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  • 29.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140246

    Sozialgericht Osnabrück: Urteil vom 05.12.2013 – S 19 U 43/11

    Geldabheben ist - wie die Nahrungsaufnahme - grundsätzlich als eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, die nicht unter den Versicherungsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Eine versicherte Tätigkeit kommt dann in Betracht, wenn der Versicherte das Geld in Erfüllung einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis oder aufgrund einer konkreten Anweisung abheben wollte.


    SG Osnabrück
    19. Kammer

    Urteil vom 05.12.2013

    S 19 U 43/11

    Tenor

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

    Der D. geborene Kläger ist seit 36 Jahren als Berufskraftfahrer bei der Firma E. in F. beschäftigt. Am 11. August 2010 wurde der Kläger morgens gegen 8:30 Uhr in G., dem Wohnort des Klägers, auf dem Weg vom Parkplatz in Richtung Sparkasse vor dem Bürgersteig in Höhe des Parkplatzeinganges von einem PKW angefahren. Der Kläger erlitt eine zweitgradig offene Unterschenkeltrümmerfraktur links, die noch am Unfalltag mit einem Fixateur operativ versorgt wurde.

    Nach der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 2. September 2010 war der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auf dem Weg zur Arbeit und wollte von der Sparkasse Geld aus dem Automaten holen.

    Mit Bescheid vom 18. November 2010 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche mit der Begründung ab, dass kein Arbeitsunfall vorliege. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf einem versicherten Weg befunden, da der Weg zur Arbeit wegen einer eigenwirtschaftlichen Handlung – Geld abheben – unterbrochen worden sei. Für den Zeitpunkt der Unterbrechung habe kein Versicherungsschutz bestanden.

    Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er gab an, dass sich die Sparkasse auf dem direkten Weg zur Arbeit befände. Er habe noch Geld abheben wollen, da er kein Geld mehr in der Tasche gehabt hätte. Ohne Geld könne er nicht auf die Tour fahren, da immer etwas sein könne.

    Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Abheben eines Geldbetrages sei einschließlich der dazu gehörenden Wege ausschließlich dem privatwirtschaftlichen unversicherten Bereich zuzuordnen. Dies gelte auch dann, wenn das Geld für eine Dienstfahrt gebraucht werde.

    Hiergegen hat der Kläger – vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten – am 15. Februar 2011 Klage vor dem Sozialgericht Osnabrück erhoben. Der Kläger hat im schriftlichen Verfahren vorgetragen, dass das Geld abheben vor Ausführung von Fahrten aufgrund einer entsprechenden Anweisung vom Vorabend erfolgt sei und daher betrieblichen Tätigkeiten diene. Es bestünde die Anweisung, Gelder für Eintritt, Toilettennutzung, Essensversorgung sowie die Durchführung von Kleinreparaturen etc. in bar zu zahlen und später als Spesen abzurechnen.

    Die Fahrer müssten mindestens 50,00 Euro in bar mitführen, sonst würden sie sich arbeitsvertraglich pflichtwidrig verhalten. Der Kläger habe daher kein Geld für private Zwecke, sondern aufgrund dienstlicher Anweisung abheben wollen. Mit dem LKW könne er aus Platzmangel nicht vor der Sparkasse parken.

    Der Kläger beantragt,

    1. den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 aufzuheben,

    2. die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass er am 11. August 2010 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erlitten hat.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hält die angefochtenen Entscheidungen weiterhin für zutreffend.

    Die Kammer hat zunächst den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2013 angehört und sodann den Zeugen H., Speditionsleiter der Firma E., vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gewesen.

    Entscheidungsgründe

    Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist als mit einer Anfechtungsklage verbundene Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der die Kammer folgt, in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen. Begehrt der Versicherte nämlich allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage unmittelbar eine rechtskräftige, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen.

    Damit wird in diesen Fällen sein Begehren jedenfalls genauso wirksam durchgesetzt wie mit einer (die Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts umfassenden) Verpflichtungsklage. Das gem. § 55 Abs. 1 SGG erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin liegt insoweit auch vor.

    Unabhängig davon, dass dem klägerischen Begehren ein konkretes Leistungsbegehren auch nicht zu entnehmen ist, wäre eine Leistungsklage auch unzulässig. Da die Beklagte eine Entschädigung schon dem Grunde nach abgelehnt hat, weil kein Arbeitsunfall bestünde, hat sie keine Entscheidung über die Gewährung von konkreten Entschädigungsleistungen getroffen (vgl. hierzu Urteile des BSG vom 16. November 2005, Az.: B 2 U 28/04 R; vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 4/06 R; vom 2. Dezember 2008, Az.: B 2 U 17/07 R und vom 27. April 2010 - Az.: B 2 U 23/09 R). Über die Feststellung einer Leistungspflicht der Beklagten könnte auch nicht durch Grundurteil entschieden werden (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 7. September 2004, Az.: B 2 U 35/03 R), vielmehr wäre über die Gewährung von konkreten Sozialleistungen im Falle der Feststellung eines Arbeitsunfalls in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu befinden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27. Juli 1989, Az.: 2 RU 54/88, Urteil vom 16. November 2005, Az.: B 2 U 28/04 R).

    Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat es in ihrem Bescheid vom 18. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 zutreffend abgelehnt, das Ereignis vom 11. August 2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei dem Unfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.

    Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat, sog. haftungsbegründende Kausalität. Dabei gilt hinsichtlich des Beweismaßstabes, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen.

    Der Kläger ist zwar als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert gewesen und hat auch am 11. August 2010 einen Unfall mit körperlichen Schadensfolgen erlitten, als er auf dem Weg zu seiner beruflichen Tätigkeit zunächst zur Sparkasse gefahren ist und auf dem Weg vom Parkplatz zur Sparkasse von einem PKW angefahren und schwer am linken Bein verletzt wurde. Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, weil die Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt nicht im sachlichen Zusammenhang mit seiner Beschäftigung gestanden hat.

    Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 9. November 2010, Az.: B 2 U 14/10 R, juris Rdnr. 31 m.w.N.).

    Der sachliche Zusammenhang zwischen der unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der nach den §§ 2, 3 oder SGB VII versicherten Tätigkeit besteht daher, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit - oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung - zu erreichen. Der Weg muss daher wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt werden, den Ort der Tätigkeit zu erreichen oder nach Beendigung der Tätigkeit nach Hause zurückzukehren. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss nach der Rechtsprechung des BSG durch objektive Umstände bestätigt werden (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 29/06 R, juris Rdnr. 9). Auch die Verrichtung zum Unfallzeitpunkt muss im sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von de Arbeitsstätte gehört (BSG, Urteil vom 17. Februar 2010, Az.: B 2 U 26/07 R, juris Rdnr. 11, m.w.N.).

    Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger zwar auf dem unmittelbaren Weg zu seiner Arbeitsstätte, also auf einem grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Weg befunden - solange er sich mit ihrem PKW in Richtung ihrer Arbeitsstätte fortbewegt hat. Jedoch war ihre Verrichtung zum Unfallzeitpunkt nicht mehr auf die Fortbewegung zur Arbeitsstätte gerichtet, sondern diente einer beabsichtigten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit, dem Geld abheben. Hierdurch ist der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit entfallen. Da es sich auch um eine mehr als nur geringfügige Unterbrechung gehandelt hat, da sie nicht auf einer Verrichtung beruhte, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist (BSG vom 9. Dezember 2003, a.a.O., juris Rdnr. 15), ist der zunächst gegebene Versicherungsschutz zum Unfallzeitpunkt entfallen, so dass der streitige Unfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gestanden hat.

    Entgegen der Ansicht des Klägers stellt sein Gang zur Sparkasse, um dort Geld abzuheben, auch keine gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit dar.

    Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als "Beschäftigter" setzt tatbestandlich voraus, dass der Verletzte eine eigene Tätigkeit (vgl. auch § 121 Abs. 1 SGB VII) in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (§ 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Das ist nur der Fall, wenn seine Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht. Der Tatbestand der versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher dann erfüllt, wenn die Verrichtung eine Hauptpflicht des Beschäftigten erfüllt, weil sie die vertragsgemäß geschuldete Arbeits- oder Dienstleistung ist oder wenn die Verrichtung eine Nebenpflicht des Beschäftigten gegenüber dem Unternehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllen soll (BSG vom 15. Mai 2012, Az.: B 2 U 8/11 R, juris Rdnr. 27 f., 44 f.).

    Als Nebenpflichten kommen vor allem die Mitwirkungspflichten des Beschäftigten als Gläubiger von Leistungspflichten des Unternehmers (§§ 293 ff. BGB) und die Pflichten zur Rücksichtnahme auf dessen Rechte, Rechtsgüter und Interessen in Betracht. Arbeitsrechtlich muss jeder Vertragspartner seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen, seine Rechte so ausüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Eigene Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Unternehmer erfüllt der Verletzte auch dann, wenn er Mitwirkungshandlungen vornimmt, die ihm zu dem Zweck obliegen (vgl. §§ 241 Abs. 2, 293 ff. BGB), dass der Unternehmer seine ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen kann. Das ist der Fall bei Handlungen des Verletzten zwecks Empfangnahme des Lohnes oder zur Geltendmachung von (vermeintlichen) Fehlern bei der Lohnabrechnung, da in diesen Fällen der Beschäftigte zivilrechtlich gehalten ist, dem Unternehmer zu ermöglichen, seine Hauptpflicht zu erfüllen, die Vergütung zur rechten Zeit, am rechten Ort, in rechter Weise und in richtiger Höhe zu leisten. Gleiches gilt für eine ggf. bestehende Obliegenheit des Beschäftigten, dem Unternehmer die Erfüllung seiner Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen. Voraussetzung ist, dass eine solche Haupt- oder Nebenpflicht des Unternehmers bereits entstanden ist und er sie nur erfüllen kann, wenn der Beschäftigte in bestimmter und ihm zumutbarer Weise mitwirkt. Denn der Beschäftigte und der Unternehmer müssen bei ihrem Zusammenwirken jeweils auf das Wohl und die berechtigten Interessen des anderen Rücksicht nehmen (BSG vom 15. Mai 2012, a.a.O., juris Rdnr. 50 f., mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

    Keine Verrichtung einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII durch Erfüllung einer Nebenpflicht liegt hingegen dann vor, wenn der Verletzte zur Mitwirkungshandlung bei der Pflichtenerfüllung des Unternehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht verpflichtet war. Dasselbe gilt, wenn die Pflicht des Unternehmers nur entstanden ist, weil der Beschäftigte nach freiem Ermessen ein Recht gegen ihn ausgeübt hatte, das nicht auf die Förderung des Unternehmens gerichtet ist und auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die den Unternehmer hoheitlich für den Staat zugunsten von Verwaltungsverfahren in Dienst nimmt. In beiden Fällen erfüllt nämlich der Beschäftigte keine Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis, sondern begibt er sich freiwillig in den unternehmerischen Gefahrenbereich, um daraus unmittelbar nur eigene Vorteile zu erlangen und nimmt damit eine sog. eigenwirtschaftliche Verrichtung dar, die unversichert ist (BSG vom 15. Mai 2012, a.a.O., juris Rdnr. 53).

    Zu beachten ist, dass das Abheben von Geld vergleichbar der Nahrungsaufnahme, dem Besorgen von Medikamenten sowie des Auftankens eines Kraftfahrzeuges ist. Dies sind Tätigkeiten – ebenso wie zahlreiche sonstige Verrichtungen des täglichen Lebens -, die gleichzeitig sowohl den eigenwirtschaftlichen Interessen des Versicherten als auch den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers dienen können, jedoch grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten und nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind und daher - solange dies das Gesetz nicht wegen besonderer Erfordernisse des sozialen Schutzes ausdrücklich anordnet - nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen - auch wenn sie mittelbar der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dienen. Die Erledigung von Vermögensangelegenheiten gehört grundsätzlich zum unversicherten Lebensbereich des Versicherten. Dies gilt auch für den Weg des Versicherten zur Krankenkasse zum Abholen von Krankengeld, der ebenfalls grundsätzlich persönlichen Interessen dient (vgl. hierzu Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 27. Juni 1990 - Az.: L 3 U 131/89 - Breith 1991, 381, 383). Denn das Abheben von Geld, auch von Arbeitslohn, ist in keiner Konstellation mehr unfallversichert, da entsprechende Ausnahmetatbestände vom Gesetzgeber (vgl. hierzu § 548 Abs. 2 RVO a.F.) ausdrücklich nicht in das SGB VII übernommen worden sind (Bundestagdrucksache 13/2204, S. 77 zu § 8 Abs. 2 SGB VII). Der Gesetzgeber hat diese Handlung nunmehr dem privatwirtschaftlichen, unversicherten Bereich zugeordnet. Doch selbst nach der alten Gesetzeslage war auch das Einrichten eines privaten Girokontos selbst dann nicht versichert, wenn dies auf Verlangen des Arbeitgebers erfolgt ist (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 22. Januar 1976, Az.: 2 RU 73/75).

    Daher kommt eine versicherte Tätigkeit nur dann in Betracht, wenn der Kläger im vorliegenden Fall das Geld aufgrund der Erfüllung einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis oder einer konkreten Anweisung abheben wollte. Zwar hat der Kläger schriftlich vorgetragen, dass er aufgrund einer entsprechenden Anweisung vom Vorabend bzw. aufgrund einer betrieblichen Anweisung gehandelt habe. Jedoch hat sich dieser Vortrag aufgrund der persönlichen Anhörung sowie der Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2013 nicht bestätigt.

    Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in Übereinstimmung mit dem Zeugen H. angegeben, dass es keine spezielle betriebliche Anweisung dahingehend gibt, dass die Fahrer Bargeld mitnehmen müssen. Es lag auch keine konkrete Anweisung des Arbeitgebers vor dem streitigen Unfall vor. Für die Abrechnung von Spesen ist es entgegen dem Vortrag im schriftlichen Verfahren nicht erforderlich, dass die Fahrer die Auslagen bargeldlos zahlen. Erforderlich ist lediglich die Vorlage von Quittungen.

    Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger als Berufskraftfahrer der besonderen Situation ausgesetzt ist, dass er regelmäßig für die Dauer von zwei bis drei Tagen unterwegs ist. Auch hat der Kläger die Spesen im Voraus zu verauslagen, die erst anschließend pauschal (d.h. für eine 3-Tages-Tour in Höhe von 60,00 Euro) oder für konkrete Ausgaben (Eintrittsgelder, Park- und Mautgebühren sowie Kleinreparaturen nach Vorlage der Quittungen) abgerechnet werden. Zu berücksichtigen ist, dass Park- und Mautgebühren nicht regelmäßig anfallen. Insbesondere die Mautgebühren werden in der Regel über die im LKW vorhandene OBU (on-board-unit) abgerechnet, so dass sie nur bei Ausfall des Systems anfallen.

    Doch selbst wenn die Kammer zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass es eine Art betriebliche Übung dahingehend gibt, dass seitens der Unternehmensleitung erwartet wird, dass die Fahrer zumindest 50,00 Euro in bar – diesen Betrag hat sowohl der Kläger auch im schriftlichen Verfahren angegeben als auch der Zeuge H. – mitführen, ergibt sich kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Denn entgegen seines schriftlichen Vortrages hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, am Unfalltag nicht bargeldlos gewesen zu sein, sondern noch 70,00 Euro Bargeld in der Tasche gehabt zu haben. Dass er noch weitere 50,00 Euro Bargeld abheben wollte, diente zur Überzeugung der Kammer allein dem subjektiven Bedürfnis des Klägers, bei Fahrten zwischen 100,00 und 150,00 Euro Bargeld mitzunehmen, da er offensichtlich – auch aufgrund seiner persönlichen Erfahrung – lieber mit Bargeld als bargeldlos mit EC-Karte zahlt. So war ihm auch nicht bekannt, dass er auch Mautgebühren im Terminal bargeldlos zahlen kann. Dieses subjektive Bedürfnis kann jedoch nicht zur Anerkennung des Versicherungsschutzes führen.

    Das beabsichtigte Geldabheben zum Unfallzeitpunkt ist auch nicht als versicherte Vorbereitungshandlung für die berufliche Tätigkeit anzusehen.

    Zu Vorbereitungshandlungen zählen Maßnahmen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Bestimmte typische Vorbereitungshandlungen sind bereits nach § 8 Abs. 2 SGB VII versichert. Handelt es sich hingegen - wie vorliegend - nicht um eine von dieser Bestimmung erfasste vorbereitende Tätigkeit, kommt eine Ausweitung des Versicherungsschutzes auf weitere Vorbereitungshandlungen nur in Betracht, wenn diese mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden. Hierfür ist ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zu fordern, der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen lässt. Denn Vorbereitungshandlungen sind trotz ihrer Betriebsdienlichkeit grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen (BSG vom 28. April 2004, Az.: B 2 U 26/03 R, juris Rdnr. 16, m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn erst die Vorbereitungshandlung die Aufnahme oder Durchführung der versicherten Tätigkeit ermöglicht, es also erforderlich ist, diese Handlung gerade auf dem versicherten Weg vorzunehmen (BSG vom 2. Dezember 2008, Az.: B 2 U 15/07 R).

    Danach ist das beabsichtigte Geldabheben nicht als eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Vorbereitungshandlung anzusehen. Vielmehr stellt das Abheben von Bargeld eine persönliche Verrichtung dar, die auch dann grundsätzlich nicht mit der versicherten Tätigkeit in sachlichem Zusammenhang steht, wenn sie während der versicherten Tätigkeit vorgenommen wird. Da der Kläger noch 50,00 Euro Bargeld hatte, hat keine konkrete Ausnahmesituation vorgelegen, die es im vorliegenden Fall rechtfertigen könnte, das Abheben von Bargeld als zwingend notwendige Vorbereitungshandlung unter Versicherungsschutz zu stellen.

    Die Klage war daher abzuweisen.

    Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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