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  • 07.02.2012 · IWW-Abrufnummer 114017

    Finanzgericht München: Urteil vom 03.03.2010 – 9 K 3789/08

    1. Bewohnt ein geschiedener Arbeitnehmer neben seiner Wohnung am Beschäftigungsort das Obergeschoss des elterlichen Hauses, unterhält er keinen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 S. 2 EStG notwendigen eigenen Hausstand am Wohnort der Eltern, wenn er tatsächlich keine Kosten trägt.



    2. Auch wenn ein eigener Hausstand am Wohnort der Eltern nicht vorliegt, kann sich hier der Lebensmittelpunkt des alleinstehenden Arbeitnehmers befinden, so dass die Aufwendungen für die Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 6 EStG abzugsfähig sind.


    FG München v. 03.03.2010

    9 K 3789/08

    Tatbestand:
    Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin.

    Die geschiedene Klägerin erzielte ab dem Jahr 2003 und auch in den Streitjahren als Erzieherin in München Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wurde vom Finanzamt (FA) M zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. In ihren ESt-Erklärungen gab sie als Lebensmittelpunkt die S-Str. 2 in P an und machte für 2004 Werbungskosten i.H.v. insgesamt 9.960 EUR, davon 9.014 (5.870 EUR Miete/Möbel + 3.144 EUR Fahrtkosten) als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung, für 2005 i.H.v. insgesamt 10.848 EUR, davon 10.378 EUR (6.268 EUR Miete/Möbel + 4.110 EUR Fahrtkosten) als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und für 2006 i.H.v. insgesamt 9.019 EUR, davon 8.616 EUR (6.198 EUR Miete/Möbel + 2.418 EUR Fahrtkosten) als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend. Bezüglich der Zusammensetzung der Kosten wird auf die den jeweiligen Erklärungen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

    Das FA verneinte einen eigenen Hausstand der Klägerin in P und erkannte im ESt-Bescheid 2004 vom 9. Dezember 2005 neben den sonstigen Werbungskosten i.H.v. 523 EUR und den Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte in M i.H.v. 425 EUR nur die Aufwendungen für 26 Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte von P nach M i.H.v. 3.144 EUR an, versagte jedoch den Abzug der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung im Übrigen. In den ESt-Bescheiden 2005 vom 24. Oktober 2006 und 2006 vom 14. Februar 2008 setzte es aufgrund der geringen Höhe der sonstigen anerkannten Werbungskosten (2005: 470 EUR und 2006: 403 EUR) den Pauschbetrag nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. 920 EUR an und versagte den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung vollständig.

    Im Rahmen der dagegen geführten Einspruchsverfahren teilte das FA P dem Beklagten auf Anfrage mit, dass das von der Klägerin angeblich bewohnte Obergeschoss im Haus der Eltern eine Größe von 29 m² habe. Daraufhin versagte das FA nach vorheriger Androhung gemäß § 367 Abs. 2 Abgabenordnung nunmehr auch die im Jahr 2004 bisher angesetzten Aufwendungen für 26 Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte von P nach M i.H.v. 3.144 EUR, änderte den ESt-Bescheid 2004 entsprechend, setzte die ESt 2004 mit 3.822 EUR fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Auf die zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 12. November 2008 wird ergänzend Bezug genommen. Mit Verwaltungsakt vom 25. Juni 2009 ergänzte es den Tenor der Einspruchsentscheidungen dahingehend, dass auch die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 als unbegründet zurückgewiesen wurden.

    Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und trägt zur Begründung vor, die Voraussetzungen für die Anerkennung der Aufwendungen seien gegeben. Die Wohnung in München mit 27.17 m² sei nur eine Unterkunft. Die nach der Trennung von ihrem Mann im Obergeschoss des Hauses ihrer Eltern angemietete Wohnung in P hingegen sei mit 52 m² doppelt so groß, weshalb der für sie maßgebende Hausstand sowohl vor dem Wegzug nach M und auch heute noch P sei. Soweit sich die Mietzahlungen nicht aus den Kontoauszügen ergäben, sei die Miete gestundet worden.

    Da sie erst im Einspruchsverfahren Anfang 2008 Kenntnis davon erlangt habe, welche Unterlagen sie aufbewahren müsse, um aus Sicht des FA den Nachweis für die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung zu erbringen, habe sie außer den vorgelegten Rechnungen und den eingereichten Aufstellungen über die Heimfahrten in den Streitjahren keine weiteren Unterlagen mehr und könne für die Frage der Anzahl der Aufenthalte in P nur die vorgelegten Bestätigungen bzw. den Zeugenbeweis anbieten. Dem FA wäre es freigestanden, von den benannten Zeugen weitere Auskünfte einzuholen.

    Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 27. November 2008 sowie vom 10. März, 19. Juni, 14. Juli, 13. August, 7. September, 26. November und 2. Dezember 2009 samt Anlagen Bezug genommen.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2004 vom 9. Dezember 2005, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2008, 2005 vom 24. Oktober 2006 und 2006 vom 14. Februar 2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2009 jeweils weitere Werbungskosten i.H.v. 9.014 EUR im Jahr 2004, 10.378 EUR im Jahr 2005 und 8.617 EUR im Jahr 2006 anzuerkennen und die Einkommensteuer 2004 bis 2006 entsprechend herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt

    Klageabweisung.

    Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und führt weiter aus, eine Berücksichtigung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung sei allein aufgrund der übersandten eidesstattlichen Versicherung der Eltern und der Aussagen von Freunden und Nachbarn ohne ergänzende Nachweise, die den Wahrheitsgehalt der Aussagen stützten, nicht möglich. Hinzu komme, dass in den Aussagen keine konkreten Daten genannt würden. Auch die Fahrtkosten nach P seien nicht nachgewiesen.

    Ebenso seien die Mietzahlungen für die Wohnung in P und damit schon ein eigener Hausstand in P nicht nachgewiesen. Der Abgleich der eingereichten Kontoauszüge mit den eingereichten Aufstellungen über die Heimfahrten in den Streitjahren führe zu Widersprüchlichkeiten. Nachgewiesen seien 2004 nur drei der behaupteten 26, 2005 vier der behaupteten 16 und 2006 drei der behaupteten 20 Heimfahrten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Fahrten von dem der privaten Lebensführung zuzuordnenden Bereich der Freizeitgestaltung geprägt waren.

    Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 8. Januar, 2. April und 22. Oktober 2009 Bezug genommen.

    Mit gerichtlichen Anordnungen vom 24. Juni und 4. November 2009 wurde die Klägerin aufgefordert, zum Nachweis der doppelten Haushaltsführung bzw. der geltend gemachten Fahrtkosten entsprechende Unterlagen (Rechnungen, Tankbelege, Kfz-Reparaturrechnungen, ASU/TÜV-Bescheinigungen, Kaufverträge etc.) sowie sämtliche Kontoauszüge und Abrechnungen aller ihrer Giro- und/oder Kreditkartenkonten für die Jahre 2004 bis 2006 im Original vorzulegen bzw. die monatlichen Mietzahlungen i.H.v. 360 EUR aufgrund des vorgelegten Mietvertrags vom 25. Juni 2002 mit Frau Renate V durch Vorlage entsprechender Zahlungsbelege nachzuweisen. Auf die eingereichten Schriftsätze vom 13. August, 7. September und 26. November 2009 und die Stellungnahme des FA vom 22. Oktober 2009 wird Bezug genommen.

    Der Senat hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 3. Februar 2010 Frau V, Herrn Gunter V, Frau M, Frau W, Frau H und Herrn Ö als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Aussagen der Zeugen und des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3. März 2010 Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe:
    Die Klage hat teilweise Erfolg.

    1. Die Klage ist auch zulässig, soweit die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Jahre 2005 und 2006 erst am 25. Juni 2009 nach Erhebung des Klageverfahrens erlassen wurde, da es sich insoweit um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt, die erst zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss (vgl. Gräber/von Groll, FGO, 6. Aufl, § 44 Rz. 27 m.w.N.). Sollte die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben haben, so wäre die Klage durch Zurückweisung des Rechtsbehelfs ebenfalls zulässig. Das Klageverfahren wird in diesem Fall ohne weiteres als Anfechtungsklage fortgesetzt. Einer erneuten Erhebung einer Klage bedarf es nicht (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 46 Rz. 34 m.w.N.).

    2. Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet. Die Voraussetzungen für einen Abzug der Aufwendungen liegen nur hinsichtlich eines Teils der Fahrtkosten vor.

    a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Die doppelte Haushaltsführung muss ganz oder überwiegend aus beruflichen Gründen veranlasst sein (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 25. September 2006 VI B 69/05, BFH/NV 2007, 83 m.w.N.).

    Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn aus beruflicher Veranlassung in einer Wohnung am Beschäftigungsort ein zweiter (doppelter) Haushalt zum Hausstand des Steuerpflichtigen hinzutritt. Der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn ihn der Steuerpflichtige nutzt, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können. Der so beruflich veranlasste Zweithaushalt am Beschäftigungsort qualifiziert auch die doppelte Haushaltsführung selbst als eine aus beruflichem Anlass begründete i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG. Eine doppelte Haushaltsführung wird nicht dadurch i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG begründet, dass ein einheitlicher Haushalt in zwei Haushalte „aufgespaltet” wird; das Merkmal der Aufspaltung ergibt sich nicht aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG und beschreibt den Vorgang der Begründung einer doppelten Haushaltsführung nur unzureichend. Die Begründung einer doppelten Haushaltsführung bedeutet vielmehr, dass zum ohnehin vorhandenen Haupthaushalt ein Zweithaushalt hinzukommt. Daher entscheiden auch nicht die Motive einer „Aufspaltung” der Haushaltsführung oder der Wahl des Ortes des Haupthausstands über die berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung. Entscheidend ist, ob die Errichtung des Zweithaushalts am Beschäftigungsort konkreten beruflichen Zwecken dient. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige den Zweithaushalt gegründet hatte, um von dort aus seine Arbeitsstätte schnell und unmittelbar aufsuchen zu können. Dann sind dieser zweite Haushalt am Beschäftigungsort und damit auch die doppelte Haushaltsführung beruflich veranlasst (BFH-Urteil vom 5. März 2009 VI R 23/07, BStBl 2009 II S. 1016).

    Auch ein alleinstehender Arbeitnehmer kann einen doppelten Haushalt führen. In diesem Fall ist jedoch im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu klären, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden Haushalt eingegliedert ist. Mit dem „Hausstand” ist der Ersthaushalt (Hauptwohnung) umschrieben, an dem sich der Arbeitnehmer – abgesehen von den Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten – regelmäßig aufhält, den er fortwährend nutzt und von dem aus er sein Privatleben führt, d.h. wo er seinen Lebensmittelpunkt hat. Ein „eigener” Hausstand erfordert, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird. Der eigene Hausstand muss vom Arbeitnehmer „unterhalten” oder mitunterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt (z.B. in den der Eltern oder als Gast) eingegliedert ist, so dass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsorts für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu werten. Andererseits ist die entgeltliche Einräumung einer Rechtsposition nicht Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt allerdings der Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene oder die des Überlassenden, z.B. der Eltern, darstellt. Dabei ist das Merkmal der Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) für die Beantwortung der Frage, ob ein eigener Hausstand unterhalten wird. Denn ein eigener Hausstand kann bei Kostentragung im Übrigen auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt werden. Hier gilt nichts Anderes als bei einem Familienhaushalt, bei dem es, wie dargestellt, auf die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der „Haushaltsführung” ankommt ( BFH-Urteile vom 14. Oktober 2004 VI R 170/99 , BStBl II 2004, 16 m.w.N.; vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BStBl II 2007, 890; vgl. auch Küttner/Thomas, Personalbuch 2009 Doppelte Haushaltsführung Rzn. 10, 16-18) Unterhält ein Alleinstehender, der am Beschäftigungsort wohnt, an einem anderen Ort einen eigenen Hausstand, besteht mit zunehmender Dauer besonderer Anlass zu prüfen, wo sich sein Lebensmittelpunkt befindet. Bei nicht verheirateten Arbeitnehmern spricht, je länger die Auswärtstätigkeit dauert, immer mehr dafür, dass die eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort verlegt wurden und die Heimatwohnung nur noch für Besuchszwecke vorgehalten wird. Eine besondere Prüfung, ob der Lebensmittelpunkt gewechselt hat, ist daher angezeigt. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen (BFH-Urteil vom 9. August 2007 VI R 10/06, BStBl II 2007, 820; vgl. auch R 43 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. R 42 Abs. 1 Sätze 6 – 8 Lohnsteuerrichtlinien – LStR – 2005).

    Für die den Abzug der Werbungskosten dem Grunde und der Höhe nach begründenden Tatsachen trägt der den Abzug begehrende Steuerpflichtige die objektive Feststellungslast (BFH-Urteil vom 7. Juli 1983 VII R 43/80, Bundessteuerblatt II 1983, 760; Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl. § 9 Rz. 190).

    b) Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen für einen Abzug der geltend gemachten Aufwendungen nur hinsichtlich eines Teils der Fahrtkosten nach P vor.

    aa) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht für den Senat fest, dass die Klägerin in P keinen eigenen Hausstand unterhält. Sie ist vielmehr in den Hausstand der Eltern eingegliedert. So schilderte insbesondere der Zeuge Ö übereinstimmend die Wohnung in P als „Nest”, in das die Klägerin gerne zurückgekommen sei. Auch die Eltern der Klägerin sagten aus, sie hätten die Tochter nach der Trennung von ihrem Ehemann wieder bei sich aufgenommen.

    Darüber hinaus muss der eigene Hausstand vom Arbeitnehmer „unterhalten” oder mitunterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt. Unabhängig von der Differenz zwischen den Angaben der Klägerin, die Wohnung sei 50 m² groß, und den Angaben des FA P, das Dachgeschoss habe eine Größe von 29 m², die allein auf einer unterschiedlichen Wohnflächenberechnung aufgrund der Dachschräge beruhen kann, ist jedenfalls der Mietvertrag der Klägerin mit der Mutter aufgrund des Fremdvergleichs steuerlich nicht anzuerkennen. Die Klägerin hat die Mietzahlungen und damit die Erfüllung der Hauptpflichten eines Mietvertrags nicht nachgewiesen und zusätzlich behauptet, soweit die Miete nicht gezahlt worden sei, sei sie gestundet worden. Etwaige Vereinbarungen dazu wurden jedoch nicht vorgelegt. Dies entspricht nicht dem unter Fremden Üblichen (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 21 Rz. 65 „Angehörige” m.w.N.). Auch wenn das Merkmal der Entgeltlichkeit nur ein Indiz ist, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) für die Beantwortung der Frage, ob ein eigener Hausstand unterhalten wird, kann ein eigener Hausstand nach der dargestellten Rechtsprechung des BFH dennoch nur bei Kostentragung im Übrigen auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt werden. Da sowohl die Zeugin V, als auch der Zeuge V übereinstimmend aussagten, dass ab 2006 keine Zahlung der Miete mehr erfolgt sei, und sonst nur, wenn die Klägerin entsprechend liquide gewesen sei, steht fest, dass eine tatsächliche Kostentragung insoweit nicht gegeben ist. Da zudem die Bescheide über die Grundbesitzabgaben für das Objekt in P an die Mutter der Klägerin adressiert sind und sonstige Rechnungen trotz entsprechender Aufforderungen (vgl. Anordnungen des Gerichts vom 24. Juni und 4. November 2009) nicht vorgelegt worden sind, hat die Klägerin auch eine Kostentragung im Übrigen weder dargetan noch nachgewiesen. Lediglich aus den Kontoauszügen ergeben sich am 16. Januar und 18. Juni 2004 und am 21. Juni 2005 als Zuschüsse bzw. Unterstützung ausgewiesene Überweisungen an die Eltern i.H.v. 288 EUR, 160 EUR bzw. 142 EUR. In der mündlichen Verhandlung gab die Zeugin V zudem an, die Klägerin habe sich an den für das gesamte Haus anfallenden Telefongebühren trotz Nutzung der Anlage nicht beteiligt und auch keine GEZ-Gebühren bezahlt. Dies ist für eine Kostentragung im Übrigen aber nicht ausreichend.

    bb) Dagegen ist der Senat nach Durchführung der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt in P hatte, so dass die Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG als Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung, dass die weiter entfernt liegende Wohnung als Lebensmittelpunkt anzusehen ist, hat das Gericht aufgrund tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffen.

    Nach den Aussagen der Zeugen M und W hat sie sich regelmäßig bei Aufenthalten in P mit ihnen getroffen. Die Zeugin V und der Zeuge V sagten aus, sie habe auch ihre Urlaube regelmäßig von P aus angetreten. Dies sei anlässlich eines Skiurlaubs sogar geschehen, obwohl man die Tochter in M habe abholen wollen. Im Übrigen habe sie ihren Freundes- und Bekanntenkreis in P gehabt. Auch der Zeuge Ö bestätigte, dass die Klägerin, wie auch ihr Bruder immer gerne und auch regelmäßig nach Hause zurückgekehrt seien.

    Allerdings ließ sich auch in der mündlichen Verhandlung die tatsächliche Anzahl der Fahrten nach P nicht eindeutig klären. Nach den Aussagen der Zeuginnen M, W und H hätten diese sich durchschnittlich einmal im Monat mit der Klägerin getroffen, wobei die Treffen mit der Zeugin Heinrich am Bahnhof in K stattgefunden hätten, wo die Klägerin bei der Heimfahrt Zwischenstation gemacht habe. Die Zeugin V und der Zeuge V geben an, dass die Klägerin an den vier bis acht Familiengeburtstagen regelmäßig zu Hause gewesen sei, wenn die Klägerin frei gehabt habe. An die Anzahl der gesamten Fahrten im Streitzeitraum könnten sie sich nicht mehr erinnern. Auch die Zeugin W bestätigte, dass die Klägerin an den Geburtstagen zu Hause gewesen sei. An konkrete Daten oder die Anzahl der Fahrten konnte sich aber mit Ausnahme des 3. Juni 2004 keiner der Zeugen erinnern.

    Der Senat macht daher von seiner Schätzungsbefugnis nach § 96 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 Abs. 1 AO Gebrauch und schätzt, dass die Klägerin pro Jahr 12 Familienheimfahrten mit dem eigenen oder ihr zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug durchgeführt hat. Dabei berücksichtigt der Senat einerseits, dass es aufgrund der Aussagen der Zeugen als hinreichend bewiesen anzusehen ist, dass die Klägerin mindestens einmal im Monat nach P gefahren ist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich die von der Klägerin eingereichten Aufstellungen zu den Fahrten nach P in den Streitjahren nach einem Abgleich mit den eingereichten Kontoauszügen zu einem nicht unwesentlichen Teil als unrichtig herausgestellt haben. So wurden in der Zeit vom 29. Oktober bis 1. November, vom 26 bis 28. November 2004, vom 5. bis 10. und 14. bis 16. Januar, 18. bis 20. März, 8. April bis 8. und vom 13. bis 21. Mai, 21. bis 23 Oktober, 28. Oktober bis 1. November und 18. bis 20. November 2005 sowie vom, 28. April bis 1. Mai, 5. bis 7. Mai, 2. bis 11. und 23. bis 25. Juni, 19. bis 31. August und 29. November bis 10. Dezember 2006 angeblich Heimfahrten durchgeführt, obwohl in diesen Zeiträumen aufgrund der Kontoauszüge nachweislich Abhebungen bzw. mit EC-Karte bezahlte Einkäufe in M, Österreich und Italien getätigt wurden. Bei einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls sind daher die übrigen angegebenen Zeiten für den Senat auch nur glaubhaft, sofern sie durch weitere Indizien, wie z.B. Einkäufe, Arztbesuche oder Abhebungen in P gestützt werden. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin im Jahr 2004 und 2005 jeweils fünf und im Jahr 2006 drei Fahrten, jeweils eine davon am Geburtstag der Mutter nach P nachgewiesen.

    Die eingereichten Rechnungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Da die Belege z.T. auf Tage datiert sind, an denen die Klägerin nachweislich nicht in P war (vgl. Quittung Blumen-Apotheke vom 24. Juni 2006 und Kartenzahlung in M am gleichen Tag; Quittung Krankengymnastik vom 25. August 2006 und Kartenzahlung in I am gleichen Tag), ist damit insgesamt ein Aufenthalt in P ohne zusätzliche Indizien, die die Angaben stützen, ebenfalls nicht nachgewiesen. Gleiches gilt für die genannten Geburtstagsfeiern. Allerdings ergibt selbst eine Berücksichtigung der Belege, bei denen kein Widerspruch zu den Kontoauszügen vorliegt, zusammen mit den aufgrund der Kontoauszüge nachgewiesenen Anwesenheiten in P insgesamt 2004 nur elf, 2005 sechs und 2006 fünf Fahrten.

    Berücksichtigt man zusätzlich die Zeugenaussagen spricht somit für eine Anzahl von 12 Fahrten die größtmögliche Wahrscheinlichkeit, so dass diese der Schätzung zugrunde zu legen ist (vgl. Forchhammer in Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung § 162 Rz. 20).

    Die Schätzung von nur 12 Fahrten und die Annahme des Lebensmittelpunktes in P schließen sich nicht aus. Aufgrund der vorliegenden Umstände des Einzelfalles ist der Senat der Auffassung, dass trotz der Annahme von nur einer Fahrt monatlich der Mittelpunkt der Lebensinteressen in P lag, zumal auch bei nur einer Fahrt monatlich nicht von einem gelegentlichen Aufsuchen gesprochen werden kann. Im Streitfall hat sich für den Senat aus den Zeugenaussagen die enge Bindung der Klägerin in der Familie ergeben sowie ein regelmäßiges Zusammentreffen mit Bekannten. Wie die Zeugin Wenzel ausgesagt hat, haben auch finanzielle Gründe eine Rolle gespielt, dass die Klägerin nicht jedes Wochenende in P gewesen sei.

    Die Fahrtkosten sind damit bei einer einfachen Entfernung von 403 km nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung mit (403 × 0,30 EUR × 12 =) 1.451 EUR pro Jahr anzusetzen.

    3. Steuerberechnung

    2004:

    Zu versteuerndes Einkommen (z.v.E.)

    laut Einspruchsentscheidung vom 12. November 2008 23.200 EUR
    ./. Fahrtkosten laut Urteil ./. 1.451 EUR
    z.v.E. laut Urteil 21.749 EUR
    ESt laut Urteil (Grundtarif) 3.398 EUR

    2005:

    z.v.E. laut Bescheid vom 24. Oktober 2006 22.719 EUR
    zuzüglich Differenz Pauschbetrag nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 a EStG und anerkannte Werbungskosten im Übrigen + 450 EUR
    ./. Fahrtkosten laut Urteil ./. 1.451 EUR
    z.v.E. laut Urteil 21.718 EUR
    ESt laut Urteil (Grundtarif) 3.325 EUR

    2006:

    z.v.E. laut Bescheid vom 14. Februar 2008 19.362 EUR
    zuzüglich Differenz Pauschbetrag nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 a EStG und anerkannte Werbungskosten im Übrigen + 517 EUR
    ./. Fahrtkosten laut Urteil ./. 1.451 EUR
    z.v.E. laut Urteil 18.428 EUR
    ESt laut Urteil (Grundtarif) 2.426 EUR

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 6 EStG § 12 Nr. 1