04.07.2012 · IWW-Abrufnummer 121974
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 13.05.2012 – L 8 R 164/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landessozialgericht NRW
L 8 R 164/12 B ER
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.1.2012 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 1.12.2011 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin Nachforderungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2006 geltend macht. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt und die Beschwerde zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin drei Viertel, die Antragsgegnerin ein Viertel. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 16.068,70 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, ein Personaldienstleistungsunternehmen, wehrt sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Verpflichtung, Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen.
Mit Bescheid vom 14.4.2010 erhob die Antragsgegnerin im Anschluss an eine - wörtlich - "stichprobenweise durchgeführte" Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 1.12.2006 bis zum 31.12.2009 eine Nachforderung von insgesamt 1.415,93 Euro. Zugrunde lagen Fehlbeurteilungen der Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit von Beschäftigten. Darüber hinaus wertete die Antragsgegnerin das Ergebnis der Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes C für den Prüfzeitraum vom 1.3.2003 bis 31.5.2007 aus, kam insoweit jedoch nicht zu Nachforderungen.
Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) führte die Antragsgegnerin erneut eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch und kam zu einer Nachforderung von 64.274,80 Euro (Bescheid v. 1.12.2011). Zur Begründung führte sie aus, in den Arbeitsverträgen zwischen der Antragstellerin und den bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmern werde für den gesamten Prüfzeitraum auf den Tarifvertrag zwischen der CGZP und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) verwiesen. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütungen habe die Antragstellerin die Beiträge für die Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben. Wegen der Unwirksamkeit des Tarifvertrages hätten die Beiträge jedoch zutreffend nach den Entgeltansprüchen vergleichbarer Arbeitnehmer der Stammbelegschaft des Entleihers berechnet werden müssen. Der Antragstellerin sei eine listenmäßige Aufstellung aller bei ihr beschäftigter Arbeitnehmer mit Zeiträumen, Beitragsgruppen, Krankenkassen und Entgelten per CD zur Verfügung gestellt worden (sog. CGZP-Tool). Diese habe die Lohnsumme um die Lohnzahlungen aufgrund von Zeiten, in denen kein equal-pay-Anspruch bestanden habe, bereinigt. Sodann habe sie, die Antragsgegnerin, die Höhe der Arbeitsentgelte geschätzt. Hierzu sei sie befugt gewesen, weil eine Ermittlung der geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich gewesen wäre. Eine große Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse habe nur bis zu drei Monaten gedauert. Es sei für die Antragstellerin nur zum Teil möglich gewesen, schriftliche Erklärungen über equal-pay-Löhne zu bekommen. Entleiher seien zum Teil nicht bereit gewesen, schriftliche Erklärungen abzugeben. Zum Teil hätten jedoch auch Auskünfte der Entleiher vorgelegen, denen zufolge die Antragstellerin teilweise equal-pay-Löhne gezahlt habe. Eine Umfrage bei den Arbeitnehmern habe ein Lohndifferential von 12,5 % ergeben. Ihre, der Antragsgegnerin, eigenen Ermittlungen zeigten eine durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern von 24 %. Dieser Prozentsatz gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.4.2011. Aufgrund der Berücksichtigung aller Umstände schätze sie das Lohndifferential bei der Antragstellerin auf 15 %.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie hat vorgetragen: Der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 sei gegenwartsbezogen. Eine Rückwirkung lasse sich auch aus der tarifrechtlichen Rechtsprechung des BAG im Übrigen nicht ableiten. Da das BAG in seinem Beschluss bislang nicht bekannte Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation aufgestellt habe, komme eine Nachforderung von Beiträgen für die Zeit vor dem 14.12.2010 zudem einer aus verfassungsrechtlichen Gründen verbotenen echten Rückwirkung gleich. Es könne zudem sein, dass in den an die Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen auch Einmalzahlungen enthalten seien. Die Antragsgegnerin verletze in den CGZP-Fällen ihre Verpflichtung zur Amtsermittlung. Die Antragstellerin hat sich zudem auf die Bestandskraft des Prüfbescheides vom 14.4.2010 berufen sowie für die Zeit vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2006 die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 2.12.2011 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1.12.2011 anzuordnen bzw. festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung besitzt.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Aufgrund der eindeutigen Aussagen des BAG im Beschluss vom 14.12.2010 sei die CGZP auch in den vor 2009 liegenden Zeiträume nicht tariffähig gewesen. Der gute Glaube an ihre Tariffähigkeit werde nicht geschützt. Die nachgeforderten, auf geschuldetes laufendes Arbeitsentgelt erhobenen Beiträge seien zum Zeitpunkt der Verkündung des BAG-Beschlusses auch noch nicht verjährt gewesen. Einer Aufhebung des Bescheides vom 14.4.2010 habe es nicht bedurft. Dieser Bescheid habe keine Feststellungen zur Beitragspflicht nach dem equal-pay-Prinzip getroffen. Sie, die Antragsgegnerin, habe sich zudem seinerzeit auf eine Stichprobenprüfung beschränken dürfen. Die Betriebsprüfung diene nicht dem Schutz der Arbeitgeber oder ihrer Entlastung.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 1.12.2011 angeordnet (Beschluss v. 23.1.2012). Zwar bestünden keine ernsthaften Zweifel gegen die Beitragsforderung an sich. Die Antragsgegnerin habe es jedoch versäumt, den bestandskräftigen Bescheid vom 14.4.2010 aufzuheben, den sie nur unter den Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) habe beseitigen können. Insofern fehle es jedenfalls an der gebotenen Ermessensausübung.
Gegen den ihr am 27.1.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 8.2.2012 Beschwerde erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, dass der Bescheid vom 14.4.2010 der hier geltend gemachten Nachforderung nicht entgegenstehe. Aus früheren Betriebsprüfungen könnten lediglich dann Rechte hergeleitet werden, wenn und soweit die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume festgestellt worden seien.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen.
Die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ist zum Verfahren beigezogen worden.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist teilweise begründet. Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 1.12.2011 ist lediglich für die Monate November 2005 bis Dezember 2006 zu entsprechen. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER, juris und sozialgerichtsbarkeit.de; jeweils m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 1.12.2011, soweit die Antragsgegnerin damit Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit ab 1.1.2007 nachfordert.
1. Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift deckt Betriebsprüfungen außerhalb der turnusmäßigen Prüfungen von Amts wegen auch dann, wenn keiner der in § 28p Abs. 1 Sätze 2 oder 3 SGB IV ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle (Antrag des Arbeitgebers, Unterrichtung durch die Einzugsstelle) vorliegt (vgl. Senat, Beschluss v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER, juris).
2. Es bestehen keine überwiegenden Zweifel, dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach verpflichtet ist, für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer höhere als die bislang entrichteten Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zu entrichten.
a) Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Satz 1 und 2 SGB IV) zu entrichten. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten wird der Beitragsbemessung in allen Zweigen der Sozialversicherung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 162 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 342 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
b) Die von der Antragstellerin auf dieser Grundlage für den Streitzeitraum zu entrichtenden Beiträgen sind nach dem Arbeitsentgelt zu berechnen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde (§ 10 Abs. 4 AÜG in der hier maßgeblichen Fassung von Art. 6 Nr. 5 Buchst. b) des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2002, BGBl. I S. 4607; sog. equal-pay-Prinzip). Diese Rechtsfolge sah (und sieht auch nach geltendem Recht) § 10 Abs. 4 AÜG für den Fall vor, dass der Verleiher, hier die Antragstellerin, mit den Leiharbeitnehmern eine nach § 9 Nr. 2 AÜG unwirksame Vereinbarung geschlossen hatte.
aa) Nach § 9 Nr. 2 AÜG konnte ein Tarifvertrag vom equal-pay-Prinzip abweichende Regelungen zulassen. Zudem konnten im Geltungsbereich eines Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Von dieser Möglichkeit haben die Antragstellerin und ihre Arbeitnehmer nach den unwidersprochenen Feststellungen der Antragsgegnerin Gebrauch gemacht, indem sie in ihren Arbeitsverträgen auf die zwischen der CGZP und dem AMP geschlossenen, im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.12.2009 geltenden Tarifverträge, insbesondere den Manteltarifvertrag, die Entgelttarifverträge West und die Entgeltrahmentarifverträge, verwiesen haben.
bb) Diese Vereinbarung war voraussichtlich unwirksam.
(1) § 9 Nr. 2 AÜG setzt für den Fall einer Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien einen wirksamen Tarifvertrag voraus. Das gilt auch, wenn die Anwendung der tariflichen Regelungen arbeitsvertraglich vereinbart wird (vgl. Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 4. Aufl. 2010, § 9 Rdnr. 102; vgl. auch BT-Drs. 17/5238, S. 16 zu Buchst. d); a.A. Kilian, NZS 2011, 851 [852]). Dafür sprechen der Wortlaut ("Geltungsbereich"), aber auch der Charakter der Vorschrift als Ausnahmeregelung zum equal-pay-Prinzip.
(2) Die Unwirksamkeit der genannten Tarifverträge folgt daraus, dass die CGZP im Streitzeitraum voraussichtlich weder eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) noch eine tariffähige Spitzenorganisation im Sinne von § 2 Abs. 2 und 3 TVG war. Das ergibt sich zum einen aus dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10, NZA 2011, 289). Zwar hat das BAG in diesem Beschluss ausgeführt, es habe lediglich gegenwartsbezogen über die Tariffähigkeit der CGZP zu entscheiden (a.a.O., juris-Rdnr. 33). Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob dem Beschluss im Übrigen hinreichende Anhaltspunkte für ein Fehlen der Tariffähigkeit der CGZP auch zu einem früheren Zeitpunkt zu entnehmen sind. Denn zwischenzeitlich hat das LAG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 9.1.2012, 24 TaBV 1285/11 u.a., DB 2012, 693) entschieden, dass die CGZP auch am 29.11.2004, 16.6.2008 und 9.7.2008 und damit zu Zeitpunkten nicht tariffähig war, die gemeinsam mit der Entscheidung des BAG den hier zu beurteilenden Zeitraum vollständig umfassen.
(3) Der Senat hat das vorliegende Verfahren nicht bis zur Rechtskraft des Beschlusses des LAG-Berlin-Brandenburg nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG auszusetzen. Dies gilt unbeschadet der unter den Landesarbeitsgerichten umstrittenen Frage, ob die Tarifunfähigkeit der CGZP auch für die Zeit vor der Satzungsänderung vom 8.10.2009 aufgrund des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 als geklärt anzusehen ist (verneinend z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 16.2.2012, 10 Sa 453/11, juris). Zwar spricht viel dafür, dass diese Vorschrift auch für andere Gerichtsbarkeiten als die Arbeitsgerichtsbarkeit gilt (vgl. BVerwG, Beschluss v. 25.7.2006, 6 P 17/05, NZA 2006, 1371 [1372]). Jedoch ist im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b SGG nur eine vorläufige möglichst zeitnahe Klärung herbeizuführen, mit der eine Aussetzung - ebenso wie im Übrigen in den Fällen des Vorlagebeschlusses nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.5.2011, L 6 AS 704/11 B ER u.a.; Beschluss v. 27.9.2010, L 20 AY 79/10 B ER; jeweils juris) unvereinbar ist (wie hier: Bayerisches LSG, Beschluss v. 22.3.2012, L 5 R 138/12 B ER; juris).
c) Die Beitragsansprüche sind gegebenenfalls unabhängig davon entstanden, ob die nach dem equal-pay-Prinzip geschuldeten Arbeitsentgelte den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossen sind.
aa) Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entsteht der Beitragsanspruch, sobald seine im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag entsteht dabei, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist, selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder erst später gezahlt hat. Insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht - anders als das Steuerrecht - nicht dem Zufluss-, sondern dem sog. Entstehungsprinzip (BSG, Urteil v. 3.6.2009, B 12 R 12/07 R, SozR 4-2400 § 23a Nr. 5; Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 7/04 R, SozR 4-2400 § 22 Nr. 1; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit des Entstehungsprinzips BVerfG, Beschluss v. 11.9.2008, 1 BvR 2007/05, SozR 4-2400 § 22 Nr. 3).
bb) Auch im vorliegenden Fall ist die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und nicht etwa § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV anwendbar, wonach bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt der Beitragsanspruch erst mit Zufluss entsteht. In der Literatur wird insoweit zwar die Auffassung vertreten, der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 wirke konstitutiv mit der Folge, dass Arbeitsentgelt- und Beitragsansprüche erst ab diesem Zeitpunkt entstehen könnten. Es handele sich somit nicht um Ansprüche auf laufendes Arbeitsentgelt, für die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV das Entstehungsprinzip gelte, sondern um nachträglich rückwirkende Lohnerhöhungen, die wie Einmalzahlungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zu behandeln seien (vgl. Plagemann/Brand, NJW 2011, 1488 [1490 f.]; Tuengerthal/Andorfer, BB 2011, 2939 [2940]). Der Senat folgt dieser Ansicht jedoch nicht (wie hier: Berchtold, SozSich 2012, 70 [71]). Aus der Vorlagepflicht nach § 97 Abs. 5 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) ergibt sich vielmehr, dass die Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG die Tarifunfähigkeit lediglich deklaratorisch feststellt (vgl. BAG, Urteil v. 15.11.2006, 10 AZR 665/05, NZA 2007, 448 [451], Rdnr. 22).
d) Gegen die Geltendmachung der Beitragsnachforderung in einem Summenbescheid (§ 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV) auf der Basis einer Schätzung des equal-pay-Lohnes (§ 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV) bestehen keine ernsthaften Bedenken.
aa) Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Rentenversicherungsträger den Beitrag in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn dieser die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Das ist hier der Fall. Die Aufzeichnungspflichten umfassen nicht nur das gezahlte, sondern auch das beitragspflichtige Arbeitsentgelt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Beitragsverfahrensverordnung bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der bis zum 30.6.2006 geltenden Beitragsüberwachungsverordnung), hier also den equal-pay-Lohn. Diesen hat die Antragstellerin erkennbar nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet. Die Aufbewahrungsfristen nach § 28f Abs. 1 Satz 1 und 4 SGB IV) waren bei Durchführung der jetzt streitbefangenen Betriebsprüfung auch noch nicht abgelaufen. Auf ein Verschulden seitens der Antragstellerin kommt es nicht an (BSG, Urteil v. 7.2.2002, B 12 KR 12/01 R, SozR 3-2400 § 28f Nr. 3).
bb) Soweit derzeit erkennbar, ist weder die Höhe der Arbeitsentgelte selbst noch ihre Zuordnung zu einzelnen Beschäftigten ohne für den Rentenversicherungsträger, auf den es entscheidend ankommt (vgl. Senat, Urteil v. 28.4.2010, L 8 R 30/09, juris), unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festzustellen (§ 28f Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB IV). Die Antragstellerin ist den dahingehenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten.
cc) Auch gegen die Höhe der Schätzung bestehen im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Bedenken. Die Antragsgegnerin ist unter Berufung auf eine Veröffentlichung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung v. 14.4.2011 von einem Lohndifferenzial von 24 % ausgegangen. Sie hat sodann im Einzelnen wiedergegebene Besonderheiten betreffend den Betrieb und die Belegschaft der Antragstellerin einbezogen und hat für diese im Ergebnis ein Lohndifferenzial von 15 % geschätzt. Diese Schätzung ist jedenfalls im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht zu beanstanden. Zwar spricht die Veröffentlichung "Lohndifferenzial Zeitarbeit" von Lehmer/Ziegler (http://doku.iab.de/grauepap/2011/lohn-differenzial%20zeitarbeit.pdf) lediglich von einem Lohndifferenzial von 22 %. Sie führt jedoch gleichzeitig aus, dass dieses unter Berücksichtigung individueller Umstände wie der Betriebszugehörigkeit und der Erwerbsbiografie auf bis zu 15 % sinken könne. Insgesamt bewegt sich die Schätzung der Antragsgegnerin nach dem derzeitigen Erkenntnisstand daher eher an der unteren Grenze. Soweit die Antragstellerin noch substantiierte Einwände gegen die Schätzung erhebt, wird diesen ggf. im Widerspruchsverfahren bzw. im gerichtlichen Hauptsacheverfahren nachzugehen sein.
3. Entgegen der Rechtsauffassung des SG steht die Bestandskraft (§ 77 SGG) des Bescheides vom 14.4.2010 betreffend den Prüfzeitraum vom 1.12.2006 bis zum 31.12.2009 der Nachforderung von Beiträgen für denselben Zeitraum durch den Bescheid vom 1.12.2011 nicht entgegen. Dieser Bescheid brauchte daher auch nicht nach § 45 SGB X aufgehoben zu werden.
a) Die Bindungswirkung eines Bescheides erfasst grundsätzlich nur dessen Verfügungssatz bzw. -sätze, nicht hingegen die Gründe, die zu der Regelung geführt haben (vgl. BSG, Urteil v. 20.6.1984, 7 RAr 91/83, SozR 4100 § 112 Nr. 23 m.w.N.; Urteil v. 28.6.1990, 7 RAr 22/90, SozR 3-4100 § 137 Nr. 1). Auch wenn man die Gründe des Bescheides vom 14.4.2010 zur Auslegung des Verfügungssatzes heranzieht, ergibt sich hieraus lediglich, dass eine Prüfung der Versicherungsfreiheit bei kurzfristig Beschäftigten und bei Studenten stattgefunden, zu den im Bescheid näher beschriebenen Beanstandungen sowie den daraus resultierenden Nachforderungen geführt hat und dass sich aus einer Auswertung des Berichts über die Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts C keine weiteren Beitragsnachforderungen ergeben haben. Darüber hinaus wird in dem Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Prüfung stichprobenartig durchgeführt worden sei. Ein der Bestandskraft fähiger Verfügungssatz dahingehend, dass die Antragstellerin im Prüfzeitraum sämtliche nicht gesondert erwähnten Meldepflichten und sonstigen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt habe (vgl. § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV), lässt sich dem Bescheid ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) vor diesem Hintergrund nicht entnehmen.
b) Eine dahingehende Bindungswirkung des Bescheides vom 14.4.2010 folgt auch nicht aus Sinn und Zweck der Betriebsprüfung. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (BSG, Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 1/04 R, SozR 4-2400 § 22 Nr. 2; Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 7/04 R, SozR 4-2400 § 22 Nr. 1; Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 10/02 R, SozR 4-5375 § 2 Nr. 1; Urteil v. 30.11.1978, 12 RK 6/76, SozR 2200 § 1399 Nr. 11; Senat, Urteil v. 27.8.2010, L 8 R 203/09, juris; Jochim in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 28p Rdnr. 70; im Ergebnis a.A. Bayerisches LSG, Beschluss v. 22.3.2012, L 5 R 138/12 B ER, juris; Urteil v. 18.1.2011, L 5 R 752/08, ASR 2011, 250). Einer solchen Entlastung bedarf es über die gesetzlich vorgesehenen Schutzmechanismen hinaus auch nicht. Denn der Arbeitgeber hat es in der Hand, eine verbindliche Entscheidung der Einzugsstelle herbeizuführen (§ 28h Abs. 2 SGB IV). Darüber hinaus wird er durch das Institut der Verjährung (§ 25 SGB IV) ausreichend vor zu weit in die Vergangenheit reichenden Nachforderungen geschützt.
4. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht entgegen.
a) Der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages, namentlich an die Tariffähigkeit einer Vereinigung, wird grundsätzlich nicht geschützt (vgl. BAG, Urteil v. 15.11.2006, a.a.O. Rdnr. 23). Der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen steht auch nicht das Verbot der echten Rückwirkung von Rechtsfolgen auf einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt bzw. das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes entgegen (vgl. im Einzelnen LAG Berlin, Beschluss v. 9.1.2012, a.a.O., Rdnr. 176 ff.).
b) Die Rechtsprechung, wonach ein Arbeitgeber sich bis zur Mitteilung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Einzugsstelle auf die bisherige Rechtsprechung verlassen darf (vgl. BSG, Urteil v. 18.11.1980, 12 RK 59/79, SozR 2200 § 1399 Nr. 13), lässt sich entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Zeppenfeld/Faust, NJW 2011, 1643 [1647]) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn es gab vor dem 14.12.2010 weder eine sozial- noch eine arbeitsgerichtliche höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die CGZP als tariffähig anzusehen war.
5. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist daher lediglich insoweit anzuordnen, als Beitragsansprüche für die Zeit vor dem 1.1.2007 nach gegenwärtigem Sachstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verjährt sind.
a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung v. 23.1.2006 (BGBl. I, S. 86) wurden im Jahr 2006 Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen waren, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wurde, ausgeübt worden ist. Damit sind alle im Jahr 2006 fällig gewordenen Beitragsansprüche mit Ablauf des 31.12.2010 nach der Regelverjährungsfrist verjährt.
b) Demgegenüber bestehen zumindest ernsthafte Zweifel, ob die Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingreift, wonach Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig geworden sind. Zwar kommt diese Vorschrift auch dann zum Tragen, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorlag, jedoch bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7), wobei bedingter Vorsatz ausreicht (BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Ob die Antragstellerin indessen vor Eintritt der Verjährung für die im Jahr f ällig gewordenen Beiträge für die Zeit von Dezember 2005 bis Dezember 2006 am 31.12.2010 bereits den Eintritt einer rückwirkenden Beitragspflicht für möglich gehalten hat, kann nur nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles festgestellt werden. Allein der Umstand, dass der Beschluss des BAG am 14.12.2010 verkündet worden ist, reicht insoweit nicht aus. Einzelfallbezogene Feststellungen der Antragsgegnerin sind hierzu bislang nicht getroffen worden.
6. Es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten würde. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für den Antragsteller verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile sind nicht erkennbar.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachenstreitwerts auszugehen (zuletzt: Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).