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  • · Fachbeitrag · Mindestlohn

    Arbeitszeitkonten unter Geltung desMindestlohngesetzes richtig führen

    von Rechtsanwalt Martin Brilla, Aachen

    | Das Mindestlohngesetz hat erhebliche Auswirkungen auf betriebliche Arbeitszeitkonten. Insbesondere bei niedrigen Stundenentgelten sollten Arbeitgeber zur Vermeidung unliebsamer Konsequenzen interne Kontrollmechanismen einführen, um die neuen gesetzlichen Regelungen einzuhalten. „LGP“ fasst die Änderungen zusammen und gibt Handlungsempfehlungen. | 

    Sonderregelungen für Arbeitszeitkonten

    Grundsätzlich müssen Arbeitgeber den Mindestlohn spätestens am letzten Bankarbeitstag des Folgemonats zahlen (§ 2 Abs. 1 MiLoG). Für Arbeitszeitkonten gilt jedoch (§ 2 Abs. 2 MiLoG): Die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden, auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Plusstunden (nach Saldierung mit Minusstunden) müssen

    • innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung ausgeglichen werden, und zwar durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns;
    • bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens im Folgemonat ausgeglichen werden.

     

    Wichtig | Der Ausgleich innerhalb Jahresfrist ist nicht erforderlich, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt wurde (§ 2 Abs. 2 S. 1, 2. Halbs. MiLoG). Dazu sollte der Arbeitgeber per Schattenrechnung prüfen, ob das tatsächlich gezahlte und auf den Mindestlohn anrechenbare Monatseinkommen nach den tatsächlich geleisteten Stunden mindestens den darauf entfallenden Mindestlohnbetrag erreicht.

     

    • Beispiel Schattenrechnung

    Ein Arbeitgeber zahlt bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ein Monatsgehalt von brutto 1.600 Euro. Die Regelarbeitszeit beträgt 174 Stunden (40 x 13/3).

     

    • a) Werden in einem Monat 10 Überstunden geleistet, beträgt der Mindestlohn für die insgesamt geleisteten 184 Stunden ([174 + 10] x 8,50 Euro) 1.564 Euro. Da das gezahlte Arbeitsentgelt von 1.600 Euro höher ist als der Mindestlohn, dürfen die 10 Überstunden auch länger als 12 Monate im Arbeitszeitkonto verbleiben.

     

    • b) Bei 20 Überstunden in einem Monat (50 Prozent-Grenze noch eingehalten, siehe nächste Seite) ergibt sich aus den insgesamt 194 Stunden (174 + 20) ein Mindestlohn von 1.649 Euro (194 Stunden x 8,50 Euro). Da das Monatsgehalt von 1.600 Euro diesen Mindestlohn nicht erreicht, dürfen die Mehrarbeitsstunden, die über 14 Stunden hinausgehen (188 x 8,50 Euro = 1.598 Euro, davon 174 Stunden Vertragsarbeitszeit), also 6 Mehrarbeitsstunden, maximal 12 Monate im Arbeitszeitkonto verbleiben.
     

    Beachten Sie | Auf das Arbeitszeitkonto dürfen monatlich nicht mehr als 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit eingestellt werden (§ 2 Abs. 2 S. 3 MiLoG). Darüber hinausgehende Überstunden sind nach der normalen Regelung des § 2 Abs. 1 MiLoG am Ende des Folgemonats auszuzahlen.

    PRAXISHINWEIS | Die Sonderregelungen gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen nach SGB IV (zum Beispiel im Rahmen von Altersteilzeit, Eltern- oder Pflegezeit) und vergleichbaren ausländischen Regelungen (§ 2 Abs. 3 MiLoG).

     

    Vorbeugende Maßnahmen

    Bei nur knapp über dem Mindestlohn liegenden Entgelten sollte der Arbeitgeber die Zeitkontenstände seiner Arbeitnehmer anhand einer „doppelten Arbeitszeit-Buchführung“ regelmäßig überprüfen, damit der Mindestlohn auch bei Mehrarbeit eingehalten wird. Nur so lassen sich Verstöße gegen das MiLoG und die negativen Folgen der sofortigen Ausgleichspflicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG vermeiden. Zur groben Orientierung, ob der kritische Bereich verlassen wird, kann folgende vereinfachte Kontrollrechnung dienen:

     

    • Kontrollrechnung

    Tatsächliches (mindestlohnrelevantes) Stundenentgelt

    =

    Vereinbartes Stundenentgelt x 12 (bezahlte) Monate

    Zahl der (tatsächlich) geleisteten Monate

     

    Demnach ist man - über den Daumen gepeilt - bei folgenden Stundenentgelten und Überstundenmargen auf der „sicheren Seite“:

     

    • Ab einem Stundenentgelt von 9,25 Euro kann man im Arbeitszeitkonto ein Zeitguthaben von etwa einem Monat vorhalten: 9,25 Euro x 12 : 13 = 8,54 Euro.
    • In der Praxis nicht seltene Arbeitszeitkonto-Salden von zwei Monatsarbeitszeiten sind ab circa 10 Euro möglich: 10 Euro x 12 : 14 = 8,57 Euro.

     

    Folgende zwei weitere Maßnahmen helfen vor unliebsamen Überraschungen:

     

    • Die 50 Prozent-Grenze des § 2 Abs. 2 S. 3 MiLoG muss vor allem bei Teilzeitbeschäftigten strikt beachtet werden. Die Einhaltung ist monatlich zu überprüfen. Überschießende Zeitguthaben müssen nach der normalen Fälligkeit des § 2 Abs. 1 MiLoG ausgezahlt werden. Ist ein vorübergehender stärkerer Bedarf absehbar, sollte der Arbeitgeber variierende anteilige Vertragsarbeitszeiten vereinbaren.

     

    • Bei niedriger Entlohnung sollte der Arbeitgeber vorsorglich vereinbaren, dass das Arbeitszeitkonto nach 12 Monaten automatisch auf Null gefahren wird. In den darauf folgenden 12 Monaten kann das Arbeitszeitkonto - im Rahmen der 50-Prozent-Grenze - wieder gefahrlos geführt werden. Besteht dennoch ein Zeitguthaben, sollte dies vergütet werden. Soweit Zeitschulden existieren und vom Arbeitnehmer zu verantworten sind, kann der Arbeitgeber sie vom Entgelt abziehen. Sind die Zeitschulden vom Arbeitgeber zu verantworten, verfallen sie ohne Kürzung (Annahmeverzug).
    Quelle: Ausgabe 04 / 2015 | Seite 67 | ID 43242872