· Fachbeitrag · Auslandstätigkeit
Seit August 2015 gelten verbesserte Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen
| Die unzähligen Flüchtlinge stellen ein neues Beschäftigungspotenzial dar, das vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels interessant scheint. Doch noch herrscht Unsicherheit, wann Arbeitgeber wen anstellen dürfen. Die Bundesregierung hat die Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zwar erweitert, doch ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bleibt es schwierig. Nachfolgend erfahren Arbeitgeber, was sie arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlich bei der Anstellung von Flüchtlingen beachten müssen. |
Arbeitsrecht: Status ist entscheidend
Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis von Flüchtlingen ist in vielen Einzelgesetzen geregelt, insbesondere im Asylverfahrensgesetz [AsylVfG], im Aufenthaltsgesetz [AufenthG] sowie in der Beschäftigungsverordnung [BeschV]. Die Beschäftigungsmöglichkeiten von Flüchtlingen hängen von deren Aufenthaltstatus ab. Drei Statusstufen lassen sich herausstellen:
Prüfungsschema / Status des Flüchtlings | |
Das Asylverfahren ist noch nicht abgeschlossen (Dauer im Durchschnitt 5,3 Monate laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). | |
Über den Asylantrag wurde positiv entschieden. | |
| Asylantrag wurde abgelehnt. Der Flüchtling darf zunächst nicht abgeschoben werden. |
Grundsatz: Arbeitserlaubnis und Vorrangprüfung
Bevor ein deutscher Arbeitgeber einen ausländischen Flüchtling anstellt, muss er sich von ihm Dokumente über dessen Status vorlegen lassen. Denn der Status entscheidet über die Beschäftigungsmöglichkeit:
- Anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis - diese beinhaltet eine Arbeitserlaubnis - dürfen ohne weiteres in Deutschland arbeiten.
- Asylsuchende vor Abschluss ihres Verfahrens sowie abgelehnte Personen mit Duldung brauchen eine gesonderte Arbeitserlaubnis. Diese muss bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Die Ausländerbehörde holt in vielen Fällen zusätzlich die Genehmigung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit ein (www.arbeitsagentur.de\zav).
Checkliste / Wann Flüchtlinge arbeiten dürfen | ||
Status | Voraussetzungen für eine Beschäftigung | Konsequenz |
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Wichtig | Im Hinblick auf die Arbeitsmarktprüfung muss der Arbeitgeber über das Arbeitsentgelt, die Arbeitszeiten und die Arbeitsbedingungen informieren (§ 39 Abs. 2 S. 3 AufenthG).
Ausnahmen: Erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt
Die einschlägigen Verordnungen sehen zahlreiche Ausnahmen vor, in denen Migranten und Flüchtlinge schneller und leichter eine Arbeitserlaubnis erhalten sollen. Hier die für Arbeitgeber wichtigsten Fälle, in denen die Vorrangprüfung oder sogar die Zustimmung der Ausländerbehörde entfallen kann:
- Hält sich ein Asylsuchender oder Geduldeter seit mindestens 15 Monaten ununterbrochen in Deutschland auf, entfällt die Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur (§ 32 Abs. 5 Nr. 2 BeschV). Leben diese Menschen bereits mindestens vier Jahre in Deutschland, wird die Arbeitsagentur bei der Entscheidung der Ausländerbehörde nicht mehr beteiligt (§ 32 Abs. 3 BeschV).
- Bei einem abgeschlossenen Hochschulstudium entfällt die Vorrangprüfung bereits nach drei Monaten (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 und § 2 Abs. 1 BeschV), wenn die Voraussetzungen für die „Blaue Karte EU“ vorliegen:
- Deutscher oder vergleichbarer ausländischer Hochschulabschluss.
- Vorlage eines Arbeitsvertrags oder verbindlichen Arbeitsplatzangebots.
PRAXISHINWEIS | Details zur „Blauen Karte EU“ erteilen die Ausländerbehörden der Gemeinden oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (www.bamf.de). |
- Die Vorrangprüfung entfällt ebenfalls bereits nach drei Monaten für Fachkräfte, die eine anerkannte Ausbildung in einem „Engpassberuf“ nach der Positivliste der Bundesarbeitsagentur haben (§ 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BeschV).
PRAXISHINWEIS | Die Positivliste der Arbeitsagentur finden Sie auf lgp.iww.de unter der Abruf-Nr. 145428. Nähere Infos erhalten Sie unter www.arbeitsagentur.de. |
- Seit 1. August 2015 können ausländische Personen mit Vorqualifikation eine Aufenthaltserlaubnis für 18 Monate erhalten, um durch das Absolvieren einer Bildungsmaßnahme und einer Prüfung ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse in Deutschland anerkennen zu lassen (§ 17a AufenthG). Wird die Bildungsmaßnahme überwiegend betrieblich durchgeführt, ist die Zustimmung der Arbeitsagentur, jedoch keine Vorrangprüfung erforderlich.
- Wichtig | Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer von der Bildungsmaßnahme unabhängigen Tätigkeit von bis zu zehn Stunden pro Woche (§ 17a Abs. 1, Abs. 3 AufenthG, § 8 Abs. 2 BeschV).
- Die Zustimmung entfällt für Studierende oder Schüler ausländischer Hochschulen und Fachschulen, wenn sie nicht länger als 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten tätig werden und von der Bundesagentur für Arbeit vermittelt wurden (§ 14 Abs. 2 BeschV).
- Ohne Zustimmung können ausländische Arbeitnehmer als Saisonkräfte in der Land- und Forstwirtschaft, im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Obst- und Gemüseverarbeitung tätig werden, sofern
- ein Aufenthaltstitel vorliegt,
- die wöchentliche Arbeitszeit mindestens 30 Stunden sowie die tägliche Arbeitszeit durchschnittlich sechs Stunden beträgt,
- die Beschäftigung nicht länger als sechs Monate dauert und
- es eine Absprache zwischen der Bundesagentur für Arbeit mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes gibt (§ 15a BeschV).
- Erleichterten Zugang erhalten auch Führungskräfte, insbesondere Gesellschafter mit Vertretungsbefugnis, leitende Angestellte und Personen mit unternehmensspezifischen Spezialkenntnissen (§ 3 und § 4 BeschV).
- Nachgezogene Ehegatten von anerkannten Flüchtlingen erhalten sofort einen Aufenthalts- und Arbeitstitel (§ 27 Abs. 5 AufenthG).
PRAXISHINWEIS | Neben diesen Zugangserleichterungen gibt es zahlreiche andere. Insofern ist für den Arbeitgeber die Vorlage des Aufenthalttitels wichtig. Er muss auch prüfen, ob darin Beschränkungen der Arbeitserlaubnis enthalten sind. |
Wichtig | Auf zwei Besonderheiten sei noch hingewiesen:
- Asylsuchende und Geduldete dürfen in der Zeitarbeit erst nach vierjährigen Aufenthalt in Deutschland beschäftigt werden (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
- Die „Residenzpflicht“ wurde gelockert: Nach drei Monaten Aufenthalt dürfen Asylsuchende in ganz Deutschland eine Beschäftigung oder Ausbildung aufnehmen (§ 56 AsylVfG).
Besonderheiten für Ausbildungsstellen und Praktika
Gerade im Handwerk konnten in diesem Herbst viele Ausbildungsstellen nicht mit deutschen Lehrlingen besetzt werden. Deshalb überlegen viele Betriebe, ob sie Asylsuchende oder Geduldete einstellen sollen. Hier gilt Folgendes:
- Asylsuchende können eine betriebliche Berufsausbildung oder duale Ausbildung ab dem vierten Monat nach ihrer Ankunft in Deutschland beginnen.
- Geduldete dürfen, wenn kein Arbeitsverbot vorliegt, ab der Erteilung der Duldung durch die zuständige Ausländerbehörde eine betriebliche Berufsausbildung beginnen.
PRAXISHINWEIS | Unternehmen müssen für jeden einzelnen Auszubildenden, der Asylsuchender oder Geduldeter ist, bei der Ausländerbehörde eine Beschäftigungserlaubnis beantragen. Die Zustimmung der Arbeitsagentur ist nicht erforderlich. |
Wichtig | Seit dem 1. August 2015 wird die Duldung bei Aufnahme einer Berufsausbildung erstmals für ein Jahr erteilt. Danach kann sie für jeweils ein Jahr verlängert werden, wenn damit zu rechnen, dass die Ausbildung in einem angemessenen Zeitraum beendet wird. Bei Beginn der Ausbildung darf der Auszubildende noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben. Außerdem darf er nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat kommen. Sichere Herkunftsländer sind gegenwärtig neben den Mitgliedstaaten der EU die Staaten Bosnien und Herzegowina, Serbien, Mazedonien, Senegal und Ghana.
Zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung von Asylsuchenden und Geduldeten kann der Arbeitgeber folgende Fördermöglichkeiten nutzen:
Prüfschema / Maßnahmen zu Vorbereitung Asylsuchender und Geduldeter auf eine Berufsausbildung | ||
Maßnahme | Art | Konsequenz |
Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III | Fähigkeiten und Fertigkeiten werden über die Zeit von sechs bis zwölf Monate vermittelt. | Genehmigung muss bei Ausländerbehörde beantragt werden. Bundesagentur muss nicht mehr zustimmen. Die Maßnahme muss vor Beginn bei der Agentur für Arbeit beantragt werden. |
Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III | Es wird geprüft, welche beruflichen Kenntnisse bereits vorhanden sind und was noch vermittelt werden muss. Diese Maßnahme darf nicht länger als sechs Wochen dauern. | Genehmigung der Ausländerbehörde ist nicht erforderlich. Asylsuchende und Geduldete dürfen erst nach einer Wartezeit von drei Monaten daran teilnehmen. Die Maßnahme muss bei der Agentur für Arbeit beantragt werden. |
Förderung der beruflichen Weiterbildung | Asylsuchende und Geduldete werden weitergebildet oder umgeschult. | Die Ausländerbehörde muss eine Erlaubnis erteilen. Die Zustimmung der Bundesagentur entfällt, wenn die Umschulung oder Fortbildung auf den Abschluss in einem Ausbildungsberuf gerichtet ist. |
Wichtig | Deutsche Arbeitgeber müssen auch beschäftigten Flüchtlingen grundsätzlich den Mindestlohn zahlen. Bei allen von der Arbeitsagentur geförderten Praktika gilt hingegen kein Mindestlohn (§ 22 MiloG).
PRAXISHINWEIS | Einen Gesamtüberblick zu betrieblichen Tätigkeiten und Praktika finden Sie unter www.arbeitsagentur.de/Unternehmen unter dem Stichwort „Potentiale nutzen - geflüchtete Menschen beschäftigen“. Arbeitgeber müssen bei der Beschäftigung von noch nicht anerkannten Asylbewerbern das Risiko einplanen, dass selbst bei einer Duldung oder befristeten Arbeitserlaubnis eine spätere Abschiebung droht und sie diesen Arbeitnehmer dann verlieren können. Davor schützt keine Ausbildung, kein Studium und kein Arbeitsvertrag. |
Sozialversicherung richtig anmelden
Wie bei allen anderen Arbeitnehmern, die eine Beschäftigung aufnehmen, ist bei Flüchtlingen zu prüfen, ob Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung besteht. Hier ist auf Folgendes zu achten:
- Beschäftigungslose Flüchtlinge sind innerhalb der ersten 15 Monate in Deutschland grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert. Sie haben nur einen Anspruch auf medizinische Notversorgung. Beim Anstellungsbeginn muss der dann versicherungspflichtige Beschäftigte seinem Arbeitgeber unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung seiner Krankenkasse vorlegen (§ 175 Abs. 3 SGB V). Legt er sie nicht innerhalb von zwei Wochen vor, muss der Arbeitgeber ihn bei der Krankenkasse anmelden, bei der er zuletzt versichert war, oder bei einer von ihm gewählten (§ 173 SGB V). Übt auch der Arbeitgeber das Wahlrecht nicht aus, erfolgt die Zuweisung zu einer Krankenkasse aufgrund der letzten zwei Ziffern der Betriebsnummer.
- Werden noch nicht anerkannte Asylbewerber oder Geduldete bis zu 450 Euro als Minijobber beschäftigt, muss der Arbeitgeber keinen Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung abführen.
- Nicht anerkannte Flüchtlinge können keine kurzfristige Beschäftigung ausüben. Bei ihnen wird Berufsmäßigkeit unterstellt, weil die Beschäftigung für sie nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Verdienen sie also mehr als 450 Euro im Monat, sind sie normal anzumelden.
So vermeiden Arbeitgeber lohnsteuerliche Probleme
ELStAM gilt auch bei der Beschäftigung von Flüchtlingen. Die Bildung der Steuer-Identifikationsnummer (IdNr.) wird durch das BZSt und damit die Bildung der ELStAM automatisch angestoßen, sobald sich ein Flüchtling erstmals bei einer Gemeindeverwaltung anmeldet. Kann der Arbeitgeber beim Beschäftigungsbeginn noch keine ELStAM abrufen, muss er wie folgt vorgehen:
- Der beschäftigte Flüchtling muss eine Ersatzbescheinigung bei seinem Wohnsitzfinanzamt beantragen (§ 39e Abs. 8 EStG). Unter deren Ordnungsmerkmal kann der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug vornehmen. Für die Steuerklasse 1 kann auch der Arbeitgeber die Bescheinigung anstoßen. Der Beschäftigungsbeginn ist zudem ein konkreter steuerlicher Anlass, für den das Finanzamt die Bildung der IdNr. anstoßen kann.
- Fehlt die IdNr. unverschuldet, kann der Arbeitgeber bis zu drei Monate die voraussichtlichen familiengerechten Lohnsteuerabzugsmerkmale anwenden und nach Abruf der ELStAM den Lohnsteuerabzug eventuell korrigieren (§ 39c Abs. 1 Sätze 2 bis 5 EStG). Bei Zweifeln sollte er die Steuerklasse 6 anwenden und später anhand ELStAM korrigieren (§ 39c Abs. 2 EStG).
PRAXISHINWEIS | Alle wichtigen Informationen erhalten Sie auf www.elster.de im Arbeitgeberbereich unter FAQ zur elektronischen Lohnsteuerkarte. |