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  • · Fachbeitrag · Reisekosten

    Erste Tätigkeitsstätte: Zuordnung, Kriterien bei Nichtzuordnung und Gestaltungsempfehlungen

    von StB Dipl.-Finw. (FH) Susanne Weber, WTS Steuerberatungsges. mbH, München

    | Die Reisekostenreform steht vor der Tür. Neben Änderungen bei den Verpflegungspauschalen und der Mahlzeitengestellung im Rahmen von Dienstreisen gelten ab dem 1. Januar 2014 neue Regeln für die Versteuerung des geldwerten Vorteils für den Dienstwagen und die Erstattung von Fahrtkosten, wenn der Arbeitnehmer von seiner Wohnung zur „ersten Tätigkeitsstätte“ fährt. Erfahren Sie, worauf Arbeitgeber bei der Festlegung und Prüfung der ersten Tätigkeitsstätte achten sollten. |

    Anforderungen an die erste Tätigkeitsstätte

    Nur ortsfeste betriebliche Einrichtungen können eine erste Tätigkeitsstätte sein. Sie kann sich aber nicht nur an betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers befinden, sondern auch in der betrieblichen Einrichtungen eines Dritten (zum Beispiel bei Kunden des Arbeitgebers oder beim Entleiher). Je Arbeitsverhältnis hat ein Arbeitnehmer nur eine erste Tätigkeitsstätte.

     

    Bedeutung der ersten Tätigkeitsstätte

    Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte ist wichtig. Denn die Einschränkungen, die bislang für die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Fahrten von seiner Wohnung zur regelmäßigen Arbeitsstätte gelten, sind künftig bei den Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte zu berücksichtigen.

     

    Der Arbeitgeber kann diese Kosten nicht steuerfrei erstatten, der Arbeitnehmer kann sie nur in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen. Nutzt er für diese Fahrten einen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwagen, muss ein geldwerter Vorteil versteuert werden.

     

    • Beispiel

    Der Arbeitnehmer ist im Rahmen eines Beratungsprojekts seit fünf Jahren bei einem Kunden tätig. Wenn die Einrichtung des Kunden seine erste Tätigkeitsstätte ist, kann der Arbeitgeber die Fahrtkosten des Arbeitnehmers von seiner Wohnung dorthin nicht steuerfrei erstatten. Der Arbeitnehmer kann die Fahrtkosten nur in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen.

     

    Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte

    Die erste Tätigkeitsstätte richtet sich vorrangig nach der dauerhaften (arbeitsrechtlichen) Zuordnung des Arbeitgebers. Sie kann aber auch anhand zeitlicher Kriterien bestimmt werden. Dann liegt eine erste Tätigkeitsstätte vor, wenn der Arbeitnehmer an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft

    • typischerweise arbeitstäglich,
    • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
    • mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

     

    Der Arbeitgeber hat es in der Hand, den Arbeitnehmer einer Tätigkeitsstätte zuzuordnen. Er kann dies tun, wenn er dem Arbeitnehmer zum Beispiel für Fahrten zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte keine Reisekosten erstatten will. Er kann die Zuordnung aber auch ausdrücklich unterlassen, mit der Folge, dass die zeitlichen Kriterien zu prüfen sind. Sind diese für keine der Tätigkeitsstätten erfüllt, hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte. Er ist dann immer auswärts tätig (BMF, [Anwendungs-]Schreiben vom 30.9.2013, Az. IV C 5 - S 2353/13/10004; Abruf-Nr. 133156, Randziffer [Rz.] 12).

     

    • Beispiel

    Der Arbeitnehmer einer Bank mit zehn Filialen arbeitet jeden Tag in einer anderen Filiale, manchmal auch in zwei Filialen an einem Tag. Für die Fahrten steht ihm ein Dienstwagen zur Verfügung.

     

    Variante 1: Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer keiner Tätigkeitsstätte zugeordnet.

    Variante 2: Der Arbeitgeber hat im Arbeitsvertrag die größte Filiale als (dauerhaften) Tätigkeitsort bestimmt.

     

    Lösung Variante 1: Für keine der Filialen sind die zeitlichen Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte erfüllt. Der Arbeitnehmer ist immer auswärts tätig. Für keine Fahrt zwischen der Wohnung und einer der zehn Filialen fällt ein geldwerter Vorteil an.

     

    Lösung Variante 2: Aufgrund dieser arbeitsrechtlichen Zuordnung hat der Arbeitnehmer in der größten Filiale seine erste Tätigkeitsstätte. Für die Fahrten mit dem Dienstwagen von der Wohnung zu dieser Filiale muss ein geldwerter Vorteil versteuert werden. Für Fahrten von der Wohnung zu anderen Filialen und zwischen den Filialen fällt kein geldwerter Vorteil an.

     

    PRAXISHINWEISE |

    • Die erste Tätigkeitsstätte, die für das Lohnsteuerabzugsverfahren festgelegt wird, ist auch für den Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers maßgebend.
    • Bei der Zuordnung und bei den zeitlichen Kriterien bedeutet „dauerhaft“
      • unbefristet,
      • für die Dauer des (befristeten oder unbefristeten) Dienstverhältnisses oder
      • über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.
    • Eine Zuordnung „bis auf weiteres“ ist zeitlich nicht befristet, sondern aus Sicht der Finanzverwaltung dauerhaft (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 13).
     
    • Beispiel

    Der Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers sieht bis auf weiteres den Einsatz des Arbeitnehmers an zwei Standorten des Arbeitgebers vor. Es zeigt sich, dass der Arbeitnehmer an vier Tagen der Woche am Standort A (Entfernung zur Wohnung des Arbeitnehmers 20 Kilometer) und an einem Tag in der Woche am Standort B (Entfernung zur Wohnung des Arbeitnehmers 10 Kilometer) tätig werden muss. Der Arbeitgeber zahlt für Fahrten im Rahmen einer Dienstreise eine Pauschale von 0,30 Euro steuerfrei.

     

     

    Lösung: Nur die Tätigkeit am Standort A erfüllt die zeitlichen Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte, weil der Arbeitnehmer dort dauerhaft an vier Tagen in der Woche tätig werden soll. Bei den Tätigkeiten am Standort B ist der Arbeitnehmer auswärts tätig. Der Arbeitgeber kann somit nur die Fahrten von der Wohnung zum Standort B steuerfrei erstatten.

     

    Ordnet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber dem Standort B zu, ist er bei den Tätigkeiten am Standort A auswärts tätig. In diesem Fall können die Fahrten von der Wohnung zum Standort A steuerfrei erstattet werden. Dass der Arbeitnehmer überwiegend am Standort A tätig werden soll, ändert da-ran nichts. Die Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers hat Vorrang.

     

    Wichtig | Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet, spielt es keine Rolle, wie oft der Arbeitnehmer diese Tätigkeitsstätte aufsucht und welche Tätigkeiten er dort erbringt (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 7).

     

    Im Gegensatz dazu ist bei der Prüfung der zeitlichen Kriterien der (zeitliche) Umfang der Tätigkeit entscheidend, und es kommt darauf an, was der Arbeitnehmer an der Tätigkeitsstätte macht: Ein bloßes Aufsuchen für Hilfs- oder Nebentätigkeiten (zum Beispiel den Dienstwagen, der am Betrieb des Arbeitgebers abgestellt ist, übernehmen, Aufträge abrechnen oder entgegennehmen, Urlaubs- und Krankmeldungen abgeben) reicht nicht, um nach den zeitlichen Kriterien eine erste Tätigkeitsstätte zu begründen (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 26).

     

    • Beispiel

    Ein angestellter Außendienstler fährt mit dem Dienstwagen jeden Tag zunächst zum Betrieb seines Arbeitgebers. Er holt dort seine Aufträge für den jeweiligen Tag ab und fährt weiter zu den Kunden. Am Abend fährt er nicht mehr zum Betrieb, sondern direkt vom letzten Kunden nach Hause. Büroarbeiten erledigt er im häuslichen Arbeitszimmer und an einem Tag in der Woche im Betrieb des Arbeitgebers. Im Arbeitsvertrag wurde kein Tätigkeitsort festgelegt.

     

    Lösung: Ist der Außendienstler dem Betrieb des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet, muss für die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb mit dem Dienstwagen ein geldwerter Vorteil versteuert werden. Ist er nicht zugeordnet führt das tägliche Aufsuchen des Betriebs nicht zu einer ersten Tätigkeitsstätte, weil er dort nur Hilfs- und Nebentätigkeiten erledigt. Auch eine Tätigkeit nur an einem Tag in der Woche führt nach den zeitlichen Kriterien nicht zu einer ersten Tätigkeitsstätte.

     

    PRAXISHINWEIS | In Fällen wie im Beispiel ist es ratsam, klarzustellen, dass der Außendienstler dem Betrieb des Arbeitgebers nicht zugeordnet ist.

     

    Beachten Sie | Bei Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte, die aufgrund arbeitsrechtlicher Weisung des Arbeitgebers zur Aufnahme der beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufsuchen, müssen die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort wie Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte behandelt werden (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 37).

     

    Für den Beispielsfall heißt das: Sucht der Arbeitnehmer jeden Tag aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers den Betrieb auf, muss für die Fahrt von der Wohnung zum Betrieb mit dem Dienstwagen ein geldwerter Vorteil versteuert werden.

     

    PRAXISHINWEIS |

    Die zeitlichen Kriterien gelten dann, wenn der Arbeitgeber

    • den Arbeitnehmer nicht oder nicht eindeutig zugeordnet hat,
    • ausdrücklich auf eine Zuordnung verzichtet hat,
    • erklärt hat, dass sich die erste Tätigkeitsstätte nach den zeitlichen Kriterien richten soll, oder
    • erklärt hat, dass organisatorische Zuordnungen keine steuerliche Wirkung haben sollen (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 25).
     

    Dokumentation

    Der Arbeitgeber kann durch eine dauerhafte Zuordnung die erste Tätigkeitsstätte abweichend von der Tätigkeitsstätte, für die die zeitlichen Kriterien erfüllt sind, festlegen. Diese Zuordnung kann sich zum Beispiel aus einer Regelung im Anstellungsvertrag oder einer diesen ergänzenden Protokollnotiz, aus Einsatzplänen, Organigrammen etc. ergeben.

     

    Die Zuordnung kann auch mündlich erfolgen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann es für eine Zuordnung auch ausreichend sein, wenn für Fahrten zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte mit dem Dienstwagen ein geldwerter Vorteil versteuert bzw. keine Reisekosten erstattet werden (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 10).

     

    • Beispiel

    Ein Arbeitnehmer ist im Innendienst tätig und fährt jeden Tag von seiner Wohnung zum Betrieb des Arbeitgebers. Fahrtkosten erstattet der Arbeitgeber nur für Fahrten zu Weiterbildungen, die an anderen Orten stattfinden, und für Fahrten zu anderen Standorten des Arbeitgebers. Im Anstellungsvertrag wurde kein Tätigkeitsort festgelegt.

     

    Lösung: Trotz fehlender schriftlicher Zuordnung wird durch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer für die Fahrten zum Betrieb keine Reisekostenerstattung erhält, dokumentiert, dass er dem Betrieb dauerhaft zugeordnet ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Zuordnung muss eindeutig sein. Arbeitgeber sollten daher die Zuordnungsentscheidung schriftlich dokumentieren.

     

    Erste Tätigkeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsorten

    Soll der Arbeitnehmer an mehreren Tätigkeitsstätten, die als erste Tätigkeitsstätte in Frage kommen, dauerhaft tätig werden, kann der Arbeitgeber bestimmen, welche die erste Tätigkeitsstätte sein soll. Ohne Bestimmung gilt die Tätigkeitsstätte, die der Wohnung des Arbeitnehmers am nächsten liegt, als erste Tätigkeitsstätte (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 30 und 31).

     

    • Beispiel

    Ein Arbeitnehmer wohnt in B und ist jede Woche von Montag bis Mittwoch in der Niederlassung seines Arbeitgebers in A tätig. Am Donnerstag und Freitag arbeitet er in der Niederlassung in B.

     

    Variante 1: Der Arbeitnehmer ist der Niederlassung in A zugeordnet.

    Variante 2: Der Arbeitgeber hat festgelegt, dass sich die erste Tätigkeitsstätte nach den zeitlichen Kriterien richten soll.

     

    Lösung Variante 1: Durch die Zuordnung hat der Arbeitnehmer seine erste Tätigkeitsstätte in A. An den Tagen, an denen er in B arbeitet, ist er auswärts tätig.

     

    Lösung Variante 2: Da der Arbeitnehmer in beiden Niederlassungen zwei volle Tage je Arbeitswoche tätig werden soll, erfüllen beide die zeitlichen Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte. Der Arbeitgeber kann bestimmen, welche die erste sein soll. Bestimmt er nichts, ist die Niederlassung in B die erste Tätigkeitsstätte, weil sie der Wohnung des Arbeitnehmers am nächsten liegt.

    Sonderfall häusliches Arbeitszimmer

    Ein häusliches Arbeitszimmer ist keine betriebliche Einrichtung. Daher wird es auch nicht als erste Tätigkeitsstätte anerkannt. Dies gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann, wenn der Arbeitgeber einen oder mehrere Arbeitsräume vom Arbeitnehmer anmietet, die der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 3).

     

    • Beispiel

    Ein Arbeitnehmer ist von Montag bis Mittwoch bei Kunden unterwegs. Am Donnerstag und Freitag erledigt er seine Büroarbeiten, im Regelfall im häuslichen Arbeitszimmer, hin und wieder auch im Betrieb des Arbeitgebers. Im Anstellungsvertrag ist das häusliche Arbeitszimmer als Tätigkeitsort festgelegt.

     

    Lösung: Das Arbeitszimmer ist keine erste Tätigkeitsstätte. Die arbeitsrechtliche Zuordnung ist steuerlich unbeachtlich. Es müssen die zeitlichen Kriterien geprüft werden. Da der Arbeitnehmer diese für keine Tätigkeitsstätte erfüllt, hat er keine erste Tätigkeitsstätte, sondern ist immer auf Dienstreise.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag „Anwendungsschreiben zur Reisekosten-Reform ab 1. Januar 2014 bringt Klarheit“, LGP 11/2013, Seite 185
    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 205 | ID 42422763