· Fachbeitrag · Mitunternehmer
Gewerbliche Infektion: Aufwärtsabfärbung bei lediglich verrechenbaren Verlusten nach § 15a EStG
von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart
| Dass gewerbliche Einkünfte aus einer Mitunternehmerschaft auch auf andere Einkünfte eines Mitunternehmers abfärben können und diese zu gewerblichen Einkünften machen, hat der BFH bereits mehrfach mit großer Deutlichkeit entschieden. Für den Berater heißt dies insbesondere bei vermögensverwaltenden Familiengesellschaften, große Vorsicht walten zu lassen, um nicht mit ‒ dem Grunde nach nicht gewerblichen Einkünften ‒ in die Gewerbesteuerpflicht hineinzurutschen. Der BFH hat zudem klargestellt, dass eine gewerbliche Infektion auch bei nur verrechenbaren Verlusten nach § 15a EStG droht ( BFH 11.7.24, IV R 18/22, Abruf-Nr. 243346 ). |
Sachverhalt
Die A-GbR bezog im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Daneben ist sie seit vielen Jahren zu rd. 4 % an der B-GmbH & Co. KG beteiligt. Im Jahr 07 wurde der A-GbR aus der Beteiligung an der B-KG ein Verlust von rd. 5.000 EUR zugewiesen. Ausweislich des mit dem Gewinnfeststellungsbescheid 07 der B-KG verbundenen Verlustfeststellungsbescheids nach § 15a Abs. 4 EStG handelt es sich hierbei um einen verrechenbaren Verlust i. S. d. § 15a EStG, sodass im Gewinnfeststellungsbescheid 07 der im Folgebescheid anzusetzende laufende steuerpflichtige Gewinn/Verlust der A-GbR mit 0 EUR bestandskräftig festgestellt wurde.
Aufgrund der von der B-KG bezogenen Beteiligungseinkünfte qualifizierte das Finanzamt die Einkünfte der A-GbR aus Vermietung und Verpachtung ‒ im Jahr 07 waren dies über 28.000 EUR ‒ in Einkünfte aus Gewerbebetrieb um. Der BFH gab dem FA im Ergebnis recht.
Rechtliche Würdigung
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG i. d. F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.19 (BGBl I 19, 2451) ‒ WElektroMobFördG ‒ gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft
- auch eine Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt (Alternative 1) oder
- gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG bezieht (Alternative 2).
Dies gilt unabhängig davon, ob aus der Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ein Gewinn oder Verlust erzielt wird oder ob die gewerblichen Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG positiv oder negativ sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG).
Beachten Sie | Für die Abfärbewirkung reicht es allerdings noch nicht aus, dass eine an einer weiteren Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft als Mitunternehmerin anzusehen ist. Vielmehr wird auch ein „Bezug“ von Gewinnanteilen gefordert. Deshalb genügt allein das Vorliegen einer Mitunternehmerstellung nicht, um die Abfärbewirkung eintreten zu lassen.
MERKE | Das Merkmal des „Bezugs“ erfordert allerdings keinen Zufluss der Mittel. Als Bezug der Beteiligungseinkünfte ist bereits die Gewinnzurechnung am Ende des Wirtschaftsjahres anzusehen. Dementsprechend werden Einkünfte bereits dann in einem bestimmten Veranlagungs- beziehungsweise Feststellungszeitraum bezogen, wenn sie dem Mitunternehmer nach den Gewinnermittlungsvorschriften zuzurechnen sind. |
Die A-GbR hat im Jahr 07 Gewinnanteile von der B-KG bezogen. Dies ist durch den bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid 07 der B-KG (Grundlagenbescheid) mit bindender Wirkung für den Gewinnfeststellungsbescheid der A-GbR (Folgebescheid) festgestellt.
Dass der A-GbR im Gewinnfeststellungsbescheid 07 der B-KG lediglich ein verrechenbarer Verlust zugewiesen wurde und sich somit eine Auswirkung auf das Ergebnis der A-GbR lediglich von 0 EUR ergibt, steht dem nicht entgegen, da jede Beteiligung, aus der eine mitunternehmerisch tätige Gesellschaft gewerbliche Einkünfte bezieht, zu einer Umqualifizierung aller weiteren Einkünfte dieser Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb führt.
Auch gibt es in diesem Zusammenhang keine Bagatellgrenze, was zur Folge hat, dass auch der Bezug von geringen gewerblichen Beteiligungseinkünften zur Aufwärtsabfärbung führt. Entsprechendes gilt für die Höhe der Beteiligung. Auch hier gibt es keine Bagatellgrenze. Daher sind alle Einkünfte der A-GbR solche aus Gewerbebetrieb.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung wendet die Regelung des § 15 Abs 3 EStG nach dem strengen Wortlaut des Gesetzes an. Sie ist allerdings vor allem auch deshalb bemerkenswert, da es diese Vorschrift, die in ihrer jetzigen Fassung erst 2019 in Kraft getreten ist, im Jahr 07, welches im vorliegenden Fall zu beurteilen ist, noch gar nicht gab.
Hier stellt der BFH aber klar, dass es sich bei der Neuregelung in § 15 Abs. 3 EStG um eine unechte Rückwirkung handelt. Eine unechte Rückwirkung liegt dann vor, wenn der Gesetzgeber lediglich eine Klarstellung vornimmt. Hier handelt es sich nicht um die Schaffung neuen Rechts ‒ das hätte dann eine unzulässige echte Rückwirkung zur Folge ‒ , sondern um die Bestätigung der bestehenden Rechtslage.
Materiell-rechtlich betrachtet kommt der Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 Alternative 2 EStG lediglich deklaratorische Wirkung zu, da der BFH bereits vor der Einführung der Vorschrift davon ausging, dass eine Aufwärtsabfärbung unabhängig davon eintritt, ob die Beteiligungseinkünfte positiv oder negativ sind.