07.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122435
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 24.02.2012 – 11 K 3870/10 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
11 K 3870/10 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger als Leiharbeitnehmer die Fahrtkosten zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte am Flughafen "A" begrenzt auf die Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) oder mit den tatsächlichen Aufwendungen als Werbungskosten absetzen kann.
Der Kläger ist im Streitjahr 2009 bei der Firma F als Leiharbeitnehmer tätig.
Die F ist ein gemeinsames Tochterunternehmen der A und der B-GmbH. Der F wurde am von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion NRW die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erteilt. Am Flughafen "A" bietet sie eine Reihe von Dienstleistungen an. Dabei konzentriert sich die F speziell auf die Vermittlung von Fachkräften in den Bereichen Bodenverkehrsdienste, Luftfahrtdienste/Flugzeuginstandhaltung und Flugzeugreinigung.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers begann am 02.06.2007 und war zunächst auf den 31.12.2007 befristet. Mit Wirkung vom 01.09.2007 wurde es in eine Vollzeitarbeitstätigkeit geändert und mit Datum vom 24.11.2009 in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt. Nach § 3 Abs. 3 des befristeten Mitarbeitervertrages vom 30.05.2007 wird der Mitarbeiter der F (Kläger) an verschiedenen Einsatzorten in Kundenbetrieben beschäftigt. Er ist bei Bedarf auch zu auswärtigen Arbeitsleistungen verpflichtet. Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Mitarbeiter jederzeit vom Kundeneinsatz abzuberufen und anderweitig einzusetzen. Laut Anlage 2 zum Arbeitsvertrag "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag" ist der Kläger unter anderem für den Einsatz am Flughafen "A" vorgesehen. Seinen Dienstplan (Arbeitszeit, Arbeitsort) erhält der Mitarbeiter jeden Freitag für die kommende Woche im Büro der F.
Der Kläger war von Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an ausschließlich bei dem Kunden K eingesetzt. Die K ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen B-GmbH. Der Einsatz für die K erfolgte im Terminalbereich X des Flughafen "A" - innerhalb des eingezäunten Flughafengeländes - für alle dort startenden und landenden Fluggesellschaften. Seinen privaten Pkw stellte der Kläger arbeitstäglich auf einem der Mitarbeiterparkplätze des Flughafens ab.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 machte der Kläger Fahrtkosten für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten in Höhe von 5.535 EUR (= 205 Arbeitstage x 45 km einfache Entfernung x 0,30 EUR x 2) geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 24.03.2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 2.120 EUR fest. Die geltend gemachten Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigte der Beklagte nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG mit 0,30 EUR pro Entfernungskilometer und damit in Höhe von 2.767,50 EUR (= 205 Arbeitstage x 45 km einfache Entfernung x 0,30 EUR).
Die Kläger legten am 31.03.2010 Einspruch ein und reichten erneut den Arbeitsvertrag des Klägers ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 07.10.2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte der Beklagte aus, Leiharbeitnehmer könnten grundsätzlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in der tatsächlichen Höhe und nicht nur in Höhe der Entfernungspauschale geltend machen, wenn sie ständig wechselnde Arbeitsstätten und nicht eine regelmäßige Arbeitsstätte aufsuchen müssten. Im Arbeitsvertrag des Klägers sei geregelt, dass er an verschiedenen Einsatzorten beschäftigt und eingesetzt werden könne. Fahrtkosten wären daher grundsätzlich in der tatsächlichen Höhe als Reisekosten zu berücksichtigen. Der Streitfall enthalte jedoch die Besonderheit, dass der Arbeitgeber des Klägers ausschließlich am Flughafen "A" tätig werde. Der Kläger könne sich demnach ebenso wie ein Arbeitnehmer mit regelmäßiger Arbeitsstätte auf die immer gleichen Wege zum Flughafen einstellen und die Wegekosten durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und gegebenenfalls sogar durch einen Wohnsitzwechsel mindern. Der Kläger habe nicht das Problem, sich wie ein Arbeitnehmer mit Einsatzwechseltätigkeit auf immer wieder neue Tätigkeitsstätten einstellen zu müssen. Daher bilde der Flughafen "A" seine regelmäßige Arbeitsstätte.
Die Kläger haben am 29.10.2010 Klage erhoben.
Zur Begründung tragen sie vor, ein Leiharbeitnehmer verfüge typischerweise nach der Rechtsprechung des BFH nicht über eine regelmäßige Arbeitsstätte. Eine regelmäßige Arbeitsstätte sei nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer sich zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit ("ex ante") darauf hätte einrichten können, dort dauerhaft tätig zu sein. Unerheblich sei, dass der Arbeitnehmer aus einer ex post Betrachtung tatsächlich an einem bestimmten Ort für längere Zeit tätig gewesen sei. Sein Arbeitsvertrag besage, dass er an verschiedenen Arbeitsorten in Kundenbetrieben beschäftigt werden könne. Allein diese Klausel sei entscheidungsrelevant und führe dazu, dass nach einer ex ante-Betrachtung eine Auswärtstätigkeit vorliege. Unerheblich sei, dass tatsächlich kein Wechsel der Einsatzstelle erfolgt sei. Des Weiteren habe die F im Februar 2009 Mitarbeiter für die Stützpunkte "B" und "C" gesucht, auch hier hätte er damit rechnen müssen, eingesetzt zu werden. Eine andere Beurteilung folge auch nicht aus dem ortsgleichen Sitz des Arbeitgebers mit dem Sitz der Kunden. Eine mehr oder minder zufällige Betriebssitznahme könne keinen Einfluss darauf haben, ob eine Auswärtstätigkeit vorliegen würde oder nicht. Betriebliche Einrichtungen eines Kunden des Arbeitsgebers seien darüber hinaus keine regelmäßige Arbeitsstätte. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Sitz des Arbeitgebers die S-Straße sei, der Flughafen auf seiner Homepage aber als Sitz der die G-Straße angebe. Darüber hinaus sei die Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 17.06.2010 (Aktenzeichen VI R 35/08) auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die Entscheidung betreffe einen Leiharbeitnehmer, der in einem Hafengebiet bei Kunden eingesetzt werde. Das Gelände des Flughafens sei mit dem Hafengebiet gleichzusetzen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 24.03.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2010 insoweit zu ändern, als weitere Werbungskosten aus nichtselbstständiger Tätigkeit des Klägers in Höhe von 2.767,50 EUR berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Gründe in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, die von den Klägern angeführten BFH-Urteile könnten auf den Streitfall nicht angewendet werden. Im vorliegenden Fall seien überhaupt keine Anzeichen dafür erkennbar, dass der Kläger auch für andere Kunden, an anderen Orten tätig werden könne. Die Anerkennung der Fahrtkosten als Reisekosten würde den Kläger gegenüber anderen Arbeitnehmern mit regelmäßigen Arbeitsstätten ungerechtfertigt begünstigen.
Mit Schreiben vom 05.09. und 04.11.2011 bat die Berichterstatterin die F u.a. um Auskunft, ob sie ihre Arbeitskräfte in den Jahren 2007 bis 2009 ausschließlich an die K oder auch an andere Unternehmen außerhalb des Flughafengeländes überlassen habe und ob die Arbeitskräfte mit einem Einsatz außerhalb des Flughafengeländes rechnen mussten. Die F führte dazu aus, dass sie Mitarbeiter zeitweilig auch an andere Unternehmen am und außerhalb des Flughafens verleihe. So seien Verleihungen auch außerhalb des Terminalbereiches an verschiedene Unternehmen, wie Luftverkehrsgesellschaften an anderen Flughäfen, Reinigungsunternehmen und den Einzelhandel erfolgt. Laut Arbeitsvertrag habe jeder Mitarbeiter mit Einsätzen außerhalb des Flughafens "A" rechnen müssen. Der Kläger sei allerdings nur bei der K eingesetzt worden. Wobei die K zu keinem Zeitpunkt speziell den Kläger, sondern beliebige Mitarbeiter der F angefordert habe. Die F führte weiterhin aus, dass ihre Mitarbeiter zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unter anderem einen Dienstausweis, der den Zutritt auf das Flughafengelände ermögliche, und die Dienstkleidung des Flughafens erhalten. Aufträge außerhalb des Flughafens "A" stellten in der Regel Ausnahmen dar und erforderten vor dem ersten, neuen Kundeneinsatz ein ausführliches persönliches Gespräch zwischen dem jeweiligen Mitarbeiter und seinem vorgesetzten Disponenten. Auf den Inhalt der Schreiben vom 05.09. und 14.11.2011 der F wird vollinhaltlich verwiesen.
Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren hinzugezogen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 24.02.2012 wird Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 24.03.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte hat die geltend gemachten Fahrtkosten zu Recht nur in Höhe der Entfernungspauschale i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG berücksichtigt.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Zur Abgeltung der Aufwendungen ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen. Demgegenüber unterliegen sonstige beruflich veranlasste Fahrtkosten keinerlei Abzugsbeschränkungen, so dass nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen sind. Dabei kann ein pauschaler Kilometersatz von 0,30 EUR je Fahrtkilometer angesetzt werden.
Die Höhe der als Werbungskosten abzugsfähigen Fahrtkosten bestimmt sich demnach maßgebend danach, ob das jeweilige Fahrtziel als Arbeitsstätten anzusehe ist. Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur die regelmäßige Arbeitsstätte (BFH-Urteile vom 10.10.1994 VI R 2/92, BFHE 175, 553, BStBl II 1995, 137; vom 22.07.2003 VI R 190/97, BFHE 203, 111, BStBl II 2004, 886). Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist (nur) der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (vgl. BFH-Urteile vom 09.07.2009 VI R 21/08, BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822; vom 18.06.2009 VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564, vom 22.09.2010 VI R 54/09, BFHE 231, 127, BStBl II 2011, 354 und vom 09.06.2011 VI R 58/09, BFHE 234, 164, BStBl II 2012, 34 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Die Kriterien, die an das Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte gestellt werden, hat der Bundesfinanzhof maßgeblich aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG abgeleitet. Die vorgenannte Regelung begrenzt den Fahrtkostenabzug, weil sich der Arbeitnehmer, der auf Dauer und nachhaltig die selbe Arbeitsstätte aufsucht, in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und gegebenenfalls sogar durch die entsprechende Wohnsitznahme hinwirken kann (vgl. BFH-Urteil vom 17.06.2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Im Gegensatz dazu hat der Arbeitnehmer, der ständig wechselnde Arbeitsstätten aufsucht, nicht die Möglichkeit, seine Fahrtkosten in der oben beschriebenen Weise zu mindern. Er kann deshalb die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten als Werbungskosten geltend machen.
Das Abstellen auf die Möglichkeit der Kostenminimierung führt zwingend dazu, dass das Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte nicht im Wege einer ex post-Betrachtung erfolgen kann. Vielmehr ist zu prüfen, ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit ("ex ante") darauf einrichten konnte, dort dauerhaft tätig zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 17.06.2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Der BFH-Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Auf Grund der Besonderheiten des zu beurteilenden Falles sind im Rahmen der ex ante-Betrachtung allerdings nach Ansicht des Senates nicht ausschließlich die Gesamtumstände zum Beginn der Tätigkeit zu würdigen. Vielmehr ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung erneut zu Beginn des Streitjahres 2009 zu prüfen, ob sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt darauf einrichten konnte, dauerhaft an einem bestimmten Arbeitsort tätig zu werden. Diese Prüfung ist nach Ansicht des Senats auf Grund der folgenden Erwägungen erforderlich: Im Rahmen der ex ante-Betrachtung zu Beginn der Tätigkeit können im Wesentlichen nur die Regelungen des Arbeitsvertrages und andere für den Arbeitnehmer objektiv erkennbare Umstände als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden. Aus der tatsächlichen Durchführung des Arbeitsvertrages können sich allerdings – wie der vorliegende Fall zeigt – weitere, eindeutige und für den Arbeitnehmer objektiv erkennbare Anhaltspunkte ergeben, die einen Rückschluss auf eine regelmäßige Arbeitsstätte unumgänglich machen. In diesen Fällen fehlt es an einer Rechtfertigung, dem Leiharbeitnehmer auf Grund einer ursprünglichen, im Veranlagungszeitraum aber überholten Tatsachenwürdigung einen höheren Werbungskostenabzug zu gewähren, als einem Arbeitnehmer, der sich von seiner erstmaligen Arbeitsaufnahme an auf eine regelmäßige Arbeitsstätte einrichten konnte. Eine Rechtfertigung kann insbesondere nicht dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG entnommen werden.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass diese Prüfung keine ex post-Betrachtung darstellt. Es wird lediglich zu Beginn des für die Besteuerung maßgeblichen Veranlagungszeitraums aus der Umsetzung des Vertrages in der Vergangenheit und den erkennbaren zukünftigen Gesamtumständen eine steuerliche Würdigung für den folgenden und zukünftige Veranlagungszeiträume getroffen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann es der Senat offen lassen, ob der Kläger bereits in den Jahren 2007 und 2008 eine regelmäßige Arbeitsstätte am Flughafen "A" hatte. Jedenfalls zu Beginn des Streitjahres 2009 lag eine regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers am Flughafen "A" vor.
Zweifel an dem Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte ergeben sich aus der vertraglichen Gestaltung. Nach der vertraglichen Gestaltung konnte sich der Kläger nicht auf einen dauernden Einsatz am Flughafen "A" einrichten. So ist dem befristeten Mitarbeitervertrag zu entnehmen, dass er an verschiedenen Einsatzorten in Kundenbetrieben beschäftigt werden kann (§ 3 Abs. 3 des befristeten Arbeitsvertrags). Der Kläger war nach Vertragslage auch nicht persönlich dauerhaft an die K verliehen. Darüber hinaus hat die F ihre Mitarbeiter auch tatsächlich an Unternehmen außerhalb des Flughafenbereichs verliehen.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die F ihre Mitarbeiter in der Regel am Flughafen "A" eingesetzt hat. Dies ergibt sich zum Einen aus der Darstellung der F im Schreiben vom 14.11.2011, danach sind Aufträge außerhalb des Flughafens Ausnahmen. Zum Anderen folgt dies aus der Konzernverbundenheit der beteiligten Unternehmen. Die B-GmbH hat verschiedene Tochterunternehmen, u.a. auch die F und die K, mit der Erbringung von Leistungen, die im Zusammenhang mit der Einrichtung und dem Betrieb des Flughafens stehen, betraut. Die K nimmt insbesondere Leistungen in den Bereichen Bodenverkehrs- und Gepäckdienst wahr, während die F das benötigte Personal für diese Aufgaben zur Verfügung stellt. Auf der Internetseite der K ist unter dem Feld "Jobs" sogar ein Verweis auf genau beschriebene, freie Stellen bei "unserem Dienstleister F" hinterlegt (http://www. ). Den Ausnahmecharakter von Einsätzen außerhalb des Flughafenbereichs hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt. So ist er bis zum Tag der mündlichen Verhandlung nur zweimal für wenige Tage am Flughafen "D" eingesetzt worden. Den Einsatz am Flughafen "B" hat er gegenüber der F abgelehnt und ist weiterhin am Flughafen "A" eingesetzt worden.
Die beschriebene betriebliche Übung führt zwar nicht dazu, dass Einsätze außerhalb des Flughafenbereichs gänzlich ausgeschlossen sind. Da sie aber nur ausnahmsweise in Betracht kommen, haben sie Dienstreisecharakter. Die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer versetzt werden kann oder vorübergehend an einem anderen Ort tätig wird, schließt auch bei einem "typischen" Arbeitnehmer nicht das Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte aus. Das vorübergehende Tätigwerden außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte stellt vielmehr eine Dienstreise dar, die das Vorhandensein der regelmäßigen Arbeitsstätte nicht in Frage stellen.
Die dauerhafte und nachhaltige Beschäftigung am Flughafen "A" ist zumindest zu Beginn des Veranlagungszeitraums 2009 auch für den Kläger erkennbar gewesen. Eine enge Verbindung des Arbeitsverhältnisses zum Flughafen "A" folgte bereits aus dem Arbeitsvertrag, der unter der auflösenden Bedingung stand, dass der Kläger die erhöhten Sicherheitsanforderungen des Flughafens, insbesondere eine fehlende Straffälligkeit, erfüllte (s. Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag unter Punkt A). Sie ergab sich außerdem aus der Übergabe des Dienstausweises, der den Zutritt zum Flughafengelände ermöglicht, sowie der Dienstkleidung des Flughafen "A" , die der Kläger arbeitstäglich zu tragen hat. In den Jahren 2007 und 2008 kam zu diesen Anhaltspunkten die für den Kläger erkennbare betriebliche Übung der F, Arbeitnehmer nur ausnahmsweise außerhalb des Flughafen "A" einzusetzen, hinzu. So hatte der Kläger in diesen Jahren keinen Einsatz außerhalb des Flughafens. Einen auswärtigen Einsatz am Flughafen "B" hat er im Rahmen eines Mitarbeitergespräches zu Beginn des Jahres 2009 sogar abgelehnt und ist danach weiterhin am Flughafen "A" beschäftigt worden. Unter Berücksichtigung dieser betrieblichen Übung kommt dem Umstand, dass der Kläger jeden Freitag seinen Dienstplan im Büro der F erfragen muss, keine entscheidende Bedeutung zu. Die freitägliche Nachfrage dient nach den Ausführungen in der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag (Punkt B. 1.) außerdem vorrangig dazu, die wöchentliche Dienstzeit zu erfragen. Dies ist erforderlich, weil der Kläger – wie sich aus der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag (Punkt B) ergibt und wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – im Split-Schichtdienst arbeitet und flexibel in allen Schichten tätig ist.
Der berufliche Mittelpunkt seiner Tätigkeit lag somit eindeutig und für den Kläger aus den Gesamtumständen erkennbar am Flughafen "A" und zwar im Terminalbereich X. In diesem Bereich setzt die K ihn arbeitstäglich für die Flugzeug- und Gepäckabfertigung aller dort startenden und landenden Fluggesellschaften ein. Im Terminalbereich X erbringt der Kläger fortdauernd und nachhaltig seine geschuldete Arbeitsleistung.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den bis zur mündlichen Verhandlung erkennbaren Gesamtumständen, die der Senat indiziell in die ex ante-Betrachtung einbezieht. Bis zur mündlichen Verhandlung war der Kläger nachhaltig am Flughafen "A" tätig, wenn nunmehr auch für andere Unternehmen. Lediglich zweimal ist der Kläger für wenige Tage am Flughafen "D" eingesetzt worden. Die Organisation dieser Einsätze weist zusätzlich auf eine regelmäßige Arbeitsstätte am Flughafen "A" hin. Der Kläger ist an diesen Tagen ebenfalls mit seinem privaten Pkw zum Flughafen "A" gefahren, hat ihn – wie üblich – auf den Mitarbeiterparkplätzen abgestellt und ist - zusammen mit anderen Arbeitnehmern - mit einem von der F gestellten Bus zum Flughafen "D" bef ördert worden. Eine Stunde Fahrtzeit ist ihm als Arbeitszeit angerechnet worden.
Das Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte wird nach Ansicht des Senats zudem nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Flughafengelände nicht im wirtschaftlichen oder rechtlichen Eigentum oder Besitz des Arbeitgebers steht. Entscheidend ist vielmehr, dass das Flughafengelände das Betriebsgelände der B-GmbH ist, die unter Zurhilfenahme ihrer Tochterunternehmen den Flughafen "A" betreibt. Die F hat im Konzern die Aufgabe übernommen Mitarbeiter zu rekrutieren und einzusetzen. Dass die B-GmbH diese Aufgabe nicht selbst übernommen hat, sondern durch ein Tochterunternehmen erbringen lässt, kann nicht alleine dazu führen, dass die Mitarbeiter der F keine regelmäßige Arbeitsstätte begründen können und durch Outsourcing steuerlich besser gestellt sind, als andere Arbeitnehmer mit Tätigkeitsmittelpunkt auf dem Gelände des Arbeitgebers.
Insoweit weicht der erkennende Senat auch nicht von der Rechtsprechung des BFH ab. Der BFH hat bisher nicht entschieden, dass nur Einrichtungen und Betriebsstätten, die dem Arbeitgeber zivilrechtlich oder wirtschaftlich zuzurechnen sind, eine regelmäßige Arbeitsstätte sein können. Der BFH führt lediglich in seinen Urteilen aus, dass es sich bei einer regelmäßigen Arbeitsstätte in der Regel um einen Betrieb oder eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers handeln muss. Im Urteil vom 17.06.2010 (VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852) hat der BFH die Frage, ob ein Leiharbeitnehmer, der vom Verleiher für die gesamte Zeit seines Dienstverhältnisses dem Entleiher überlassen worden ist, eine regelmäßige Arbeitsstätte beim Verleiher begründen kann, sogar ausdrücklich offen gelassen.
Entgegen der Auffassung der Kläger scheitert die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte nicht daran, dass es sich bei dem Flughafengelände und auch bei dem Bereich der Terminals X um ein sehr großes Gebiet handelt. Ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet kommt nach der Rechtsprechung des BFH als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in Betracht, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 61/06, BStBl II 2010, 564). Dies ist vorliegend der Fall, da es sich um ein zusammenhängendes Gebiet handelt, das dem Konzern zuzurechnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 (FGO).
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.