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  • 25.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141271

    Sozialgericht Dortmund: Urteil vom 21.03.2014 – S 34 R 580/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Sozialgericht Dortmund

    S 34 R 580/13

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert wird auf 18.000,00 EUR festgestellt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Gesellschafter – Geschäftsführer bei der Klägerin abhängig beschäftigt ist und der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

    Der Beigeladene war bei der Klägerin bis zum 31.12.2011 als Entwickler abhängig beschäftigt. Gesellschafter war er bereits seit August 1990. Seit dem 01.01.2012 ist der Beigeladene bei der Klägerin als Geschäftsführer und Entwickler tätig. Er besitzt nunmehr einen Gesellschafteranteil von 49,71 %. 50,29% der Anteile hält die XXX Nach § 7 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin können die Änderung dieses Vertrages und die Auflösung der Gesellschaft nur mit 75% aller Gesellschaftsanteile beschlossen werden. Ansonsten genügt eine einfache Mehrheit. Mit Anstellungsvertrag vom 02.01.2012 vereinbarten die Klägerin und der Beigeladene u.a. die Vertretungbefugnisse des Beigeladenen, seine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, zustimmungspflichtige Geschäfte, eine Arbeitszeit von 45 Stunden pro Woche, eine Jahresvergütung von 69.600,00 EUR, eine von der Gesellschafterversammlung zu beschließende Tantieme, die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, die Fortgeltung von Ansprüchen aus dem vorangegangenen Arbeitsvertrag vom 28.11.1991, die Ausstattung eines Heimarbeitsplatzes, einen 25- tägigen Urlaubsanspruch und eine sechsmonatige Kündigungsfrist.

    Auf den im Juni 2012 gestellten Statusfeststellungsantrag der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2013 fest, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Gesellschafter – Geschäftsführer bei der Klägerin seit dem 01.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sei. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sei der Beigeladene nicht versicherungspflichtig.

    Zur Begründung der hiergegen am 05.04.2013 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass der Beigeladene einer versicherungsfreien Tätigkeit des geschäftsführenden Gesellschafters nachgehe, weil er über besondere branchenspezifische Kenntnisse und Kundenkontakte verfüge, ohne die die Klägerin ihr operatives Geschäft nicht fortführen könne. Der Beigeladene habe in den Jahren 1984 bis 2010 ein für die Firma maßgebliches Softwareprodukt überwiegend allein entwickelt und verfüge hinsichtlich der meisten Module über entsprechende Urheberrechte. Bei der Mehrheitsgesellschafterin handele es sich um eine Investorin, die nicht in das operative Geschäft der Klägerin eingebunden sei. Von den dreizehn festangestellten Mitarbeitern der Klägerin verfüge allein der Beigeladene über einen Ausbilderschein. Ohne ihn könne die Klägerin keine Nachwuchskräfte ausbilden. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Beigeladene der Klägerin "seinen Stempel aufgedrückt" habe und selbstständig schalten und walten könne. Neben seiner Beteiligung am Stammkapital der Klägerin nehme der Beigeladene an dem Gewinn und Verlust der Gesellschaft teil und trage damit ein erhebliches Unternehmerrisiko. Im Rahmen von vier Leasingverträgen für Dienstfahrzeuge der Klägerin habe der Beigeladene persönliche Bürgschaften übernommen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid der Beklagten vom 07.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Gesellschafter – Geschäftsführer der Klägerin seit dem 01.01.2012 nicht auf Grund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

    Die Beklagte ist der Auffassung, auch die Übernahme von Bürgschaften führe zu keiner anderen Beurteilung des Vertragsverhältnisses. Allein durch die Haftung für die Bürgschaft werde ein Beschäftigungsverhältnis nicht ausgeschlossen. Sonderrechte in der Gesellschaftsversammlung entstünden durch die Übernahme der Bürgschaften nicht.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig, aber unbegründet.

    Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig. Die Beklagte stellt zutreffend fest, dass der Beigeladene seit dem 01.01.2012 in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin auf Grund einer abhängigen Beschäftigung versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung ist.

    Nach § 7 a Abs. 2 SGB IV entscheidet die Beklagte im Rahmen eines Anfrageverfahrens auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 11.03.2009, Az.: B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2) findet hierbei keine isolierte Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung, sondern zugleich eine Entscheidung über die Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung statt.

    Gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III.

    Dabei ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV unter Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, zu verstehen. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind die Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, in den Betrieb eingegliedert wird und einem – ggf. nach den Erfordernissen des konkreten Tätigkeitsfeldes eingeschränkten – umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch die eigene Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, das eigene Unternehmerrisiko und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 n.w.Nw.).

    Nach diesen Maßstäben liegt dem Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Gesellschafter – Geschäftsführer bei der Klägerin eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor.

    Die Kammer wertet es als maßgebliches Indiz eine abhängige Beschäftigung, dass der Beigeladene als Gesellschafter – Geschäftsführer allein auf Grund seiner Gesellschafterrechte nicht die Möglichkeit hat, seine Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Er verfügt weder über eine Kapitalbeteiligung von 50% oder mehr noch ist ihm eine umfassende Sperrminorität eingeräumt worden. Damit hat der Beigeladene keine beherrschende Stellung in der Gesellschaft, weil er nicht alle ihm unangenehmen Gesellschafterbeschlüsse verhindern kann. Daran ändert auch die dem Beigeladenen eingeräumte partielle Sperrminorität für Änderungen des Gesellschaftsvertrages und die Auslösung der Gesellschaft nichts, weil diese Regelung im Übrigen Weisungen an den Geschäftsführer nicht ausschließt.

    Für das Fortbestehen des langjährigen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen bei der Klägerin spricht auch die Ausgestaltung des Anstellungsvertrages vom 02.01.2012. Gehaltsvereinbarung, Nebenleistungen, Urlaubsanspruch, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsregelung sprechen für die Annahme einer typischen Beschäftigung als leitender Angestellter. Dies geht soweit, dass die Vertragsparteien Ansprüche des Beigeladenen aus dem vorangegangenen Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1991 ausdrücklich fortschreiben.

    Fehlende Einzelweisungen der Gesellschafterversammlung und die Möglichkeit, die Arbeitszeit im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse frei zu gestalten, führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr ist die innerhalb eines vorgegebenen Rahmens frei gestaltete Arbeitsleistung bei höher qualifizierten Tätigkeiten üblich, ohne Anhaltspunkte für eine Selbstständigkeit zu bieten. Von daher tritt in der Gesamtwürdigung für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung die Eingebundenheit des Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin und seine "dienende Teilhabe" am Arbeitsprozess der Klägerin in den Vordergrund. Dies gilt auch für die von der Klägerin herausgestellte besondere Rolle des Beigeladenen bei der Entwicklung von Softwareprodukten und der Pflege von Kundenkontakten. Die branchenspezifischen Kenntnisse und Kundenkontakte hat der Beigeladene während seiner langjährigen abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin erworben. Von daher leuchtet es nicht ein, diesen Aspekt nunmehr zur Begründung seiner Selbstständigkeit heranzuziehen. Auch ist es nicht unüblich, dass kleinere Firmen von dem Fachwissen, den Kundenkontakten und der Ausbildereignung eines leitenden Mitarbeiters abhängig sind.

    Schließlich ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass die Übernahme von Leasingbürgschaften für Dienstfahrzeuge der Klägerin zwar ein Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellen kann, die dargestellten maßgeblichen Aspekte für das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen der Gesamtwürdigung jedoch nicht zu verdrängen vermag.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

    Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer folgt der Rechtsprechung des LSG NRW (Beschlüsse vom 13.12.2004, Az.: L 5 B 61/03 KR und vom 12.01.2005, Az.: L 5 B 50/04 KR – juris -), wonach bei der Anfechtung einer Statusfeststellung für eine unbefristete Tätigkeit unter Berücksichtigung der mittelbar entstehenden Beitragsbelastung im Regelfall pauschalierend ein Streitwert von 18.000,- Euro angemessen ist.

    RechtsgebietRentenversicherung