· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaft
Kein Untergang des Verlustvortrags bei Einbringung eines gesamten Betriebs in eine GmbH & Co. KG
von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart
| Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigem, wenn zwischen der Entstehung eines gewerbesteuerlichen Verlustes und dessen „Verbrauch“ ein Wechsel unter den Anteilseignern stattfindet. In einer für den Steuerpflichtigen erfreulichen Entscheidung hat der BFH nun klargestellt, dass die Einbringung des gesamten Betriebs einer Kapitalgesellschaft nach § 24 UmwStG in eine GmbH & Co. KG nicht zu einem Untergang des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags führen muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Kapitalgesellschaft künftig auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung an der aufnehmenden Gesellschaft sowie das Halten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH beschränkt ( BFH 1.2.24, IV R 26/21 ). |
1. Sachverhalt
Die X-GmbH & Co. KG (X-KG) hat ihren Sitz in Deutschland. Alleinige Kommanditistin ist die im US-Bundesstaat Delaware gegründete und ansässige G-Limited Liability Company (G-LLC). Komplementärin ist die G-GmbH, die nicht am Gewinn und Verlust der X-KG beteiligt ist und deren Alleingesellschafterin ebenfalls die G-LLC ist. Unternehmensgegenstand der X-KG ist neben der Betätigung im Groß- und Einzelhandel u. a. das Halten und Verwalten sowie der Erwerb und Verkauf von Beteiligungen an Gesellschaften im In- und Ausland.
Im Zeitpunkt 10/01 brachte die G-LLC ihre in Deutschland belegene ‒ im Handelsregister eingetragene ‒ Betriebsstätte nach § 24 UmwStG in die X-KG ein. Zum Zeitpunkt der Einbringung hatte die Betriebsstätte einen vom FA festgestellten Verlustvortrag von ca. 1.481 TEUR.
Ausweislich des Vertrags übertrug die G-LLC dabei das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der Betriebsstätte einschließlich der immateriellen und nicht bilanzierten Vermögensgegenstände auf die X-KG, die zugleich in alle bestehenden Dauerschuld-, Arbeits- und sonstigen Vertragsverhältnisse eintrat.
Nach der Einbringung führte die X-KG den Betrieb der deutschen Betriebsstätte der G-LLC vollumfänglich fort. Die Betriebsstätte wurde im Handelsregister in 12/01 gelöscht. Neben der Mitunternehmerstellung als Kommanditistin der X-KG sowie dem Halten der Anteile an der G-GmbH (Komplementärin) entfaltete die G-LLC keine weiteren gewerblichen Aktivitäten mehr in Deutschland.
Nach Ansicht des FA kann der bei der Betriebsstätte festgestellte Gewerbeverlust nach der Einbringung nicht von der X-KG fortgeführt werden. Sowohl das FG wie auch der BFH sind allerdings anderer Ansicht.
2. Entscheidung
Die G-LLC entspricht nach Maßgabe des sogenannten Typenvergleichs einer deutschen Kapitalgesellschaft. Die in ihrer deutschen Betriebsstätte festgestellten Verluste können nach der Einbringung der Betriebsstätte in die X-KG von dieser verrechnet werden, da sowohl die Unternehmensidentität gewahrt ist als auch die erforderliche Unternehmeridentität besteht.
2.1 Allgemeines zu Unternehmensidentität und Unternehmeridentität
Der Begriff der Unternehmensidentität besagt, dass der im Kürzungsjahr (das Jahr, in dem die Verluste mit Gewinnen verrechnet werden sollen) bestehende Gewerbebetrieb identisch sein muss mit dem Gewerbe des Verlustentstehungsjahres. Dies ergibt sich aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer, der es im Gewerbesteuerrecht nicht zulässt, dass Verluste des einen Gewerbebetriebs i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG bei einem anderen Gewerbebetrieb berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Unternehmensidentität ist
- bei einer Personengesellschaft darauf abzustellen, ob die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung die gleiche geblieben ist. Dies muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale, wie insbesondere der Art der Betätigung, des Kunden- und Lieferantenkreises, der Arbeitnehmerschaft, der Geschäftsleitung, der Betriebsstätten sowie der Zusammensetzung des Aktivvermögens beurteilt werden;
- bei einer Kapitalgesellschaft, die eine betriebliche Einheit auf einen anderen Rechtsträger überträgt, stellt sich das Problem der Unternehmensidentität hingegen nicht, weil deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt.
Als weitere Voraussetzung für einen Verlustabzug nach § 10a GewStG muss hinzukommen, dass der Gewerbetreibende den Verlust in eigener Person erlitten hat (Unternehmeridentität). Bei einem Unternehmerwechsel entfällt der Verlustabzug. Hier gilt das Folgende:
- Bei Personengesellschaften hängt die Unternehmeridentität von der Identität der Gesellschafter ab.
- Bei einer Kapitalgesellschaft ist die Unternehmeridentität hingegen bereits gewahrt, wenn sie trotz eines Umwandlungsvorgangs ihre rechtliche Identität bewahrt hat.
2.2 Beide Kriterien sind im Streitfall zu bejahen
Übertragen auf den hier geschilderten Streitfall bedeutet das für die beiden angesprochenen Kriterien der Unternehmens- und der Unternehmeridentität Folgendes:
2.2.1 Unternehmensidentität
Da es sich bei der X-KG als Klägerin um eine Personengesellschaft handelt, ist das Merkmal der Unternehmensidentität nach den für Personengesellschaften geltenden (allgemeinen) Rechtsgrundsätzen zu beurteilen. Entscheidend ist also, ob die tatsächlich ausgeübte Betätigung nach ihrem Gesamtbild unverändert geblieben ist, was im Streitfall (Übernahme des gesamten Aktiv- und Passivvermögens, Eintritt in sämtliche Vertragsverhältnisse zu Kunden, Lieferanten etc.) der Fall war.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Verlust ursprünglich in der Person einer (fortbestehenden) Kapitalgesellschaft entstanden ist, für die § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG gilt. Denn wenn eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb auf eine Personengesellschaft überträgt, unterhält sie nach der Einbringung gewerbesteuerlich keinen (identischen) Gewerbebetrieb i. S. d. Merkmals der Unternehmensidentität mehr. Die bloße zivilrechtliche Existenz reicht dafür nicht aus. Im Fall einer solchen Totalausgliederung tritt die Gewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG hinter die tatsächliche identitätswahrende Fortführung des Unternehmens durch die Mitunternehmerschaft zurück. Die X-KG führt damit hier das „gleiche“ Unternehmen identitätswahrend fort. Entsprechend steht ihr auch der Abzug des Gewerbeverlustes zu.
Nur dadurch wird der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer gewahrt, auf dem auch das Merkmal der Unternehmensidentität gründet. Dieser gebietet es, auf die tatsächliche Fortführung der gewerblichen Betätigung abzustellen, nicht auf eine rechtstechnische Fiktion. Nur in dem fortgeführten Unternehmen spiegelt sich die objektivierte Ertragskraft des Gewerbebetriebs wider und nicht in der von Gesetzes wegen als gewerblich geltenden „Kapitalgesellschaftshülle“. Dort würde der Fehlbetrag ‒ vom operativen Betrieb getrennt ‒ „in der Luft hängen“ (Weiss, StuB 17, 859) und damit regelmäßig leerlaufen (Wendt, FR 19, 663).
2.2.2 Unternehmeridentität
Schließlich hat das FG auch die erforderliche Unternehmeridentität im Streitfall laut BFH zu Recht bejaht. Unternehmeridentität besteht, soweit die G, die den Gewerbeverlust in eigener Person erlitten hat, an der X-KG beteiligt ist. Die G ist alleinige Kommanditistin der X-KG und zu 100 % an deren Vermögen beteiligt. Der Gewerbeertrag der X-KG kann daher vollständig mit dem festgestellten Gewerbeverlust der G verrechnet werden.
3. Relevanz für die Praxis
Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sich durch die oben dargestellte Entscheidung auf die Fortführung des Gewerbeverlustes in anderen Fällen ergeben. Insbesondere bei einem Gesellschafterwechsel in einer Personengesellschaft ist aber wohl nach wie vor die Unternehmeridentität zwischen dem Verlustentstehungs- und dem Verlustnutzungsjahr nicht mehr gegeben. Entsprechend ist eine Nutzung des GewSt-Verlustvortrags für die Verrechnung mit künftigen Gewerbeerträgen insoweit nicht mehr möglich. Der anteilig auf den ausscheidenden Mitunternehmer entfallende GewSt-Verlustvortrag geht somit verloren, wenn z. B. der Mitunternehmer seinen gesamten Mitunternehmeranteil verkauft, verschenkt oder vererbt.
Ebenso wenig wie ein ESt-Verlustvortrag nach § 10d EStG auf den Erben oder Beschenkten übergeht, gilt dies auch für den Anteil des Schenkers oder Erblassers am GewSt-Verlustvortrag einer Personengesellschaft (insoweit keine Fußstapfentheorie). Mangels Mitunternehmeridentität ist aber auch bei neu eintretenden Gesellschaftern eine Verrechnung des auf diese anteilig ‒ nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel ‒ entfallenden Gewerbeertrags mit dem aus zurückliegenden Jahren stammenden GewSt-Verlustvortrag nicht zulässig.
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An der AB-OHG sind im VZ 01 die Mitunternehmer A und B zu je 50 % beteiligt. Die AB-OHG hat in VZ 01 einen steuerlichen Gewerbeverlust i. H. v. 1 Mio. EUR erlitten, der den Mitunternehmern je hälftig für Zwecke des § 10a GewStG zuzurechnen ist (Hinzurechnungen und Kürzungen nach §§ 8 und 9 GewStG sollen nicht vorliegen). Allerdings erfolgt im Rahmen der gesonderten Feststellung der Höhe des vortragsfähigen Gewerbeverlusts die gesonderte Feststellung des GewSt-Verlustvortrags gleichwohl gesellschaftsbezogen; d. h., der Anteil der einzelnen Mitunternehmer am vortragsfähigen Gewerbeverlust ist nicht Gegenstand der gesonderten Feststellung.
B verkauft nun zum 1.1.02 seinen Mitunternehmer-Anteil an C. Die AC-OHG erzielt im VZ 02 einen Gewerbeertrag (vor GewSt-Freibetrag i. S. v. § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG) von insgesamt 1 Mio. EUR. Die Folgen für den Verlustvortrag aus 01 sind nun:
Entsprechend geht der in dem festgestellten Verlustvortrag für B anteilig enthaltene Betrag von 500.000 EUR unter. A kann die auf ihn entfallenden 500.000 EUR mit künftig auf ihn entfallenden Gewinnen verrechnen. Soweit künftig Gewinne auf C entfallen, sind diese ‒ mangels Verrechnung mit dem GewSt-Verlustvortrag des B ‒ bei der OHG der GewSt zu unterwerfen. |