· Fachbeitrag · Betriebliche Altersversorgung/Pensionszusage
GGf bezieht gleichzeitig Leistungen aus bAV und Gehalt: Das ist die neue Sicht des BFH
von Dr. Claudia Veh, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München
| Gesellschafter-Geschäftsführer (GGf) sind oft über die Altersgrenze in ihrer Pensionszusage hinaus weiter aktiv tätig und beziehen Gehalt. Ist der Beginn der Altersrente in ihrer Pensionszusage nicht an das Ausscheiden aus dem Unternehmen, sondern „nur“ an die Vollendung des Pensionsalters gekoppelt, kommt es regelmäßig zur parallelen Zahlung von Gehalt und Altersleistung. Der BFH vertritt nun eine neue Sicht, ob in diesem Fall eine Anrechnung von Aktivbezügen auf bAV-Leistungen zu erfolgen hat. |
Das war die bisherige Sicht von BMF und BFH
Nach der bisherigen Sicht von BFH und BMF würde ein umsichtiger und gewissenhafter Geschäftsleiter die Aktivbezüge auf die bAV-Leistung anrechnen; ansonsten resultiert in der Höhe der „Nicht-Anrechnung“ eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Der gleichzeitige (nicht verrechnete) Bezug von Betriebsrente und Gehalt löste bei GGf also bisher eine vGA aus (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 05.03.2008, Az. I R 12/07, Abruf-Nr. 081556, BMF, Schreiben vom 18.09.2017, Az. IV C 6 ‒ S 2176/07/10006, Abruf-Nr. 196584, Rz. 10 ff.).
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Ein GGf bezieht ein Geschäftsführergehalt von 8.000 Euro monatlich. Die Altersrente aus seiner Pensionszusage beträgt 5.000 Euro; ein Ausscheiden aus dem aktiven Dienstverhältnis ist gemäß Pensionszusage für die Fälligkeit der Altersversorgung nicht erforderlich. Der GGf vollendet das Pensionsalter und bezieht ab dann monatlich seine Altersrente aus der Pensionszusage in Höhe von 5.000 Euro. Da er weiter arbeitet, forderten Finanzverwaltung und Rechtsprechung bisher eine Anrechnung des Gehalts in Höhe von 8.000 Euro auf die Altersrente in Höhe von 5.000 Euro. Da die Altersrente niedriger ist als das Gehalt, verbleibt nur die Gehaltszahlung, die bAV wird vollständig „verrechnet“.
Würde der GGf beides in ungekürzter Höhe beziehen, d. h. 8.000 Euro Gehalt und 5.000 Euro Altersrente, wäre die Altersrente in Höhe von 5.000 Euro eine vGA. |
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Das Gehalt wird in der Altersruhephase auf 4.000 Euro reduziert. Dieses muss ‒ nach bisheriger Verfahrensweise ‒ auf die bAV in Höhe von 5.000 Euro angerechnet werden, was eine bAV in Höhe von 1.000 Euro ergibt. In Summe kommen 5.000 Euro zur Auszahlung (1.000 Euro bAV und 4.000 Euro Gehalt). |
Materiell ist es durchaus relevant, welcher Betrag als Altersrente aus der Pensionszusage und welcher als Gehalt zur Auszahlung kommt. Denn bei der Pensionsleistung kann der Versorgungsfreibetrag des § 19 Abs. 2 und der Pauschbetrag nach § 9a S. 1 lit. 1b EStG genutzt werden.
BFH ändert seine Sicht zur Anrechnung von Aktivbezügen
Der BFH hat nun jüngst die geforderte Anrechnung von Aktivbezügen auf bAV-Leistungen geändert. Im Urteilsfall war ein GGf planmäßig mit dem Erreichen des Pensionsalters aus dem Unternehmen ausgeschieden. Die Geschäftsführung war neu besetzt worden. Allerdings war sie wenig erfolgreich, sodass der ehemalige GGf nach sieben Monaten wieder ins Unternehmen zurückgeholt wurde. Sein Gehalt wurde reduziert; daneben bezog er seine laufende Altersversorgung.
Die Finanzverwaltung diagnostizierte im gleichzeitigen Bezug von Rente und Gehalt eine vGA. Diese Sicht teilte das FG Münster in der ersten Instanz nicht (FG Münster, Urteil vom 25.07.2019, Az. 10 K 1583/19 K, Abruf-Nr. 211193). Der BFH schloss sich im Ergebnis dem FG an und sah den gleichzeitigen Bezug des Gehalts und der Altersrente als fremdüblich und betrieblich veranlasst an. Eine vGA lag also nicht vor. Im Urteil stellte er neue Leitsätze auf (BFH, Urteil vom 15.03.2023, Az. I R 41/19, Abruf-Nr. 235698).
Grundsatz: Aktivbezüge sind auf bAV anrechenbar
Der BFH bestätigt zunächst seine bisherige Sicht, dass es sich dem Charakter nach auch dann um bAV handelt, wenn das Arbeits-/Dienstverhältnis bei Bezug der Altersversorgung noch nicht beendet ist. Allerdings gilt weiter, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei gleichzeitigem Bezug von Rente und Gehalt grundsätzlich verlangen würde, entweder das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung anzurechnen oder den vereinbarten Eintritt der Versorgungsfälligkeit ‒ ggf. unter Vereinbarung eines nach versicherungsmathematischen Maßstäben berechneten Barwertausgleichs ‒ aufzuschieben, bis der Begünstigte endgültig seine Geschäftsführerfunktion beendet hat.
Neu: Es gibt unschädliche Fälle
Wird allerdings nach dem Eintritt des Versorgungsfalls neben der Versorgungsleistung bei voller Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer für diese Tätigkeit lediglich ein reduziertes Gehalt gezahlt, liegt nach der Maßgabe eines hypothetischen Fremdvergleichs dann keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vor, wenn die Gehaltszahlung die Differenz zwischen der Versorgungszahlung und den letzten Aktivbezügen nicht überschreitet.
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Ein GGf erreicht das Pensionsalter. Er bezieht seine Altersrente aus seiner Pensionszusage in Höhe von 5.000 Euro. Gleichzeitig arbeitet er als Altersrentner und erhält ein Gehalt von 3.000 Euro. Sein Gehalt war bisher 8.000 Euro monatlich.
Ergebnis: Da die Pensionszahlung (5.000 Euro) und das neue Gehalt (3.000 Euro) in Summe nicht höher sind als das bisherige Gehalt (8.000 Euro), hat keine Verrechnung stattzufinden. Beide Zahlungen können parallel erfolgen, ohne dass eine vGA vorliegt. |
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Würde das Gehalt nach Pensionsbeginn 4.000 Euro betragen, müsste eine teilweise Anrechnung erfolgen. Denn die Summe aus Gehalt und bAV-Leistung (4.000 Euro + 5.000 Euro = 9.000 Euro) wäre sonst höher als das bisherige Gehalt (8.000 Euro). Folglich müsste das Gehalt auf die bAV-Leistung angerechnet werden, und zwar in Höhe von 1.000 Euro [(5.000 Euro + 4.000 Euro) ./. 8.000 Euro], sodass nach Verrechnung 4.000 Euro bAV und 4.000 Euro Gehalt ausgezahlt werden. Ohne Verrechnung würden 1.000 Euro Altersrente eine vGA darstellen. |
BFH hält anteilige Kürzung des („unschädlichen“) Betrags für möglich
Allerdings kann im Einzelfall eine Weiter- oder Folgebeschäftigung mit reduzierten Arbeitszeiten/Aufgabenbereichen dazu führen, dass die Differenz zwischen Versorgung und letzten Aktivbezügen nicht vollständig ausgeschöpft werden kann, ohne eine vGA auszulösen.
In diesem Fall, so der BFH, wäre eine anteilige Kürzung dieses („unschädlichen“) Betrags erforderlich, soll eine vGA vermieden werden. Dies dürfte in den Fällen relevant sein, in denen der GGf nach Pensionsbeginn in reduziertem Umfang weiterarbeitet und die Pensionsleistung deutlich niedriger ist als das bisherige Gehalt.
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Das Gehalt vor Pensionsbeginn betrug 8.000 Euro monatlich, die Altersrente aus der Pensionszusage 2.000 Euro. Nach obiger Leitlinie wäre also noch „Raum“ für ein Gehalt für die fortgesetzte Tätigkeit nach Vollendung des Pensionsalters in Höhe von 6.000 Euro.
Ist der GGf jedoch nur in stark reduziertem Umfang weiter tätig ‒ gemessen an der bisherigen Tätigkeit etwa im Umfang von 25 Prozent ‒, wäre ein Gehalt in Höhe von 6.000 Euro unüblich und nicht adäquat zur Tätigkeit. |
Ergebnis: Somit erscheint es in diesem Fall sachgerecht, das Gehalt auf z. B. nur 2.000 Euro festzulegen. In Summe würden die Rente (2.000 Euro) und das neue Gehalt (2.000 Euro) also 4.000 Euro betragen und damit unterhalb des bisherigen Gehalts (8.000 Euro) liegen.
Wichtig | Die angepasste Sicht des BFH ist zu begrüßen. Der BFH erkennt, dass es nicht angemessen und üblich wäre, dass ein GGf „umsonst“ arbeitet. Das wäre nämlich der Fall, wenn man Aktivgehalt und bAV komplett verrechnen müsste:
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BFH sieht auch Hinausschieben des Pensionsalters als Alternative
Eine Alternative, die der BFH aufzeigt, wäre, das Pensionsalter aufgrund der Fortsetzung der aktiven Tätigkeit aufzuschieben, z. B. von Alter 67 auf Alter 69, wenn der GGf mit Vollendung des Pensionsalters einen Anspruch auf Altersrente hätte, jedoch vorhat, noch zwei Jahre weiterzuarbeiten. Für den späteren Rentenbeginn und die damit verbundene kürzere Phase des Rentenbezugs könnte dann ggf. ein versicherungsmathematisch ermittelter Zuschlag zur Rente vorgenommen werden.
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Eine mögliche Berechnung wäre z. B.
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Das sind die Konsequenzen des BFH-Urteils für die Praxis
Der gleichzeitige Bezug eines Geschäftsführergehalts und einer bAV führt nicht mehr zwingend zu einer vGA hinsichtlich der Pensionszahlung.
Das Urteil des BFH ermöglicht es nun, dass ein GGf während des Bezugs der Altersrente weiter arbeitet und Gehalt hierfür bezieht. Allerdings darf das Gehalt und die bAV in Summe nicht höher sein als das Gehalt, das er vor dem Beginn der Altersrente bezogen hat. Sonst hat eine entsprechende Verrechnung zu erfolgen, wenn eine vGA vermieden werden soll.
Die vom BFH angesprochene Alternative, den Pensionsbeginn mit einer entsprechend erhöhten Altersrente nach hinten zu schieben, erscheint ebenfalls als praxistaugliche Lösung. Dies dürfte insbesondere in den Fällen zu begrüßen sein, in denen die bAV und das Gehalt nach Erreichen der Altersgrenze in Summe oberhalb des bisherigen Gehalts liegen, d. h. es auch nach neuer „Gangart“ zu einer Kürzung bzw. zu einer kompletten Aufzehrung der bAV aufgrund der Anrechnung des Aktivgehalts käme. Und in der Tat gibt es GGf, die in unverändertem Umfang und mit unverändertem Gehalt ihre Tätigkeit für die Gesellschaft nach Vollendung des ursprünglichen Pensionsalters fortsetzen, gleichzeitig jedoch nach ihrer Pensionszusage einen Anspruch auf Altersleistung mit Vollendung des Pensionsalters haben.
Wichtig | Abzuwarten bleibt, ob das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird und damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden ist. Außerdem wird spannend sein, ob die einschlägigen Regelungen im BMF-Schreiben vom 18.09.2017 (Az. IV C 6 ‒ S 2176/07/10006, Abruf-Nr. 196584) angepasst werden, was wünschenswert wäre.