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  • · Fachbeitrag · Steuerticker

    Neues aus Rechtsprechung und Finanzverwaltung auf den Punkt gebracht

    von Dipl.-Finw. StB Michael Seifert, Troisdorf

    | In unserem „Steuerticker“ weisen wir regelmäßig auf Neuerungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung hin, die Sie in Ihrem Berufsalltag kurzfristig umsetzen sollten. |

    1. Ausfall privater Kapitalforderung und Veräußerungsverlust

    Der BFH hat kürzlich klargestellt, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG führen kann (BFH 24.10.17, VIII R 13/15, DB 17, 2801). Im Streitfall hat der BFH den insolvenzbedingten Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Kapitaleinkünften anerkannt.

     

    PRAXISTIPP | Eine „Veräußerung“ erfordert grundsätzlich einen Rechtsträgerwechsel. Hieran fehlt es beim Forderungsausfall. Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestandsmerkmal der Veräußerung einer Kapitalforderung (s. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG) folgt aber, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust i. S. d. § 20 Abs. 4 S. 1 EStG führt.

     

    Das FG Hessen (12.4.18, 9 K 1053/15, Rev. BFH: IX R 17/18) hat der Auffassung des BFH ausdrücklich widersprochen.

     

    PRAXISTIPP | Die Finanzverwaltung hat die Entscheidung des BFH bislang bewusst nicht im BStBl veröffentlicht. Sie hat gerade auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des FG Hessen beschlossen, das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. In gleich gelagerten Sachverhalten sollte gegenwärtig mit Hinweis auf die anhängige Revision Einspruch eingelegt werden.

     

    Aktuell sollte man zudem eine weitere FG-Entscheidung im Blick haben (FG Münster 12.3.18, 2 K 3127/15 E, EFG 18, 947, Rev. BFH: IX R 9/18). Das Gericht hat entschieden, dass auch ein Forderungsverzicht einer Veräußerung i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG gleichzustellen ist. D. h., verzichtet ein wesentlich beteiligter Gesellschafter auf sein (Gesellschafter-)Darlehen, das nicht als Finanzplandarlehen zu qualifizieren ist, kann der Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

     

    PRAXISTIPP | Auch diese Entscheidung steht nicht im Einklang mit der Verwaltungsauffassung. Werden entsprechende Verluste nicht berücksichtigt, sollte Einspruch eingelegt werden.

     

    2. Scheinrenditen aus Schneeballsystemen: Abgeltungswirkung bei fingiertem Einbehalt von KapESt?

    Gegenwärtig ist die Abgeltungswirkung einbehaltener und als einbehalten ausgewiesener Kapitalertragsteuer auf (Schein-)Renditen aus Aktienverkäufen strittig. In einem aktuellen Fall erzielte der Kläger in den Streitjahren Einnahmen aus Kapitalvermögen. Dazu zählten Gewinnanteile aus Aktien und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft. Gegenüber dem Kläger wurde vorgetäuscht, dass Steuerabzugsbeträge einbehalten und abgeführt worden waren (FG Nürnberg 11.10.17, 3 K 348/17, EFG 18, 117, Rev. BFH: VIII R 17/17).

     

    MERKE | Grundsätzlich wird die Einkommensteuer bekanntlich durch den Abzug von Kapitalertragsteuer erhoben. Für das Veranlagungsverfahren bedeutet dies: Für Kapitalerträge i. S. d. § 20 EStG ist die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten, soweit die Kapitalerträge der Kapitalertragsteuer unterlegen haben (§ 43 Abs. 5 S. 1 EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll eine solche Abgeltungswirkung jedoch nur eintreten, wenn die einbehaltene Kapitalertragsteuer auch tatsächlich an das Finanzamt abgeführt wurde.

     

     

    Dem hat das FG Nürnberg nun widersprochen. Die von einem Kreditinstitut einbehaltene und als einbehalten ausgewiesene Kapitalertragsteuer entfaltet bei Gutgläubigkeit des Gläubigers der Kapitalerträge auch dann Abgeltungswirkung, wenn sie nicht abgeführt wurde. Für die einschränkende Auslegung der Finanzverwaltung ergeben sich laut FG Nürnberg weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte. Daher löst auch ein vorgetäuschter Einbehalt von Kapitalertragsteuer die Abgeltungswirkung aus. Die Einnahmen werden demzufolge nicht im Veranlagungsverfahren erfasst.

     

    Beachten Sie | Gegen die Entscheidung ist ein Revisionsverfahren vor dem BFH anhängig. Die Finanzverwaltung hat darauf hingewiesen, dass entsprechende Einspruchsverfahren kraft Gesetzes ruhen (§ 363 Abs. 2 S. 2 EStG). Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der strittigen Steuer wird offensichtlich nicht gewährt.

    3. Wertlose Aktien und Veräußerungsverluste

    Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört ‒ unabhängig von einer Haltefrist bzw. der Beteiligungshöhe ‒ der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die nach dem 31.12.08 erworben wurden (§ 52 Abs. 28 S. 11 EStG).

     

    In einem vom FG München entschiedenen Sachverhalt stritten sich die Beteiligten über die steuerliche Berücksichtigung eines Verlusts aus der Veräußerung von Aktien nach deren Wertverfall. Der Kläger erwarb im Juli 2011 Aktien der X (1.000 Stück), die in der Folgezeit erheblich an Wert verloren. Die X war an der kanadischen Börse zugelassen und betrieb Baumplantagen in China. Nach Betrugsvorwürfen gegen die Gesellschaft war ihr das Listing entzogen worden. Sie ging in Konkurs. Die Gesellschaft wurde mit Sammelklagen geschädigter Investoren überzogen. Im Februar 2013 veräußerte der Kläger diese Aktien mit schriftlichem Vertrag für insgesamt 10 EUR (0,01 EUR pro Stück) an Frau Y, die dem Kläger zuvor nicht näher bekannt war. Im Gegenzug erwarb er von der Käuferin ebenfalls wertlos gewordene Aktien.

     

    Die X-Aktien wurden im März 2013 aus dem Depot des Klägers entnommen und in das Depot der Käuferin übertragen. Kosten hierfür fielen nicht an. Die Bank behandelte diesen Übertrag wie eine Veräußerung und setzte zur Ermittlung der Abzugsteuern eine Steuerbemessungsgrundlage von 1.405,52 EUR an. Es wurden Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag abgeführt. In seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr machte der Kläger einen Verlust aus der Veräußerung der X-Aktien geltend, den das FA nicht anerkannte.

     

    MERKE | Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt eine Veräußerung (i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ) nicht vor, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt (BMF 18.1.16, IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl I 16, 85, Rz. 59; a. A. BFH 12.6.18, VIII R 32/16).

     

    Dem hat das FG München nun widersprochen. Das FG berücksichtigte einen steuerlichen Veräußerungsverlust gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG (FG München 17.7.17, 7 K 1888/16, Rev. BFH: VIII R 9/17). Der Veräußerungsverlust errechnet sich aus der Differenz zwischen dem (symbolischen) Verkaufspreis und den tatsächlichen Anschaffungskosten. Eine Veräußerung liegt vor, weil tatsächlich ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat. Für die einschränkende Auslegung der Finanzverwaltung existiert keine Rechtsgrundlage. Auch ein Gestaltungsmissbrauch wird hierin nicht gesehen (§ 42 AO). Denn einem Steuerpflichtigen steht es frei, ob, wann und an wen er seine Gesellschaftsanteile veräußert.

     

    PRAXISTIPP | Die Realisierung des Aktienverlusts scheitert nicht an der Wertlosigkeit der Aktien. Entscheidend ist vielmehr, dass ein steuerlich anzuerkennender Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat und die Beteiligten nicht von einer schenkungsweisen Übertragung der wertlosen Aktien ausgehen (dann Zurechnen der Aufwendungen des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger, vgl. § 20 Abs. 4 S. 6 EStG).

     

    Die streitgegenständlichen Verluste konnte der Kläger mit realisierten Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnen (§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG).

     

    PRAXISTIPP | Gegen die Entscheidung des FG München ist ein Revisionsverfahren anhängig. Einsprüche, die sich auf das Revisionsverfahren berufen, ruhen kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 S. 2 EStG). Die Erfolgsaussichten dürften hoch sein. Mit Urteil vom 12.6.18 (VIII R 32/16) hat der BFH nämlich entschieden, dass eine Veräußerung i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG nicht von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig ist. Die anderslautende Auffassung der Finanzverwaltung, auf die sich das FA auch im anhängigen Verfahren beruft, wird höchstrichterlich abgelehnt.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 342 | ID 45467707