· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
Gesellschafterdarlehen gehen bei Verschmelzung auf eigenes Einzelunternehmen zum Buchwert über
von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart
| Wird eine GmbH auf das Einzelunternehmen ihres Gesellschafters verschmolzen, gehen eventuelle Gesellschafterdarlehen ebenfalls in das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens über. Doch mit welchem Wert werden diese Forderungen eingelegt, wenn die GmbH notleidend war und diese daher nicht mehr hätte bedienen können? Erfreulicherweise hat der BFH jetzt klargestellt, dass die Forderungen mit ihrem Nennwert übergehen und somit kein Übernahmegewinn entsteht (BFH 9.4.19, X R 23/16, Abruf-Nr. 209991 ). |
1. Sachverhalt
Der Kläger war Alleingesellschafter der X-GmbH. Er hatte dieser in der Vergangenheit drei Darlehen gewährt. Hierzu hatte er im eigenen Namen Kredite aufgenommen und die Darlehen an die GmbH weitergereicht. Die Zinsen aus den Darlehen und dem Verrechnungskonto erklärte der Kläger einkommensteuerlich als Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Als die GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten kam, gab der Kläger gegenüber der GmbH hinsichtlich der drei Darlehensforderungen Rangrücktrittserklärungen ab. Die von dem Rangrücktritt umfassten Forderungen waren danach nur nach Beseitigung der Überschuldung und nur aus künftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen der Gesellschaft zu bedienen. In der Bilanz der GmbH zum 31.12.07 summierten sich die Verbindlichkeiten aus den drei Darlehen auf insgesamt 124.976,50 EUR. Außerdem wies die Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 144.835,12 EUR aus.
Im Juni 2008 übertrug die GmbH ihr Vermögen mit allen Rechten und Pflichten im Wege der Verschmelzung auf das Einzelunternehmen des Klägers. Die Verschmelzung wurde im August 2008 in das Handelsregister eingetragen. Als Verschmelzungsstichtag wurde der 1.1.08 festgelegt.
Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das FA die Ansicht, in Höhe der Darlehnsforderungen sei ein Übernahmefolgegewinn nach § 6 UmwStG entstanden. Die Forderungen hätten bis zum 31.12.07 zum Privatvermögen des Klägers gehört. Da ihr Teilwert wegen der Überschuldung der GmbH 0 EUR betragen habe, habe der Buchgewinn aus dem Wegfall des Passivpostens (Darlehensverbindlichkeit der GmbH) nicht durch den Wegfall eines entsprechenden Aktivpostens (Forderung Einzelunternehmen gegen die GmbH) neutralisiert werden können. Der BFH war allerdings anderer Ansicht.
2. Entscheidungsgründe
Die Vereinigung der Forderungen des Klägers gegen die GmbH mit den korrespondierenden Verbindlichkeiten der GmbH hat im Streitfall nicht zur Entstehung eines Übernahmefolgegewinns geführt. Im Rahmen der Ermittlung des Übernahmegewinns/-verlusts gelten die Anteile an der übertragenden Körperschaft, die im Privatvermögen gehalten werden, als mit den Anschaffungskosten in das Betriebsvermögen des übernehmenden Einzelunternehmens eingelegt. Gehörte nicht nur die Beteiligung, sondern auch eine Darlehensforderung des Gesellschafters gegen die übertragende Körperschaft zu seinem Privatvermögen, gilt auch diese als in das Betriebsvermögen des übernehmenden Einzelunternehmens eingelegt.
Im Falle der Wertminderung einer solchen Darlehensforderung ist ihre Einlage nach den allgemeinen Grundsätzen mit den Anschaffungskosten zu bewerten, wenn es sich um ein aus gesellschaftsrechtlichen Gründen gewährtes Darlehen handelt (nachträgliche Anschaffungskosten).
MERKE | Die vom Kläger „seiner“ GmbH gewährten Darlehen sind als aus gesellschaftsrechtlichen Gründen gewährte Krisendarlehen anzusehen. Denn die Rückzahlung war angesichts der finanziellen Situation der GmbH in einem Maße gefährdet, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre. Für die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten ist dabei der Nennwert des Darlehens maßgeblich. |
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Der Kläger hat die Darlehen im eigenen Namen bei einer Bank aufgenommen und an die GmbH weitergereicht, weil eine Bank wegen der Überschuldung der GmbH und fehlenden Sicherheiten ein unmittelbares Darlehen an die GmbH nicht mehr gewährt hätte. Entsprechend sind die Forderungen des Klägers auf Rückzahlung des Darlehens und die korrespondierenden Verbindlichkeiten der GmbH im Rahmen der Übernahme mit denselben Beträgen ‒ jeweils den Nennwerten ‒ zu bewerten. Ein Übernahmefolgegewinn ergibt sich deshalb nicht.
3. Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung erging zum Streitjahr 2008. Zwischenzeitlich sind jedoch für die hier vorliegende Problematik die neue Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2017 und für die Zukunft das JStG 2019 zu beachten. Es ist zeitlich wie folgt zu unterscheiden:
- Hingabe des Gesellschafterdarlehens vor dem 28.9.17: bis zur Veröffentlichung der neuen BFH Rechtsprechung im Internet
- Hingabe des Darlehens zwischen dem 28.9.17 und dem 31.7.19 (voraussichtlich): Zwischen Veröffentlichung der neuen Rechtsprechung und dem voraussichtlichen In-Kraft-Treten des § 17 Abs. 2a EStG, hier wird die neue BFH-Rechtsprechung angewendet (BMF 5.4.19, BStBl I 19, 257)
- Hingabe des Darlehens nach dem 31.7.19: Voraussichtliche Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG (Entwurf JStG 2019); auf Antrag auch frühere Anwendung gem. § 52 Abs. 25a EStG-E.
3.1 Hingabe des Gesellschafterdarlehens vor dem 28.9.17 (obiger Streitfall)
Auch im zeitlichen Anwendungsbereich des MoMiG wendet die Finanzverwaltung die hierzu in der Vergangenheit entwickelten Fallgruppen trotz Wegfall des Eigenkapitalersatzrechts ‒ leicht modifiziert ‒ weiter an (vgl. BMF 21.10.10, BStBl I 10, 832). Es gilt daher:
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Fallgruppe | Sachverhalt | Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten |
A | Hingabe des Darlehens in der Krise (Krisendarlehen) | Nennwert |
B | Finanzplandarlehen | Nennwert |
C | Krisenbestimmtes Darlehen |
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D | Stehen gelassenes Darlehen |
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Sanierungsprivileg (Kauf der Anteile nach Darlehenshingabe) |
Nennwert |
3.2 Hingabe des Gesellschafterdarlehens nach dem 28.9.17
Nach Auffassung des BFH ist durch die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG die Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten für Zwecke des § 17 EStG weggefallen.
Mit BMF-Schreiben vom 5.4.19 (BStBl I S. 257) hat sich die Verwaltung vollumfänglich der Auffassung des BFH angeschlossen. Das BMF-Schreiben vom 21.10.10 (s. o.) ist aus Vertrauensschutzgründen allerdings weiterhin in allen offenen Fällen anzuwenden, bei denen auf die Behandlung des Darlehens / der Bürgschaft die Vorschriften des MoMiG anzuwenden sind. Voraussetzung ist, dass die bisher als eigenkapitalersetzend angesehene Finanzierungshilfe bis einschließlich 27.9.17 gewährt wurde oder die Finanzierungshilfe bis einschließlich 27.9.17 eigenkapitalersetzend geworden ist.
Bei Darlehensgewährung nach dem 27.9.17 (bis zum möglichen In-Kraft-Treten des JStG 2019, s. u.) ist somit nach den Grundsätzen der oben genannten BFH-Entscheidungen § 255 HGB für die Bestimmung der Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2 EStG maßgeblich:
MERKE | Nachträgliche Anschaffungskosten stellen damit nur noch solche Aufwendungen dar, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Hierzu zählen insbesondere Einzahlungen in die Kapitalrücklage, Barzuschüsse oder der Verzicht auf eine werthaltige Forderung. Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen ‒ wie der Ausfall eines (wertlosen) Darlehens oder der Ausfall mit einer Bürgschaftsregressforderung ‒ führen hingegen grundsätzlich nicht mehr zu Anschaffungskosten der Beteiligung. |
Etwas anderes gilt nur, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies kann der Fall sein bei einem Gesellschafterdarlehen, dessen Rückzahlung auf Grundlage der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen, wie beispielsweise der Vereinbarung eines Rangrücktritts i. S. d. § 5 Abs. 2a EStG, im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die Rückzahlung von Eigenkapital. Im Streitfall hat der Kläger zwar einen Rangrücktritt erklärt, diese Erklärung erfolgte jedoch zu einem Zeitpunkt, als die Rückzahlung des Darlehens schon gefährdet war. Er kann damit nicht mehr akzeptiert werden.
Gesellschafterdarlehen, die nach dem 27.9.17 der GmbH gewährt wurden, können daher nur noch dann als nachträgliche Anschaffungskosten anerkannt werden, wenn es sich um
- Nachschüsse gemäß §§ 26 ff. GmbHG,
- sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB,
- Barzuschüsse oder einen
- Verzicht auf eine noch werthaltige Forderung handelt.
3.3 Mögliche Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG (Entwurf JStG 2019)
Im zwischenzeitlich in 3. Lesung beschlossenen JStG 2019 ist in § 17 Abs. 2a EStG die folgende Neuregelung enthalten:
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Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um die Anteile i. S. d. Absatzes 1 zu erwerben. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. Satzes 2 gehören insbesondere
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Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel i. S. d. Nummern 2 oder 3 bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte.
Leistet der Steuerpflichtige über den Nennbetrag seiner Anteile hinaus Einzahlungen in das Kapital der Gesellschaft, sind die Einzahlungen bei der Ermittlung der Anschaffungskosten gleichmäßig auf seine gesamten Anteile einschließlich seiner im Rahmen von Kapitalerhöhungen erhaltenen neuen Anteile aufzuteilen. |
Damit stellt der Gesetzgeber sicher, dass auch Darlehensverluste künftig wieder als nachträgliche Anschaffungskosten steuerliche Berücksichtigung erfahren können (zu 60 %). Hiermit wird sichergestellt, dass solche Darlehensverluste ‒ abweichend von den BFH-Urteilen vom 11.7.17 (IX R 36/15, BStBl II 19, 208) und vom 20.7.18 (IX R 5/15, BStBl II 19, 194) ‒ auch dann gewinnmindernd zu berücksichtigen sind, wenn das Darlehen nach den Grundsätzen des MoMiG zu behandeln ist.
Voraussetzung für die Berücksichtigung von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten ist die gesellschaftsrechtliche Veranlassung. Hierzu definiert § 17 Abs. 2a S. 4 EStG, dass eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung gegeben ist, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel i. S. v. Nr. 2 oder 3 bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist somit insbesondere dann gegeben, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein wird (siehe ausführlich Ott, GStB 19, 330).
Inkrafttreten: Der neue § 17 Abs. 2a EStG ist grundsätzlich auf Veräußerungen oder der der Veräußerung gleichgestellten Fälle ab dem Tag des Kabinettbeschlusses anzuwenden. Damit ist sichergestellt, dass die gesetzliche Definition der Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2 EStG ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt Anwendung findet. Auf Antrag kann die Regelung aber auch für Veräußerungen vor dem Stichtag in Anspruch genommen werden. Damit wird sichergestellt, dass der Steuerpflichtige Darlehensverluste weiterhin unbeschränkt nach § 17 EStG gewinnmindernd berücksichtigen kann und diese bei Beteiligungen unter 10 % nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen in einem gesonderten Verlustverrechnungskreis eingesperrt werden.
FAZIT | Entscheidend ist immer der Zeitpunkt der Hingabe des Darlehens. Ggf. sollte überlegt werden, nach dem 27.9.17 gewährte Darlehen zurückzuzahlen und der GmbH nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung erneut zu gewähren. Dies sollte aus Sicherheitsgründen nicht nur auf dem Papier erfolgen, sondern es sollte tatsächlich Geld fließen (Zahlung der GmbH auf das Privatkonto des Gesellschafters und ‒ einige Tage später ‒ Überweisung vom Privatkonto des Gesellschafters auf das Konto der GmbH). Um ganz sicherzugehen, könnte das neue Darlehen auch auf einen anderen Nennbetrag lauten, sodass keinerlei Zusammenhang zwischen altem und neuem Darlehen hergestellt werden kann. |