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  • · Fachbeitrag · Lohnfortzahlung

    Corona-Virus: Die Antworten auf die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen im Überblick

    | Das Corona-Virus legt die Welt lahm. Viele arbeitsrechtliche Fragen stehen im Raum: Wann besteht die Pflicht zur Arbeit? Wann zur Lohnzahlung? Wie ist es mit Home Office? Wie mit Überstunden? Welche Rechte gelten bei Betriebsschließung? Die Antworten auf die FAQ finden Sie im Überblick. |

     

    • Arbeitspflicht des Arbeitnehmers

    Nicht erkrankte Arbeitnehmer sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmern allerdings auch andere Aufgaben zuweisen. Das fällt unter sein Direktionsrecht. Er kann auch Überstunden anordnen, weil es sich um einen „außergewöhnlichen Fall“ handelt.

    Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und Leistungsverweigerungsrecht

    In der Praxis stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie COVID-19 ein Leistungsverweigerungsrecht hat, etwa wegen Angst vor Ansteckungen. Das ist nur der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unzumutbar wäre. Grundlage ist § 275 Abs. 3 BGB.

    • Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt, dass die Erbringung der Arbeitsleistung unzumutbar ist, wenn sie mit erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit einhergeht (BAG, Urteil vom 22.10.2015 Az. 2 AZR 569/14, Abruf-Nr. 185984). Ein allgemeines Ansteckungsrisiko liegt darunter und dürfte daher nicht als Grund reichen. Ebenso wenig die Warnungen des RKI, der WHO und der Bundesregierung vor COVID-19-Erkrankungen.
    • Der Arbeitnehmer kann aber ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB haben, wenn der Arbeitgeber seine Schutzpflichten nicht erfüllt (hier: seine Pflicht zu Schutzmaßnahmen, § 618 BGB).

    Keine Arbeitspflicht besteht in folgenden Fällen:

    • Der Arbeitnehmer ist arbeitsunfähig erkrankt.
    • Sein Kind ist erkrankt:
      • Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 SGB V vor (ärztliches Zeugnis, keine andere Betreuungsmöglichkeit, Kind unter 12 Jahren oder behindert), dann besteht ohne Interessenabwägung ein Freistellungsanspruch von zehn Tagen pro Kalenderjahr; Alleinerziehende haben 20 Tage pro Kalenderjahr.
      • Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 SGB V nicht vor, ist § 275 Abs. 3 BGB zu prüfen.
    • Behördliche Anordnung von Quarantäne (§ 30 IfSG) oder berufliches Tätigkeitsverbot (§ 31 IfSG): § 275 Abs. 1 BGB
    • Schließung Schule/Kindergarten/Kita:
      • Ist bei der Schließung von Schule/Kindergarten/Kita unter Berücksichtigung des Alters der Kinder eine Betreuung erforderlich, müssen die Eltern zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen (z. B. Betreuung durch anderen Elternteil). Kann die erforderliche Kinderbetreuung nicht sichergestellt werden, dürfte in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen, weil die Leistungserfüllung unzumutbar sein dürfte (§ 275 Abs. 3 BGB). In diesen Fällen wird der Arbeitnehmer von der Pflicht, seine Leistung zu erbringen, frei. Er muss also nicht Urlaub nehmen.
      • Der Arbeitnehmer hat bei einem Leistungsverweigerungsrecht aus persönlichen Verhinderungsgründen nur einen begrenzten Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Der Anspruch ergibt sich aus § 616 BGB für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit. Der Anspruch aus § 616 BGB kann aber durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.
    Home Office
    • Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Arbeiten im Home Office. Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht nicht. Umgekehrt ist der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, im Home Office zu arbeiten.
    • Eine Ausnahme gilt dann, wenn es vertraglich vereinbart ist. Die Option kann sich zudem aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben.
    • Der Arbeitgeber kann Home Office auch anordnen.
    Überstunden
    • Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nur dann verpflichtet, Überstunden zu leisten, wenn sich dies aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag ergibt. Eine Nebenpflicht, Überstunden zu leisten, kann bestehen, wenn durch die geforderten Überstunden ein sonst dem Arbeitgeber drohender Schaden vermieden wird, der auf andere Weise nicht abgewendet werden kann. Dies ist der Fall, wenn es etwa aufgrund von COVID-19-Erkrankungen zu erheblichen Personalausfällen kommt.
    • Hinsichtlich der Bezahlung von Überstunden gilt: Besteht keine arbeits- oder kollektivvertragliche Bestimmung über die Bezahlung der Überstunden, kann der Arbeitnehmer die Grundvergütung für die Überstunden verlangen (§ 612 BGB). Der Anspruch auf Vergütung setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet hat und dass sie jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.
     

     

    • Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers

    Der Arbeitgeber hat weiter die Pflicht, nicht erkrankte Arbeitnehmer zu beschäftigen. Nicht erkrankte Arbeitnehmer sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

    Freistellungsrecht
    • In der Praxis stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber ein Freistellungsrecht hat. Hier ist eine Interessenabwägung geboten zwischen Freistellungsinteresse und Interesse an vertragsgemäßer Beschäftigung.
    • Das Freistellungsinteresse überwiegt bei einer Gesundheitsgefahr.
    Urlaubsanordnung
    • Der Arbeitgeber kann nicht einseitig Urlaub beim Arbeitnehmer anordnen. Das ist nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer zulässig.
    Betriebsferien
    • Ggf. kann der Arbeitgeber Betriebsferien bei vorübergehender Schließung des Betriebs anordnen (in Unternehmen mit Betriebsrat: Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG).
     
    • Vergütungspflicht des Arbeitgebers

    Der Arbeitgeber hat weiter die Pflicht, arbeitende Arbeitnehmer zu vergüten. Bleibt der Arbeitnehmer aus Frucht vor einer COVID-19-Erkrankung zu Hause, muss der Arbeitgeber ihn nicht weiter vergüten (§ 326 Abs. 1 BGB). Kann der Arbeitnehmer aufgrund von allgemein angeordneten Maßnahmen seinen (unbelasteten) Arbeitsplatz nicht erreichen und somit seine Arbeitsleistung nicht erbringen, hat er grundsätzlich keinen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung. Denn der Arbeitnehmer trägt das Risiko, dass er zum Betrieb als seinem Arbeitsort gelangt (Wegerisiko).

    Urlaubsentgelt bei Urlaub

    Nimmt der Arbeitnehmer Urlaub, erhält er Urlaubsentgelt.

    Lohnfortzahlung bei Auftragsmangel und/oder Betriebschließung
    • Kann der Arbeitgeber den arbeitsfähigen und arbeitsbereiten Arbeitnehmer aus Gründen nicht beschäftigen, die in seiner betrieblichen Sphäre liegen, muss er ihn weiter vergüten (Betriebs- bzw. Wirtschaftsrisiko, § 615 S. 3 BGB). Zu den Grünen zählen auch Auftragsmangel und/oder Betriebschließungen infolge der Corona-Krise. Die Arbeitnehmer behalten also in diesen Fällen ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können.
    • Für diese Konstellationen, in denen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer den Arbeitsausfall zu vertreten haben, können einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarungen Abweichendes regeln.
    Entschädigung bei behördlich angeordneter Betriebsschließung
    • Arbeitgeber müssen auch bei behördlich angeordneter Betriebsschließung wegen eines Betriebsrisiko des Arbeitgebers weiter den Lohn fortzahlen (z. B. Betrieb auf Personenkontakt ausgelegt wie Kaufhäuser oder Arztpraxen).
    • Die Lohnfortzahlungen können sie sich aber von der zuständigen Behörde erstatten lassen (§ 56 Abs. 5 S. 1 Infektionsschutzgesetz [IfSG]). Der Arbeitgeber muss einen Antrag bei der zuständigen Behörde einreichen (§ 56 Abs. 5 S. 2 IfSG). Der Arbeitgeber ist nach § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG zur Vorleistung der Lohnfortzahlung verpflichtet. Hat der Arbeitgeber nicht vorgeleistet, so kann auch der Arbeitnehmer bei der zuständigen Behörde den Antrag auf Lohnfortzahlung stellen (§ 56 Abs. 5 S. 3 IfSG).
    Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit
    • Ist der Arbeitnehmer infolge einer Infektion mit dem Corona-Virus arbeitsunfähig erkrankt und somit an seiner Arbeitsleistung verhindert, besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum von sechs Wochen (§ 3 EFZG). Danach hat der Arbeitnehmer, sofern er gesetzlich krankenversichert ist, Anspruch auf Krankengeld.
    • Arbeitnehmer mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege müssen wegen der bloßen Attestierung einer Arbeitsunfähigkeit nicht extra in die Praxis kommen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie weder in den letzten 14 Tagen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das neue Corona-Virus nachgewiesen wurde, noch sich in einem Gebiet aufgehalten haben, in dem gehäuft COVID-19-Fälle auftreten. Diese Regelung gilt auch für Kinder. In diesen Fällen dürfen Ärzte nach telefonischer Anamnese eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für bis zu sieben Tage ausstellen und dem Patienten per Post zusenden. Auf diese zeitlich befristete Ausnahmeregelung haben sich die KBV und der GKV-Spitzenverband heute geeinigt.
    Lohnfortzahlung bei Quarantäne
    • Gemäß § 56 Abs. 1 IfSG erhält derjenige, der als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern i. S. v. § 31 S. 2 IfSG beruflichen Tätigkeitsverboten unterliegt oder unterworfen ist und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, eine Entschädigung in Geld. Gilt auch für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert werden (Quarantäne)
    • Der Arbeitgeber zahlt für sechs Wochen die Entschädigung anstelle der zuständigen Behörde aus (§56 Abs. 5 IfSG). Er kann sich den Betrag von der zuständigen Behörde erstatten lassen (§ 56 Abs. 5 S. 1 IfSG). Dazu muss er einen Antrag bei der zuständigen Behörde einreichen (§ 56 Abs. 5 S. 2 IfSG).
    • Hat der Arbeitgeber nicht vorgeleistet, kann auch der Arbeitnehmer bei der zuständigen Behörde den Antrag auf Lohnfortzahlung stellen (§ 56 Abs. 5 S. 3 IfSG).
    • Bei Selbstständigen richtet sich der Anspruch auf Verdienstausfall nach dem Gewinn des letzten Kalenderjahres (§ 56 IfSG).
     
    Quelle: ID 46412921