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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung einer Anwartschaft auf den Bezug von GmbH-Anteilen

    von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart

    | Im Konzernverbund ergibt sich immer wieder die Frage, ob eine Änderung der Beteiligungshöhe ein nicht beabsichtigtes steuerliches Ergebnis ‒ wie z. B. einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG ‒ zur Folge hat. Der BFH hat in diesem Zusammenhang nunmehr klargestellt, dass eine Anwartschaft auf den Bezug von GmbH-Anteilen zwar erst dann entsteht, wenn das Bezugsrecht selbstständig übertragbar ist (BFH 14.9.22, I R 47/19; Abruf-Nr. 233308 ). Wird ein solches Anwartschaftsrecht dann allerdings tatsächlich übertragen, entsteht ein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG. |

     

    Sachverhalt (vereinfacht)

    Eine Stiftung liechtensteinischen Rechts (L-Stiftung) ist unter anderem

    • alleinige Anteilseignerin der ebenfalls in Liechtenstein ansässigen Anstalt
    • und alleinige Anteilseignerin einer luxemburgischen S.A.R.L

     

    Die L-Anstalt und eine ebenfalls in Liechtenstein ansässige L-AG halten je die Hälfte der Anteile an der in Deutschland ansässigen A-GmbH, die wiederum alleinige Anteilseignerin der ebenfalls in Deutschland ansässigen B-GmbH ist.

     

     

    Im Jahr 01 schlossen die L-Anstalt und die L-AG eine „Kapitalerhöhungs- und Optionsvereinbarung“, der zufolge beabsichtigt war, bei der A-GmbH eine Erhöhung des Stammkapitals vorzunehmen. Die durch die Kapitalerhöhung entstehende neue Stammeinlage sollte gegen Zahlung eines marktüblichen Betrages von der noch zu gründenden C-GmbH (Anteilseignerin: die S.A.R.L.) übernommen werden. Zudem gewährten die L-Anstalt und die L-AG der S.A.R.L. ein auf die zu gründende C-GmbH übertragbares Optionsrecht, von der L-Anstalt und der L-AG weitere Gesellschaftsanteile an der A-GmbH zu erwerben. Das Optionsrecht konnte nach der Vereinbarung durch die S.A.R.L. oder durch die zu gründende C-GmbH längstens bis zum Jahresende 05 ausgeübt werden. Nach der Ausübung des Optionsrechtes sollten die zu gründende C-GmbH über 92,5 % sowie die L-Anstalt und die AG über jeweils 3,75 % der Anteile an der A-GmbH verfügen.

     

    Im Jahr 03 fasste die Gesellschafterversammlung der A-GmbH einen weiteren Gesellschafterbeschluss, nach dessen Inhalt das Stammkapital der A- GmbH ein weiteres Mal erhöht werden sollte. Zur Übernahme des neuen Geschäftsanteils war ‒ unter Ausschluss der bisherigen Gesellschafter L-Anstalt und L-AG ‒ nur die C-GmbH zugelassen. Durch die Kapitalerhöhung verringerten sich die Anteile der L-Anstalt und der L-AG an der A-GmbH jeweils von 20 % auf 12,5 %. Dementsprechend erhöhte sich die Beteiligung der C-GmbH an der A- GmbH von 60 % auf 75 % der Anteile. Zu einer Übertragung weiterer Anteile kam es in der Folgezeit nicht mehr.

     

    Das FA vertritt die Ansicht, dass durch die zweite Kapitalerhöhung zugunsten der L-Anstalt ein Anwartschaftsrecht/Bezugsrecht zum Bezug auf einen Teil des neuen Geschäftsanteils an der A-GmbH entstanden sei, denn diese habe aus der ersten Kapitalerhöhung ein Anwartschaftsrecht auf weitere Gesellschaftsanteile an der A-GmbH besessen. Dieses Recht habe die L-Anstalt der C-GmbH dadurch zugewendet, dass sie im Rahmen der Gesellschafterversammlung ihre Zustimmung zur Ausschließung der bisher mit 20 % beteiligten Gesellschafter (L-Anstalt und L-AG) von der Übernahme der neuen Anteile erklärt habe.

     

    Rechtlich sei dieser Vorgang so zu behandeln, als habe die L-Anstalt ihr Anwartschaftsrecht auf den Bezug weiterer Anteile der L-Stiftung zugewendet und diese die Rechtsposition über die S.A.R.L. in die C-GmbH eingelegt. Da der gemeine Wert des von der C-GmbH übernommenen Geschäftsanteils erheblich höher gewesen sei als das von der C-GmbH für die Übernahme des neuen Geschäftsanteils tatsächlich entrichtete Entgelt, sei bei der C-GmbH eine Vermögensmehrung eingetreten. Spiegelbildlich liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) der L-Anstalt an die L-Stiftung in Form der verhinderten Vermögensmehrung vor, denn es sei davon auszugehen, dass diese in der Lage gewesen wäre, für das von ihr zugunsten der C-GmbH aufgegebene Anwartschaftsrecht/Bezugsrecht ein Entgelt zu erzielen. Die L-Stiftung habe durch die Einlage des Anwartschaftsrechtes/Bezugsrechtes in die C-GmbH deshalb einen Veräußerungsgewinn nach § 17 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG erzielt. Der BFH gab dem FA im Ergebnis Recht.

     

    Rechtliche Würdigung

    Bei der L-Stiftung handelt es sich um ein rechtlich und wirtschaftlich verselbständigtes Zweckvermögen, das von seinem Typ her mit einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt i. S. v. § 1 KStG vergleichbar ist. Die L-Stiftung hat durch den Verzicht auf die Teilnahme an der 2. Kapitalerhöhung bei der A-GmbH auch inländische Einkünfte i. S. d. § 2 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG erzielt. Inländische Einkünfte sind nämlich unter anderem auch solche, die unter den Voraussetzungen des § 17 EStG erwirtschaftet werden, wenn es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft handelt, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in Deutschland hat. Dies ist bei der A-GmbH der Fall.

     

    Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre unmittelbar oder mittelbar wesentlich beteiligt war (§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG). Dabei steht die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft der Veräußerung von Anteilen gleich.

     

    Zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gehören neben den Anteilen auch Anwartschaften auf solche Beteiligungen. Dies umfasst auch aufgrund einer Kapitalerhöhung entstehende Bezugsrechte ‒ zumindest dann, wenn diese durch den Kapitalerhöhungsbeschluss konkretisiert und im Handelsregister eingetragen werden. Entsprechend umfasst der Verzicht der L-Anstalt auf die Teilnahme an der zweiten Kapitalerhöhung der A-GmbH die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG. 24 aa).

     

    Relevanz für die Praxis

    Bei dem oben beschriebenen ‒ nur verkürzt wiedergegebenen ‒ Sachverhalt handelt es sich sicherlich um einen Einzelfall. Die Schwierigkeit des Urteils liegt sicher auch weniger in der rechtlichen Würdigung als im komplizierten Sachverhalt, der sich zumindest teilweise im Ausland abgespielt hat. Und hier hat der Steuerpflichtige den Nachteil, dass nach § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht besteht.

     

    Nach dem Wortlaut des § 90 Abs. 2 AO müssen die Betroffenen einen solchen Sachverhalt „aufklären und die erforderlichen Beweismittel beschaffen“. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Sie können sich nicht darauf berufen, dass ein Sachverhalt nicht aufzuklären ist oder Beweismittel nicht beschafft werden können, wenn eine entsprechende Möglichkeit bestanden hätte. Der BFH sieht hier eine Beweislastumkehr, welche die Führung eines Prozesses für den Steuerbürger erheblich erschwert.

     

    Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Sachverhalt teilweise unübersichtlich ist und viele Gesellschaften mit möglicherweise unterschiedlichem Beraterstab und auch unterschiedlicher Interessenlage beteiligt sind. Um in solchen Fällen aus Beratersicht Schadenersatzforderungen zu vermeiden, sollte bei ähnlich komplizierten Fällen schon im Vorfeld auf eine verbindliche Aussage des FA gedrängt werden, auch wenn dafür zum Teil erhebliche Gebühren anfallen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2023 | Seite 202 | ID 49238654

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