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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Darlehensverzicht eines Gesellschafters seit Geltung der Abgeltungsteuer ‒ der BFH bleibt sich treu!

    von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart

    | Verzichtet ein Gesellschafter auf die Rückzahlung eines Darlehens, das er seiner GmbH gegeben hat, entsteht für ihn nur dann ein steuerlich zu berücksichtigender Aufwand, wenn er für die Anschaffung des Darlehens Aufwendungen getragen hat, die ihn in seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit gemindert haben. Mit seiner Entscheidung vom 6.8.19 (VIII R 18/16, Abruf-Nr.  212248 ) hat der BFH die Entscheidung des Großen Senats vom 9.6.97 (GrS 1/94, BStBl II 98, 307) für die Zeit nach Einführung der Abgeltungsteuer insoweit fortentwickelt. |

     

    Sachverhalt

    Der klagende Ehemann war im Streitjahr 2010 zu rd. 48 % an der X-GmbH beteiligt. Die übrigen Anteile hielten der C und eine Beteiligungsgesellschaft. Bis zum 31.12.09 war die Beteiligungsgesellschaft zusätzlich noch als typisch stille Gesellschafterin der X-GmbH beteiligt. Bei Beendigung der stillen Beteiligung zum 31.12.09 war die GmbH nicht in der Lage, die geleistete stille Einlage zurückzuzahlen. Der Kläger und C erwarben die Forderung von der Beteiligungsgesellschaft, die einen Nennwert von 801.000 EUR hatte, zum Kaufpreis von 364.000 EUR. Zeitgleich schloss der Kläger einen Darlehensvertrag mit der GmbH über 801.000 EUR mit marktüblicher Verzinsung. Der Zinsanspruch sollte allerdings erst dann entstehen, wenn die GmbH erstmals keinen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag mehr ausweist. Gleichzeitig verzichtete der Kläger auf einen Teilbetrag des Darlehens i. H. v. 275.000 EUR.

     

     

    In seiner Steuererklärung machte der Kläger einen Verlust in Höhe des Verzichtsbetrages (43,5 % von 275.000 EUR = 119.625 EUR) geltend, da er das Darlehen teilentgeltlich erworben habe (801.000 EUR für 364.000 EUR = 43,5 %). Im Ergebnis versagte der BFH jedoch die steuerliche Berücksichtigung des Verlustes.

     

    Entscheidungsgründe

    Zwar stand dem Kläger gegen die X-GmbH eine Darlehensforderung im Nennbetrag von 801.000 EUR und damit eine Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zu. Verzichtet der Inhaber auf eine solche Kapitalforderung, kann dies unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Dies ist jedoch hier nicht der Fall.

     

    Der Verzicht eines Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft führt nach der o. g. Entscheidung des Großen Senats aber nur dann zu einem komplett einlagefähigen Vermögensvorteil, wenn die erlassene Forderung vollwertig ist. Ist die Forderung nicht oder nur teilweise werthaltig, so beschränkt sich die Einlage auf den werthaltigen Teil. In Höhe des nicht werthaltigen Teils liegt ein Forderungsausfall vor, der ‒ anders als nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Großen Senats des BFH im Jahr 1997 ‒ nach Einführung der Abgeltungsteuer gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 EStG steuerlich zu berücksichtigen ist.

     

    Im vorliegenden Fall führt der teilweise Verzicht des Klägers auf seine entgeltlich erworbene Forderung nicht zu einer Einlage i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG. Der Kläger hat im Streitjahr eine Forderung gegen die Gesellschaft im Nennwert von 801.000 EUR für 364.000 EUR erworben. Kurze Zeit später hat er auf einen Teilbetrag von 275.000 EUR verzichtet. Der Kläger hat demnach nicht auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichtet. Hierfür wäre erforderlich gewesen, dass er auf einen Nennbetrag der Forderung verzichtet, der den nicht werthaltigen Teil der Forderung i. H. v. rund 437.000 EUR (801.000 EUR ./. 364.000 EUR) übersteigt. Mit dem Teilverzicht von 275.000 EUR hat der Kläger somit lediglich auf Teile des nicht werthaltigen Teils der Forderung verzichtet.

     

    Der Kläger hat hierfür keine Aufwendungen getragen. Er hat die Gesamtforderung von 801.000 EUR für rd. 364.000 EUR erworben; und diese vom Kläger getragenen Anschaffungskosten sind dem werthaltigen Teil der Forderung zuzuordnen. Somit entfallen keine abziehbaren Anschaffungskosten auf den Forderungsausfall. Vielmehr bezog sich der Verzicht des Klägers i. H. v. 275.000 EUR nur auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung. Seine Leistungsfähigkeit wurde durch den Verzicht folglich nicht gemindert, sodass kein steuerlich zu berücksichtigender Verlust vorliegt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der Kläger hatte mit seinem Begehren hier zwar keinen Erfolg. Dies liegt aber nur daran, dass er für seine Anschaffungskosten von rd. 364.000 EUR einen Gegenwert, nämlich eine Einlage im Einlagekonto der GmbH erhalten hat. Für den Verzichtsbetrag von 275.000 EUR hat der Kläger nichts aufgewendet und entsprechend auch keinen Verlust erlitten.

     

    Das Urteil kann jedoch gleichwohl als Sieg für die Steuerpflichtigen gewertet werden. Denn für den Normalfall, dass ein Gesellschafter seiner GmbH ein Darlehen aus seinem Vermögen gegeben hat und dadurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entsprechend dem Nennbetrag des hingegebenen Darlehens gemindert wurde, eröffnet das Urteil die steuerliche Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG, wenn die GmbH das Darlehen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht mehr zurückzahlen kann.

     

    PRAXISTIPP | Der Verzicht eines Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die GmbH steht nämlich einer Abtretung an die GmbH gleich und führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall. Da insoweit keine Einlage, d. h. kein Gegenwert, vorliegt, ist der Gesellschafter in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemindert worden. Entsprechend ist der Verlust im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG steuerlich zu berücksichtigen.

     

    Beachten Sie | Mit seinem Urteil setzt der BFH seine Rechtsprechung fort, nach der seit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich sämtliche Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind. Dies gilt gleichermaßen für Gewinne und Verluste.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 126 | ID 46302220