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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Nutzung von Verlusten aus einer notwendigen GmbH-Beteiligung bei § 4 Abs. 3 EStG

    von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart

    | Nach verbreiteter Ansicht besteht zwischen bilanzierenden Gewerbetreibenden und solchen, die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermitteln, im steuerlichen Ergebnis kein Unterschied. Dies ist zwar grds. richtig, allerdings kann es bei der Frage, in welchem Jahr Gewinne oder Verluste anfallen, erhebliche Unterschiede geben. Dies gilt insbesondere für Verluste aus einer im Betriebsvermögen (BV) gehaltenen GmbH-Beteiligung. Wenn hier geschlafen wird und ein Verlust nicht rechtzeitig vor Eintritt der Bestandskraft geltend gemacht wird, ist dieser steuerlich verloren. Dies musste jetzt ein Steuerpflichtiger erkennen, dessen Verfahren zwischenzeitlich zwischen FG und BFH hin- und herpendelt (BFH 31.1.24, X R 11/22; Abruf-Nr. 243498 ). |

    1. Sachverhalt (vereinfacht)

    X war zu 50 % an der X-GmbH beteiligt. Daneben erbrachte er im Rahmen eines gewerblichen Einzelunternehmens Beratungsleistungen u. a. für die X-GmbH und vermietete dieser auch verschiedene Wirtschaftsgüter. In den Jahren 2003 bis 2006 erzielte X zwischen 43 % und 81 % seiner Umsätze mit der X-GmbH. Seinen persönlichen steuerlichen Pflichten kam X wie folgt nach:

     

    • Bis 2005 ermittelte er den Gewinn seines Einzelunternehmens durch eine Bilanz, in welcher die Beteiligung an der X-GmbH mit rd. 79.000 EUR angesetzt wurde. Eine BP behandelte die bis zu diesem Zeitpunkt gewährten Darlehen an die X-GmbH als verdeckte Einlagen.

     

    • Für die Jahre 2006 bis 2011 wurden lediglich unvollständige Gewinn- und Verlustrechnungen beim Finanzamt eingereicht. Daher wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in diesen Jahren geschätzt.

     

    • Für die Jahre 2012 und 2013 reichte X für seine gewerblichen Einkünfte eine Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ein.

     

    Die X-GmbH hat ihren Geschäftsbetrieb im Jahr 2007 eingestellt und im Jahr 2008 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, welches im Ergebnis zugunsten der Gläubiger zu einer Quote von unter 1 % führte. Der Insolvenzverwalter hat berichtet, dass die X-GmbH bereits ab 2000 überschuldet gewesen war. Die endgültige Liquidation der X-GmbH wurde vom Insolvenzverwalter im Jahr 2013 bei Gericht beantragt.

     

    In seiner ESt-Erklärung 2012 begehrte X einen Verlust aus der Auflösung der X-GmbH von über 1 Mio. EUR nach § 17 Abs. 4 EStG. Hilfsweise machte er diesen Verlust als solchen aus Gewerbebetrieb geltend, da die Beteiligung an der X-GmbH wegen der engen Verflechtung mit seinem Gewerbebetrieb notwendiges BV gewesen sei. Im Ergebnis gewährte der BFH den Verlust nur zu einem geringen Teil.

    2. Entscheidung

    Die Beteiligung an einer GmbH gehört zum notwendigen BV eines Einzelgewerbetreibenden, wenn sie dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Bei Umsätzen zwischen 43 und 81 %, welche X mit der X-GmbH ausführte, ist dies sicher der Fall. Daher war die Beteiligung an der X-GmbH bis zum Jahr 2013 notwendiges BV des gewerblichen Einzelunternehmens des X. Eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die zum notwendigen BV eines Einzelgewerbetreibenden gehört, verliert diese Zuordnung nicht dadurch, dass sich die Umstände, die ihre Eigenschaft als notwendiges BV begründet haben ‒ z. B. durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kapitalgesellschaft ‒, ändern. Nicht entscheidend ist, ob eine ‒ erneute ‒ Zuführung zum BV nach Änderung der Verhältnisse noch möglich wäre.

     

    Die Betriebsvermögenseigenschaft wird grundsätzlich erst dadurch beendet, dass der Steuerpflichtige die Beteiligung aus dem BV entnimmt. Dies setzt eine unmissverständliche, von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung voraus. Diese kann zwar auch in einem schlüssigen Verhalten liegen, durch das die Verknüpfung der Kapitalgesellschaft mit dem BV erkennbar gelöst wird. Eine Änderung der Gewinnermittlungsart ist jedoch keine solche schlüssige Handlung. Sie führt insbesondere nicht zur Entnahme der zum BV gehörenden Wirtschaftsgüter oder zu einer Aufdeckung der stillen Reserven. Auch führte weder die Einstellung des Geschäftsbetriebs der X-GmbH im Jahr 2007 noch der folgende Umsatzrückgang des Einzelunternehmens des X bis zur Insolvenz der X-GmbH dazu, dass die Beteiligung ihre bisherige Eigenschaft als BV des Einzelunternehmens verloren hätte.

     

    Sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung (vgl. amtliches ESt-Handbuch H 4.5 Abs. 2 „Darlehns- und Beteiligungsverluste“) erkennen inzwischen an, dass der Verlust eines Wirtschaftsguts auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist. Die Höhe dieses Betriebsausgabenabzugs richtet sich nach dem Wert, den das Unternehmen für den Erwerb der Beteiligung tatsächlich aufgewendet hat.

     

    Fraglich ist allerdings, zu welchem Zeitpunkt die notwendige Beteiligung an der X-GmbH in steuerlicher Hinsicht als Verlust aus Gewerbebetrieb geltend gemacht werden kann. Die Betriebsausgabe muss bei einem Anteilseigner, der den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, nämlich in dem Zeitpunkt angesetzt werden, in dem die Beteiligung endgültig verloren gegangen ist. Dies ist eine Tatfrage. Ein Wahlrecht steht dem Anteilseigner nicht zu.

     

    Aufgrund der Tatsache, dass die X-GmbH

    • im Jahr 2007 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte,
    • nach dem Bericht des Insolvenzverwalters spätestens seit dem 31.12.00 überschuldet gewesen war und weder über liquide Mittel noch über stille Reserven verfügte,
    • und die Gläubiger am Ende des Insolvenzverfahrens nur eine äußerst geringe Quote von 0,1 % zu erwarten hatten,

    ist davon auszugehen, dass die Beteiligung ab den Jahren 2007 wertlos war.

     

    In den Jahren 2012/13, in welchen X die Verluste aus der Beteiligung geltend gemacht hat, war diese in Wahrheit schon längst wertlos. In diesen Jahren stehen dem Gewerbebetrieb des X daher keine steuerlichen Verluste mehr zu. Da die ESt-Festsetzung des Jahres 2007 bestandskräftig ist, kann X die Verluste aus dem Untergang der X-GmbH nicht geltend machen.

    3. Relevanz für die Praxis

    Der BFH hat die Sache zwar an das FG zurückverwiesen, weil nach dem FG-Urteil unklar ist, ob X in den Jahren 2012/13 noch geringe Aufwendungen für die X-GmbH geleistet hat, im Wesentlichen sind die Verluste aus der Beteiligung aber für den X verloren.

     

    X ist hier in die Falle des § 4 Abs. 3 EStG getappt. Hätte X für sein Einzelunternehmen in den Jahren nach 2005 ebenfalls Bilanzen erstellt, könnte er die Verluste ‒ auch bei Bestandskraft seiner persönlichen ESt-Veranlagungen ‒ zumindest in gewissem Rahmen noch über Bilanzberichtigungen erhalten. Denn im Fall der Liquidation einer im BV gehaltenen Beteiligung an einer GmbH kann ein Verlust regelmäßig erst dann geltend gemacht werden, wenn die Liquidation abgeschlossen, die GmbH also im Handelsregister gelöscht ist.

     

    Ein Wahlrecht für die Geltendmachung des Verlustes eröffnet sich für einen Anteilseigner, der die Beteiligung im BV hält, über die wahlweise Möglichkeit, bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung vorzunehmen. Erhalten bleiben muss in der Bilanz allerdings ein Erinnerungsposten (regelmäßig 1 EUR), der erst nach Abschluss der Liquidation entfallen kann. Macht ein gewerblicher Anteilseigner von seinem Wahlrecht auf Teilwertabschreibung keinen Gebrauch, erfolgt die volle Berücksichtigung des Verlustes einer Beteiligung erst nach Abschluss der Liquidation.

     

    Dasselbe gilt, wenn X die Beteiligung im Privatvermögen gehalten hätte. Gemäß § 17 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn oder Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt war.

     

    In diesem Fall steht ein Auflösungsverlust fest, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 S. 2 EStG) und die Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 S. 1 EStG) feststehen. Ersteres ist regelmäßig erst nach Abschluss der Liquidation bekannt, sodass Verluste nach § 17 EStG regelmäßig erst nach endgültiger Liquidation der Kapitalgesellschaft und Löschung im Handelsregister steuerlich anerkannt werden.

     

    Da der Insolvenzverwalter die Einstellung des Insolvenzverfahrens über die X-GmbH erst im Jahr 2013 beantragt hat, könnte also sowohl bei einem Anteilseigner, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt, als auch bei einem Anteilseigner, der die Beteiligung im Privatvermögen hält, im Jahr 2013 eine Verlustberücksichtigung erfolgen. Nur bei einem Einnahmen-Überschuss-Rechner (§ 4 Abs. 3 EStG) ist zu diesem Zeitpunkt eine Verlustberücksichtigung für immer verloren.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2024 | Seite 427 | ID 50168945