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  • · Fachbeitrag · Doppelbesteuerungsabkommen

    Verfassungsmäßigkeit eines sogenannten „Treaty override“?

    | Der BFH hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob der deutsche Gesetzgeber durch ein „Treaty override“ gegen Verfassungsrecht verstößt. Konkret geht es um die Frage, ob der ausländische, nach DBA eigentlich steuerfreie Arbeitslohn von im Ausland arbeitenden Arbeitnehmern mit Wohnsitz in Deutschland voll in Deutschland besteuert werden darf, wenn der Arbeitnehmer bestimmte Nachweise nicht erbringt. |

     

    Hintergrund | Für diese Arbeitnehmer sehen die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) regelmäßig ein Besteuerungsrecht des jeweiligen ausländischen Staates vor. In Deutschland ist der Arbeitslohn steuerfrei, darf aber im Wege des Progressionsvorbehalts bei der Bemessung des Steuersatzes für die übrigen in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte berücksichtigt werden. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts führt aber zu einer deutlich niedrigeren Steuer, als wenn die ausländischen Einkünfte in Deutschland voll versteuert werden müssten. Darauf hat der deutsche Gesetzgeber mit Wirkung ab 2004 reagiert: Der nach DBA in Deutschland eigentlich steuerfreie ausländische Arbeitslohn wird nach § 50d Abs. 8 EStG nur dann in Deutschland als steuerfrei behandelt, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass er den Lohn im Ausland versteuert oder der ausländische Staat auf die Besteuerung ausdrücklich verzichtet hat (etwa weil der Lohn so niedrig war, dass darauf im Ausland keine Steuer angefallen ist). Damit setzt sich der deutsche Gesetzgeber über ein DBA als völkerrechtlichen Vertrag hinweg und begeht ein Treaty overriding. Nach Ansicht des BFH ist das verfassungsrechtlich unzulässig, § 50d Abs. 8 EStG ist nichtig. Deswegen hat der BFH jetzt das BVerfG angerufen (BFH, Beschluss vom 10.1.2012, Az. I R 66/09; Abruf-Nr. 121437).

     

    PRAXISHINWEIS | Da die Verwaltung das Treaty override auch im Bereich zahlreicher anderer DBA und anderer Rechtsfragen praktiziert, hat die BFH-Vorlage große Bedeutung. Bis zur Entscheidung des BVerfG sollten betroffene Arbeitnehmer gegen ihren Steuerbescheid Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens unter Hinweis auf das Az. des BVerfG 2 BvL 1/12 beantragen.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2012 | Seite 92 | ID 33624950