22.11.2011 · IWW-Abrufnummer 114196
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 20.09.2011 – 2 K 41/11
§ 37b EStG findet auch auf Sachzuwendungen und Geschenke an Nichtarbeitnehmer im Wert zwischen 10 € und 35 € Anwendung.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Nachforderungsbescheides, insbesondere um die Frage, ob § 37b Einkommensteuergesetz (EStG) auch auf Sachzuwendungen und Geschenke an Nichtarbeitnehmer im Wert zwischen 10 € und 35 € Anwendung findet.
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, ist auf dem Gebiet der ... und ... tätig.
Bei einer für den Zeitraum April 2007 bis Mai 2010 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 mehreren Kunden bzw. Geschäftsfreunden Geschenke hatte zukommen lassen. Es ergaben sich danach gem. § 37b EStG nachzuversteuernde Beträge für 2007 in Höhe von 1.741 €, für 2008 in Höhe von 6.396 € und für 2009 in Höhe von 1.192 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 30.06.2010 verwiesen. Die Klägerin hat bezüglich der Sachzuwendungen an Kunden etc. ihre Option gem. § 37b EStG ausgeübt.
Mit Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Zeit von April 2007 bis Mai 2010 vom 26.07.2010 wurde pauschale Lohnsteuer für 2007 von 522,30 €, für 2008 von 1.918,80 € und für 2009 von 357,60 € nachgefordert.
Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 05.08.2010, welcher durch Einspruchsentscheidung vom 11.02.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Am 08.03.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, Sachzuwendungen und -geschenke im Wert zwischen 10 € und 35 € seien nicht gem. § 37b EStG zu versteuern, dies ergebe sich aus § 4 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 EStG. Denn aus steuersystematischen Gründen könnten nur solche Geschenke, die dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegen, von der Pauschalisierungsnorm des § 37b EStG betroffen sein, da § 37b EStG in Absatz 1 Nr. 2 auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG Bezug nehme und gerade nicht nach Satz 1 und Satz 2 differenziere. Die Auslegung des Beklagten sei rechtswidrig, da sie über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehe.
Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum bei Zuwendungen an Arbeitnehmer eine Grenze von 40 € gelten solle und bei Nichtarbeitnehmern - nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 29.04.2008 - von 10 €. Dies führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Das BMF-Schreiben vom 29.04.2008 nenne auch keinen Grund für diese Ungleichbehandlung.
Auch dürften nur solche Geschenke besteuert werden, die bei ihren Empfängern zu einem einkommensteuerpflichtigen Zufluss führten. Geschenke seien in der Regel aber keine Gegenleistung für bestimmte Leistungen des Empfängers und seien daher beim Empfänger gerade nicht steuerpflichtig. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung sei nicht sachgerecht. Er könne gerade nicht typisierend davon ausgehen, dass alle Geschenke im betrieblichen Bereich beim Empfänger steuerpflichtig seien, da dies in der Mehrzahl der Fälle nicht zutreffe.
§ 37b EStG sei nur eine Erhebungsnorm und setze eine Steuerpflicht voraus, denn die Vorschrift ermögliche nur die pauschale Erhebung entsprechend der (bestehenden) Einkommensteuerpflicht. Diese Anknüpfung ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung und aus der Tatsache, dass zunächst nur eine Bezugnahme auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG vorgesehen gewesen sei. Durch § 37b EStG habe keine neue Einkunftsart eingeführt werden sollen.
Außerdem müsse einbezogen werden, dass die vom Beklagten praktizierte Auslegung zu lebensfernen steuerlichen Belastungen führe, da eine Vielzahl von geringwertigen Geschenken an Geschäftsfreunde deshalb der Pauschalbesteuerung nach § 37b EStG unterliege, weil diese für die wertvolleren Zuwendungen gewählt werde und die kleineren Geschenke aufgrund des Zwanges zur einheitlichen Wahlrechtsausübung „infiziert”, d.h. zwangsläufig mit erfasst würden.
Die Klägerin beantragt,
den Nachforderungsbescheid vom 26.07.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 11.02.2011 dahingehend zu ändern, dass die Pauschalversteuerung der Zuwendungen an Dritte für 2007 um 522,30 €, für 2008 um 1.918,80 € und für 2009 um 357,60 € Lohnsteuern reduziert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung vom 11.02.2011 und das BMF-Schreiben vom 29.04.2008 (BStBl I 2008, 56). § 37b EStG nehme Bezug auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG und differenziere gerade nicht danach, ob ein Betriebsausgabenabzug zulässig sei oder nicht. Eine Ausnahme werde aus praktischen Gründen nur für sog. Streuwerbeartikel bis zu einem Wert bis zu 10 € gemacht.
Dem Gericht haben die Arbeitgeberakten und die Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer ... vorgelegen. Auf die Sitzungsniederschriften vom Erörterungstermin vom 13.05.2011 und der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2011 wird verwiesen.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Nachforderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte hat zu Recht die Sachzuwendungen an Nichtarbeitnehmer, welche einen Wert zwischen 10 € und 35 € gehabt haben, der Pauschalversteuerung gem. § 37b EStG unterworfen.
Gem. § 37b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 können Steuerpflichtige ab dem Veranlagungszeitraum 2007 die Einkommensteuer einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, und Geschenke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nummer 1 EStG, die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschalsteuersatz von 30 Prozent erheben. Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer sind die Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer. Die Pauschalisierung ist ausgeschlossen, soweit die Aufwendungen je Empfänger und Wirtschaftsjahr oder wenn die Aufwendungen für einzelne Zuwendungen den Betrag von 10.000 € übersteigen. Gem. § 37b Abs. 4 EStG gilt diese pauschale Einkommensteuer als Lohnsteuer.
§ 37b EStG beinhaltet ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen. Die Klägerin ist wahlberechtigt, denn die Pauschalisierungsoption steht dem Steuerpflichtigen unabhängig von seiner Rechtsform zu. Die Klägerin hat ihr Wahlrecht auch ausgeübt. Das Wahlrecht kann grundsätzlich nur einheitlich ausgeübt werden, allerdings besteht die Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, ein jeweils eigenständiges Wahlrecht bezüglich der Zuwendungen für Arbeitnehmer auf der einen Seite und bezüglich der Zuwendungen für Nichtarbeitnehmer auf der anderen Seite auszuüben. Die Klägerin hat ihre Option gem. § 37b EStG bezüglich der Sachzuwendungen und Geschenke an Nichtarbeitnehmer ausgeübt.
Die Klägerin ist bei ihrer Steueranmeldung zu Unrecht davon ausgegangen, dass Geschenke bzw. Zuwendungen an Nichtarbeitnehmer erst ab einem Betrag von 35 € der Pauschalisierung unterliegen. Der Beklagte hat die Beträge, die auf Zuwendungen und Geschenke zwischen 10 € und 35 € entfallen, zu Recht durch Nachforderungsbescheid gegenüber der Klägerin geltend gemacht.
§ 37b Abs. 1 Nr. 2 EStG verweist auf Geschenke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nummer 1 EStG und differenziert nicht danach, ob dem Zuwendenden der Betriebsausgabenabzug zusteht. Es ist daher nicht relevant für die Pauschalisierung gem. § 37b EStG, ob ein Betriebsausgabenabzug beim Zuwendenden zulässig ist, denn auch soweit ein Betriebsausgabenabzug nicht erfolgen kann, liegt ein Geschenk im Sinne des § 37b EStG wie auch im zivilrechtlichen Verständnis vor (Schmidt-Drenseck, EStG 30. Aufl., § 37b EStG Rn. 5; 11.02.201; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff-Graw § 37b EStG Rn. B 19; Frotscher-Lindberg § 37b EStG Rn. 4 und 7; Hartmann, DStR 2008, 1418; Blümich-Stuhrmann § 37b EStG Rn. 4; ebenso BMF-Schreiben vom 29.04.2008, BStBl I 2008, 56; a. A. Herrmann/Heuer/Raupach-Lingemann § 37b EStG Rn. 14).
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine Pauschalierung jedenfalls in den Fällen zu unterbleiben habe, in denen die Zuwendung nicht zu einer Einkommensteuerpflicht des Empfängers führe --hiervon seien die Mehrzahl ihrer Zuwendungen betroffen, weil § 37b EStG eine Erhebungsvorschrift sei und keine weitere Einkunftsart außerhalb der sieben Einkunftsarten des § 2 EStG generieren könne. Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass „selbstverständlich” nur solche Sachzuwendungen erfasst würden, die beim Empfänger zu Betriebseinnahmen führten (so Drenseck/Schmidt, EStG, 30. Auf., § 37b Rz 3, ebenso Niermann, DB 2008, 1231; Hartmann, DStR 2008, 1419; Strohner/Sladek, DStR 2010, 1966 für Zuwendungen an Steuerausländer). Dieser Auffassung kann sich der erkennende Senat indes nicht anschließen.
Der Gesetzgeber geht in der Gesetzesbegründung (BT-DS 16/2712 S. 55) davon aus, dass die Sachzuwendungen an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, beim Empfänger „regelmäßig einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil” darstellen § 37b EStG ist zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens eingeführt worden, damit dem Zuwendenden die Möglichkeit eröffnet wird, die Einkommensteuer der Empfänger pauschal zu ermitteln und abzuführen. Der Gesetzgeber geht also typisierend von der Steuerpflicht beim Empfänger aus. Zwar befinden sich Geschenke nicht unter den gem. § 2 Abs. 3 EStG enumerativ aufgeführten Einkunftsarten. Allerdings sind in der Regel nur solche Geschenke, die aus privaten Gründen zugewendet werden, beim Empfänger nicht steuerpflichtig. Sind die Geschenke hingegen betrieblich veranlasst, sind diese in der Regel einkommensteuerpflichtige Einnahmen beim Empfänger, denn sie gehören zu den gewerblichen bzw. selbständigen Einkünften, da sie im Zusammenhang mit den entsprechenden Einnahmen des Empfängers stehen. Durch die Regelung des § 37b EStG soll gerade eine praktikable und pauschale Durchführung der Besteuerung ermöglicht werden, ohne im Einzelfall prüfen zu müssen, ob tatsächlich eine Steuerpflicht auf der Empfängerseite besteht. Denn hier entstanden in der Praxis erhebliche Rechtsunsicherheiten. Vor der Einführung des § 37b EStG gab es mehrere BMF-Schreiben, die versuchten, die praktischen Probleme zu regeln. Trotzdem bestanden gerade beim Empfänger häufig Unklarheiten, ob und in welcher Höhe eine Besteuerung zu erfolgen hatte.
Der Gesetzgeber ist sich bei Einführung der Option zur Pauschalisierung ersichtlich auch bewusst gewesen, dass dadurch auch solche Fälle besteuert werden, bei denen keine Steuerpflicht bestanden hat bzw. eine niedrigere persönliche Steuer entstanden wäre als bei der Pauschalisierung (ebenso BMF-Schreiben vom 29.04.2008 Tz. 13, a. a. O). Da es sich bei § 37b EStG aber lediglich um ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen handelt und nicht um eine Verpflichtung, ist die Typisierung aus Gründen der Praktikabilität nach Ansicht des Senats zulässig. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der Steuersatz von 30 % recht niedrig ist. Diese Beurteilung gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Wahlrecht nur einheitlich ausgeübt werden kann und damit die von der Klägerin beanstandete „Infizierung” der kleinen Zuwendungen durch die angestrebte günstige Pauschalisierung für große Zuwendungen erfolgt. Denn die Anordnung der zwingend einheitlichen Ausübung des Wahlrechts ist gerechtfertigt, um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern.
Auch aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BFH vom 15.02.2006 VI R 92/04 ergibt sich kein anderes Ergebnis, denn diese Entscheidung betraf nicht die Vorschrift des § 37b EStG.
Unabhängig von dieser rechtlichen Beurteilung hat die Klägerin auch nicht im Einzelnen dargetan und beziffert, in welchem Umfang ihre Zuwendungen bei den Empfängern nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen geführt haben könnten. Denkbar wäre dies beispielsweise bei Zuwendungen an ausländische Mandanten oder Mandanten, deren private Einkommensteuererklärungen erstellt werden. Nach Auskunft der Klägerin in der mündlichen Verhandlung werden derartige Aufzeichnungen über die mögliche Steuerpflicht der Zuwendungen bei den Empfängern auch nicht geführt.
Inwieweit die in dem BMF-Schreiben vom 29.04.2008 vorgenommene typisierende Grenze für die Besteuerung von Zuwendungen an Arbeitnehmer zulässig ist und auch auf Zuwendungen an Dritte übertragen werden könnte oder müsste, bedarf hier keiner Entscheidung, denn dieses BMF-Schreiben entfaltet als Verwaltungsvorschrift keine rechtliche Bindungswirkung für die Gerichte. Eine sog. Selbstbindung der Verwaltung durch Verwaltungsvorschriften, die die Ausübung von Ermessen regeln, kann zwar auch im gerichtlichen Verfahren beachtlich sein. Im Streitfall gewährt § 37b EStG indes keinen Ermessensspielraum für die Festsetzung von Mindestgrenzen für eine Pauschalbesteuerung. Insoweit ist diese Grenze auch aus dem Gesichtspunkt „keine Gleichbehandlung im Unrecht” für das Gericht von vorneherein unbeachtlich.
Die Höhe der Sachzuwendungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig, aus dem Akteninhalt ergeben sich diesbezüglich auch keine Bedenken.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.