Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Option zur Umsatzsteuer beim Grundstücksverkauf nur im notariellen Erstvertrag
von Georg Nieskoven, Troisdorf
Nach § 9 UStG kann der Unternehmer dem Grunde nach umsatzsteuerfreie Umsätze als umsatzsteuerpflichtig behandeln, um damit Vorsteuerkürzungen oder -korrekturen zu vermeiden. Noch im Jahr 2013 hatte der BFH die Frist zur Ausübung dieser Option gegen die restriktive BMF-Ansicht deutlich verlängert (vgl. GStB 14, 296). Bei Grundstücksverkäufen sieht der BFH die Sache jetzt aber enger: Hier könne der Verkäufer die Option nur im notariellen Erstvertrag ausüben (BFH 21.10.15, XI R 40/13, Abruf-Nr. 182817). |
1. Sachverhalt
EM erwarb in 2003 ein Gebäude und machte daraus den Vorsteuerabzug geltend, da er die Immobilie fortan umsatzsteuerpflichtig an „seine“ GmbH vermietete. Mit notariellem Vertrag vom 22.10.09 veräußerte er das Objekt an seine Ehefrau EF, ohne im Vertrag den Verzicht auf eine Steuerbefreiung dieses Umsatzes zu erklären. EF verpachtete das Grundstück unverändert umsatzsteuerpflichtig an die EM-GmbH. Im Zuge einer Außenprüfung forderte das FA daraufhin bei EM - unter Verweis auf den steuerfreien Grundstücksverkauf - die Erwerbsvorsteuer aus 2003 nach § 15a UStG anteilig zurück.
Im Klageverfahren argumentierte EM, der Verkauf habe eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) dargestellt, weil EF die Vermietungstätigkeit unverändert fortgesetzt habe. Dem erteilte das FG jedoch eine klare Absage. Der Grund: Zwischen EM und „seiner“ GmbH habe bis zum Grundstücksverkauf ein Organschaftsverhältnis bestanden und EM habe daher „kein umsatzsteuerliches Vermietungsverhältnis“ zur GmbH unterhalten, das er im Rahmen einer GiG hätte übertragen können. Allerdings könne EM für den Verkauf auch nachträglich noch rückwirkend zur Umsatzsteuerpflicht optieren und damit die Korrekturfolgen vermeiden.
EM erklärte daraufhin mit notarieller Änderungsvereinbarung vom 12.4.13 einvernehmlich mit EF die Option zur Umsatzsteuerpflicht und wies EF auf ihre Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG hin. Das FG gab der Klage des EM dann zwar statt. Der BFH hob das Urteil jedoch auf, da eine nachträgliche Option nach § 9 Abs. 3 S. 2 UStG ausgeschlossen sei.
2. Anmerkungen
Das FA hatte argumentiert, die von § 9 UStG eröffnete Option sei nur bis zur formellen Bestandskraft (bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist) der USt-Festsetzung zulässig und daher für 2003 in 2013 nicht mehr möglich gewesen. Der BFH gab dem FA zwar letztlich Recht, begründet dies aber anders: EM könne zwar zur Umsatzsteuerpflicht optieren, soweit - wie hier - der Grundstücksverkauf außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens erfolge - nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG aber „…nur in dem gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag“.
MERKE | Nach dem Verständnis des BFH ist dies aber „…der Verpflichtungsvertrag, der der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht“ (vgl. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB). Demnach schließe der Wortlaut des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG eine Option zur Steuerpflicht in einer Neufassung dieses Vertrags selbst dann aus, wenn diese gleichfalls notariell beurkundet wurde. Eine Option war im Streitfall mithin nur in der Kaufvertragsurkunde vom 22.10.09 erklärbar. |
Der Wortlaut der Vorschrift ist laut BFH eindeutig: Denn der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG muss in den betreffenden Fällen nicht „in einemt“, sondern „in dem“ gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag, dem Grundstückskaufvertrag, erklärt werden. Die nachträgliche Option zur Umsatzsteuer in einer gleichfalls notariell beurkundeten späteren Neufassung, Ergänzung oder Änderung sei dagegen ausdrücklich nicht vorgesehen, auch wenn die Finanzverwaltung zu einer großzügigeren Sichtweise gelangt sei (s. dazu BMF 31.3.04, BStBl I 04, 453, Rz. 4).
Der Gesetzgeber habe in den Fällen des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG die Möglichkeit der Option zeitlich beschränken wollen. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung. Danach sollte durch § 9 Abs. 3 S. 2 UStG wegen der zeitgleich eingefügten Steuerschuldnerschaftsübertragung auf den Leistungsempfänger (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG) ein Schutz des Grundstückskäufers vor einer nachträglichen Option gewährleistet werden.
Zwar bestreitet der BFH nicht, dass die Beteiligung des Leistungsempfängers an einer notariellen Neufassung, Änderung oder Ergänzung des ursprünglichen Vertrags gleichfalls den Käuferrechtsschutz wahrt. Eine solche nachträgliche Option berge aber die Gefahr von Steuerausfällen, was einer großzügigeren Gesetzesauslegung entgegenstehe. Denn ein solch nachträglicher Verzicht auf die Steuerfreiheit hätte zur Folge, dass die nach § 13b UStG nachträglich vom Käufer geschuldete Umsatzsteuer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ggf. nicht mehr festsetzbar sein könnte.
Beachten Sie | Während die Option zur Umsatzsteuerpflicht von den AO-rechtlichen Korrekturmöglichkeiten beim Grundstücksverkäufer abhängt, bleiben für die Festsetzung der „§ 13b-Steuer“ allein die AO-rechtlichen Korrekturmöglichkeiten beim Käufer entscheidend; und nach der Gesetzesbegründung sollten durch die Korrekturen in § 9 Abs. 3 S. 2 sowie § 13b Abs. 1 Nr. 3 UStG Steuerausfälle verhindert werden.
3. Relevanz für die Beratungspraxis
Für Grundstücksverkäufe ist die vorliegende Entscheidung eine Zäsur in der bisherigen Besteuerungspraxis. Zwar hatte die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 1.10.10 (BStBl I 10, 768) seinerzeit die generelle Möglichkeit einer nachträglichen Option i. S. v. § 9 UStG durch Beschränkung auf die Zeit bis zur formellen Bestandskraft bereits drastisch verkürzt (zuvor wurde ja noch auf die deutlich „großzügigere“ materielle Bestandskraft abgestellt). Diese Fristverkürzung war jüngst aber noch vom BFH als unzutreffend verworfen worden (BFH 19.12.13, V R 6/12). Eine Stellungnahme der Finanzverwaltung stand hier bislang aus.
PRAXISHINWEIS | Für den speziellen Fall der Option bei Grundstücksverkäufen verschärft nun der XI. Senat die bisherige Frist noch weiter. Er lehnt ganz generell jegliche nachträgliche Optionserklärung oder -korrektur ab, auch wenn hierfür von den Vertragsparteien erneut der Notar bemüht wurde. Da dies über die bisherige „Verschärfung“ des BMF noch hinausgeht, ist mit einer entsprechenden Übergangsregelung zu rechnen. |
Relevanz hat die Problematik der Option bei Grundstücksverkaufsumsätzen wegen der damit einhergehenden Vorsteuer- und Vorsteuerkorrekturfolgen vor allem, soweit die Einordnung des Übertragungsvorgangs als GiG (§ 1 Abs. 1a UStG) im Raum steht: Denn gingen die Parteien bislang von einer nicht steuerbaren (aber gem. § 15a Abs. 10 UStG „vorsteuerschonenden“) GiG aus und stellt sich dies später als unzutreffend heraus, so wäre eine „nachträgliche Optionsmöglichkeit zur Umsatzsteuerpflicht“ aus Sicht des Veräußerers wünschenswert.
Während für solche Fälle seit dem o. g. BMF-Schreiben vom 1.10.10 in der Praxis fristwahrend eine vorsorgliche Option empfohlen wurde, schien diese Vorgehensweise seit der Verwerfung der formellen Bestandskraft als Fristende durch die BFH-Entscheidung vom 19.12.13 (a. a. O.) wieder entbehrlich geworden zu sein. Diese „zeitliche Gelassenheit“ gehört nun wieder der Vergangenheit an, sodass die vorsorgliche Option und die hierzu ergangenen Weisungen des BMF vom 23.10.13 (a. a. O.) in Fällen der einvernehmlichen Annahme einer GiG wieder aktuell sind.
GESTALTUNGSHINWEIS | Um eine solche „vorsorgliche Option“ im Sinne der Verwaltungssichtweise „unbedingt“ und damit wirksam ausüben zu können, bedarf es einer (auf den ersten Blick widersprüchlichen) „Doppelerklärung“. Darin gehen die Parteien zwar einvernehmlich von einer GiG aus, der Veräußerer erklärt gleichwohl „schon jetzt unbedingt die Option i. S. v. § 9 UStG“.
War die Annahme der GiG nämlich zutreffend, so war die Optionserklärung (da rechtsfehlerhaft und mangels Steuerausweis i. S. v. § 14c UStG auch ohne Steuerschuldnerschaftsfolgen) bedeutungslos. Verneinte das FA dagegen bei einer späteren Prüfung die Einschlägigkeit von § 1 Abs. 1a UStG, so greift rückwirkend (von Anfang an) die Optionserklärung. Dieser juristischen Spitzfindigkeit bedarf es angesichts der jüngsten BFH-Entscheidung nun bei Grundstücksverkäufen wieder. |
3.1 Wichtiges zum Grundstücksverkauf versus GiG
Im vorliegenden Fall scheiterte die von den Beteiligten im FG-Verfahren ins Feld geführte GiG an der Besonderheit der umsatzsteuerlichen Organschaft, die das an seine Organschaftstochter vermietende Unternehmen aufgrund der Qualifizierung der Vermietung als „Innenumsätze“ nicht als „umsatzsteuerlichen Vermieter“ ansieht (vgl. hierzu BFH 6.5.10, V R 26/09). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf einen weiteren Positionswechsel bei der Rechtsprechung zur GiG durch die jüngste BFH-Rechtsprechung:
Bislang lehnte der BFH beim Verkauf von Vermietungsgrundstücken durch einen Bauträger die Einordnung als GiG i. S. v. § 1 Abs. 1a UStG in der Regel mit folgender Begründung ab: Ein Bauträger könne mit dem fraglichen Grundstück - da sein Geschäftsmodell nicht auf die Grundstücksvermietung, sondern auf die veräußerungsbezogene Grundstücksverwertung abziele - selbst dann kein „Vermietungsunternehmen“ auf den in Vermietungsabsicht erwerbenden Käufer übertragen, wenn der Bauträger für die Immobilie bereits Mieter gefunden und Mietverträge abgeschlossen habe.
Diese Sichtweise hat der BFH nun aufgeweicht und entschieden: Auch ein Bauträger, der eine Immobilie erwirbt, saniert und über mehrere Jahre sukzessive bereits weitgehend vermietet hat, kann „mit zunehmender Vermietungsdauer bereits selbst einen auf Vermietung gerichteten unternehmerischen Nutzungszusammenhang schaffen“, der bei seiner (unverändert bestehenden planmäßigen) Veräußerung zu einer als GiG einzuordnenden „Übertragung eines Vermietungsobjektest“ führt (vgl. BFH 12.8.15, XI R 16/14).
Beachten Sie | Dies hat den potenziellen Anwendungsradius einer GiG beim Grundstücksverkauf zwar dem Grunde nach vergrößert. Zugleich sind aber auch die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Steuerbarkeit und GiG (und damit auch die Problematik der „vorsorglichen Option“) wieder gestiegen.
3.2 Wichtiges zur Optionsfrist jenseits von Grundstücksverkäufen
Die „verschärfte Sichtweise“ des BFH betraf die Optionsmöglichkeit bei Grundstücksverkäufen, was die Frage zur Optionsfrist in den übrigen Fällen aufwirft. Erfreulicherweise hat der BFH sich in einem „obiter dictum“ auch hierzu explizit geäußert:
Demnach bestätigt der XI. Senat in der grundsätzlichen Frage der Optionsfrist (jenseits der Besonderheit des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG) ausdrücklich (vgl. Rn. 56 ff.) die Ansicht des V. Senats, wonach die erstmalige (nachträgliche) Ausübung der Option wie der spätere Optionswiderruf auch noch jenseits der formellen Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung möglich ist, soweit die AO noch eine Berichtigung - z. B. nach § 164 AO - zulässt. Demnach kommt bei den in der Praxis gleichfalls wichtigen „Optionssachverhalten“ der im Grundsatz steuerfreien Grundstücksvermietungsleistungen, verzinslichen Darlehensvergaben (z. B. im Konzern) oder Gesellschaftsanteilsveräußerungen meist auch noch längerfristig ein nachträgliches Wahlrecht in Betracht.
PRAXISHINWEIS | Die Finanzverwaltung hat hinsichtlich ihrer Stellungnahme zur BFH-Entscheidung vom 19.12.13 (V R 6/12) wohl den Ausgang des nun entschiedenen Revisionsverfahrens abwarten wollen; demnach darf man nun auf die Reaktion des BMF gespannt sein. |