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  • 01.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120649

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 13.12.2011 – 5 K 161/08

    Ein einer Fährstelle des Nord-Ostsee-Kanals zugewiesener Arbeiter übt keine Fahrtätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG aus und kann deswegen keine Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend machen.


    Tatbestand
    Zwischen den Parteien ist streitig, ob bei der Ermittlung der Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit Mehraufwendungen für die Verpflegung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zum Abzug zuzulassen sind.
    Der Kläger ist Arbeiter beim Wasser- und Schifffahrtsamt. Im Rahmen seines Arbeitsvertrages wurde er der Wache als Fährdecksmann der Fährstelle ... zugewiesen. Der Kläger arbeitet in Schichten von 4:50 Uhr bis 11:50 Uhr (Frühschicht), 11:50 Uhr bis 19:50 Uhr (Spätschicht) und 19:50 Uhr bis 4:50 (Nachtschicht).
    Das Wasser- und Schifffahrtsamt unterhält u. a. die Fährstelle ... . Dabei handelt es sich um einen im Rahmen des Planungsrechts historisch geprägten Begriff, der die Fähranleger auf der Nord- und Südseite des Nord-Ostsee-Kanals, die Fähre selbst und deren Besatzung umfasst. Die Fähre ... fährt rund um die Uhr. Parkplätze zum Parken für die auf der Fähre Beschäftigten sind sowohl auf der Nord- als auch auf der Südseite des Kanals vorgesehen.
    Mit seiner Einkommensteuererklärung 2007 beantragte der Kläger, Mehraufwendungen für Verpflegung aus Anlass einer Fahrtätigkeit in Höhe von 1.224 € (204 Tage x 6,00 €) als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit zu berücksichtigen. Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 4. Juli 2008 folgte das Finanzamt den Angaben des Klägers insoweit nicht und ließ die beantragten Verpflegungsmehraufwendungen unberücksichtigt.
    Seinen gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch begründete der Kläger u. a. damit, dass er auf der Fähre in ... arbeite und dieser Arbeitsplatz unter dem Begriff der „Binnenschifffahrt” geführt werde. Er sei länger als 8 Stunden unterwegs und übe eine Fahrtätigkeit aus. Es stünden ihm Mehraufwendungen für Verpflegung zu. Am Fähranleger ... seien keine Arbeitgebereinrichtungen vorhanden, die zu seiner Verpflegung dienen könnten. Es existiere lediglich ein öffentlicher Kiosk, der nichts mit dem Arbeitgeber zu tun habe. Zwar sei auf beiden Seiten des Kanals ein WC vorhanden, dies habe aber nichts mit seinen Verpflegungsmehraufwendungen zu tun.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 21. August 2008 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Seine Entscheidung begründete das Finanzamt u. a. damit, dass Mehraufwendungen für Verpflegung gemäß § 9 Abs. 5 Einkommensteuergesetz i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG für die Tage als Werbungskosten abzugsfähig seien, an denen der Steuerpflichtige vorübergehend mindestens 8 Stunden von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig sei. Regelmäßige Arbeitsstätte sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob es sich um eine Einrichtung des Arbeitgebers handele. Darunter sei insbesondere jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers zu verstehen, der der Arbeitnehmer zugeordnet sei und die er mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wieder aufsuche. An den Fähranlegern in ... seien weitere Arbeitgebereinrichtungen vorhanden. Der Fähranleger mit den aufstehenden Gebäuden stelle folglich die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers dar, so dass nicht von einer Fahrtätigkeit auszugehen sei. Im Übrigen sei aufgrund der geringen Distanz zwischen der Fähre auf ihrem Weg zwischen den Fähranlegern und den Fähranlegern selbst nicht davon auszugehen, dass eine Auswärtstätigkeit vorliege. Es handle sich vielmehr um eine Tätigkeit in einem weiträumig zusammenhängenden Arbeitsgebiet, vergleichbar mit dem Forstrevier eines Waldarbeiters oder einem großen Werksgelände. Selbst unter der Annahme, dass es sich um eine Auswärtstätigkeit handeln sollte, wäre die jeweilige Abwesenheitsdauer von den Fähranlegern so kurz, dass keine Verpflegungsmehraufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. EStG zum Abzug zuzulassen wären.
    Der Einkommensteuerbescheid wurde aus nicht streiterheblichen Gründen durch Bescheid vom 17. Februar 2009 geändert.
    Seine gegen diese Entscheidung erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Er sei bedingt durch die täglich einfache Fahrstrecke von etwa 50 Minuten und die Länge der Schichten vorübergehend mindestens 8 Stunden von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt tätig. Er übe eine Fahrtätigkeit aus. Denn er versehe den Dienst auf einer Fähre. Seine regelmäßige Arbeitsstätte sei ein Fahrzeug. Die Fähranleger mit den aufstehenden Gebäuden stellten nicht seine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Diese befinde sich vielmehr auf der Fähre. Die aufstehenden Gebäude an den Fähranlegern würden von ihm lediglich zum Zwecke der Nutzung sanitärer Anlagen aufgesucht.
    Der Kläger beantragt,
    den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 17.02.2009 dergestalt zu ändern, dass Mehraufwendungen für die Verpflegung aus Anlass einer Fahrtätigkeit in Höhe von 1.224 € bei den Werbungskosten der Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit berücksichtigt und die Einkommensteuer entsprechend neu berechnet und festgesetzt wird.
    Das Finanzamt beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Im Wesentlichen verweist das Finanzamt zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
    Beigezogen wurden 1 Bd. Rechtsbehelfsakten des beklagten Finanzamts.
    Gründe
    Die zulässige Klage ist nicht begründet.
    Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Kläger übt keine Fahrtätigkeit im Sinne der §§ 9 Abs. 5, 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG aus.
    Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG, der für die Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nicht selbstständiger Tätigkeit gemäß § 9 Abs. 5 EStG sinngemäß anzuwenden ist, sind Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Eine Ausnahme davon gilt dann, wenn der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig oder wenn der Steuerpflichtige bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig wird (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 und 3 EStG). Der BFH hat in diesem Zusammenhang zur Auswärtstätigkeit eines Seemannes entschieden, dass ein auf einem Schiff eingesetzter Seemann eine Fahrtätigkeit ausübt und sich auf Auswärtstätigkeit befindet (vgl. BFH Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 66/10 BFH/NV 2011, 908).
    Eine Fahrtätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Fahrten nicht von einem Tätigkeitsmittelpunkt im Sinne einer regelmäßigen Arbeitsstätte antritt (vgl. BFH Urteile vom 11. Mai und 16. November 2005, BStBl. II 2005, 788 und 789 sowie BStBl. II 2006, 267). Eine regelmäßige Arbeitsstätte ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauernd angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers. Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist im Regelfall der Betrieb oder die ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig aufsucht. Der zeitliche Umfang, mit welchem der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte beruflich tätig wird, ist nicht von Belang. Eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers stellt auch dann eine regelmäßige Arbeitsstätte dar, wenn der Arbeitnehmer diesen Ort stets nur aufsucht, um die täglichen Aufträge entgegen zu nehmen, abzurechnen und Bericht zu erstatten oder wenn er dort ein Dienstfahrzeug übernimmt, um damit anschließend von der einen Arbeitsstätte aus eine Auswärtstätigkeit (Fahr- oder Einsatzwechseltätigkeit) anzutreten (vgl. BFH Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 16/04 BStBl. II 2005, 789).
    Dies vorausgeschickt übt der Kläger nach Überzeugung des Senats vorliegend keine Fahrtätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG aus. Vielmehr tritt der Kläger seinen Dienst auf der Kanalfähre ... immer über die Fähranleger nördlich oder südlich des Kanals an. Die beiden Fähranleger, in deren Nähe die der Fährstelle zugeordneten Arbeitskräfte ihre PKW abstellen können, sind aber Teil der Arbeitsstätte des Klägers, nämlich der „Fährstelle ....” Dieser Arbeitsstätte ist der Kläger arbeitsvertraglich zugeordnet. Sofern denn in Bezug auf die Pendeltätigkeit der Kanalfähre zwischen den zwei Fähranlegern begrifflich überhaupt von einer Fahrtätigkeit im Sinne der Regelungen zu den Verpflegungsmehraufwendungen gesprochen werden kann, würde diese Fahrtätigkeit jedenfalls von einem Tätigkeitsmittelpunkt, der eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt, angetreten werden. Dabei ist es unmaßgeblich, wie lange sich der Kläger an den Fähranlegern aufhält und ob er sich dort verpflegen kann. Ausreichend und entscheidend ist, dass der Kläger seinen Dienst notwendig und sich ständig wiederholend von diesem Ort antritt und den Dienst auch an diesem Ort beendet. Damit unterscheidet sich der Kläger nicht von einem Linienbusfahrer, der seinen Fahrdienst regelmäßig an einem Busdepot beginnt (vgl. Urteil des FG Hamburg 6 K 228/09, juris).
    Die Vorschriften zu steuerrechtlichen Vergünstigungen hinsichtlich der Berücksichtigung erwerbsbedingter Verpflegungsmehraufwendungen, soweit sich der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen auf einer Auswärtstätigkeit befindet, kommen für den Kläger erkennbar nicht zum Tragen.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestanden nicht.

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