10.01.2017 · IWW-Abrufnummer 191110
Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 08.07.2016 – 4 K 1836/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg
Urt. v. 08.07.2016
Az.: 4 K 1836/15
In dem Rechtsstreit
1. A1.
A-Straße, A-Stadt
2. A2.
A-Straße, A-Stadt
- Kläger -
Prozessbev. zu 1-2:
B.
B-Straße, B-Stadt
gegen
Finanzamt E.
,
- Beklagter -
wegen Einkommensteuer 2014
hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch
den Richter am Finanzgericht
ohne mündliche Verhandlung am 08. Juli 2016 für Recht erkannt:
Tenor:
Streitig ist, ob bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers mit der Entfernungspauschale oder nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2014 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Vorarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Im Streitjahr suchte er ca. einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers, der Firma Fa. 1 (mit Firmensitz in B-Stadt), in K auf, um dort beruflichen Tätigkeiten, wie das Beladen eines Firmenautos, das Abgeben von Stundenzetteln oder Urlaubsanträgen, nachzugehen. Anschließend fuhr er auf die jeweiligen Baustellen, die er im Übrigen arbeitstäglich direkt von der Wohnung aufsuchte. Laut Bescheinigung der Firma Fa. 1 vom 03.11.2015 ist der Kläger keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet. Sein Einsatzort sind die verschiedenen Baustellen.
In seiner Einkommensteuererklärung 2014 machte der Kläger bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für die Fahrten zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers wie folgt geltend:
Zeitraum betriebliche Einrichtung AG Aufwand
13.01.2014 bis 12.12.2014 K 43 Arbeitstage x doppelte Entfernung 440 km x 0,30 € = 5.676 €
Das Finanzamt folgte bei der Einkommensteuerveranlagung 2014 (Bescheid vom 13.05.2015) im wesentlichen den Angaben der Kläger in der Einkommensteuererklärung, berücksichtigte aber die beantragten Aufwendungen für die Fahrt des Klägers zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers nur mit der Entfernungspauschale in Höhe von insgesamt 2.838 €.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger, vertreten durch ihre Steuerberaterin, mit Schreiben vom 01.06.2015 Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, dass der Kläger im Streitjahr 2014 nicht arbeitsvertraglich einer Tätigkeitsstätte seines Arbeitgebers zugeordnet gewesen sei. Diesbezüglich sei ein Bestätigungsschreiben der Firma Fa. 1 vorgelegt worden. Daher sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Nach diesen Kriterien liege keine erste Tätigkeitsstätte vor, da der Kläger je Arbeitswoche nicht zwei volle Arbeitstage bzw. nicht mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitsgebers in K tätig werde.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos; mit Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015, auf die im Einzelnen verwiesen wird, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger einmal wöchentlich zur ortsfesten, betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers in K fahre, um von dort mit Firmenfahrzeugen die wechselnden Baustellen aufzusuchen. Er sei dort mindestens einmal im Monat durch Hilfs- und Nebentätigkeit, wie das Beladen eines Firmenautos oder das Abgeben von Urlaubsanträgen und Stundenzetteln, tätig. Diese Art des Tätigwerdens reiche aus, um von einer dauerhaften Zuordnung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Feststellungen auszugehen. Eine weitere Überprüfung sei daher nicht mehr erforderlich.
Mit der dagegen erhobenen Klage vom 16.12.2015 verfolgen die Kläger ihr Begehren der steuerlichen Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nach Reisekostengrundsätzen weiter.
Zur Begründung der Klage führt die Klägervertreterin im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Kläger sei von seinem Arbeitgeber arbeitsvertraglich nicht einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet worden. Er sei ausschließlich auf wechselnden Baustellen tätig gewesen. Demnach sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Da der Kläger weder unbefristet noch für die Dauer des gesamten Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von mindestens 48 Monaten regelmäßig an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung beschäftigt gewesen sei, sei das Kriterium der Dauerhaftigkeit nicht erfüllt. Folge davon sei, dass der Kläger weder aufgrund einer Zuordnung durch den Arbeitgeber noch aufgrund quantitativer Kriterien eine erste Tätigkeitsstätte besitze. Mit der Verrichtung der wesentlichen beruflichen Arbeiten auf verschiedenen Baustellen übe der Kläger typischer Weise eine Einsatzwechseltätigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Einkommensteuergesetz (EStG) aus. In diesen Fällen komme die Anwendung der Entfernungspauschale (ausnahmsweise) nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers die berufliche Tätigkeit dauerhaft an demselben Ort, also einem Sammelpunkt, aufnehme und diesen somit arbeitstäglich aufsuchen müsse. Im Streitfall habe der Kläger die betriebliche Einrichtung nur 43 mal und damit nicht arbeitstäglich aufgesucht. An der weitaus überwiegenden Anzahl von Arbeitstagen sei der Kläger direkt von seiner Wohnung zu den jeweiligen Baustellen gefahren. Damit lägen die Voraussetzungen, die die gesetzlichen Vorschriften an einen Sammelpunkt stellten, nicht vor. Für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers seien die Aufwendungen nicht nach der Entfernungspauschale, sondern nach Reisekostengrundsätzen abzugsfähig.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 13.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015 dahingehend abzuändern, dass bei den Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Aufwendungen in Höhe von 2.838 € anerkannt werden.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen, und führt hierzu im Wesentlichen Folgendes aus:
Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers könnten nur mit der Entfernungspauschale, die lediglich einen Ansatz von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulasse, berücksichtigt werden, da das wöchentliche Erscheinen des Klägers an der betrieblichen Einrichtung zur Annahme eines sog. Sammelpunktes führe. Im Streitfall gebe es zwar keine erste Tätigkeitsstätte, da die Arbeiten in der betrieblichen Einrichtung in K qualitativ und quantitativ nicht den Anforderungen an eine erste Tätigkeitsstätte entsprächen. Allerdings lägen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG für einen Sammelpunkt vor, da die betriebliche Einrichtung vom Kläger wöchentlich angefahren werde, um den Firmenwagen zu be- und entladen und um Urlaubs- und Stundenzettel abzugeben. Für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem immer wieder aufgesuchten Ort könne der Kläger nur die Entfernungspauschale geltend machen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter anstelle des Senats gemäß § 79a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 vom 13.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nur die Entfernungspauschale geltend machen kann, denn der Kläger musste weder nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen noch den diese ausfüllenden Weisungen und Absprachen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers) typischerweise arbeitstäglich aufsuchen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines sog. Sammelpunktes liegen nicht vor.
1. Grundsätzlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten Erwerbsaufwendungen, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 2014 in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gelten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG 2014 Einschränkungen. Insoweit greift die sog. Entfernungspauschale, die lediglich einen Ansatz von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulässt.
a) Erste Tätigkeitsstätte ist nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
b) Die Finanzverwaltung lässt die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z. B. Personalaktenführung), ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, nicht als Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG 2014 ausreichen (vgl. BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014 vom 24.10.2014, IV C 5 - S 2353/14/10002, Rz. 6 ff.). Sofern der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (abgeben von Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krank- und Urlaubsmeldung etc.), kann der Arbeitgeber nach Auffassung der Finanzverwaltung den Arbeitnehmer zu dieser Tätigkeitsstätte zuordnen, selbst wenn für die Zuordnung letztlich tarifrechtliche, mitbestimmungsrechtliche oder organisatorische Gründe ausschlaggebend sind. Auf die Qualität des Tätigwerdens soll es dabei nicht ankommen.
Der Arbeitgeber kann nach Auffassung der Finanzverwaltung dienst- oder arbeitsrechtlich nicht festlegen, dass der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung). Er kann allerdings (ggf. auch ausdrücklich) darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen, oder ausdrücklich erklären, dass organisatorische Zuordnungen keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen (vgl. BMF-Schreiben vom 24.10.2014, a.a.O., Rz. 12). In diesen Fällen hat die Prüfung, ob eine erste Tätigkeitsstätte gegeben ist, nach den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 24.10.2014 anhand der quantitativen Zuordnungskriterien nach § 9 Absatz 4 Satz 4 EStG zu erfolgen (vgl. BMF-Schreiben vom 24.10.2014, a.a.O., Rz. 25 ff.).
c) Im Streitfall hat der Kläger eine Bestätigung seines Arbeitgebers, der Firma Fa. 1, vorgelegt, aus der hervorgeht, dass der Kläger keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet ist. Sein Einsatzort sind die verschiedenen Baustellen. Nach § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG 2014 wird die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ersten Tätigkeitsstätte durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Vorliegend wurde der Kläger durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen gerade keiner Tätigkeitsstätte zugeordnet; entsprechende Nachweise wurden erbracht. Eine solche arbeitsrechtliche Entscheidung des Arbeitgebers (keine Zuordnung vorzunehmen) wird auch von der Finanzverwaltung anerkannt, die einen Verzicht des Arbeitgebers, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen, ausdrücklich anerkennt (vgl. BMF-Schreiben vom 24.10.2014, a.a.O., Rz. 12).
Zwar muss der Kläger einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers aufsuchen, um dort beruflichen Tätigkeit, wie das Beladen eines Firmenautos, das Abgeben von Stundenzetteln oder Urlaubsanträgen, nachzugehen. Allerdings führt dies nicht automatisch dazu, dass der Kläger damit der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers in K zugeordnet ist. Eine solche betriebliche Zuordnung wurde vom Arbeitgeber des Klägers bewusst nicht getroffen. Vielmehr reichen diese Tätigkeiten in ganz geringem Umfang (Hilfs- und Nebentätigkeiten) aus, um eine Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers zu dieser Tätigkeitsstätte zu rechtfertigen. Sie muss jedoch vom Arbeitgeber auch getroffen werden. Verzichtet der Arbeitgeber bewusst auf eine solche Zuordnung, kann in der Vorgabe, die betriebliche Einrichtung einmal pro Woche zur Ausführung von Hilfs- und Nebentätigkeiten aufzusuchen, keine konkludente Zuordnung gesehen werden.
d) Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erst Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll, vgl. § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG 2014 (quantitative Zuordnungskriterien). Dabei muss der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, z. B. zur Abgabe von Auftragsbestätigungen, Stundenzetteln, Krankmeldungen und Urlaubsanträgen führt noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte. Im Streitfall übt der Kläger seine eigentliche berufliche Tätigkeit auf den unterschiedlichen Baustellen aus. Er ist weder zwei volle Arbeitstage noch mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in der betrieblichen Einrichtung tätig. Wie bereits ausgeführt, nimmt der Kläger in der betrieblichen Einrichtung lediglich Hilfs- und Nebentätigkeiten - wie das Beladen des Fahrzeugs, die Abgabe von Stundenzetteln und Urlaubsanträgen - wahr. Die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Zuordnungskriterien scheidet demnach aus.
2. Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 und bestimmt der Arbeitgeber durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen (einschließlich Absprachen und Weisungen), dass der Arbeitnehmer sich dauerhaft typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem, vom Arbeitgeber festgelegten Ort, gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt; für diese Fahrten dürfen Fahrtkosten nur im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 (Entfernungspauschale) angesetzt werden.
Davon ist im Streitfall nicht auszugehen. Entgegen dem Vortrag des Finanzamtes in der Klageerwiderung ist es nicht ausreichend, dass der Kläger dauerhaft typischerweise einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers aufsuchen muss. Der Kläger arbeitet fünf Tag pro Woche. An vier von fünf Arbeitstagen sucht er die betriebliche Einrichtung nicht auf. Somit muss der nicht dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufsuchen.
Die Fahrten des Klägers von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers werden daher nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Zu Unrecht hat das Finanzamt bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers in K (nur) nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale berücksichtigt. Die Aufwendungen sind nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen.
II. Die Einkommensteuer der Kläger wird demnach gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO für das Streitjahr 2014 wie folgt festgesetzt:
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.
Urt. v. 08.07.2016
Az.: 4 K 1836/15
In dem Rechtsstreit
1. A1.
A-Straße, A-Stadt
2. A2.
A-Straße, A-Stadt
- Kläger -
Prozessbev. zu 1-2:
B.
B-Straße, B-Stadt
gegen
Finanzamt E.
,
- Beklagter -
wegen Einkommensteuer 2014
hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch
den Richter am Finanzgericht
ohne mündliche Verhandlung am 08. Juli 2016 für Recht erkannt:
Tenor:
- Der Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 13.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer auf 3.044 € festgesetzt wird.
- Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Streitig ist, ob bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers mit der Entfernungspauschale oder nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2014 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Vorarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Im Streitjahr suchte er ca. einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers, der Firma Fa. 1 (mit Firmensitz in B-Stadt), in K auf, um dort beruflichen Tätigkeiten, wie das Beladen eines Firmenautos, das Abgeben von Stundenzetteln oder Urlaubsanträgen, nachzugehen. Anschließend fuhr er auf die jeweiligen Baustellen, die er im Übrigen arbeitstäglich direkt von der Wohnung aufsuchte. Laut Bescheinigung der Firma Fa. 1 vom 03.11.2015 ist der Kläger keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet. Sein Einsatzort sind die verschiedenen Baustellen.
In seiner Einkommensteuererklärung 2014 machte der Kläger bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für die Fahrten zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers wie folgt geltend:
Zeitraum betriebliche Einrichtung AG Aufwand
13.01.2014 bis 12.12.2014 K 43 Arbeitstage x doppelte Entfernung 440 km x 0,30 € = 5.676 €
Das Finanzamt folgte bei der Einkommensteuerveranlagung 2014 (Bescheid vom 13.05.2015) im wesentlichen den Angaben der Kläger in der Einkommensteuererklärung, berücksichtigte aber die beantragten Aufwendungen für die Fahrt des Klägers zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers nur mit der Entfernungspauschale in Höhe von insgesamt 2.838 €.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger, vertreten durch ihre Steuerberaterin, mit Schreiben vom 01.06.2015 Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, dass der Kläger im Streitjahr 2014 nicht arbeitsvertraglich einer Tätigkeitsstätte seines Arbeitgebers zugeordnet gewesen sei. Diesbezüglich sei ein Bestätigungsschreiben der Firma Fa. 1 vorgelegt worden. Daher sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Nach diesen Kriterien liege keine erste Tätigkeitsstätte vor, da der Kläger je Arbeitswoche nicht zwei volle Arbeitstage bzw. nicht mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitsgebers in K tätig werde.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos; mit Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015, auf die im Einzelnen verwiesen wird, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger einmal wöchentlich zur ortsfesten, betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers in K fahre, um von dort mit Firmenfahrzeugen die wechselnden Baustellen aufzusuchen. Er sei dort mindestens einmal im Monat durch Hilfs- und Nebentätigkeit, wie das Beladen eines Firmenautos oder das Abgeben von Urlaubsanträgen und Stundenzetteln, tätig. Diese Art des Tätigwerdens reiche aus, um von einer dauerhaften Zuordnung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Feststellungen auszugehen. Eine weitere Überprüfung sei daher nicht mehr erforderlich.
Mit der dagegen erhobenen Klage vom 16.12.2015 verfolgen die Kläger ihr Begehren der steuerlichen Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nach Reisekostengrundsätzen weiter.
Zur Begründung der Klage führt die Klägervertreterin im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Kläger sei von seinem Arbeitgeber arbeitsvertraglich nicht einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet worden. Er sei ausschließlich auf wechselnden Baustellen tätig gewesen. Demnach sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Da der Kläger weder unbefristet noch für die Dauer des gesamten Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von mindestens 48 Monaten regelmäßig an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung beschäftigt gewesen sei, sei das Kriterium der Dauerhaftigkeit nicht erfüllt. Folge davon sei, dass der Kläger weder aufgrund einer Zuordnung durch den Arbeitgeber noch aufgrund quantitativer Kriterien eine erste Tätigkeitsstätte besitze. Mit der Verrichtung der wesentlichen beruflichen Arbeiten auf verschiedenen Baustellen übe der Kläger typischer Weise eine Einsatzwechseltätigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Einkommensteuergesetz (EStG) aus. In diesen Fällen komme die Anwendung der Entfernungspauschale (ausnahmsweise) nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers die berufliche Tätigkeit dauerhaft an demselben Ort, also einem Sammelpunkt, aufnehme und diesen somit arbeitstäglich aufsuchen müsse. Im Streitfall habe der Kläger die betriebliche Einrichtung nur 43 mal und damit nicht arbeitstäglich aufgesucht. An der weitaus überwiegenden Anzahl von Arbeitstagen sei der Kläger direkt von seiner Wohnung zu den jeweiligen Baustellen gefahren. Damit lägen die Voraussetzungen, die die gesetzlichen Vorschriften an einen Sammelpunkt stellten, nicht vor. Für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers seien die Aufwendungen nicht nach der Entfernungspauschale, sondern nach Reisekostengrundsätzen abzugsfähig.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 13.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015 dahingehend abzuändern, dass bei den Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Aufwendungen in Höhe von 2.838 € anerkannt werden.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen, und führt hierzu im Wesentlichen Folgendes aus:
Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers könnten nur mit der Entfernungspauschale, die lediglich einen Ansatz von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulasse, berücksichtigt werden, da das wöchentliche Erscheinen des Klägers an der betrieblichen Einrichtung zur Annahme eines sog. Sammelpunktes führe. Im Streitfall gebe es zwar keine erste Tätigkeitsstätte, da die Arbeiten in der betrieblichen Einrichtung in K qualitativ und quantitativ nicht den Anforderungen an eine erste Tätigkeitsstätte entsprächen. Allerdings lägen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG für einen Sammelpunkt vor, da die betriebliche Einrichtung vom Kläger wöchentlich angefahren werde, um den Firmenwagen zu be- und entladen und um Urlaubs- und Stundenzettel abzugeben. Für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem immer wieder aufgesuchten Ort könne der Kläger nur die Entfernungspauschale geltend machen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter anstelle des Senats gemäß § 79a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 vom 13.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nur die Entfernungspauschale geltend machen kann, denn der Kläger musste weder nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen noch den diese ausfüllenden Weisungen und Absprachen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers) typischerweise arbeitstäglich aufsuchen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines sog. Sammelpunktes liegen nicht vor.
1. Grundsätzlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten Erwerbsaufwendungen, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 2014 in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gelten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG 2014 Einschränkungen. Insoweit greift die sog. Entfernungspauschale, die lediglich einen Ansatz von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulässt.
a) Erste Tätigkeitsstätte ist nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
b) Die Finanzverwaltung lässt die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z. B. Personalaktenführung), ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, nicht als Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG 2014 ausreichen (vgl. BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014 vom 24.10.2014, IV C 5 - S 2353/14/10002, Rz. 6 ff.). Sofern der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (abgeben von Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krank- und Urlaubsmeldung etc.), kann der Arbeitgeber nach Auffassung der Finanzverwaltung den Arbeitnehmer zu dieser Tätigkeitsstätte zuordnen, selbst wenn für die Zuordnung letztlich tarifrechtliche, mitbestimmungsrechtliche oder organisatorische Gründe ausschlaggebend sind. Auf die Qualität des Tätigwerdens soll es dabei nicht ankommen.
Der Arbeitgeber kann nach Auffassung der Finanzverwaltung dienst- oder arbeitsrechtlich nicht festlegen, dass der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung). Er kann allerdings (ggf. auch ausdrücklich) darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen, oder ausdrücklich erklären, dass organisatorische Zuordnungen keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen (vgl. BMF-Schreiben vom 24.10.2014, a.a.O., Rz. 12). In diesen Fällen hat die Prüfung, ob eine erste Tätigkeitsstätte gegeben ist, nach den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 24.10.2014 anhand der quantitativen Zuordnungskriterien nach § 9 Absatz 4 Satz 4 EStG zu erfolgen (vgl. BMF-Schreiben vom 24.10.2014, a.a.O., Rz. 25 ff.).
c) Im Streitfall hat der Kläger eine Bestätigung seines Arbeitgebers, der Firma Fa. 1, vorgelegt, aus der hervorgeht, dass der Kläger keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet ist. Sein Einsatzort sind die verschiedenen Baustellen. Nach § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG 2014 wird die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ersten Tätigkeitsstätte durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Vorliegend wurde der Kläger durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen gerade keiner Tätigkeitsstätte zugeordnet; entsprechende Nachweise wurden erbracht. Eine solche arbeitsrechtliche Entscheidung des Arbeitgebers (keine Zuordnung vorzunehmen) wird auch von der Finanzverwaltung anerkannt, die einen Verzicht des Arbeitgebers, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen, ausdrücklich anerkennt (vgl. BMF-Schreiben vom 24.10.2014, a.a.O., Rz. 12).
Zwar muss der Kläger einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers aufsuchen, um dort beruflichen Tätigkeit, wie das Beladen eines Firmenautos, das Abgeben von Stundenzetteln oder Urlaubsanträgen, nachzugehen. Allerdings führt dies nicht automatisch dazu, dass der Kläger damit der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers in K zugeordnet ist. Eine solche betriebliche Zuordnung wurde vom Arbeitgeber des Klägers bewusst nicht getroffen. Vielmehr reichen diese Tätigkeiten in ganz geringem Umfang (Hilfs- und Nebentätigkeiten) aus, um eine Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers zu dieser Tätigkeitsstätte zu rechtfertigen. Sie muss jedoch vom Arbeitgeber auch getroffen werden. Verzichtet der Arbeitgeber bewusst auf eine solche Zuordnung, kann in der Vorgabe, die betriebliche Einrichtung einmal pro Woche zur Ausführung von Hilfs- und Nebentätigkeiten aufzusuchen, keine konkludente Zuordnung gesehen werden.
d) Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erst Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll, vgl. § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG 2014 (quantitative Zuordnungskriterien). Dabei muss der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, z. B. zur Abgabe von Auftragsbestätigungen, Stundenzetteln, Krankmeldungen und Urlaubsanträgen führt noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte. Im Streitfall übt der Kläger seine eigentliche berufliche Tätigkeit auf den unterschiedlichen Baustellen aus. Er ist weder zwei volle Arbeitstage noch mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in der betrieblichen Einrichtung tätig. Wie bereits ausgeführt, nimmt der Kläger in der betrieblichen Einrichtung lediglich Hilfs- und Nebentätigkeiten - wie das Beladen des Fahrzeugs, die Abgabe von Stundenzetteln und Urlaubsanträgen - wahr. Die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Zuordnungskriterien scheidet demnach aus.
2. Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 und bestimmt der Arbeitgeber durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen (einschließlich Absprachen und Weisungen), dass der Arbeitnehmer sich dauerhaft typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem, vom Arbeitgeber festgelegten Ort, gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt; für diese Fahrten dürfen Fahrtkosten nur im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 (Entfernungspauschale) angesetzt werden.
Davon ist im Streitfall nicht auszugehen. Entgegen dem Vortrag des Finanzamtes in der Klageerwiderung ist es nicht ausreichend, dass der Kläger dauerhaft typischerweise einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers aufsuchen muss. Der Kläger arbeitet fünf Tag pro Woche. An vier von fünf Arbeitstagen sucht er die betriebliche Einrichtung nicht auf. Somit muss der nicht dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufsuchen.
Die Fahrten des Klägers von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers werden daher nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Zu Unrecht hat das Finanzamt bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers in K (nur) nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale berücksichtigt. Die Aufwendungen sind nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen.
II. Die Einkommensteuer der Kläger wird demnach gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO für das Streitjahr 2014 wie folgt festgesetzt:
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.