08.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201095
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 14.12.2017 – L 6 U 82/15
Eine versicherte Beschäftigung liegt nach den Kriterien der § 7 SGB IV und § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII auch bei einer unentgeltlichen Probearbeit zumindest dann vor, wenn objektiv die zu dieser Zeit und an diesem Ort notwendige Arbeit verrichtet wird und der Unternehmer diesbezüglich ein konkludent vereinbartes Weisungsrecht hat. Ob die Tätigkeit auch dem privaten Interesse des Verunfallten an der Erlangung eines Arbeitspatzes dient, ist nicht erheblich.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Ereignisses vom 13. September 2012 als Arbeitsunfall.
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Seit dem 1. Februar 2012 bezog der Kläger Leistungen nach dem SGB II. Nach dem D-Arztbericht von Prof. Dr. H. stellte sich der Kläger am Unfalltag gegen 13:00 Uhr bei ihm vor. Zum Unfallhergang gab der Kläger an, er sei bei der Arbeit aus ca. 2m Höhe von der Laderampe eines LKWs gestürzt. Als Unfallbetrieb wird die Firma H. H. - der Beigeladene - angegeben. Die Erstdiagnose lautete auf ein Schädel-Hirn-Trauma mit Verdacht auf Schädelbasis- und Orbitafraktur. In einem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken H. vom 19. Februar 2013 heißt es, der Kläger habe bezüglich des Unfallereignisses eine anamnestische Lücke vom Vormittag des Unfalltages bis mehrere Wochen danach.
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Am 26. September 2012 teilte der Kläger mit, dass er im Rahmen einer Maßnahme bei einem Arbeitgeber gem. § 16 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 46 SGB II beschäftigt gewesen sei. Beigefügt war ein Antrag des Beigeladenen vom 18. September 2012 (fünf Tage nach dem Unfall) auf Gewährung einer Förderung aus dem Vermittlungsbudget gem. § 16 Abs. 1 SGB II. Darin heißt es, der Kläger habe sich am 11. September 2012 vorgestellt und am 13. September 2012 zur Probe gearbeitet. Der Beigeladene gab an, es handele sich um ein versicherungspflichtiges Ausbildungs- bzw. Beschäftigungsverhältnis.
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In der Unfallanzeige des Unternehmens vom 19. September 2012 heißt es, der Kläger sei von einer LKW-Ladebordwand gefallen. Er habe zum Unfallzeitpunkt einen "Probetag" über eine geplante Dauer von 6 – 16 Uhr gehabt.
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Am 22. Oktober 2012 wies der Beigeladene darauf hin, dass der Kläger mit ihm kein Arbeitsverhältnis "im eigentlichen Sinne" gehabt, sondern er lediglich einen "Probetag" im Rahmen eines "Einfühlungsverhältnisses" absolviert habe. Mit Rücksicht hierauf sei auch eine Vergütung nicht vereinbart worden.
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Ein Entlassungsbericht des Klinikums St. vom 25. September 2012 über einen Aufenthalt vom 13. bis 26. September 2012 und ein Befundbericht der Berufsgenossenschaftlichen Klinken B. in H. vom 5. Oktober 2012 über die stationäre Behandlung auf der Station für Intensivmedizin ergaben zusammenfassend die unfallbedingten Diagnosen. Radiusfraktur rechts, Fraktur der Klavikula und der Skapula links und epidurales Hämatom.
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Weiter hat der Beigeladene gegenüber der Beklagten ausgeführt, der Kläger habe sich aufgrund eigener Initiative bei ihm beworben. Bekanntlich entsorge er Lebensmittelabfälle. Dabei handele es sich nicht immer um eine sehr angenehme Tätigkeit. In der Vergangenheit habe sich bereits mehrfach gezeigt, dass Bewerber für eine solche Tätigkeit nicht geeignet seien, bzw. eine solche Tätigkeit nicht ausführen wollten. Daher sei man dazu übergegangen, Bewerber zunächst einmal einen Probetag im Rahmen eines "Einfühlungsverhältnisses" absolvieren zu lassen. Dies sei auch beim Kläger so gehandhabt worden. Diese Maßnahme sei vom Jobcenter B. aus dem Vermittlungsbudget gem. § 16 Abs. 1 SGB II gefördert worden. Eine Einstellungszusage sei nicht erteilt worden. An dem fraglichen Tag hätte die Abklärung erfolgen sollen, ob eine entsprechende Tätigkeit überhaupt für den Kläger in Betracht komme.
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Unter dem 13. Februar 2013 teilte das Jobcenter B. mit, dass die Probebeschäftigung im September 2012 bei ihr nicht angezeigt worden sei.
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Mit Bescheid vom 4. März 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab und führte zur Begründung aus, bei dem Kläger habe das Eigeninteresse im Vordergrund gestanden, den Arbeitsplatz zu bekommen, bzw. festzustellen, ob er für die Arbeit geeignet sei. Ein Arbeitsunfall liege damit nicht vor, weshalb Leistungsansprüche nicht in Betracht kämen. Hiergegen hat der Kläger am 3. April 2013 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 zurück wies.
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Hiergegen hat der Kläger am 5. August 2013 Klage erhoben und diese unter dem 26. September 2013 damit begründet, dass nach dem Unfall Mitarbeiter des Beigeladenen erschienen seien und seine Kontodaten abgefordert hätten, um eine Kontoverbindung für die Lohnzahlung in der Buchhaltung vorlegen zu können. Dies könne seine Ehefrau bezeugen.
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Die Beklagte hat vorgetragen, im streitgegenständlichen Fall habe der Kläger ohne Fremdvermittlung einen Probearbeitstag vereinbart. Ein aktives Verhalten seitens des Unternehmens zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses habe nicht vorgelegen.
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Mit Urteil vom 5. März 2015 hat das Sozialgericht Halle der auf Feststellung eines Arbeitsunfalles gerichteten Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14. November 2013 (B 2 U 15/12 R) Bezug genommen.
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Gegen das ihr am 19. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. Juni 2015 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (in Kopie) und erneut mit Unterschrift am 6. Juli 2015. Sie hat vorgetragen, der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt nicht in das Unternehmen eingegliedert gewesen. Sie hat zur Bekräftigung ihres Vortrages ein Schreiben des Beigeladenen vom 7. August 2015 vorgelegt, wonach am Vortag des Unfalles zunächst ein Vorstellungsgespräch stattgefunden habe. Zum Zeitpunkt des Unfalls seien leere Mülltonnen abgeladen worden. Der Kläger sei mit Herrn M. H. im Firmen-LKW mitgefahren. Es habe eine Beaufsichtigung/Anleitung durch diesen stattgefunden. Gegenüber einem P.Markt sei M. H. als "Beauftragter" aufgetreten. Wie bereits mitgeteilt, sollte der fragliche Tag der Abklärung dienen, ob eine entsprechende Tätigkeit überhaupt vom Kläger gewünscht bzw. dieser zu einer solchen Tätigkeit in der Lage gewesen sei. Die Beklagte betont, dass die Tätigkeit des Klägers nach seiner Handlungstendenz wesentlich seinen eigenen Interessen gedient habe. Die tatsächlich objektive Nützlichkeit für den Unfallbetrieb sei nicht entscheidend.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 5. März 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Herrn M. H. und der Ehefrau des Klägers R. S. als Zeugen in einem Erörterungstermin am 26. Januar 2017. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen. Danach hat der Senat schriftliche Zeugenaussagen von A. N.r, I. und Z. P., J. H. sowie des beigeladenen H. H. eingeholt; auch insoweit wird auf den Akteninhalt verwiesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger weitere Angaben zur Sache gemacht, wegen deren Inhalt auf die Sitzungsniederschrift, Bl. 215 d. A., Bezug genommen wird.
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Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalles festgestellt.
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Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rn. 10 m.w.N). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Transportieren der Mülltonnen - hat den Sturz und dieser unter anderem diverse Knochenbrüche und folglich einen Gesundheitserstschaden rechtlich wesentlich verursacht, wie zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist. Bei dieser Tätigkeit war der Kläger auch als Beschäftigter i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert.
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Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG, 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 45 Rn. 23 f; BSG 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 20, Rn. 27 ff).
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Die am Unfalltag verrichtete Tätigkeit ist dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen.
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§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erfasst die Beschäftigten i.S. des § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine Beschäftigung liegt daher immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn der Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet (BSG, 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 20, Rn. 31 ff; BSG, 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 33, Rn. 16). Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (BSG, 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rn. 16 m.w.N).
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Ob der Verletzte ein Entgelt erhalten hat, ist für die Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII - und grundsätzlich auch des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV - unerheblich. Dies ist nach Auffassung des Senats zwar ein Indiz für das Vorliegen einer Beschäftigung. Eine solche (geplante) Bezahlung kann aber nach der Beweiserhebung und insbesondere auch den Angaben des Klägers selbst in der mündlichen Verhandlung nicht festgestellt werden. Dies geht zu seinen Lasten.
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Die Arbeitsplatzsuche einschließlich des Vorstellungsgesprächs unterfällt in der Regel nicht dem Versicherungsschutz nach dem SGB VII, sondern stellt eine private Tätigkeit dar (vgl. Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, 2014, K § 8 Rn. 60; Bieresborn in: jurisPK-SGB VII, 2014, § 2 Rn. 36 ff.; kritisch dazu Ricke in: Kasseler Komm., 2013, § 2 SGB VII Rn. 6a). Eine Ausnahme kann nur im Falle des § 2 Abs. 1 Nr. 14a SGB VII denkbar sein, für den keine Anhaltspunkte bestehen, so dass der Senat auch von einer Beiladung des dafür zuständigen Trägers der Unfallversicherung abgesehen hat.
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger im Unfallzeitpunkt eine versicherte Beschäftigung verrichtet. Der Kläger ist durchgehend und auch der Beigeladene ursprünglich von einem Beschäftigungsverhältnis ausgegangen. Mit dem Mitfahren und dem Einsammeln der Abfälle erfüllte der Kläger eine sich aus einem zuvor begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnis ergebende Hauptpflicht (vgl. BSG, 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 27, Rn. 19). Es ist nach den Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen fernliegend, dass der Kläger diese Tätigkeit während der Fahrt einstellen konnte. Denn sie sollte nach der Abrede den ganzen Arbeitstag stattfinden. Der Senat ist auch überzeugt, dass der Kläger dabei nicht im Wesentlichen nur zuschauen sollte. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass dieses Zuschauen (und damit Kennenlernen der Wege und der Durchführung der Tätigkeit) auch für regulär Angestellte in der Anfangszeit Teil ihrer Arbeitstätigkeit war. Der Kläger machte objektiv nichts anderes als ein regulär Beschäftigter; dies zeigt seine Eingliederung in den Betrieb. Insoweit ist die Tätigkeit von der in einem Assessment-Center oder dem Anfertigen einer praktisch wertlosen Probearbeit abzugrenzen (vgl. zur anderen Abgrenzung im Recht der Arbeitsförderung BSG, 13.3.1997 - 11 RAr 25/96 -SozR 3-4100 § 119 Nr 11, Rn. 27). Zudem ging der Arbeitstag des Klägers über eine bloße Sichtung von Bewerbern durch den Arbeitgeber hinaus. Nach dem vom dem Beigeladenen mitgeteilten Zweck, Stellenbewerbern für sich selbst ihre Geeignetheit für die Stelle erproben zu lassen, hat das Vorgehen für den Beigeladenen nur Sinn, wenn sich sein Interesse an einen Bewerber bereits verdichtet hat. Entsprechend fand ein Vorstellungsgespräch bereits vorher statt und es bestand nach Angaben des Zeugen J. H. konkretes Interesse an dem Kläger.
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Zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger war zwar noch kein Arbeitsvertrag zustande gekommen (so auch der Sachverhalt bei BSG, a.a.O.) Gleichwohl war der Kläger am Unfalltag Abrede gemäß in einem fremden Betrieb tätig und dabei in dessen Arbeitsorganisation eingebunden. Wie der Zeuge M. H. am 26. Januar 2017 ausdrücklich bestätigt hat, fahren die (regulär angestellten) Beschäftigten mit Arbeitsvertrag in den ersten zwei bis drei Wochen die Tour ebenso wie der Kläger zu zweit, um sich die Wegstrecke einzuprägen. Soweit der Zeuge darauf hinweist, dass diese fest Angestellten im Gegensatz zu dem Kläger "einen Job" hätten, so ist dies eine für den Senat nicht bindende rechtliche Wertung, die im Übrigen einen Zirkelschluss beinhaltet.
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Den allein weiter genannten Unterschied, dass die Fahrer in der Probephase den LKW selbst steuern, erachtet der Senat insgesamt nicht für ausschlaggebend. Allein dürften bereits von Seiten der Kfz-Haftpflicht Probleme bestehen, soweit außerhalb eines Arbeitsvertrages Firmen-LKW von Dritten gefahren werden. Zudem handelte es sich hier um die allererste Fahrt. Insgesamt kann nicht mehr von einer bloßen Anbahnung ausgegangen werden, die allein darauf abgezielt hätte, die persönliche und fachliche Eignung festzustellen. Weil die Dauer einer späteren Einarbeitungszeit nicht genau zu bemessen ist, erwarb der Kläger bereits für das spätere Arbeitsverhältnis betriebsnützliche Erkenntnisse, die die Einarbeitungszeit bei einer Festanstellung verkürzten. Er verrichtete zudem mit dem Räumen der Mülltonnen objektiv zu dieser Zeit und diesem Ort notwendige Arbeit.
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Einer reinen Hospitation oder einer praktisch wertlosen Probearbeit ist der Kläger am Unfalltag nicht nachgegangen, so dass der Senat die versicherungsrechtliche Bewertung eines solchen Sachverhaltes offen lassen kann (dazu LSG München, Urt.v. 25.1.2011 - L 3 U 5/09 - juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.01.2007, L 14 U 70/05, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 30. September 2011 - L 9 U 46/10, Rn. 40, juris).
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Hinzu kommt - wie der Zeuge M. H. ebenfalls betont hat-, dass man solche Fahrten organisiere, um den potentiell entgeltlich Beschäftigten zu zeigen, was sie erwartet. Die Alternative hierzu wäre gewesen, immer wieder Personen einzustellen, die dann nach kurzer Zeit das Beschäftigungsverhältnis wieder aufgeben würden, weil sie sich unter der Tätigkeit etwas anderes vorgestellt haben. Ausdrücklich teilt der Senat nicht die Auffassung der Beklagten, der Beigeladene habe diese Fahrten lediglich durchgeführt, um ihm unbekannten Personen einen Einblick in seine Firma zu gewähren. Vielmehr besteht hier das Interesse des Arbeitgebers, die möglichen Arbeitnehmer ihre eventuell dauerhafte Arbeit verrichten zu lassen. Nur so kann er nämlich sein eigenes Ziel sichern, nicht nur ganz kurzfristige Arbeitsverhältnisse zu begründen. Auch war es für den Betrieb nützlich, dass der Kläger in die Fahrtroute eingewiesen wurde, die er in einem Arbeitsverhältnis selbständig absolvieren sollte.
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Insgesamt besteht in Fällen wie dem vorliegenden ein so starkes Übergewicht des Arbeitgebers, dass er den Ablauf der Tätigkeit faktisch allein bestimmen kann. Der Kläger war als Arbeitsloser darauf angewiesen, eine Arbeitsstelle zu finden (vgl. zur Bedeutung einer Arbeitsstelle BVerfG - 27.01.1998 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE 97, 169). Daraus folgt eine Weisungsgebundenheit in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Verrichtung, der sich der Kläger vereinbarungsgemäß auch unterworfen hat (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt BSG, a.a.O.). Bereits in dem Schreiben vom 7. August 2015 hat der Beigeladene bestätigt, dass eine "Beaufsichtigung/Anleitung" des Klägers bei der Fahrt stattgefunden hat. Die Frau des Klägers bestätigt, dass sich dieser vergleichbar einem Beschäftigten aus seinen Arbeitspausen zwischenzeitlich gemeldet habe. Dies verdeutlicht die Weisungsgebundenheit bezüglich der Zeit und der Art der Tätigkeit.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die unfallbringende Verrichtung nicht deshalb dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen, weil sie im Zusammenhang mit einer Arbeitssuche oder Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages gestanden hat (vgl. hierzu BSG, 30.1.1986 - 2 RU 1/85 - NZA 1986, 542). Sie diente auch nicht der Vorstellung bei dem Beigeladenen als potentielle Arbeitgeberin (vgl. hierzu BSG, 20.1.1987 - 2 RU 15/86 - SozR 2200 § 539 Nr. 119). Eine solche Zweckbindung ist nicht ersichtlich. Insbesondere fand nach den insoweit übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Beigeladenen bereits am Vortag ein Vorstellungsgespräch statt. Bei dieser Gelegenheit wäre es auch unproblematisch möglich gewesen, dem Kläger die im Betrieb vorhandenen, eingesammelten Abfälle zu zeigen, um ihm einen Eindruck von der Beschäftigung und dem Transportgut zu vermitteln. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die unfallbringende Tätigkeit erst im Rahmen der Anbahnung eines späteren potentiellen Beschäftigungsverhältnisses erfolgte, in der das arbeitgeberische Direktionsrecht nur eingeschränkt gilt, weil der Arbeitgeber ihm weder quantitativ oder qualitativ eine bestimmte Arbeitsleistung abverlangen kann, und damit als eigenwirtschaftliche Handlungstendenz die Erlangung eines Arbeitsplatzes weit im Vordergrund gestanden hätte (vgl. LSG München, 25.1.2011 - L 3 U 5/09 - juris; LSG Niedersachsen-Bremen, 25.01.2007, L 14 U 70/05, juris; Hessisches LSG, 30.9.2011 - L 9 U 46/10 - Rn. 40, juris).
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Dass am Unfalltag ein wirksamer Arbeitsvertrag noch nicht zustande gekommen war und die unfallbringende Verrichtung möglicherweise auch der Begründung des in Aussicht gestellten Arbeitsvertrages gedient hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. An einer die Beschäftigung charakterisierenden fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung eines Verhaltens fehlt es erst dann, wenn mit ihm im Wesentlichen allein eigene Angelegenheiten verfolgt werden (BSG, 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 6 = NZS 2006, 375). Das Abrede gemäß erfolgte Mitfahren und auch das unfallbringende Verhalten des Verladens auf der Rampe diente indes auch der Erfüllung der mit der Mitnahme einhergehenden Pflichten. Nach den Angaben des Zeugen M. H. hatte der Kläger zuvor Mülltonnen herausgeholt. Dies war ein wesentlicher Teil der vereinbarten Tätigkeit.
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Angesichts der Versicherung als Beschäftigter war die eines "Wie-Beschäftigten" i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (dazu BSG, 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 30, Rn. 21) nicht mehr zu prüfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtslage für Probearbeit und unbezahlte Probearbeitsverhältnisse auch unter Berücksichtigung der Leitentscheidung des Bundessozialgerichts (14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27, Rn. 17) noch nicht geklärt erscheint (siehe auch BSG, 30.10.1974 - 2 RU 50/73 - Rn. 2, juris; BSG, 13.3.1997 - 11 RAr 25/96 - SozR 3-4100 § 119 Nr 11, Rn. 27; weiter BAG, 18.6.1997 - 4 AZR 728/95 - Rn. 49, juris; BAG, 28.2.1985 - 2 AZR 536/83 - Rn. 18, juris; BFH, 16.12.2015 - VI R 6/15 - Rn. 15, juris).