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  • · Fachbeitrag · Steuerticker

    Neues aus Gesetzgebung und Rechtsprechung auf den Punkt gebracht

    von Dipl.-Finw. StB Michael Seifert, Troisdorf

    | Im „Steuerticker“ weisen wir regelmäßig auf Neuerungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung hin, die Sie im Berufsalltag kurzfristig umsetzen sollten. |

    1. Referentenentwurf zum „Jahressteuergesetz 2019“ liegt vor

    Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Jahressteuergesetz 2019) enthält auch wichtige lohnsteuerliche Änderungen. Nachfolgend wird auf erste Änderungsvorschläge eingegangen.

     

    1.1 Mehraufwand für Verpflegung

    Vorgesehen ist folgende Anhebung der inländischen Mehraufwendungen für Verpflegung mit Wirkung ab 2020:

     

    • Neue Tagegeldsätze
    Auswärtstätigkeit ohne Übernachtung

    Abwesenheitsdauer bis zu 8 Stunden

    0 EUR

    Abwesenheitsdauer mehr als 8 Stunden

    14 EUR

    Auswärtstätigkeit mit Übernachtung

    Anreisetag

    14 EUR

    Abreisetag

    14 EUR

    Vollständiger Reisetag

    28 EUR

     

    Es ist davon auszugehen, dass die Anhebung der inländischen Tagegeldsätze auch Auswirkungen auf die Auslandsreisekostensätze ab 2020 haben wird. Wird dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, sind ermittelte Verpflegungspauschalen in gewisser Höhe zu kürzen (§ 9 Abs. 4a S. 8 EStG). Die Kürzung der Mehraufwendungen für Verpflegung erfolgt immer auf der Grundlage der für 24 Stunden geltenden Pauschale.

     

    • Folgende Kürzung ergibt sich bislang (Inland)

    Frühstück

    20 % v. 24 EUR =

    4,80 EUR

    Mittag-/Abendessen

    40 % v. 24 EUR =

    9,60 EUR

     
    • Folgewirkungen bei der Tagegeldsatzkürzung (Inland)

    Frühstück

    20 % v. 28 EUR =

    5,60 EUR

    Mittag-/Abendessen

    40 % v. 28 EUR =

    11,20 EUR

     

    1.2 Neues zur Abgrenzung Barlohn vs. Sachlohn (Gutscheine/Zukunftssicherungsleistungen/Pauschalierung gem. § 37b EStG)

    Für die Anwendung der sog. 44-EUR-Freigrenze müssen Sachzuwendungen vorliegen, die mit dem Marktpreis (§ 8 Abs. 2 S. 1 EStG) bewertet werden.

     

    PRAXISTIPP | Die Beantwortung der Frage, ob Bar- oder Sachlohn vorliegt, ist neben der 44-EUR-Freigrenze auch für die Anwendung der Lohnsteuerpauschalierung nach § 37b EStG sowie für Leistungen aus einem besonderen persönlichen Anlass (z. B. Geburtstagsgeschenke) zugunsten des Mitarbeiters bedeutsam.

     

    Für die Abgrenzung von Barlohn und Sachlohn ist der auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu ermittelnde Rechtsgrund des Zuflusses zu ermitteln. Die BFH-Rechtsprechung hat z. B. Folgendes entschieden:

     

    • Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz ist in Höhe der Arbeitgeberbeiträge Sachlohn, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags ausschließlich Versicherungsschutz, nicht aber eine Geldzahlung verlangen kann.

     

    • Demgegenüber wendet der Arbeitgeber Barlohn zu, wenn er einen Zuschuss unter der Bedingung zahlt, dass der Arbeitnehmer mit einem von ihm benannten Unternehmen einen Versicherungsvertrag schließt.

     

    In der Rechtssache VI R 13/16 (BFH 7.6.18, BFH/NV 18, 1181) hatte der Arbeitgeber für die Mitarbeiter (Gruppen-)Zusatzkrankenversicherungen für Vorsorgeuntersuchungen, stationäre Zusatzleistungen sowie Zahnersatz abgeschlossen. Die für den Versicherungsschutz gezahlten monatlichen Beträge überschritten beim Kläger die monatliche Freigrenze von 44 EUR nicht. Der BFH bestätigte in diesem Sachverhalt das Vorliegen von Sachlohn (BFH 7.6.18, VI R 13/16, BFH/NV 18, 1181).

     

    In der Rechtssache VI R 16/17 (BFH 4.7.18, DStR 18, 1910) hatte die Klägerin ihre Arbeitnehmer in einem „Mitarbeiteraushang“ darüber informiert, ihnen künftig eine Zusatzkrankenversicherung über eine private Krankenversicherungsgesellschaft anbieten zu können. Mitarbeiter nahmen das Angebot an und schlossen unmittelbar mit der Versicherungsgesellschaft private Zusatzkrankenversicherungsverträge ab. Die Versicherungsbeiträge wurden von den Mitarbeitern direkt an die Versicherungsgesellschaft überwiesen. Hierfür erhielten sie monatliche Zuschüsse von der Klägerin auf ihr Gehaltskonto ausgezahlt, die i. d. R. die Freigrenze von 44 EUR nicht überstiegen. Hier nahm der BFH Barlohn an und stellte klar:

     

    MERKE | Ein Sachbezug liegt nur vor, wenn auch ein arbeitsrechtliches Versprechen erfüllt wird, das auf Gewährung von Sachlohn gerichtet ist. Die Klägerin hatte ihren Arbeitnehmern aber letztlich nur den Kontakt zu dem Versicherungsunternehmen vermittelt und bei Vertragsschluss einen Geldzuschuss versprochen. Damit hatte sie ihren Arbeitnehmern keinen Versicherungsschutz zugesagt (BFH 4.7.18, VI R 16/17, DStR 18, 1910).

     

    PRAXISTIPP | Die BFH-Rechtsprechung erstreckt sich nicht nur auf Krankenzusatzversicherungen. Der BMF hat bereits darauf hingewiesen, dass die Anwendung und amtliche Veröffentlichung der neuen BFH-Rechtsprechung im BStBl derzeit mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert wird (siehe auch BT-Drs. 19/7573 vom 7.2.19). Die Ergebnisse sind auch deshalb über den entschiedenen Einzelfall hinaus bedeutsam, weil die LStH bislang von einem Sachbezug ausgehen, wenn der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine Zahlung mit der Auflage leistet, den empfangenen Geldbetrag nur in bestimmter Weise zu verwenden (H 8.1 [1‒ 4] LStH 2019 Stichwort „Geldleistung oder Sachbezug“).

     

    Als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung soll in § 8 Abs. 1 EStG-E Folgendes aufgenommen werden:

     

    2Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten sowie die Beiträge oder Zuwendungen, die dazu dienen, einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters, des Todes oder gegen andere Risiken bei einem Dritten mit einem eigenen unmittelbaren Rechtsanspruch abzusichern. 3Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen, die zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins berechtigen.“

     

    Beachten Sie | Hintergrund der Änderung ist auch, dass der Gesetzgeber künftig entgeltoptimierte Gestaltungen durch Einsatz von Gutscheinkartensystemen und gleichzeitiger Ausnutzung der 44-EUR-Freigrenze oder der Pauschalierung nach § 37b EStG verhindern will. Zudem soll für Zukunftssicherungsleistungen generell die 44-EUR-Freigrenze nicht gelten.

     

    PRAXISTIPP | Gutscheine sind nur dann (weiterhin) als Sachbezug zu qualifizieren, wenn der Aussteller identisch ist mit dem Unternehmen, dessen Waren oder Dienstleistungen damit bezogen werden können. Damit tritt eine erhebliche Einschränkung der bisherigen Gutscheinmodelle ein.

     

    1.3 Neue Lohnsteuerpauschalierung

    Zudem ist im Referentenentwurf in § 40 Abs. 2 S. 2 und 3 EStG-E eine Ausweitung der Lohnsteuerpauschalierung vorgesehen. Der Arbeitgeber kann danach die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von

     

    • 1. 15 % erheben für die nicht nach § 3 Nr. 15 steuerfreien
    • a) Sachbezüge in Form einer unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 oder
    • b) zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder den Fahrtstrecken nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3,
    • soweit die Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 und Abs. 2 als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden; diese pauschal besteuerten Bezüge mindern die nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 und Abs. 2 abziehbaren Werbungskosten,

     

    • 2. 25 % anstelle der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 15 einheitlich für alle dort genannten Bezüge erheben, auch wenn sie nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden; für diese pauschal besteuerten Bezüge unterbleibt eine Minderung der nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 und Abs. 2 abziehbaren Werbungskosten.

     

    Die nach S. 2 pauschalbesteuerten Bezüge bleiben bei der Anwendung des § 40a Abs. 1 bis 4 außer Ansatz. Bemessungsgrundlage der pauschalen Lohnsteuer sind in den Fällen des S. 2 Nr. 2 die Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer.“

     

    • Beispiel

    Der Arbeitgeber stellt den Arbeitnehmern Jobtickets für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Personennahverkehr zur Verfügung. Die Kosten betragen in 2020 insgesamt 10.000 EUR. Der Arbeitslohn der jeweiligen Mitarbeiter wird zum Teil in Höhe der jeweils vom Arbeitgeber getragenen Kosten reduziert.

     

    Der geldwerte Vorteil aus der Jobticketgestellung ist zum Teil nicht nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfrei, weil es sich teilweise nicht um Leistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn handelt.

     
    • Abrechnungsalternative 1: Die zusätzlich zum ohnehin gewährten geldwerten Vorteile aus Jobtickets bleiben nach Maßgabe von § 3 Nr. 37 EStG steuerfrei. Diese Steuerfreiheit löst eine WK-Kürzung beim Mitarbeiter aus. Die aus einer Entgeltumwandlung stammenden geldwerten Vorteile können mit 15 % pauschal versteuert werden. Der Höhe nach ist die Pauschalierung auf die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte beschränkt. Hier sind die Werbungskosten beim Mitarbeiter zu kürzen; der Arbeitgeber hat Aufzeichnungen auf der LSt-Bescheinigung vorzunehmen.

     

    • Abrechnungsalternative 2: Nach dem Gesetzesentwurf kommt auch eine Pauschalierung von 25 % in Betracht; dann aber auf sämtliche Kosten inklusive der ansonsten steuerfreien Vorteile. Durch diese Pauschalierung mit 25 % soll keine Kürzung der Entfernungspauschale eintreten. Zudem wird durch die Anwendung einer Pauschalierung die 44-EUR-Freigrenze nicht verbraucht. Infolge des Verzichts auf die Minderung des Werbungskostenabzugs müssen diese mit 25 % pauschalierten Beträge nach § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG nicht auf der Lohnsteuerbescheinigung vermerkt werden. Der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bleibt abzuwarten.

     

    PRAXISTIPP | Die neue Pauschalbesteuerungsmöglichkeit mit 25 % soll auch für die in § 3 Nr. 15 EStG genannten Bezüge gelten, die nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn (sondern mittels Gehaltsumwandlung) erbracht werden und deshalb die Voraussetzungen für die Steuerfreistellung nicht erfüllen. Auch in diesen Fällen kann die Pauschalbesteuerung ohne Anrechnung auf die Entfernungspauschale ein Anreiz sein, um die Arbeitnehmer zum Umstieg vom Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen.

    Für mittels Entgeltumwandlung finanzierte Bezüge im Zusammenhang mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder Fahrtstrecken nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG hat der Arbeitgeber zukünftig ein Wahlrecht. Er kann sich entscheiden zwischen der bisherigen Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 EStG, d. h. einem Pauschalsteuersatz von 15 % mit Anrechnung auf die Entfernungspauschale oder der neuen Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG, d. h. einem Pauschalsteuersatz von 25 % ohne Minderung der Entfernungspauschale.

     

    Bei der Bemessung des pauschalen Steuersatzes mit 25 % wurde berücksichtigt, dass die Pauschalbesteuerung einerseits mit der Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 15 EStG korrespondiert, andererseits aber zu einem Verzicht auf die Minderung der als Werbungskosten abziehbaren Entfernungspauschale führen soll.

     

    2. Arbeit auf Abruf: „Phantomlohn“ durch Arbeitszeitfiktion

    Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen.

     

    PRAXISTIPP | Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt seit 1.1.19 eine Arbeitszeit von 20 Stunden (vorher: 10 Stunden) als vereinbart (§ 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG). Diese Mindestarbeitszeit ist selbst dann zu vergüten, wenn tatsächlich keine oder eine geringere Arbeitsleistung erbracht wurde.

     

    Ob eine geringfügig entlohnte Beschäftigung vorliegt, entscheidet sich sozialversicherungsrechtlich nicht nach der tatsächlichen Vergütung, sondern nach dem Entgeltanspruch des Mitarbeiters. Hierbei sind die Regelungen des Mindestlohngesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zu berücksichtigen. Gerade durch die Arbeitszeitfiktion kann unter Berücksichtigung des Mindestlohns der Arbeitslohnanspruch über 450 EUR im Monat hinausgehen.

     

    PRAXISTIPP | Aufgrund der Neuregelung in § 12 TzBfG sollten bestehende Arbeitszeitvereinbarungen ‒ gerade auch bei geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen ‒ geprüft und unter Beachtung des Rechtsdienstleistungsgesetzes erforderlichenfalls angepasst werden (so auch eine Empfehlung der Bundessteuerberaterkammer). Zu beachten sind hierbei die arbeitsrechtlichen Vorgaben und Grenzen des § 12 TzBfG. Dies gilt insbesondere für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Ist eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen (siehe hierzu § 12 Abs. 4 TzBfG; Eckert, DStR 19, 519 und Romanowski, BBK 19, 422).

     

    Es bleibt abzuwarten, wie die Betriebsprüfdienste der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) diese Regelung bei Prüfung des Entgeltanspruchs künftig anwenden werden.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2019 | Seite 195 | ID 45913041