· Fachbeitrag · § 6b-Rücklage
Wann beginnt die Herstellung eines Reinvestitionsgutes nach § 6b Abs. 3 EStG?
von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart
| Der Gewinn aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter kann auf ein innerhalb von vier Jahren neu angeschafftes oder hergestelltes vergleichbares Wirtschaftsgut übertragen werden, ohne dass die stillen Reserven versteuert werden müssen. Wird allerdings mit der Anschaffung oder Herstellung des Reinvestitionsgutes nicht rechtzeitig begonnen, droht ein Gewinnzuschlag von 6 % auf den Rücklagenbetrag (§ 6b Abs. 7 EStG). Der BFH hat jetzt näher analysiert, wann genau mit der Herstellung eines Wirtschaftsgutes begonnen wird und ob ein 6%iger Zuschlag der Höhe nach zulässig ist (BFH 9.7.19, X R 7/17). |
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige ist Einzelunternehmer (E). Er ermittelt seinen Gewinn durch Erstellen einer Bilanz und hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr. In der Bilanz zum 30.6.05 für das Wj 04/05 hatte er einen Sonderposten mit Rücklagenanteil gebildet, den er nach § 6b EStG berücksichtigte. In der Bilanz zum 30.6.09 (Wj 08/09) löste E die Rücklage nicht auf, da er nach eigenen Angaben mit der Investition, auf welche die 6b-Rücklage aus dem Jahr 04/05 übertragen werden sollte, begonnen habe. Die Rücklage wurde auf ein später fertiggestelltes Betriebsgebäude übertragen, für dessen Erstellung sich der folgende Zeitablauf ergibt:
Das FA war der Ansicht, die Rücklage könne nicht auf das errichtete Gebäude übertragen werden, da am 30.6.09 (vier Jahre nach Bildung der Rücklage) noch nicht mit der Herstellung des neuen Betriebsgebäudes begonnen worden war. Der BFH gab dem FA im Ergebnis Recht.
Entscheidungsgründe
Nach § 6b Abs. 1 S. 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eines in dieser Vorschrift genannten Wirtschaftsgutes eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage in Höhe des Veräußerungsgewinns bilden. Wird dann in den auf die Bildung der Rücklage folgenden vier Wirtschaftsjahren ein begünstigtes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt, kann der Steuerpflichtige von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsgutes einen entsprechenden Betrag bis zur Höhe der Rücklage abziehen.
Die Frist von vier Jahren verlängert sich nach § 6b Abs. 3 S. 3 EStG bei neu hergestellten Gebäuden auf sechs Jahre, wenn mit deren Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen worden ist. Mit der Herstellung wird begonnen, wenn das konkrete Investitionsvorhaben „ins Werk gesetzt“ wird.
MERKE | Ein sicheres Indiz für einen Herstellungsbeginn ist die Stellung des Bauantrags, es sei denn, das hergestellte Gebäude stimmt nicht mit dem genehmigten Gebäude überein. Das „Ins-Werk-Setzen“ und damit der Beginn der Herstellung im Zusammenhang mit § 6b EStG muss aber nicht zwingend mit einem Bauantrag verbunden sein. Auch Handlungen, die zeitlich davor liegen, können ausreichen.
Unter Beachtung der bilanzsteuerlichen Grundsätze kann auch die Planung als Teil der Herstellung zu berücksichtigen sein, denn Planungskosten gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes und sind selbst dann zu aktivieren, wenn die Bauarbeiten noch nicht begonnen haben, da Planung und Errichtung des Bauwerks einen einheitlichen Vorgang bilden. |
Beachten Sie | Es genügt im Rahmen des § 6b EStG allerdings nicht, dass nur erste Herstellungskosten im Zusammenhang mit dem späteren Objekt entstehen, die zu aktivieren sind. Denn die Begriffe „Herstellungskosten i. S. d. § 6 EStG“ und „Herstellungsbeginn i. S. d. § 6b EStG“ sind nicht deckungsgleich. Sie verfolgen unterschiedliche Ziele.
MERKE | Während der Begriff der Herstellungskosten die Abgrenzung zwischen aktivierungspflichtigen Aufwendungen einerseits und laufenden Betriebsausgaben andererseits betrifft, dient die Regelung über den „Beginn der Herstellung“ in § 6b Abs. 3 S. 3 EStG dazu, die Regel-Investitionsfrist von vier Jahren auf sechs Jahre zu verlängern. Dafür bedarf es einer konkreten und objektiv nachvollziehbaren Investitionsentscheidung, die mit der Formel „ins Werk gesetzt“ umschrieben wird. |
Die Planungen des Steuerpflichtigen waren zum 30.6.09 nicht so konkret und verbindlich, als dass sie als „ins Werk gesetzt“ angesehen werden können. Nur dies wäre als Beginn der Herstellung anzusehen. So fehlte die eigentliche Entwurfsplanung. Die zu diesem Zeitpunkt (30.6.09) erledigten Tätigkeiten (Aufmaß des Gebäudebestands, Vorplanungen, Vorbesprechungen über das weitere Vorgehen) sind als reine Vorbereitungsarbeiten zu werten, die noch nicht den Beginn der Herstellung markieren.
Die bittere Konsequenz: Wenn eine nach § 6b EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden muss, ohne dass ein entsprechender Betrag nach Abs. 3 abgezogen werden kann, droht gemäß § 6b Abs. 7 EStG Ungemach. Denn dann ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagebetrags zu erhöhen.
Dieser Gewinnzuschlag ist im vorliegenden Fall für den Zeitraum vom 30.6.05 bis zum 30.6.09 zu bilden. Er ist verfassungsrechtlich auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
MERKE | Mit dem Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG beabsichtigte der Gesetzgeber, dem Steuerpflichtigen den durch die Bildung einer Rücklage eingetretenen Zinsvorteil nicht zu belassen. Vielmehr soll der Zinsvorteil durch Erhöhung des Gewinns wieder ausgeglichen werden, da wegen nicht vorgenommener begünstigter Reinvestition keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit für eine Begünstigung des Gewinns aus der Veräußerung besteht. |
Die Einwendungen, die wegen des inzwischen gesunkenen Marktzinsniveaus gegen die Höhe des Zinses von 6 % erhoben werden, greifen für das Streitjahr 2009 wie auch die im Rahmen des Gewinnzuschlags zu betrachtenden Jahre 2005 bis 2008 nicht durch. Bis zum Jahr 2009 hat sich noch kein strukturelles Niedrig-Marktzinsniveau verfestigt, das eine pauschalierte Verzinsung von 6 % pro Jahr als grundgesetzwidrig erscheinen lassen würde.
Relevanz für die Praxis
Mit seiner Entscheidung hat der BFH in zweierlei Hinsicht „Pflöcke“ eingerammt.
- Zum einen definiert er den „Beginn der Herstellung“ eines Gebäudes. Auf der sicheren Seite ist derjenige, der einen Bauantrag bei der zuständigen Behörde („Bauamt“) eingereicht hat. Dieser Vorgang markiert unzweifelhaft den Beginn der Herstellung, denn er zeigt, dass ein Steuerpflichtiger ernsthaft bauen möchte. Jedoch auch schon vor dem Einreichen des Bauantrags kann mit der Herstellung begonnen werden, wenn konkrete Maßnahmen nach außen objektiv sichtbar vollzogen werden. Letztendlich geht es dabei insbesondere um Maßnahmen, die Geld kosten und somit die Verwirklichung des Bauprojektes schon aus diesem Grund als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. Bloße „interne“ Maßnahmen, die billig oder gar unentgeltlich sind, erfüllen diese Voraussetzung nicht und setzen ein Bauwerk nicht ins Werk.
- Zum anderen hält der BFH für die Jahre 2005 bis 2009 eine pauschale Verzinsung mit 6 % pro Jahr noch nicht für verfassungswidrig. Dies ist im Hinblick auf die beim BVerfG zu dieser Frage anhängige Grundsatzentscheidung eine eindeutige Aussage.