· Fachbeitrag · Energiepreispauschale
Die 300-Euro-Energiepreispauschale und die vier Handlungsschritte für Arbeitgeber
| Die jüngst verabschiedete Energiepreispauschale (EPP) sorgt bei Arbeitgebern für Wirbel. Vor allem ist fraglich, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern die Pauschale mit welcher Lohnabrechnung auszuzahlen haben und wann sie die Pauschale mit den Lohnsteuervoranmeldungen verrechnen sollen. Zwischenzeitlich hat das BMF umfangreiche FAQ zum Thema EPP veröffentlicht. LGP zeigt in vier Schritten, was Arbeitgeber jetzt veranlassen müssen bzw. wie sie in Störfällen vorgehen. |
Schritt 1: Prüfen, wer die Pauschale vom Arbeitgeber erhält
Am 01.09.2022 hat jeder Arbeitgeber, der zur Abgabe von Lohnsteueranmeldungen verpflichtet ist, zu prüfen, für welche Arbeitnehmer er die EPP in Höhe von 300 Euro auszahlen muss (§ 117 Abs. 1 EStG). Anspruchsberechtigt sind nach dem BMF alle bei dem Arbeitgeber am 01.09.2022 beschäftigten unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer, die
- 1. bei ihm in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis stehen und
- 2. bei ihm in eine der Steuerklassen I bis V (nicht VI) eingereiht sind.
Entscheidend sind exakt die Arbeitnehmer und Steuerklassen, die am 01.09.2022 vorhanden sind. Arbeitnehmer, die vor dem 01.09.2022 das Unternehmen verlassen haben oder erst nach dem 01.09.2022 eingestellt werden bleiben ebenso wie vor/nach dem 01.09.2022 geänderte Steuerklassen unberücksichtigt.
Den Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer hat das BMF in den FAQ vom 17.06.2022 in II. 2. konkretisiert (Abruf-Nr. 229830).
- Arbeiter, Angestellte, Auszubildende, Beamte, Richter, Soldaten
- Arbeitnehmer in der passiven Phase der Altersteilzeit
- Personen, die ein Wertguthaben bei der DRV Bund entsparen
- Freiwillige i. S. v. § 2 Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) und Freiwillige i. S. v. § 2 Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG)
- Arbeitnehmer, die steuerpflichtige oder steuerfreie Zuschüsse des Arbeitgebers erhalten (z. B. nach § 20 MuSchG)
- Im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Grenzpendler und Grenzgänger
- Personen, die ausschließlich steuerfreien Arbeitslohn beziehen (z. B. ehrenamtlich tätige Übungsleiter oder Betreuer)
- Werkstudenten und Studenten im entgeltlichen Praktikum
- Menschen mit Behinderungen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen tätig sind
- Arbeitnehmer mit einem aktiven Dienstverhältnis, die dem Progressionsvorbehalt unterliegende Lohnersatzleistungen beziehen (Saison-]Kurzarbeitergeld, Insolvenz-, Kranken-, Mutterschafts-, Elterngeld, Verdienstausfallentschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz, Transferkurzarbeitergeld, etc.)
- Wichtig | Bei Arbeitnehmern in Elternzeit muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachweisen, dass er im Jahr 2022 ‒ zumindest zeitweise ‒ Elterngeld bezieht (Vorlage des Elterngeldbescheids). Ohne diesen darf der Arbeitgeber die EPP Arbeitnehmern in Elternzeit nicht auszahlen. Ruht die Beschäftigung im Jahr 2022 folglich aufgrund der Kindererziehung, ohne das Elterngeld bezogen wird, besteht kein Anspruch auf Auszahlung der EPP durch den Arbeitgeber.
- Kurzfristig und geringfügig Beschäftigte („Minijobber“). Bei geringfügig Beschäftigten („Minijobber“) ist allerdings Voraussetzung, dass der Minijobber dem Arbeitgeber schriftlich bestätigt, dass es sich bei dem Minijob um sein erstes Dienstverhältnis handelt. Dabei können Minijobber, die auch ein Hauptarbeitsverhältnis haben, nicht wählen, von welchem sie die EPP erhalten. Sie erhalten die EPP immer vom Arbeitgeber des am 01.09.2022 geltenden Hauptarbeitsverhältnisses. Nach Ansicht des BMF in VI. 8. kann die Bestätigung wie folgt ausformuliert sein:
Vertragsmuster / Bestätigung des ersten Dienstverhältnisses |
„Hiermit bestätige ich … (Arbeitnehmer), dass mein am 01.09.2022 bestehendes Dienstverhältnis mit … (Arbeitgeber) mein erstes Dienstverhältnis (Haupt-Dienstverhältnis) ist. Mir ist bekannt, dass bei einer unrichtigen Angabe der Tatbestand einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit vorliegen kann.
Wichtig | Die Energiepreispauschale steht jeder anspruchsberechtigten Person nur einmal zu, auch wenn im Jahr 2022 mehrere Tätigkeiten ausübt werden. In den Fällen einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob) darf der Arbeitgeber die Energiepreispauschale nur dann an den Arbeitnehmer auszahlen, wenn es sich bei der Beschäftigung um das erste Dienstverhältnis (Haupt-Dienstverhältnis) handelt. Dadurch soll verhindert werden, dass die Energiepreispauschale an einen Arbeitnehmer mehrfach ausgezahlt wird.“ |
Schritt 2: Auszahlung der Energiepreispauschale vornehmen
Im zweiten Schritt muss der Arbeitgeber die EPP auszahlen. Dies hat gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 EStG im September 2022 zu erfolgen. Maßgebend für die Auszahlung an den Arbeitnehmer ist also die Lohnabrechnung, die im September 2022 erstellt wird (egal, ob am Anfang oder Ende des Monats).
Wichtig | Meldet der Arbeitgeber die Lohnsteuer lediglich quartalsweise an, darf er die Auszahlung auch erst im Oktober 2022 vornehmen. Meldet er die Lohnsteuer nur jährlich an, darf er auf die Auszahlung insgesamt verzichten (§ 117 Abs. 3 EStG). Seine Arbeitnehmer erhalten die EPP dann über die Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022.
Bei der Auszahlung muss der Arbeitgeber beachten, dass die Pauschale kraft gesetzlicher Fiktion (§ 119 Abs. 1 S. 1 EStG) bei Arbeitnehmern steuerpflichtigen Arbeitslohn i. S. v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt. Der Arbeitgeber hat die 300 Euro in der Lohnabrechnung daher als sonstigen Bezug auszuweisen und Lohnsteuer einzubehalten. Sozialabgaben fallen nicht an, da es sich nicht um Arbeitsentgelt handelt. Deshalb bleiben die 300 Euro auch für die Vorsorgepauschale i. S. v. § 39b Abs. 2 S. 5 Nr. 3 Buchst. a) bis c) EStG unberücksichtigt. Gleichermaßen handelt es sich bei der EPP um keine für Riester oder die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes maßgebende beitragspflichtige Einnahme.
Bei pauschal besteuerten Minijobbern unterliegt die Pauschale gemäß § 119 Abs. 1 S. 2 EStG nicht der Besteuerung. Sie erhalten die Pauschale „brutto wie netto“. Die Pauschale wird auch nicht auf die 450-Euro-Grenze angerechnet.
Schritt 3: EPP über Lohnsteueranmeldung zurückholen
Der Arbeitgeber soll durch die Auszahlung der EPP ‒ mit Ausnahme von dem administrativen Aufwand ‒ nicht belastet werden. Er holt sich daher im dritten Schritt gemäß § 117 Abs. 2 EStG die EPP über die Lohnsteueranmeldung vom Finanzamt zurück. Er mindert dazu die eigentlich an das Finanzamt abzuführende Lohnsteuer um die von ihm an alle seine Arbeitnehmer ausgezahlte EPP (quasi als „Vorsteuer“ ‒ in der Lohnsteuervoranmeldung August 2022 existiert eine eigenständige Kennzahl).
Sollte die Minderung die eigentlich von ihm zu zahlende Lohnsteuer übersteigen, erhält er vom Finanzamt eine entsprechende Gutschrift. Konkret sind die vom Arbeitgeber ausgezahlten EPP mit folgender Lohnsteueranmeldung zu verrechnen: Meldet der Arbeitgeber die Lohnsteuer
- monatlich an, verrechnet er die ausgezahlten Pauschalen mit der Lohnsteuer für August 2022 (anzumelden bis zum 10.09.2022)
- quartalsweise an, verrechnet er die ausgezahlten Pauschalen mit der Lohnsteuer für das dritte Quartal 2022 (anzumelden bis zum 10.10.2022)
- jährlich an, verrechnet er die ausgezahlten Pauschalen mit der Lohnsteuer für das Jahr 2022 (anzumelden bis zum 10.01.2023).
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Arbeitgeber A (Monatszahler) hat für August 2022 (fällig am 10.09.2022) eine Lohnsteuer von 5.000 Euro angemeldet. Im September 2022 zahlt er seinen fünf Arbeitnehmern eine EPP von jeweils 300 Euro brutto (Summe 1.500 Euro) aus. Die Lohnsteuer für September 2022 beträgt 7.000 Euro (inkl. Lohnsteuer auf die ausgezahlte EPP i. H. v. 1.500 Euro). |
Lösung: A entnimmt die von ihm ausgezahlte EPP i. H. v. 1.500 Euro der Lohnsteuer für August 2022. Er meldet daher zum 10.09.2022 die 5.000 Euro Lohnsteuer an und zieht die 1.500 Euro ausgezahlte EPP ab (einzutragen in einer extra Kennzahl). An das Finanzamt zahlt er die Differenz von 3.500 Euro. Für September 2022 meldet er die Lohnsteuer von 7.000 an.
Abwandlung: Die für August anzumeldende Lohnsteuer beträgt nur 1.000 Euro.
Lösung: Auch hier verrechnet A die EPP mit der Lohnsteuer. Es ergibt sich ein Anrechnungsüberhang von 500 Euro. Dieser wird A vom Finanzamt ausgezahlt. |
Wichtig | Zahlt ein Arbeitgeber, der monatlich Lohnsteueranmeldungen abgibt, den Arbeitslohn erst am Ende des Monats aus (z. B. für September am 30.09.2022), führt die Verrechnung mit der Lohnsteuer für August 2022 zum 10.09.2022 dazu, dass der Arbeitgeber mit der auszuzahlenden Pauschale nicht in Vorleistung treten muss. In dem Zeitpunkt, wo er die Auszahlung an seine Arbeitnehmer vornimmt (30.09.2022), hat er die Pauschale schon längst zurückerhalten (10.09.2022).
Schritt 4: Großbuchstabe „E“ in Lohnsteuerbescheinigung
Hat der Arbeitgeber die EPP ausgezahlt, muss er in Schritt vier in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitnehmers den Großbuchstabe „E“ angeben (§ 117 Abs. 4 i. V. m. § 41b Abs. 1 EStG). Dies soll eine mehrfache Auszahlung verhindern.
Wird bei Minijobbern der Steuerabzug nach § 40a Abs. 2 EStG mit zwei Prozent pauschaliert, hat der Arbeitgeber keine elektronische Lohnsteuerbescheinigung zu erstellen (§ 41b Abs. 6 EStG). Dann entfällt auch die Verpflichtung für den Arbeitgeber, den Großbuchstaben „E“ anzugeben. Sollte der Minijobber jedoch eine Einkommensteuererklärung beim Finanzamt abgeben, so ist dieser verpflichtet, die bereits erhaltene EPP anzugeben.
Zu Unrecht ausgezahlte EPP
Stellt sich für den Arbeitgeber später heraus, dass er einem Arbeitnehmer die EPP zu Unrecht ausgezahlt hat (z. B. weil der Arbeitnehmer erst ab dem 15.09.2022 beschäftigt wird oder rückwirkend die Steuerklasse in Steuerklasse VI geändert wurde), hat der Arbeitgeber
- 1. die EPP vom Arbeitnehmer zurückzufordern,
- 2. die Lohnsteueranmeldung für den Auszahlungsmonat zu korrigieren (Rückforderung der zu Unrecht einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer auf die zu Unrecht ausgezahlte EPP) und
- 3. die Lohnsteueranmeldung für den Refinanzierungsmonat (i. d. R. August 2022) zu korrigieren (Verminderung der auf die Lohnsteuer anzurechnenden EPP um 300 Euro).
Zu Unrecht nicht vorgenommene Auszahlung der EPP
Stellt sich hingegen für einen Arbeitgeber heraus, dass er einem Arbeitnehmer die EPP zu Unrecht nicht ausgezahlt hat, hat der Arbeitgeber:
- 1. die Auszahlung spätestens bis zur Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung für 2022 vorzunehmen und
- 2. sich die dann ausgezahlte EPP über eine Korrektur der Lohnsteueranmeldung für den Refinanzierungszeitraum (regelmäßig August 2022) vom Finanzamt zurückzuholen.
Wichtig | Wurde die Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt, darf der Arbeitgeber die EPP nicht mehr auszahlen. Der Arbeitnehmer erhält die EPP mit Steuerfestsetzung für 2022 (Abgabe eine Einkommensteuererklärung erforderlich).