. Ihr kommt keinerlei Bedeutung zu. Denn das Geschäftsjahr hat seine Bedeutung in der Wirkung nach außen (als Grundlage für den Jahresabschluss). Sollen die Gesellschafter den Gewinn (im Innenverhältnis noch einmal überflüssigerweise) zu einem anderen Zeitpunkt ermitteln? Das ergibt wenig Sinn und ist daher abzulehnen.

     

    Der rückwirkenden Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres steht m.E. in vielen Fällen schon der Umstand entgegen, dass die Voraussetzungen für eine Bilanzerstellung nicht mehr erfüllt werden können. Denn der Jahresabschluss ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu erstellen (§ 243 Abs. 1 HGB). Das macht die Erstellung eines Inventars zum Beginn und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres erforderlich. Das Inventar ist zudem innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu bewirken (§ 240 Abs. 2 S. 3 HGB).

     

    Beachten Sie | Die in diesem Zusammenhang notwendige Inventur ist zeitnah - i.d.R. innerhalb einer Frist von 10 Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag vorzunehmen. Soweit nicht ausnahmsweise eine permanente Inventur stattfindet (§ 241 Abs. 3 HGB), verstößt ein ohne zeitgemäße Inventur erstelltes Inventar gegen fundamentale Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung.

    4. Geschäftsjahr bei Auflösung/Beendigung der Gesellschaft

    Die Gesellschaft wird aus den in § 60 GmbHG genannten Gründen aufgelöst. Von der Insolvenz abgesehen, wird das i.d.R. ein Beschluss der Gesellschafter sein, der mit einer Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen zu fassen ist (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Nach Durchführung der Liquidation ist die Gesellschaft beendet und damit zu löschen (§ 74 Abs. 1 S. 2 GmbHG).

     

    Wird die Liquidation nicht zum Ende des Geschäftsjahres begonnen, ist auf den Zeitpunkt des Beginns der Liquidation eine Eröffnungsbilanz zu erstellen (§ 71 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Bilanzstichtag ist der Tag vor dem Beschluss über die Auflösung (so schon BFH 17.7.74, I R 233/71, BStBl II 74, 692). Zuständig hierfür sind die Liquidatoren. Die Folge ist ein Rumpfgeschäftsjahr für den abgelaufenen Zeitraum.

     

    Der Stichtag der Auflösung wird zum Ausgangspunkt des Geschäftsjahres (Scholz/Karsten Schmidt, § 71 Rn. 18), das künftig maßgebend ist, soweit nicht durch Gesellschafterbeschluss ein anderes Geschäftsjahr beschlossen wird. Der Umstand der Auflösung der Gesellschaft steht der Zulässigkeit der Änderung des Geschäftsjahres nicht entgegen.

    5. Das Geschäftsjahr der GmbH in der Nachtragsliquidation

    Mit der Löschung der GmbH im Handelsregister ist auch das Geschäftsjahr der GmbH beendet, Buchführungspflicht und die Pflicht zur Erstellung von Jahresabschlüssen entfallen.

     

    Mit der Nachtragsliquidation kann ein neues Geschäftsjahr beginnen, das keinen Zusammenhang mit dem bis zur Löschung bestehenden Geschäftsjahr hat. Ob ein neues Geschäftsjahr beginnt, hängt m.E. von der Art des Liquidationsvorgangs ab. Entscheidend ist, ob sich Auswirkungen auf die Bilanz ergeben.

     

    PRAXISHINWEIS | Wird ein Vermögensgegenstand neu zur Liquidationsmasse hinzugezogen (z.B. ein Schadenersatzanspruch gegen einen Geschäftsführer, der sich erst nach der Liquidation herausgestellt hat; also nicht aktiviert ist), ist m.E. die zum Ende der Liquidation erstellte Bilanz zu ergänzen. Es besteht zwar kein Bilanzenzusammenhang, jedoch sind die Werte der Liquidationsschlussbilanz für die Eröffnungsbilanz zu übernehmen. I.d.R. liegt ein Rumpfgeschäftsjahr vor, das von der Kenntniserlangung des Anspruchs bis zur Ausschüttung des Restvermögens an die Gesellschafter reicht. Bei langwierigen Prozessen können sich mehrere Geschäftsjahre ergeben.

    6. Das Geschäftsjahr der Vor-GmbH

    Die Vor-GmbH - die im Werden begriffene GmbH vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zur Entstehung der GmbH durch Eintragung in das Handelsregister - kann bereits eine gewerbliche Tätigkeit aufnehmen. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob hierfür ein eigenes Geschäftsjahr begründet wird oder ob diese Tätigkeit zusammen mit der Tätigkeit der GmbH in demselben Geschäftsjahr zusammengefasst werden kann.

     

    • Beispiel

    Die Vor-GmbH übt eine gewerbliche Tätigkeit vom 7.4. bis 28.11. (Eintragung der GmbH) aus. Danach wird die Tätigkeit von der GmbH fortgeführt.

    Zur Beantwortung müssen wir zwei Varianten unterscheiden:

     

    • 1. Die Vor-GmbH wird - aus welchen Gründen auch immer - nicht in das Handelsregister eingetragen (sog. unechte Vor-Gesellschaft).

     

    • 2. Die Vor-GmbH wird in das Handelsregister eingetragen - die GmbH entsteht.

     

    MERKE | Die Frage wird für das steuerliche Wirtschaftsjahr von der steuerlichen Rechtsprechung (unter Billigung des Schrifttums) in der Weise beantwortet, dass die Tätigkeit der Vor-GmbH und der zur Entstehung gelangten GmbH in einem Wirtschaftsjahr zusammengefasst werden. Denn zwischen der Vor-GmbH und der GmbH bestehe Identität, sodass die Vor-GmbH bereits als Kapitalgesellschaft anzusehen sei (BFH 14.10.92, I R 17/92, BStBl II 93, 352).

    Kann die steuerliche Lösung ein Vorbild für die Beurteilung von Geschäftsjahren sein? Dem soll nun nachgegangen werden.

     

    Zu 1.: Da die Identität von Vor-GmbH und GmbH nur dann besteht, wenn die GmbH in das Handelsregister eingetragen wird (also entsteht), ergibt sich ohne weitere Diskussion, dass eine Zusammenfassung nicht in Betracht kommt. Das hat zur Folge, dass eine Geschäftstätigkeit weder der Vor-GmbH noch der GmbH angenommen werden kann. Die als GmbH (Vor-GmbH) auftretende Gesellschaft ist tatsächlich eine OHG, KG oder BGB-Gesellschaft, deren Geschäftsjahr nach den hierauf anwendbaren Vorschriften zu beurteilen ist. Eine Zusammenfassung mehrerer Gesellschaften ist ausgeschlossen.

     

    Zu 2.: Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung sind auf die Vor-GmbH die Vorschriften des GmbH-Rechts weitgehend anzuwenden, jedenfalls, soweit nicht die Eintragung vorausgesetzt wird (vgl. die Nachweise bei Roweder/Ritter, § 11 Rn. 126). Weitergehend Karsten Schmidt (Gesellschaftsrecht, § 11, Abschn. IV, 2 und 4), wonach bereits die Vor-GmbH als eigene Rechtspersönlichkeit anerkannt wird. Zwischen Vor-GmbH und GmbH bestehe Identität.

     

    PRAXISHINWEIS | Bejaht man die Identität, ist es nicht mehr weit, auch ein einheitliches Geschäftsjahr zwischen Vor-GmbH und GmbH anzunehmen. Die Zusammenfassung der Geschäftstätigkeit sowohl der Vor-GmbH als auch der später entstehenden GmbH in einem Geschäftsjahr vermeidet ein Auseinandergehen mit dem Steuerrecht, sodass auch praktische Gründe für die angesprochene Lösung sprechen. Es wird zudem ein Jahresabschluss (und damit Kosten) eingespart.

    7. Die Quintessenz

    • 1. Die Gesellschafter können das Geschäftsjahr frei bestimmen und ein bestehendes Geschäftsjahr ändern.

     

    • 2. Ist das Geschäftsjahr satzungsmäßig nicht bestimmt - das GmbHG und das HGB verlangen keine Festlegung -, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Kalenderjahr als Geschäftsjahr eingerichtet ist. Das Geschäftsjahr beginnt in diesem Falle mit der Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit und endet mit der Erstellung der Schlussbilanz, wobei ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet werden kann.

     

    • 3. Eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahrs ist grundsätzlich nicht statthaft. Das gilt auch für das Innenverhältnis. In der Regel werden dadurch unzulässigerweise Gläubigerinteressen berührt.

     

    • 4. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt ein neues Geschäftsjahr. Die Änderung während des Insolvenzverfahrens ist zwar möglich (zuständig hierfür ist der Insolvenzverwalter), jedoch kann sich der Insolvenzverwalter wegen der damit verbundenen Kosten schadenersatzpflichtig machen. Das für das Insolvenzverfahren begonnene Geschäftsjahr gilt bis zu seiner Änderung durch die Gesellschafter auch nach Aufhebung des Verfahrens fort.

     

    • 5. Bei der sogenannten unechten Vor-GmbH findet eine Zusammenfassung in einem Geschäftsjahr nicht statt, da es sich bei den beteiligten Gesellschaften um Personengesellschaften handelt, bei denen selbstverständlich keine Identität besteht. Bei der echten Vor-GmbH wird die Tätigkeit der Vor-GmbH mit der Tätigkeit der GmbH in einem Geschäftsjahr zusammengefasst. Grund hierfür ist die Identität der beiden Gesellschaften.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zur rückwirkenden Eintragung einer Geschäftsjahresänderung: Anmerkung zum Beschluss des OLG Frankfurt vom 1.10.13 (20 W 340/12) von Wachter in GmbHR 14, 596
    • Näheres zum Wesen der Vor-GmbH: „Die Gründung einer GmbH in drei Schritten: Rechtliche und steuerliche Problemfelder“ von Fichtelmann in GStB 11, 132 ff.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 444 | ID 42902306