· Fachbeitrag · Gesetzesreform
BMF stößt eine Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes an!
von Dr. Katrin Dorn und Dr. Morten Dibbert, Möhrle Happ Luther, München/Hamburg
| Das BMF hat im Juni 2023 einen Diskussionsentwurf zur Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes an die Verbände verteilt; die nachfolgende Darstellung basiert auf dem Diskussionsentwurf vom 15.6.23. Dieser Entwurf fußt auf dem sog. Modernisierungsmodell für das Grunderwerbsteuerrecht, das vom hochkarätig besetzten „Arbeitskreis Grunderwerbsteuer“ erarbeitet wurde (vgl. im Detail DStR 23, 729 ff.), der am Institut für Steuerrecht der Universität Leipzig angesiedelt ist. Anlass für die Novellierung sind u. a. die notwendigen Anpassungen aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.21 (MoPeG, BGBl I, 3436). Nachdem das BMF lange Zeit keine Aussagen zu den Auswirkungen des MoPeG auf das Steuerrecht gemacht hat, sieht es nun ‒ kurz vor der Einführung ‒ gesteigerten Anpassungsbedarf bei der Grunderwerbsteuer. |
1. BMF begründet Anpassungsbedarf bei der GrESt
Die Anpassungen durch das MoPeG seien grundlegend, da sich der überwiegende Wegfall der gesamthänderischen Vermögensbindung mit Wirkung ab dem 1.1.24 bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowohl auf die Vergünstigungen einer Gesamthand in den §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG als auch auf die Berechnungsmethoden in den Ergänzungstatbeständen in § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG auswirke. Ob dies tatsächlich der Fall ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Es gibt sicherlich sehr gute Argumente, dass dies nicht der Fall ist. Neben den Änderungen durch das MoPeG habe die Praxis gezeigt, dass es besonders im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen weiterhin gelingt, durch gestalterische Maßnahmen die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Zugleich weist das BMF aber auch darauf hin, dass sinnvolle Umstrukturierungen von Unternehmen durch die Grunderwerbsteuer weiterhin wirtschaftshemmend erschwert werden. Daneben soll den Ländern ermöglicht werden, die Grunderwerbsteuer flexibler auszugestalten, um mehr Menschen ein Wohnen im selbst genutzten Eigentum zu ermöglichen.
2. Wesentliche Aspekte der Novellierung des GrEStG
Hauptziel der Novellierung ist die rechtsformneutrale Gestaltung der Regelungen der Grunderwerbsteuer. Dies zeigt sich bei der Steuerbefreiung für Gesellschaften, die neu in § 5 GrEStG-E geregelt wird und erstmalig auch für Kapitalgesellschaften gelten soll. Zudem sollen die bisherigen Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG aufgehoben werden. An den bisherigen Fristen und Anteilsquoten von 90 % wird nicht mehr festgehalten. Die „Share Deals“ sollen zukünftig in einem § 1a GrEStG-E erfasst werden, der durch § 1b GrEStG-E ergänzt werden wird. Zugleich sollen die Steuervergünstigungen für Umstrukturierungen von Unternehmen auf alle Erwerbsvorgänge erweitert werden, wenn sich der bestimmende Einfluss einer Person über das Grundstück nicht ändert oder soweit vor oder nach einem Erwerbsvorgang eine Person an einem Grundstück beteiligt bleibt. Insofern werden die derzeit bestehenden Regelungen der §§ 5, 6 GrEStG auf Kapitalgesellschaften erweitert. Die Länder sollen zudem die Befugnis erhalten, einen ermäßigten Steuersatz für die Förderung des Erwerbs von selbst genutztem Wohneigentum einzuführen.
3. Kernpunkte der Neuregelungen im Überblick
3.1 Die Neufassung des § 1a GrEStG-E ‒ Steuerpflicht von Share Deals
Kern der Novellierung ist die Schaffung einer einheitlichen Regelung für „Share Deals“ in den §§ 1a, 1b GrEStG unter Aufhebung der bisherigen Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG. Im Mittelpunkt steht die Anteilsvereinigung, wonach Anteilserwerbe an einer Grundstücksgesellschaft bei Vereinigung der Gesamtheit der Anteile (100 %) besteuert werden. Eine Besteuerung soll somit erfolgen, wenn sich die Gesamtheit der Anteile unmittelbar oder mittelbar in der Hand einer Person oder einer Mehrheit von Personen als Erwerbergruppe vereinigen. Dabei werden mehrere Anteilserwerber als Erwerbergruppe angesehen, wenn sie ihre Erwerbe miteinander abgestimmt haben. Anteile, die im dienenden Interesse anderer Erwerber gehalten oder erworben werden, werden den Erwerbern zugeordnet.
Entscheidend soll zukünftig bei Anteilserwerben das Verpflichtungsgeschäft sein. Auf die spätere Erfüllung soll es nicht ankommen (vgl. Diskussionsentwurf, S. 19). Somit käme es nicht mehr dazu, dass es zwei zeitliche Anknüpfungspunkte für die Entstehung der Grunderwerbsteuer gibt. Relevant sind Anteilsübertragungen an einer sog. Grundstücksgesellschaft. Mit dieser Neuregelung soll zugleich der neueren Rechtsprechung des BFH begegnet und Klarheit geschaffen werden. Die Zurechnung von Grundstücken hat in der Beratungspraxis zu umfangreichen Fragestellungen geführt, nachdem der BFH dazu in mehreren Urteilen entschieden hatte (1.12.21, II R 44/18; 12.1.22, II R 16/20; 14.12.22, II R 40/20, II R 33/209).
Die Steuerbefreiungen der §§ 3 und 4 GrEStG, die weiterhin anwendbar sein werden, sollen für den neuen Tatbestand des § 1a GrEStG gelten. Sollte eine Steuerbefreiung auf persönliche Verhältnisse abstellen, dann ist das persönliche Verhältnis von Erwerber oder der Mitglieder der Erwerbergruppe zum Veräußerer oder ursprünglichen Eigentümer der Anteile maßgebend.
3.2 Änderungen der §§ 5, 6, 7 GrEStG ‒ Steuerbefreiung für Gesellschaften in § 5 GrEStG-E
Durch das MoPeG wird gesellschaftsrechtlich mit Wirkung zum 1.1.24 die gesamthänderische Vermögensbindung weitgehend abgeschafft. Da die in den §§ 5, 6 und 7 GrEStG bislang enthaltenen Steuerbefreiungen auf das Gesamthandsvermögen abstellen, gehen die Vorschriften laut BMF ab dem 1.1.24 ins Leere. Sie sind daher nach Verlautbarung in dem Diskussionsentwurf aufzuheben. An ihre Stelle sollen neue „Steuervergünstigungen für Gesellschaften“ nach § 5 GrEStG-E treten. Weitere Änderungen betreffen die Konzernklausel in § 6a GrEStG, die aufgehoben und in § 5 GrEStG-E integriert werden soll. Danach sollen folgende Grundsätze gelten:
Nach § 5 Abs. 1 GrEStG-E soll ein Erwerbsvorgang nach den §§ 1 oder 1a GrEStG-E von der Steuer ausgenommen werden, wenn sich der bestimmende Einfluss einer Person i. S. d. § 1a Abs. 2 S. 1 bis 9 GrEStG-E über ein Grundstück durch diesen Erwerbsvorgang nicht verändert.
Zudem sollen die bisherigen Regelungen der §§ 5, 6 GrEStG nach Anpassungen in die Abs. 2 und 3 überführt werden ‒ und dabei insbesondere auch für Kapitalgesellschaften gelten. Danach wäre Folgendes möglich:
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3.3 Befugnis für die Länder ‒ Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes
Die Länder sollen die Befugnis bekommen, für bestimmte Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 1 GrEStG einen ermäßigten Steuersatz zu bestimmen. Voraussetzung dafür soll sein, dass der Erwerber des Grundstücks, auf das sich der Rechtsvorgang bezieht, eine natürliche Person ist und das Grundstück nach dem Erwerb den eigenen Wohnzwecken des Erwerbers dienen soll. Ziel dieser Regelung ist es, den Ländern eine größere Flexibilität einzuräumen, um insbesondere den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu fördern und die Belastung mit Grunderwerbsteuer in diesem Zusammenhang minimieren zu können.
Es ist allerdings nur die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes möglich, verschiedene ermäßigte Steuersätze dürfen nicht eingeführt werden. Und dieser soll nur zur Anwendung kommen, wenn der Erwerber des Grundstücks eine natürliche Person ist. Weitere Voraussetzung ist, dass das Grundstück nach dem Erwerb eigenen Wohnzwecken dienen soll. Der Erwerber muss daher im Erwerbszeitpunkt eine Selbstnutzung des Grundstücks beabsichtigen. Die Nutzung durch Kinder oder andere nahestehende Personen soll der Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nicht entgegenstehen. Dabei soll auch eine geringfügige Nutzung für berufliche Zwecke (z. B. Homeoffice) unschädlich sein.
Beachten Sie | Weitere Voraussetzungen bezüglich der Selbstnutzung sollen die Länder selbst ‒ einheitlich für ihr Land ‒ regeln dürfen. So können die Länder beispielsweise den ermäßigten Steuersatz auf eine bestimmte Höhe der Bemessungsgrundlage beschränken. Dadurch können die Länder die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes an die länderspezifischen Gegebenheiten auf dem Immobilienmarkt anpassen. Bei einem ermäßigten Steuersatz von 0 % bis zu einer bestimmten Bemessungsgrundlage kann ein Land zudem die Wirkung eines Freibetrags erreichen. Zudem soll es den Ländern ermöglicht werden, die für die Voraussetzungen des ermäßigten Steuersatzes erforderlichen Nachweis- und Anzeigepflichten zu bestimmen (vgl. Diskussionsentwurf, S. 25).
3.4 Weitere Änderungen
In § 13a GrEStG-E soll eine persönliche Haftung der Grundstücksgesellschaft und eine dingliche Haftung des Grundstücks eingeführt werden. Zudem soll zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens die Frist zur Anzeige des anzeigepflichtigen Vorgangs von zwei Wochen auf einen Monat verlängert werden. Des Weiteren sollen die Anzeigen künftig elektronisch übermittelt werden (vgl. Diskussionsentwurf, S. 27).
3.5 Anwendungsregelungen und Übergangsregelungen
Nach dem Diskussionsentwurf sollen der neue Ergänzungstatbestand in § 1a Abs. 1 GrEStG-E sowie alle in diesem Zusammenhang angepassten und geänderten Vorschriften für Erwerbsvorgänge gelten, die nach dem 31.12.23 verwirklicht werden. Für Vorgänge vor dem 1.1.24 gelten die bisherigen Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG sowie die begleitenden Regelungen. Ebenso können die Länder von der Befugnis nach § 11 Abs. 2 GrEStG-E erst für Rechtsvorgänge Gebrauch machen, die nach dem 31.12.23 verwirklicht werden (vgl. § 25 Abs. 25 GrEStG-E).
Zudem soll klargestellt werden, dass allein durch den weitgehenden Wegfall des Gesamthandsvermögens durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.21 (BGBl I, 3436), die in § 5 Abs. 3 S. 1, § 6 Abs. 3 S. 2 und § 7 Abs. 3 S. 1 GrEStG in der bis zum 31.12.23 geltenden Fassung enthaltenen Nachbehaltensfristen nicht verletzt werden. Diese gelten weiter; sie werden verletzt, wenn sich der Anteil am Gesellschaftsvermögen innerhalb der Nachbehaltensfrist vermindert. Nach § 25 Abs. 28 GrEStG-E laufen die Nachbehaltensfristen für nach § 6a GrEStG in der bis zum 31.12.23 geltenden Fassung gewährte Vergünstigungen unverändert weiter.
FAZIT | Mit der Novellierung des Gesetzes würde der Gesetzgeber notwendige und wünschenswerte Änderungen bei der Grunderwerbsteuer herbeiführen. Ob die Änderungen im Hinblick auf die gesellschaftsrechtlichen Anpassungen des MoPeG wirklich zwingend sind, kann sicherlich hinterfragt werden. Eine weiterhin geltende Anwendbarkeit der §§ 5, 6 GrEStG wäre auch durch eine Wortlautauslegung möglich. Es ist aber ausdrücklich zu begrüßen, dass die Rechtsformunterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften abgeschafft werden sollen. Unter Berücksichtigung der jüngsten BFH-Rechtsprechung zur Frage der Zurechnung von Grundstücken und den Unsicherheiten in der Praxis bzgl. der Anzeigepflichten und dem Auseinanderfallen der Entstehungszeitpunkte bei den Ersatztatbeständen sind Reformen für die Handhabbarkeit der Grunderwerbsteuer in der Praxis unerlässlich. Ob der Gesetzgeber die sich selbst gesetzten Ziele bis zum 1.1.24 tatsächlich umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Es bleibt zu hoffen, dass jedenfalls eine gesetzliche Klarstellung bzgl. der Folgewirkungen des MoPeG kommt und klargestellt wird, dass es hier zu keinem Verstoß gegen die Behaltensfristen kommt, so wie es in den Anwendungsvorschriften des Entwurfs vorgesehen ist. |