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  • 15.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146610

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 04.12.2014 – 1 K 116/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Sachsen-Anhalt

    04.12.2014

    1 K 116/13

    In dem Rechtsstreit
    der Frau B.
    Klägerin,
    bevollmächtigt: Steuerberater
    gegen
    das Finanzamt Stendal,
    Beklagter,
    wegen Einkommensteuer 2006, 2007, 2008
    Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008
    hat der 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. Dezember 2014 - durch
    die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht Dr. Waterkamp,
    den Richter am Finanzgericht Dr. Amler,
    die Richterin am Finanzgericht Gerstmann,
    die ehrenamtliche Richterin ... und
    die ehrenamtliche Richterin ...
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten streitig ist die Besteuerung der privaten Nutzung von Fahrzeugen des Betriebsvermögens.

    Die Klägerin erzielt als Einzelunternehmerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit der Montage von Duschanlagen als Nachunternehmerin. Als einzigen Arbeitnehmer beschäftigt sie ihren Lebensgefährten.

    In der Zeit vom 02. August 2010 bis zum 25. Oktober 2010 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung (Bp) durch, die unter anderem die streitgegenständlichen Steuerarten und Jahre umfasste und die ausweislich des Bp-Berichts vom 08. November 2010 unter anderem zu folgender Prüfungsfeststellung führte:

    Im Prüfungszeitraum befand sich stets ein Transporter im Betriebsvermögen der Klägerin, zunächst bis 29. Juni 2006 ein Mercedes Benz Vito und sodann ab 20. Juni 2006 bzw. ab 30. September 2008 jeweils ein VW T5. Die Transporter wurden ausweislich der Kraftfahrzeugsteuerdaten des Beklagten als 8-Sitzer bzw. 9-Sitzer ausgeliefert.

    Am 06. Dezember 2007 schaffte die Klägerin für den Betrieb zudem einen Citroen C3 Picasso an, dessen private Nutzung sie in 2008 der Besteuerung nach der sog. 1%-Methode unterwarf.

    Weitere Fahrzeuge waren im Streitzeitraum weder auf die Klägerin noch auf ihren Lebensgefährten zugelassen.

    Im Rahmen der Prüfung legte die Klägerin Aufzeichnungen auf üblicherweise als Fahrtenbuch verwendeten Vordrucken vor, die sämtliche Fahrten mit den Transportern als betrieblich auswiesen. Ein Abgleich der Aufzeichnungen mit Werkstattrechnungen und Kraftstoffbelegen brachte jedoch zahlreiche Unstimmigkeiten zutage, weshalb die Prüferin von einem Anscheinsbeweis für eine private Mitbenutzung der streitgegenständlichen Fahrzeuge ausging und in der Folge die private Nutzung nach der sog. 1-v.H.-Methode ermittelte.

    Dem folgend hat der Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 01. Dezember 2010 die Einkommensteuer für 2006 bis 2008 (um 276,00 EUR, 1.331,00 EUR bzw. 1.349,00 EUR) und die Umsatzsteuer für 2006 bis 2008 (um 449,28 EUR, 607,43 EUR bzw. 702,30 EUR) erhöht festgesetzt.

    Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin fristgerecht die vorliegende Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:

    Bei den streitgegenständlichen Fahrzeugen habe es sich jeweils um Werkstattwagen gehandelt, die mit der kompletten Werkzeugausrüstung des Betriebes bestückt gewesen seien und zudem zum Transport der einzubauenden Teile verwendet wurden. Sitze im Innenraum seien zwar möglich, jedoch nicht installiert gewesen, weil ansonsten die zu transportierenden Teile durch ihre Länge von mindestens 2,20 m nicht in das Fahrzeug gepasst hätten. Es handele sich demnach um Transporter mit Pkw-Zulassung und nicht um Pkw, wie im Urteil des FG Niedersachsen vom 13. März 2013 - 4 K 302/11, NWB direkt, 2013, 1007.

    Bei den vorgelegten "Fahrtenbüchern" habe es sich um die Reisekostenabrechnungen des Arbeitnehmers gehandelt, der immer die gesamte zurückgelegte Strecke und den am weitesten entfernten Einsatzort, den er an dem entsprechenden Tag erreicht habe, aufgezeichnet habe. Diese Aufzeichnungen seien im Rahmen des Einspruchsverfahrens auf Aufforderung des Beklagten nachgebessert worden.

    Zur privaten Nutzung habe ein Pkw KIA Sephia zur Verfügung gestanden, dessen Halterin die Mutter der Klägerin war.

    Da die Nutzungsart des jeweils streitgegenständlichen Fahrzeugs offensichtlich und unbestritten sei, erschließe sich ein Zwang zum Nachweis der ausschließlich betrieblichen Nutzung nicht. Insbesondere habe der Beklagte nicht den Beweis angetreten, dass das jeweilige Fahrzeug überhaupt für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, genutzt wurde. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 04. Dezember 2012 - VIII R 42/09, BStBl. II 2013, 365, dürfte der Anscheinsbeweis für die private Mitbenutzung durch das Vorhandensein funktionsgerechter weiterer Fahrzeuge entkräftet sein. Hiernach habe der Beklagte die private Mitbenutzung zu beweisen, was er jedoch unterlassen habe.

    In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

    Beweis zu erheben zum einen durch Zeugenvernehmung der Betriebsprüferin M., die dazu gehört werden soll, dass sie nach Abschluss des Einspruchsverfahrens mehrfach im Hause der Klägerin erschienen sei und dort weitere Prüfungshandlungen vorgenommen habe, die nach Aussage der Klägerin zum Ergebnis gehabt haben sollen, dass die Aufzeichnungen für die streitgegenständlichen Fahrzeuge nunmehr in Ordnung seien, und zum anderen durch Vernehmung des Zeugen A., des Lebensgefährten der Klägerin, der aussagen könne, "dass das Fahrzeug als Werkstattwagen genutzt worden sei und im Rahmen der privaten Nutzung nicht benutzt worden sei".

    Zudem hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen, dass die Mutter der Klägerin in den Streitjahren derart schwer erkrankt gewesen sei, dass sie selbst kein Kraftfahrzeug habe führen können.

    Die Klägerin beantragt,

    die Einkommensteuer- und die Umsatzsteuerbescheide für 2006, 2007 und 2008, jeweils vom 01. Dezember 2010, und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 08. Januar 2013 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 2006 um 276,00 EUR, für 2007 um 1.331,00 EUR und für 2008 um 1.218,00 EUR, sowie die Umsatzsteuer für 2006 um 449,28 EUR, für 2007 um 607,39 EUR und für 2008 um 621,53 EUR herabgesetzt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidungen.

    Dem Senat haben zwei Bände Arbeitsakten der Betriebsprüfung und die Einspruchsheftung vorgelegen.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Die Einkommensteuer- und die Umsatzsteuerbescheide für 2006, 2007 und 2008, jeweils vom 01. Dezember 2010, und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 08. Januar 2013 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Der Beklagte hat zu Recht die private Nutzung der streitgegenständlichen Fahrzeuge der Besteuerung unterworfen.

    Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Davon abweichend kann die private Nutzung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG mit den auf die Privatfahrten entfallenden (tatsächlichen) Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Fahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

    Die Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG sind durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250, BStBl. I 1995, 438) in das EStG eingefügt worden. Sie bezwecken die vereinfachte Bewertung der privaten Nutzung betrieblicher Kfz und enthalten deshalb mit der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG statuierten 1-v.H.-Methode eine grundsätzlich zwingende grob typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung, deren Anwendung der Steuerpflichtige nur durch substantiierten Nachweis der privat veranlassten Kfz-Kosten, d.h. grundsätzlich nur durch Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG, vermeiden kann. Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, der betriebliche PKW werde nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt, reicht nicht aus, um die Anwendung der 1-v.H.-Regelung auszuschließen (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 - X R 23/01, BStBl. II 2003, 472).

    Nur bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, namentlich insbesondere Lastkraftwagen und Zugmaschinen, sind von der Anwendung der 1-v.H.-Methode ausgenommen.

    Die Regelung dient der einfachen und praktikablen Abgrenzung der durch die private Kfz-Nutzung verursachten Aufwendungen der Lebensführung von den Betriebsausgaben (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 - IIIR 59/98, BStBl. II 2000, 273). Die pauschale Bewertungsregelung beruht auf dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, namentlich vor allem PKW und Krafträder, typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden. Dieser allgemeine Erfahrungssatz lässt sich jedoch grundsätzlich nicht auf LKW und Zugmaschinen anwenden.

    Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte die private Nutzung der im Streitfall zu beurteilenden Fahrzeuge zu Recht nach der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG vorgesehenen 1-v.H.-Regelung bemessen.

    Zunächst ist festzuhalten, dass der Senat nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden, ohne den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen der Klägerin nachzugehen: Die unter Beweis gestellte Tatsache, Prüfungshandlungen der Betriebsprüferin M. im laufenden Klageverfahren betreffend, kann als wahr unterstellt werden, vermag jedoch keinen Einfluss auf die hier zu treffende Entscheidung zu haben, weil der Beklagte an die Feststellungen der Betriebsprüfung nicht gebunden ist und der Klage weiterhin entgegentritt. Dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge zum Transport von Werkzeug und Material benutzt worden sind, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Soweit die Klägerin die Zeugenvernehmung ihres Lebensgefährten begehrt zu der unter Beweis gestellten Tatsache, die streitgegenständlichen Fahrzeuge seien nicht privat genutzt worden, ist dieses Beweismittel nach Ansicht des Senats untauglich, weil der benannte Zeuge zu diesem Beweisthema nur dann in der Lage wäre eine Aussage zu machen, wenn er sich im Streitzeitraum immer und ohne jegliche Unterbrechung in unmittelbarer räumlichen Nähe entweder zu den streitgegenständlichen Fahrzeugen oder zu der Klägerin aufgehalten hätte, was nach Einschätzung des Gerichts von vorn herein - weil jeglicher Lebenserfahrung widersprechend - ausgeschlossen werden kann.

    Da die Kläger im hier zu beurteilenden Zeitraum kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt hat (nach ihrem eigenen Vortrag handelt es sich bei den vorgelegten "Fahrtenbüchern" lediglich um die Reisekostenabrechnungen des Arbeitnehmers), wird die Anwendung der 1-v.H.-Methode nicht durch § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ausgeschlossen.

    Soweit die Klägerin vorträgt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Fahrzeugen um Transporter mit Pkw-Zulassung und nicht um Pkw handele, erschließt sich diese Argumentation nicht. Denn selbst wenn die hinteren Sitzreihen bei den Fahrzeugen jeweils ausgebaut gewesen sein sollten, um den Transport von langen Gegenständen zu ermöglichen, konnten diese jederzeit wieder montiert werden und waren bzw. sind die Fahrzeuge auch bis dahin jedenfalls zur Beförderung von mindestens zwei Personen auf den vorderen Sitzen geeignet. Dass die Fahrzeuge darüber hinaus in irgendeiner Weise umgebaut worden wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

    Insoweit handelt es sich vorliegend auch - anders als in dem von der Klägerin angeführten vom FG Niedersachsen entschiedenen Fall - nicht um sog. Werkstattwagen, die typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet sind. Ein solches Fahrzeug ist auf Grund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt. Ein Fahrzeug dieser Art wird allenfalls gelegentlich und ausnahmsweise auch für private Zwecke eingesetzt. Insbesondere die Anzahl der Sitzplätze, das äußere Erscheinungsbild, eine Verblendung der hinteren Seitenfenster und das Vorhandensein einer Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum machen deutlich, dass ein Werkstattwagen für private Zwecke nicht geeignet ist (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 - VI R 34/07, BStBl. II 2009, 381). All dies ist vorliegend nicht gegeben.

    Will ein Steuerpflichtiger wegen einer hohen oder gar ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines solchen Kfz die Anwendung der 1-v.H.-Regelung vermeiden, steht ihm dafür der hier nicht beschrittene Weg über den nach den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu substantiierenden Einzelnachweis offen.

    Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des BFH vom 04. Dezember 2012 - VIII R 42/09, a.a.O., beruft, nach dem der Anscheinsbeweis für die private Mitbenutzung durch das Vorhandensein vergleichbarer weiterer Fahrzeuge erschüttert werden kann, geht sie damit ebenfalls fehl. Denn vorliegend haben im Streitzeitraum der Klägerin und ihren Angehörigen nicht in ausreichender Anzahl andere Fahrzeuge zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden, wenn in 2006 und 2007 allein ein KIA Sephia der Mutter und in 2008 zusätzlich nur noch ein Citroen C3 Picasso für drei erwachsene Personen (Klägerin, Lebensgefährte und Mutter) vorhanden waren. Mit diesem Vortrag kann es der Klägerin eben nicht gelingen, den Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Mitbenutzung der betrieblichen Pkw spricht, zu entkräften.

    Soweit die Klägerin schließlich hat vortragen lassen, dass ihre Mutter in den Streitjahren derart schwer erkrankt gewesen sei, dass sie kein Kraftfahrzeug habe führen können, ist dieser Vortrag nicht nur gänzlich unsubstantiiert, sondern darüber hinaus in keiner Weise glaubhaft gemacht.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG