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  • 05.06.2008 | Nachberechnung erforderlich

    Lohnabrechnung von Nachzahlungen für mehrere Monate – Achtung Abrechnungsfalle!

    von Steuer- und Rentenberater Alexander Ficht, Dreieich

    Werden Umsatzprovisionen oder Bonuszahlungen aufgrund betrieblicher Besonderheiten zusammengefasst für mehrere Monate gezahlt, kann es in der Praxis leicht passieren, dass zu wenig Umlagen U1 und U2 abgeführt werden. Das hat sich inzwischen auch bei den Prüfern der „Deutschen Rentenversicherung“ herumgesprochen. Seit einiger Zeit werden derartige Nachzahlungen deshalb immer öfters systematisch geprüft.  

    Abrechnung von laufendem Arbeitslohn

    Auf laufenden Arbeitslohn sind folgende Abgaben zu leisten: 

     

    • Die Lohnsteuer (je nach Steuerklasse) geht zulasten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber führt sie lediglich an das Finanzamt ab.

     

    • In der Sozialversicherung sind zunächst die jeweils hälftig vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu tragenden Beiträge zur Rentenversicherung (19,9 %), zur Arbeitslosenversicherung (3,3 %) sowie zur Krankenversicherung (Beitrag je nach Kasse) zu zahlen. Hinzu kommt seit dem 1. Juli 2005 der vom Arbeitnehmer allein zu leistende Sonderbeitrag für Krankengeld (0,4 %) und Zahnersatz (0,5 %). In der Pflegeversicherung gilt ein Beitrag von 1,7 % (1,95 % ab 1. Juli 2008) den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen. Zusätzlich zahlen kinderlose Arbeitnehmer, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, einen Zuschlag von 0,25 %.

     

    • Die Umlagen für Lohnfortzahlung zahlt der Arbeitgeber (U1 = Krankheit, Beitragspflicht bei weniger als 30 Mitarbeitern, und U2 = Mutterschutz). Die Betragssätze sind abhängig von Kasse und Tarif.

     

    Beispiel

    Ein Arbeitnehmer erhält ein laufendes Gehalt von monatlich 3.500 Euro. Er ist Single (Steuerklasse I), hat keine Kinder, gehört der AOK Hessen (14,9 %) an und ist nicht kirchensteuerpflichtig. Seine Lohnabrechnung sieht wie folgt aus: 

     

    Bruttoarbeitslohn 

    3.500,00 Euro 

    ./. Lohnsteuer 

    714,66 Euro 

    ./. Solidaritätszuschlag 

    39,30 Euro 

    ./. Beitrag Krankenversicherung (1/2 x 14,9 % + 0,9 %) 

    292,25 Euro 

    ./. Beitrag Pflegeversicherung (1/2 x 1,7 % + 0,25 %) 

    38,50 Euro 

    ./. Beitrag Rentenversicherung (1/2 x 19,5 %) 

    348,25 Euro 

    ./. Beitrag Arbeitslosenversicherung (1/2 x 3,3 %) 

    57,75 Euro 

    = Nettoverdienst des Arbeitnehmers 

    2.009,29 Euro 

     

    Aufwendungen des Arbeitgebers: 

    Beitrag Krankenversicherung (1/2 x 14,9 %) 

    260,75 Euro 

    + Beitrag Pflegeversicherung (1/2 x 1,7 %) 

    29,75 Euro 

    + Beitrag Rentenversicherung (1/2 x 19,5 %) 

    348,25 Euro 

    + Beitrag Arbeitslosenversicherung (1/2 x 3,3 %) 

    57,75 Euro 

    + Umlage U1 (3,9 % = Erstattungssatz 80%) 

    136,50 Euro 

    + Umlage U2 (0,05 %) 

    1,75 Euro 

    = Aufwendungen Sozialversicherung 

    834,75 Euro 

    + Bruttolohn 

    3.500,00 Euro 

    = Aufwendungen des Arbeitgebers insgesamt 

    4.334,75 Euro 

    Abrechnung von Einmalbezügen – keine Umlagepflicht

    Einmalbezüge werden abrechnungstechnisch auf die Entgeltzeiträume des laufenden Jahres bis einschließlich dem Zeitpunkt der Zahlung verteilt, wenn der Arbeitnehmer in der Zeit beim selben Arbeitgeber beschäftigt ist. Einmalbezüge sind zum Beispiel: 

     

    • Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld
    • Gewinnbeteiligungen und Gratifikationen
    • Jubiläumszuwendungen, Heirats- und Geburtsbeihilfen

     

    Für die Sozialversicherungsbeiträge werden Einmalbezüge in der Regel dem Gehaltsmonat zugeordnet, in dem sie ausgezahlt werden. Um zu ermitteln, ob und bis zu welcher Höhe für einen Einmalbezug Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen, muss die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze bis zu dem Monat ermittelt werden, in dem die Sonderzahlung stattfindet.  

     

    Grundlage dafür sind die so genannten Sozialversicherungstage. Die jährlichen Beitragsbemessungsgrenzen werden durch 360 geteilt und anschließend mit der Anzahl der bereits angefallenen Sozialversicherungstage multipliziert. Beitragsfreie Zeiten (zum Beispiel während des Bezugs von Krankengeld) sowie Beschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber werden nicht mitgezählt. 

     

    Erhalten die Mitarbeiter mehrere Einmalbezüge pro Jahr, zum Beispiel im Juli Urlaubs- und im November Weihnachtsgeld, muss für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht bei der Zahlung des Weihnachtsgelds die erste Sonderzahlung mit berücksichtigt werden: Sofern sie beitragspflichtig war, wird sie zum bereits erhaltenen laufenden Gehalt addiert. 

     

    Beispiel

    Ein Arbeitnehmer ist seit dem 1. Mai 2007 bei einer Firma A in Köln beschäftigt. Er verdient monatlich 3.500 Euro. Im Juli 2008 erhält er 1.000 Euro Urlaubsgeld und im November 2008 2.500 Euro Weihnachtsgeld.  

    Feststellung der Sozialversicherungspflicht beim Urlaubsgeld: 

     

    • 210 Sozialversicherungstage bis Ende Juli

     

    • Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze Krankenversicherung:
    43.200 Euro : 360 Tage x 210 Tage = 25.200 Euro

     

    • Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze Rentenversicherung:
    63.600 Euro : 360 Tage x 210 Tage = 37.100 Euro

     

    • Laufendes Gehalt bis einschließlich Juli 24.500 Euro

     

    Der Arbeitnehmer liegt für die Krankenversicherung 700 Euro und für die Rentenversicherung 12.600 Euro unter der Grenze . Für sein Urlaubsgeld bedeutet das, dass in der Krankenversicherung 700 Euro des Urlaubsgelds beitragspflichtig sind, die restlichen 300 Euro sind beitragsfrei. In der Rentenversicherung ist das gesamte Urlaubsgeld beitragspflichtig.  

     

    Feststellung der Sozialversicherungspflicht beim Weihnachtsgeld: 

     

    • 330 Sozialversicherungstage bis Ende November

     

    • Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze Krankenversicherung:
    43.200 Euro : 360 Tage x 330 Tage = 39.600 Euro

     

    • Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze Rentenversicherung:
    63.600 Euro : 360 Tage x 330 Tage = 58.300 Euro

     

    • Krankenversicherung: Laufendes Gehalt bis einschließlich November 38.500 Euro + beitragspflichtiger Anteil des Urlaubsgelds im Juli 700 Euro = Gesamteinkünfte in Höhe von 39.200 Euro. Damit liegt A 400 Euro unter der anteiligen Bemessungsgrenze für die Krankenversicherung (39.600 Euro).

     

    • Rentenversicherung: Laufendes Gehalt bis einschließlich November 38.500 Euro + beitragspflichtiges Urlaubsgeld im Juli 1.000 Euro = Gesamteinkünfte in Höhe von 39.500 Euro. Damit liegt A 18.800 Euro unter der Grenze für die Rentenversicherung (58.300 Euro).

     

    In der Krankenversicherung sind 400 Euro und in der Rentenversicherung ist das Weihnachtsgeld in vollem Umfang beitragspflichtig. 

    Sonderfall: Märzklausel

    Einmalbezüge, die im ersten Quartal eines Kalenderjahrs gezahlt werden, werden dem letzten Gehaltsmonat des vergangenen Jahres – also in der Regel dem Dezember – zugeordnet (Märzklausel), wenn 

    • im vergangenen Jahr bei demselben Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis bestanden hat und
    • wenn im aktuellen Kalenderjahr die Beitragsbemessungsgrenze zur Krankenversicherung überschritten wird.

     

    Beispiel

    Arbeitnehmer B ist seit dem 1. Oktober 2003 bei der Firma H beschäftigt. B verdient pro Monat 3.100 Euro. Im März 2008 erhält er eine Gratifikation in Höhe von 1.800 Euro. Sein laufendes Arbeitsentgelt bis einschließlich März 2008 beträgt 9.300 Euro. Zuzüglich des Einmalbezugs im März 2008 in Höhe von 1.800 Euro ergeben sich 2008 Gesamteinkünfte von 11.100 Euro.  

     

    Bei 90 Sozialversicherungstagen bis Ende März 2008 ergibt sich eine anteilige Jahresbemessungsgrenze für die Krankenversicherung in Höhe von  

    10.800 Euro (= 43.200 Euro : 360 Tage x 90 Tage). Die Gesamteinkünfte im ersten Quartal (= 11.100 Euro) übersteigen somit die anteilige Bemessungsgrenze um 300 Euro. Die Einmalzahlung im März muss also dem vorangegangenen Kalenderjahr (Abrechnungsmonat Dezember 2007) und nicht dem laufenden Kalenderjahr zugeordnet werden. 

    Wichtig: Auf Einmalbezüge sind keine Umlagen fällig. Für den Arbeitgeber besteht deshalb auch kein Erstattungsanspruch nach dem Aufwendungsausgleichgesetz (AAG). Das heißt: In den Antrag auf Erstattung ist der Einmalbezug nicht aufzunehmen (§ 23a SGB IV).  

     

    Unser Tipp: Einmalbezüge führen aber zu einem höheren Krankengeld, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer die Einmalzahlung ohne die Arbeitsunfähigkeit von seinem AG erhalten hätte (§ 47 Abs. 2 SGB V). 

    Nachzahlung von laufenden Bezügen

    Werden laufende Bezüge aufgrund betriebsinterner Besonderheiten zusammengefasst für mehrere Monate gezahlt, weil zum Beispiel für Bonuszahlungen und Umsatzprovisionen die entsprechenden Bemessungsgrundlagen erst später vorliegen, stellt sich die Frage, wie diese sporadischen „Nachzahlungen“ in der Lohnabrechnung zu behandeln sind.  

     

    In der Praxis wird dabei oft auf folgende Vereinfachungsregelung zurückgegriffen: Die Nachzahlungen werden wie Einmalbezüge behandelt, mit der Maßgabe, dass die anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenzen des Nachzahlungszeitraums zugrunde zu legen sind. 

     

    Nachzahlung bleibt laufendes Arbeitsentgelt

    Durch die Vereinfachungsregelung soll aber der Charakter der Nachzahlung als laufendes Arbeitsentgelt nicht berührt werden. Das heißt: Auf die Nachzahlung sind die Umlagen U1 (bei Beitragspflicht) und U2 fällig.  

     

    Und genau darin liegt das „abrechnungstechnische“ Problem der Vereinfachungsregelung. Wird für die Nachzahlung die Stammlohnart „Einmalbezug“ verwendet, werden keine Umlagen berechnet und abgeführt. Wird die Stammlohnart „laufender Bezug“ verwendet, wird der Betrag nicht auf den Nachzahlungszeitraum verteilt.  

     

    Folge: Weil der Einmalbezug über den Nachzahlungszeitraum verteilt werden soll, wird die Vereinfachungsregelung angewendet und deshalb die Stammlohnart „Einmalbezug“ verwendet. In der Praxis wird dann häufig die Einbeziehung der Umlagepflicht übersehen. Das hat sich inzwischen auch bei Prüfern der „Deutschen Rentenversicherung“ rumgesprochen. Seit einiger Zeit werden Nachzahlungen daher systematisch überprüft.  

     

    Auch wenn die Umlagesätze für sich genommen relativ gering sind, so liegt das quantitative Problem darin, dass es sich um einen systematischen Fehler handelt und somit eine Vielzahl von Fällen betroffen sind. Und Kleinvieh macht eben auch Mist. Selbst das am meisten verwendete DATEV-Lohnabrechnungsprogramm sieht hier keine „Standardlösung“ vor. Lohnabrechner müssen sich ihre Lösung deshalb selbst stricken.  

     

    Unser Tipp: Aufgrund der fehlenden programmtechnischen Lösung bietet sich folgendes Vorgehen an. Am Jahresende werden die Umlagenbeiträge mit Hilfe einer individuellen Exceltabelle manuell überprüft und korrigiert. Weil die Korrekturen für jede Krankenkasse vorzunehmen sind, ist dies im Einzelfall zwar zeitaufwendig, aber derzeit wohl die einzige Möglichkeit, eine Kumulierung von Beitragsnachzahlungen zum Zeitpunkt der Sozialversicherungsprüfung zu vermeiden. 

     

    Beispiel

    Die Arbeitnehmer A bis D sind alle bei der AOK Hessen versichert. Im Juni 2007 erhalten die Arbeitnehmer ihre jährliche Auszahlung aus dem Bonusprogramm. Diese wird als Einmalbezug abgerechnet. Die Nachzahlungen und der Jahresverdienst der Arbeitnehmer 

     

     

    Jahresverdienst 

    Nachzahlung 

    Arbeitnehmer A 

    42.000 Euro 

    3.500 Euro 

    Arbeitnehmer B 

    60.000 Euro 

    5.000 Euro 

    Arbeitnehmer C 

    65.000 Euro 

    3.500 Euro 

    Arbeitnehmer D 

    48.000 Euro 

    15.000 Euro 

    Zum Jahresende werden die Umlagebeträge nachberechnet. Dabei ist die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung (63.600 Euro) zugrunde zu legen (§ 7 Abs. 2 AAG): 

     

    Exceltabelle für Nachberechnung der Umlagen

    Umlagenberechnung auf Sonderzahlungen 

    Name der Krankenkasse 

    AOK Hessen 

     

     

     

     

     

     

     

    U1 

    U2 

     

     

     

     

     

     

     

    3,90 % 

    0,05 % 

    Pers.Nr. 

    Name 

    SV-Gehalt 

    2008 

    BMG-RV 

    2008 

    Differenz 

    Sonderzahlung 

    umlagepflichtige Differenz  

     

     

    Arbeitnehmer A 

    42.000 

    63.600 

    21.600 

    3.500 

    3.500 

    136,50 

    1,75 

    Arbeitnehmer B 

    60.000 

    63.600 

    3.600 

    5.000 

    3.600 

    140,40 

    1,80 

    Arbeitnehmer C 

    65.000 

    63.600 

    -1.400 

    3.500 

    0,00 

    0,00 

    Arbeitnehmer D 

    48.000 

    63.600 

    15.600 

    15.000 

    15.000 

    585,00 

    7,50 

     

    Summe 

     

     

     

     

     

    861,90 

    11,05 

    Unser Service: Sie finden das Berechnungsprogramm auch in „myIWW“ (www.iww.de) im „Online-Service“ unter „Arbeitshilfen und Checklisten“ Stichwort: „Sozialversicherung“. 

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2008 | Seite 97 | ID 119733