09.01.2018 · IWW-Abrufnummer 198729
Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 14.12.2017 – L 10 R 2182/16
Eine besondere Härte wegen des Verlustes einer Anwartschaft i.S. des § 197 Abs. 3 SGB VI ist zu verneinen, wenn eine Anwartschaft nie bestand, weil zu keinem Zeitpunkt die Wartezeit für die begehrte Rente erfüllt war.
Eine besondere Härte i.S. des § 197 Abs. 3 SGB VI liegt auch nicht darin, dass durch die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen ein Anspruch auf höhere Rentenleistungen bestünde.
Ein Versicherter war an der rechtzeitigen Beitragszahlung auch dann nicht ohne Verschulden gehindert, wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem freiwillige Beiträge hätten rechtzeitig entrichtet werden können, nicht absehbar war, dass durch ihre Entrichtung die Wartezeit für die Jahre später eingeführte Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfüllt worden wäre.
Urteil vom 14.12.2017
L 10 R 2182/16
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger berechtigt ist, freiwillige Beiträge für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 nachzuentrichten.
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Der am 1952 geborene Kläger entrichtete nach seiner Schulausbildung ohne Unterbrechung von September 1970 bis Oktober 2006 und wiederum von November 2007 bis August 2015 Pflichtbeiträge (zuletzt ab November 2012 im Rahmen von Altersteilzeitarbeit), mithin für insgesamt 44 Jahre (= 528 Kalendermonate). Die Zeit der Beitragslücke von November 2006 bis Oktober 2007 (ein Jahr) ist im Versicherungsverlauf als „Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug“ ausgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf Bl. 35 LSG-Akte Bezug genommen.
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Neben der Altersrente für langjährig Versicherte gemäß § 36 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), auf die bei Erfüllung einer Wartezeit von 35 Jahren ab Vollendung des 67. Lebensjahres ein Anspruch besteht (für vor 1964 geborene gemäß § 236 SGB VI bereits nach Vollendung des 65. Lebensjahres) und die nach Vollendung des 63. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch genommen werden kann, wurde mit Wirkung zum 01.01.2012 die Altersrente für besonders langjährige Versicherte (§ 38 SGB VI) eingeführt, auf die bei Erfüllung einer Wartezeit von 45 Jahren ab Vollendung des 65. Lebensjahres ein Anspruch besteht. Mit Einführung des § 236b SGB VI zum 01.07.2014 haben Versicherte mit 45 Beitragsjahren dabei die Möglichkeit erhalten, abweichend von den §§ 38, 236 SGB VI diese Rente ab dem Alter von 63 Jahren abschlagsfrei in Anspruch zu nehmen. Entsprechend regelt Abs. 1 der Vorschrift, dass Versicherte, die vor dem 01.01.1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte haben, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben. Nach Abs. 2 der Regelung haben Versicherte, die vor dem 01.01.1953 geboren sind, Anspruch auf diese Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres und für die nach dem 31.12.1952 geborenen Versicherten wird die Altersgrenze stufenweise auf das Eintrittsalter 65 angehoben, was mit dem Geburtsjahrgang 1964 abgeschlossen sein wird.
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Am 29.04.2015 sprach der Kläger in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in S. vor und beantragte die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 01.09.2015. Er vertrat die Auffassung, die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt zu haben, weil auf die erforderliche Wartezeit nicht nur die zurückgelegten 44 Jahre Beitragszeiten, sondern auch die Zeit der „Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug“ anzurechnen sei. Er habe seinerzeit lediglich auf Grund einer ihm gewährten Abfindung kein Arbeitslosengeld bezogen. Er sei diesbezüglich von der Agentur für Arbeit seinerzeit zu schlecht beraten worden. Er sei jetzt jedoch bereit, freiwillige Beiträge zu zahlen. Gleichzeitig beantragte er die Zahlung von freiwilligen Beiträgen für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2007.
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Mit Bescheid vom 05.06.2015 und Widerspruchsbescheid vom 10.07.2015 lehnte die Beklagte diesen Antrag wegen Versäumung der Zahlungsfrist ab. Bei einer Antragsstellung bis 31.03. könnten Beiträge auch noch für das Vorjahr gezahlt werden. Die Antragstellung zur Zahlung freiwilliger Beiträge hätte daher bis 31.03.2007 erfolgen müssen. Ein Härtefall im Sinne des § 197 Abs. 3 und 4 SGB VI liege nicht vor, da keine Schuldlosigkeit an der rechtzeitigen Beitragszahlung vorliege. Der Kläger habe die zumutbare Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht feststellbar, da ein Beratungsmangel bzw. eine fehlerhafte Beratung nicht nachgewiesen sei. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger Auskünfte zur freiwilligen Beitragsentrichtung eingeholt habe, eine individuelle Beratung verlangt worden sei oder fehlerhafte Auskünfte durch die Deutschen Rentenversicherung erteilt worden seien.
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Seine am 28.07.2015 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage hat der Kläger zunächst damit begründet, dass er als „besonders langjährig Versicherter“ anzuerkennen sei. Sein Versicherungsverlauf dokumentiere 45 Jahre, wobei es keinen Unterschied machen könne, ob die Arbeitslosigkeit mit oder ohne Leistungsbezug gewesen sei.
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Mit Urteil vom 11.05.2016 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Nachzahlung freiwilliger Beiträge für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 zuzulassen. Beim Kläger liege eine besondere Härte im Sinne des § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI vor, da die Beitragslücke zu einem Verlust der Anwartschaft für die Rente für besonders langjährige Versicherte führe. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger infolge seiner langjährigen Versicherungszeit auch die Voraussetzungen für eine andere Rentenart (Altersrente für langjährig Versicherte) erfülle. Der Kläger sei auch an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne sein Verschulden gehindert gewesen. Zwar sei die Verzögerung nicht auf einen Beratungsfehler der Beklagten (mangels Beratungsersuchen des Klägers) oder der Agentur für Arbeit (Beratung nach damaliger Rechtslage ausreichend) zurückzuführen, jedoch sei dem Kläger kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen, da er davon habe ausgehen dürfen, dass im Hinblick auf die Schließung der Lücke mit freiwilligen Beiträgen für ihn kein Handlungsbedarf bestand, um bei eventuellen Rechtsänderungen gewappnet zu sein, zumal der in Rede stehende Zeitraum mit einer Anrechnungszeit belegt war.
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Gegen das ihr am 19.05.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.06.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 197 Abs. 3 SGB VI lägen nicht vor. Es sei bereits eine besondere Härte zu verneinen. Soweit der Gesetzgeber als Fall der besonderen Härte beispielhaft den drohenden Verlust der Anwartschaft auf eine Rente genannt habe, mache dies deutlich, dass es um die Vermeidung eines außerordentlich großen versicherungsrechtlichen Schadens gehe, was vorliegend nicht der Fall sei. Denn trotz Nichterfüllung der Wartezeit für eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte (45 Jahre) erfülle der Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte (35 Jahre) mit Abschlägen. Zu Unrecht gehe das SG von einem Verlust der Anwartschaft für die Rente für besonders langjährig Versicherte aus. Denn zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen wären lediglich weitere zwölf Kalendermonate mit Wartezeiten erforderlich gewesen, die noch nach dem 31.08.2015 hätten zurückgelegt werden können. Die Anwartschaft sei demnach erhalten geblieben und die gewünschte Rente hätte zum 01.09.2016 realisiert werden können. Hinzu komme, dass der Kläger ab 01.11.2012 in Altersteilzeit beschäftigt gewesen sei und diese Altersteilzeitvereinbarung offenbar so gestaltet gewesen sei, dass er zum 01.09.2015 die Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen habe in Anspruch nehmen wollen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung habe die Möglichkeit, Altersrente für besonders langjährig Versicherte vor Vollendung des 65. Lebensjahres ohne Abschläge in Anspruch zu nehmen, noch nicht bestanden. Wenn der Kläger nunmehr seine ursprüngliche Absicht realisiere, könne darin keine besondere Härte liegen. Im Übrigen sei der Kläger an einer freiwilligen Beitragszahlung auch nicht gehindert gewesen. Vielmehr habe er - so seine eigenen Angaben - lediglich keinen Grund für die Beitragszahlung gesehen, weil er seinerzeit bereits langjährig Versicherter gewesen sei und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllte. Die Beklagte hat den Bescheid vom 14.08.2015 vorgelegt, mit dem sie dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.09.2015 (Bruttobetrag 2.029,20 EUR) bewilligt hat sowie eine Vergleichsberechnung für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter Zugrundelegung von (fiktiven) freiwilligen Beiträgen von monatlich jeweils 400,-- EUR für die Zeit vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 (Bruttobetrag 2.229,17 EUR).
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, dass die Zulassung zur nachträglichen Beitragszahlung im Zusammenhang mit der Neuregelungen für besonders langjährig Versicherte zu sehen sei. Die Neuregelung sei für den vorliegenden Fall nicht zu Ende gedacht. Die ursprüngliche Frist zur Beitragszahlung sei nachträglich neu zu setzen. Die besondere Härte ergebe sich im Übrigen aus der erheblichen Beeinträchtigung der Rentenhöhe.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
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Das SG hätte die angefochtenen Bescheide nicht aufheben und die Beklagte nicht verpflichten dürfen, die Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 zuzulassen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 05.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nicht zu.
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Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, auch noch mehrere Jahre nach Ablauf der für die wirksame Entrichtung freiwilliger Beiträge vorgesehenen Frist, entsprechende Beiträge nachzuzahlen und die Beklagte dementsprechend verpflichtet ist, diese nachträgliche Beitragszahlung zuzulassen. Nur hierüber entschied die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden und nur darüber hat das Gericht auch zu befinden. Streitgegenstand ist daher nicht, ob der Kläger von der Beklagten Altersrente für besonders langjährig Versicherte beanspruchen kann.
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Dem Versicherungsprinzip entspricht es, wenn Beiträge in dem Monat gezahlt werden (Zahlungsmonat), für den sie gelten sollen (Geltungsmonat). Die Verwirklichung einer solchen Identität ist allerdings praktisch kaum durchführbar und im Hinblick auf freiwillige Beiträge angesichts der dann fehlenden Spielräume sozialpolitisch auch unerwünscht. Da somit ein gewisses Auseinanderfallen von Zahlungs- und Geltungsmonat nicht zu vermieden ist, eine zeitliche Begrenzung der Beitragszahlung aber gleichwohl für unverzichtbar erachtet wird, schuf der Gesetzgeber mit § 197 SGB VI eine differenzierte Regelung für die wirksame Entrichtung von Beiträgen (vgl. KassKomm/Peters, Sozialversicherungsrecht, § 197 SGB VI Rdnr. 2). Dabei sieht Abs. 1 der Regelung vor, dass Pflichtbeiträge wirksam sind, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist. Freiwillige Beiträge sind nach Abs. 2 der Vorschrift wirksam, wenn sie bis zum 31.03. des Jahres gezahlt werden, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen.
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Die Beklagte und ihr insoweit folgend das SG sind damit zu Recht davon ausgegangen, dass die Frist für die Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 zum Zeitpunkt der Vorsprache des Klägers in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten im April 2015 versäumt war und der Kläger freiwillige Beiträge nicht mehr wirksam hätte entrichten können. Denn Beiträge für die Monate November und Dezember 2006 hätte der Kläger spätestens bis 31.03.2007 und für die Monate Januar bis Oktober 2007 spätestens bis 31.03.2008 entrichten müssen, was unstreitig nicht erfolgte.
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Eine wirksame Beitragsentrichtung kommt nach Ablauf der genannten Fristen nur dann in Betracht, wenn die Entrichtung der Beiträge nachträglich noch zugelassen wird. § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bestimmt insoweit, dass in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in den Absätzen 1 und 2 aufgeführten Fristen zuzulassen ist, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Nach Satz 2 der Regelung kann der Antrag nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden.
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Vorliegend verneint der Senat bereits das Vorliegen einer besonderen Härte.
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Dem Wortlaut der Vorschrift und der hierzu erfolgten Begründung im Entwurf des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18.12.1989 (Rentenreformgesetz - RRG -; BT-Drucks. 11/ 4124 S. 189/190 seinerzeit zu § 192 des Entwurfes) ist zu entnehmen, dass mit dieser Regelung hauptsächlich ein Anwartschaftsverlust, insbesondere bei freiwillig Versicherten vermieden werden soll. So führt die Regelung als Anwendungsfall selbst den drohenden Verlust der Anwartschaft auf eine Rente an und in der Gesetzesbegründung werden beispielhaft ausdrücklich die freiwillige Beiträge zahlenden Versicherten genannt, deren Anwartschaft auf eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit erhalten werden soll. Über diesen Anwendungsfall hinaus („insbesondere“) kann zwar auch in anderen Fällen eine besondere Härte in Betracht kommen, allerdings muss es auch in diesen Fallgestaltungen als besonders hart erscheinen, es bei den Fristen der Absätze 1 und 2 zu belassen. Denn Abs. 3 stellt kein Mittel dar, sämtliche Nachteile auszugleichen, die mit der Versäumung der genannten Fristen einhergehen (KassKomm/Peters, a.a.O., Rdnr. 18).
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Im Sinne des Hauptanwendungsfalls des § 197 Abs. 3 SGB VI drohte dem Kläger - entgegen der Auffassung des SG - zum Zeitpunkt seiner Antragstellung im April 2015 nicht der Verlust einer Rentenanwartschaft. Denn die Voraussetzungen für die begehrte Altersrente für besonders langjährig Versicherte (Wartezeit 45 Jahre) erfüllte der Kläger zu keinem Zeitpunkt, was einen drohenden Verlust ausschließt, und die Wartezeit von 35 Jahren für eine Altersrente für langjährig Versicherte waren beim Kläger bereits seit Jahren erfüllt (lediglich die Altersgrenze von 63 Jahren war noch nicht erreicht), ohne dass ein Verlust dieser Voraussetzung zu befürchten war. Ein Härtefall wegen des drohenden Verlustes der Anwartschaft auf eine Rente lag beim Kläger daher nicht vor. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren daher zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Kläger im Sinne des § 197 Abs. 3 SGB VI kein Anwartschaftsverlust drohte, der zur Vermeidung einer besonderen Härte durch die nachträgliche Zulassung von freiwilligen Beiträgen hätte verhindert werden können.
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Demgegenüber hätte der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Weiteres noch erfüllen können. Denn zum Antragszeitpunkt hatte der Kläger von der für diese Altersrente erforderlichen Wartezeit von 45 Jahren bereits nahezu 44 Jahre zurückgelegt, so dass er mit Weiterentrichtung von Beiträgen über das zunächst vorgesehene Ende seiner Altersteilzeitarbeit im August 2015 hinaus, die entsprechende Wartezeit nach weiteren zwölf Monaten erfüllt hätte. Dementsprechend hätte er die Voraussetzungen für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte zum 01.09.2016 (mit 64 Jahren) erfüllen können. Der für den Kläger zum Zeitpunkt seines Nachentrichtungsantrags bestehende Nachteil beschränkte sich damit darauf, dass er zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die nunmehr anstelle der Altersrente für langjährig Versicherte angestrebte Altersrente für besonders langjährig Versicherte zusätzlich zwölf Monate anrechenbarer Versicherungszeiten hätte zurücklegen müssen. Da die gewünschte Rente somit zwölf Monate später hätte beginnen können, kann von einer besonderen Härte für den Kläger nicht gesprochen werden (so auch Liebich in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, § 197 SGB VI Rdnr. 20).
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Aus dem Umstand, dass der Kläger einen Rentenbeginn zum 01.09.2016 nicht wünschte, weil er - wie vor Jahren geplant - weiterhin anstrebte, zum 01.09.2015 Altersrente in Anspruch zu nehmen, lässt sich eine besondere Härte nicht herleiten. Der Kläger hätte ebenso wie all jene Versicherten, die - wie er - bei Inkrafttreten des § 236b SGB VI zum 01.07.2014 die Wartezeit für diese Altersrente noch nicht erfüllten, diese durch Zurücklegung weiterer Versicherungszeiten noch erfüllen können, um dann in den Genuss dieser neu in das Gesetz aufgenommenen (abschlagsfreien) Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu kommen. Dass die vom Kläger vor Einführung dieser Rentenart getroffene Lebensplanung vorsah, im Anschluss an eine dreijährige Altersteilzeitarbeit ab 01.09.2015 Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch zu nehmen, deren Voraussetzungen er schon seit Jahren erfüllte, ändert hieran nichts. Zu Recht hat die Beklagte insoweit darauf hingewiesen, dass die Umsetzung dieses Vorhabens, nämlich nach Vollendung des 63. Lebensjahres ab 01.09.2015 die Altersrente für langjährig Versicherte (mit Abschlägen) in Anspruch zu nehmen, sich für den Kläger nicht nachträglich als besondere Härte im Sinne des § 197 Abs. 3 SGB VI darstellt.
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Eine besondere Härte liegt auch nicht darin, dass der Kläger bei Zulassung der beantragten Beitragsnachzahlung mit der ihm dann zustehenden (abschlagsfreien) Altersrente für besonders langjährig Versicherte eine Rente erhielte, die ca. 200 EUR über der bereits bewilligten Altersrente liegt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger dieses Ergebnis lediglich mit einer „Investition“ von 4.800 EUR (die Höhe der von der Beklagten in der Vergleichsberechnung eingestellten freiwilligen Beiträge für den streitigen Zeitraum) erreichen könnte, so dass sich diese „Investition“ bereits nach zwei Jahren amortisiert hätte. Indessen vermögen solche Überlegungen eine besondere Härte i.S. des § 197 Abs. 3 SGB VI nicht zu begründen. Denn derartige Zweckmäßigkeitsüberlegungen könnten in einer Vielzahl von Fällen - im Grunde bei allen Versicherten mit Beitragslücken - angestellt werden. Dies würde aber dem Charakter des § 197 Abs. 3 SGB VI als enge Ausnahmeregelung diametral entgegenstehen und als Konsequenz hieraus die im Gesetz für die Beitragsentrichtung vorgesehenen Fristen weitgehend überflüssig machen.
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Soweit der Kläger meint, vor dem Hintergrund der zum 01.07.2014 in Kraft getretenen Neuregelung sei die Frist zur Beitragsentrichtung neu zu setzen, weil der Gesetzgeber Fallkonstellationen wie seine nicht bedacht habe, trifft dies nicht zu. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es bei Einführung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Vollendung des 63. Lebensjahres Ziel des Gesetzgebers gewesen war, den Versicherten den Zugang zu dieser Rente schon beim bloßen Erreichen der Altersgrenze von 63 Jahren zu eröffnen und es ausreichend sein sollte, dass die zum Zeitpunkt des gewünschten Rentenbeginns noch nicht erfüllte Wartezeit nachträglich durch die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen erfüllt wird. Hierfür bietet die gesetzliche Regelung keinerlei Anknüpfungspunkte. Gefordert wird als Anspruchsvoraussetzung neben dem Erreichen der Altersgrenze nämlich gerade die Erfüllung der Wartezeit („..und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben.“), d.h. die Anspruchsvoraussetzungen sind nur erfüllt, wenn der Versicherte tatsächlich 45 Jahre mit Beitragszeiten zurückgelegt hat. Dies entspricht - wie dargelegt - auch dem Willen des Gesetzgebers, der Versicherten mit außerordentlich langer Beitragsentrichtung einen abschlagsfreien Renteneinritt verschaffen wollte, wobei er diese außerordentlich lange Dauer mit 45 Jahren konkretisiert hat. Hätte der Gesetzgeber im Sinne der Auffassung des Klägers demgegenüber beabsichtigt, den Versicherten, die bei Erreichen der Altersgrenze von 63 Jahren die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllten, die Möglichkeit zu eröffnen, diese Voraussetzung durch die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zu erfüllen, hätte er dies - angesichts der ihm durchaus bekannten strengen Regelungen bezüglich der Wirksamkeit von Beiträgen - durch Schaffung einer Sondervorschrift geregelt, wie sie sich bspw. in § 282 Abs. 1 SGB VI (Nachzahlung im Falle der Anrechnung von Kindererziehungszeiten, wenn dadurch die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt ist) findet. Eine entsprechende Regelung, die ungeachtet des § 197 Abs. 3 SGB VI eine Beitragsnachzahlung zugelassen hätte, schuf der Gesetzgeber für rentennahe Jahrgänge aber gerade nicht. Der Gesetzgeber wollte mit der neu geschaffenen Altersrentenart ersichtlich nur die Versicherten begünstigen, die bei Vollendung des 63. Lebensjahres die Wartezeit von 45 Jahren schon erfüllten bzw. noch erfüllen würden, nicht aber auch jene Versicherten, die bei dem von ihnen gewünschten Rentenbeginn diese Wartezeit gerade nicht erfüllten.
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Der geltend gemachte Nachzahlungsanspruch stünde dem Kläger allerdings auch dann nicht zu, wenn man das Vorliegen eines Härtefalls bejahen wollte. Denn im Sinne des § 197 Abs. 3 SGB VI war der Kläger in den Jahren 2007 und 2008 - entgegen der Auffassung des SG - nicht ohne sein Verschulden gehindert, für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 freiwillige Beiträge zu entrichten. Zwar weist das SG zutreffend darauf hin, dass der Kläger seinerzeit nicht absehen konnte, dass er bei Schließung der Beitragslücke durch Entrichtung freiwilliger Beiträge die Anspruchsvoraussetzungen für die Jahre später eingeführte Altersrente für besonders langjährig Versicherte, die ab 01.07.2014 bei Vollendung des 63. Lebensjahres und Erfüllung einer Wartezeit von 45 Jahren in Anspruch genommen werden konnte, zum 01.09.2015 erfüllt hätte. Allerdings hat der Kläger seinerzeit gleichwohl bewusst davon abgesehen, diese Lücke zu schließen. Denn seinen Darlegungen zufolge verzichtete er deshalb auf die Zahlung freiwilliger Beiträge, weil er schon eine Wartezeit von 35 Jahren zurückgelegt hatte und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die für ihn seinerzeit in Frage kommende Altersrente für langjährig Versicherte schon erfüllte. Er sah daher keine Veranlassung, die Beitragslücke vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 zu schließen, zumal diese Zeit auch schon mit Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit belegt war. Der Kläger erachtete die Beitragsentrichtung seinerzeit mithin für unzweckmäßig, weil er davon ausging, dass mit dieser Beitragslücke für ihn keine Nachteile verbunden sind.
30
Fehlendes Verschulden im Sinne des § 197 Abs. 3 SGB VI liegt aber nicht vor, wenn der Versicherte die Zahlung von Beiträgen lediglich für unzweckmäßig erachtete (BSG, Urteil vom 17.05.2001, B 12 RJ 1/01 R in SozR 3-2600 § 197 Nr. 2). Demnach muss eine Lücke zur Vermeidung späterer Nachteile grundsätzlich alsbald geschlossen werden, unabhängig von der Frage, inwieweit sich dies für einen in der Zukunft liegenden Versicherungsfall günstig erweist. Die Nachzahlung von Beiträgen kann somit nicht auf die Zeit verschoben werden, in der die Nachteile einer Betragslücke sichtbar werden oder schon eingetreten sind (KassKomm/Peters, a.a.O., Rdnr. 19). Damit erweist sich auch die in den Jahren 2007/2008 unterbliebene Beitragsentrichtung des Klägers nicht deshalb als schuldlos, weil er seinerzeit nicht absehen konnte, dass der Gesetzgeber zum 01.01.2012 eine neue Altersrentenart einführt, mit der er nach Vollendung des 63. Lebensjahres Altersrente ohne Abschlag würde in Anspruch nehmen können.
31
Eine Zulassung zur Nachentrichtung kann der Kläger auch nicht aus dem sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ableiten. Dabei lässt der Senat offen, ob dieses Rechtsinstitut neben § 197 Abs. 3 SGB VI überhaupt Anwendung findet (ebenso BSG, Urteil vom 17.05.2001, a.a.O.).
32
Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches greift im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs ein, wenn ein Leistungsträger durch die Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können. Zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil für den Betroffenen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen; auf ein Verschulden des Trägers kommt es dagegen nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 17.08.2000, B 13 RJ 87/98 R).
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Dabei scheitert - entgegen der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung - ein Herstellungsanspruch nicht schon deshalb, weil im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit des Klägers ein Kontakt des Klägers nur zur Bundesagentur für Arbeit, und nicht zur Beklagten als zuständigem Rentenversicherungsträger, bestand. Denn im Hinblick auf Auswirkungen von Umständen der Arbeitslosenversicherung auf mögliche rentenrechtliche Ansprüche bestehen Hinweispflichten der Bundesagentur für Arbeit und ein etwaiges Fehlverhalten müsste sich die Beklagte zurechnen lassen (BSG, Urteil vom 17.05.2001, a.a.O.). Indessen erfüllte die Bundesagentur für Arbeit damals nach dem eigenen Vortrag des Klägers ihre Hinweispflichten. Zur Begründung seines Widerspruches führte der Kläger selbst aus, von der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 08.12.2006 darauf hingewiesen worden zu sein, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Bezug von Entgeltersatzleistungen rentenrechtlich als Anrechnungszeiten zu berücksichtigen seien und lediglich in Bezug auf den Erhalt der Anwartschaft für eine Rente wegen Erwerbsminderung sei auf freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung hingewiesen worden. Diesen Punkt habe er, da er zu diesem Zeitpunkt schon langjährig Versicherter gewesen sei, nicht mehr als relevant eingestuft, weshalb sich für ihn auch kein zusätzlicher Beratungsbedarf ergeben habe. Damit aber erfüllte die Bundesagentur für Arbeit ihre Hinweispflichten. In Bezug auf die vom Kläger gewünschte Rente für besonders langjährige Versicherte bestanden keine Hinweispflichten, weil diese Rentenart erst zum 01.01.2012 eingeführt wurde.
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Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben und war aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.