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  • · Fachbeitrag · Vermögensübertragungen

    „Verspätete“ Anteilsvereinigung als Steuerfalle: Trotz Schenkungsteuerpflicht fällt auch GrESt an

    von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart

    | Eine böse Überraschung erlebte ein vermögender Steuerpflichtiger, der schon zu Lebzeiten einen Teil seines Vermögens auf seine vier Kinder übertragen wollte. Der Pferdefuß bei der Sache war allerdings, dass er die Kontrolle über das übertragene Vermögen weiter behalten wollte. Der BFH entschied in diesem Zusammenhang, dass es grunderwerbsteuerpflichtig sei, einen schenkweise erhaltenen Anteil an einer „Grundstücks-GmbH“ in einem weiteren Schritt in eine KG einzubringen ( BFH 22.2.17, II R 52/14, Abruf-Nr. 193271 ). |

     

    Sachverhalt

    A war Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH. Er teilte seinen Geschäftsanteil an der GmbH in vier gleich große Teilanteile auf und verschenkte diese im Wege vorweggenommener Erbfolge an seine vier Töchter.

     

     

    Gleichzeitig verpflichtete er die Töchter, innerhalb einer dreimonatigen Frist nach Erhalt der Schenkung die übertragenen Geschäftsanteile in eine GmbH & Co. KG einzubringen. Dies taten die Töchter auch. Für die Einbringung erhielten sie keine Gegenleistung. Der Wert der Anteile wurde auf einem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagekonto der KG gebucht.

     

     

    Für die Einbringung setzte das FA Grunderwerbsteuer fest und bekam sowohl vom FG als auch vom BFH Recht.

     

    Anmerkungen

    Nach Ansicht des BFH war der Einbringungsvorgang der GmbH-Anteile in die KG ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Danach unterliegt der Grunderwerbsteuer auch ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden.

     

    MERKE | Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Der Einbringungsvertrag, den die Töchter abgeschlossen haben, begründet den Anspruch auf Übertragung sämtlicher Anteile an der grundbesitzenden GmbH. Danach war die GmbH & Co. KG alleinige Anteilseignerin der grundbesitzenden GmbH und hat somit zumindest fiktiv das Grundstück der GmbH erworben.

     

    Eine Grunderwerbsteuerbefreiung liegt nicht vor. Zwar sind nach § 3 Abs. 2 S. 1 Grundstücksschenkungen unter Lebenden i. S. d. ErbStG von der Besteuerung ausgenommen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG ist dabei grundsätzlich auch auf die fiktive Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG anzuwenden, die auf einer schenkweisen Übertragung von Gesellschaftsanteilen beruht.

     

    MERKE | An einer Doppelbelastung mit Grunderwerb- und Schenkungsteuer fehlt es indes, wenn die Zuwendung des Gesellschaftsanteils für sich noch keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG auslöst. Da die Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer an einzelne Rechtsvorgänge anknüpft, ist dabei jeder einzelne Vorgang isoliert zu betrachten.

     

    Das heißt, wird erst nach der Schenkung der Anteile aufgrund weiterer Rechtsvorgänge der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG erfüllt, ist eine Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG über seinen Wortlaut hinaus nicht gerechtfertigt. In diesen Fällen unterliegt nicht derselbe Rechtsvorgang sowohl der Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer. Vielmehr unterliegen unterschiedliche Rechtsvorgänge (zum einen) der Schenkungsteuer und (zum anderen) der Grunderwerbsteuer.

     

    Beachten Sie | Abgelehnt hat der BFH auch die Anwendung der Billigkeitsregelung des § 5 Abs. 1 GrEStG. Danach wird die Steuer nicht erhoben, wenn ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand übergeht, und zwar soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. § 5 GrEStG ist zwar grundsätzlich auf alle steuerbaren Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG anwendbar, also auch auf die fiktiven Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG. Nicht anwendbar ist § 5 GrEStG aber auf eine erst in der Person der Gesamthand eintretende Anteilsvereinigung.

     

    § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG stellen den Übergang von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft einem Grundstückserwerb gleich. Diese grunderwerbsteuerrechtliche Fiktion rechtfertigt es, bei einer Übertragung aller (bereits vereinigten) Anteile auf eine Gesamthand die Steuervergünstigung des § 5 GrEStG zu gewähren. In den Fällen der Anteilsvereinigung in der Hand der Gesamthandsgemeinschaft wird hingegen nicht ein Grundstückserwerb von den einbringenden Gesellschaftern, sondern ein Grundstückserwerb von der grundbesitzenden Gesellschaft fingiert. Dieser (fiktive) Grundstückserwerb kann nicht dem Erwerb von Miteigentumsanteilen i. S. d. § 5 Abs. 1 GrEStG gleichgestellt werden.

     

    Denkbare Gestaltungsalternative

    Die doppelte Steuerbelastung mit Schenkung- und Grunderwerbsteuer kommt im vorliegenden Fall zustande, weil der Vater zunächst die GmbH-Anteile schenkungsteuerpflichtig an seine Töchter verschenkt hat. Diese haben sodann aufgrund einer eigenständigen zweiten Willensentscheidung die erhaltenen Anteile in eine GmbH & Co. KG eingebracht, dadurch die 95 %- Grenze des § 1 Abs. 3 GrEStG erreicht und damit Grunderwerbsteuer ausgelöst. Fraglich ist, ob die Grunderwerbsteuer hier durch einen anderen Weg hätte vermieden werden können.

     

    GESTALTUNGSHINWEIS | Denkbar wäre, dass der Vater die grundstücksverwaltende GmbH zunächst in eine GmbH & Co. KG umgewandelt hätte. Nach dem Beschluss des BFH vom 4.12.96 (II B 116/96, BStBl II 97, 661) führt der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft oder umgekehrt ‒ mangels zivilrechtlicher Vermögensübertragung ‒ zu keiner grunderwerbsteuerlichen Belastung (vgl. Kühn in: GStB 03, 455 ff.).

     

    In einem zweiten Schritt wäre dann den Töchtern ein 25%iger Mitunternehmeranteil an der KG ‒ schenkungsteuerpflichtig ‒ übertragen worden. Hier wäre die Grunderwerbsteuer nicht angefallen, da die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 S. 1 GrEStG einer Doppelbelastung eines Rechtsvorgangs sowohl mit Schenkung- als auch mit Grunderwerbsteuer einen Riegel vorschiebt.

     

    Beachten Sie | In diesem Fall hätte der Vater auch das Tagesgeschäft der KG weiter beeinflussen können, denn er hätte als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH eine starke Position innegehabt. Das Hauptziel der ganzen Aktion, nämlich den Freibetrag nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ‒ nach einer zehnjährigen Wartefrist ‒ mehrfach ausnützen zu können, wäre gleichwohl erreicht worden.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2017 | Seite 351 | ID 44737015